AUSGABE 01 / 2016 PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE · mit Mastzellstabilisatoren, Antihistaminika,...

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TOPIC Medikamentöse Therapie der Rhinitis allergica im Kindes- und Jugendalter JOURNAL CLUB Spezifische Immuntherapie bei allergischer Rhinitis schützt vor Asthma AUSGABE 01 / 2016 IN KLINIK UND PRAXIS PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE TOPIC „Lost in Transition“: Brauchen wir besondere Konzepte in der Allergologie DER PNEUMOLOGISCHE FALL Asthma bronchiale, chronische Rhinosinusitis und Urtikaria bei Fieber

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TOPICMedikamentöse Therapie der Rhinitis allergica im Kindes- und Jugendalter

JOURNAL CLUBSpezifische Immuntherapie bei allergischer Rhinitis schützt vor Asthma

AUSGABE 01 / 2016

IN KLINIK UND PRAXIS

PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE

TOPIC„Lost in Transition“: Brauchen wir besondere Konzepte in der Allergologie

DER PNEUMOLOGISCHE FALLAsthma bronchiale, chronische Rhinosinusitis und Urtikaria bei Fieber

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Editorial 3

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

195 Länder haben kürzlich auf dem Klima-gipfel in Paris dem Vertrag zugestimmt, der sie verpflichtet, Mechanismen ein-zuhalten, um die Erderwärmung deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen. Dies ist je-ner Wert, von dem an Wissenschaftler vor unkalkulierbaren Folgen des Klimawan-dels warnen. Im Laufe der 2. Hälfte des Jahrhunderts sollen keine Treibhausgase mehr die Atmosphäre belasten. Ob wir da-mit dem immer frühzeitiger stattfinden-den Pollenflug Einhalt gebieten können, sei dahingestellt – für eine Gesellschaft aber, die den Namen „Umweltmedizin“ im Namen trägt, ist es ein Grund zur Freude. Diese Ausgabe Ihrer Zeitschrift erscheint pünktlich zum Beginn der Pollenflugsai-son und – fast – alles dreht sich um die allergische Rhinitis.

Der erste Topic-Artikel behandelt die me-dikamentöse Therapie der allergischen Rhinitis. Orale und topische Antihistami-nika und topische Steroide sind die erste Wahl bei der Behandlung der häufigsten allergischen Erkrankung und zum Teil schon im Vorschulalter zugelassen. Frau Sperl, Herr Prof. Klimek und ich haben versucht, Ihnen auch über Tabellen die Auswahl einer altersangepassten Appli-kationsform zu erleichtern.

Bei nicht ausreichender Wirksamkeit der oralen oder topischen Therapie wird die spezifische Immuntherapie (SIT) emp-fohlen, die ab dem 6. Lebensjahr zugelas-sen ist und seit vielen Jahren, auch bei Kindern und Jugendlichen, erfolgreich

angewandt wird, auch wenn die Studi-enlage für diese Altersgruppe mehr als dürftig ist.

Basierend auf der Therapieallergenver-ordnung und der neuen Leitlinie sind die Präparate zur SIT in den letzten Wochen zu einem Zankapfel der verschieden Her-stellerfirmen geworden, was zu unnöti-gen Auseinandersetzungen zwischen verordnenden Ärzten und KVen und Krankenkassen geführt hat. Deshalb ist es uns wichtig, in dieser Zeitschrift die-ses Problem von verschiedenen Seiten zu beleuchten und Ihnen u. a. die Stand-punkte Ihrer Fachgesellschaften mitt-zuteilen, die sich nicht mit den Vorstel-lungen mancher Allergenhersteller und Meinungsbildner decken. Wir wollen Sie einerseits für diese Problematik sensi-bilisieren, Ihnen andererseits aber auch Hilfen an die Hand geben, mit denen Sie sich gegen ungerechtfertigte Anschuldi-gungen wehren können.

Der zweite Topic-Artikel bespricht das Thema Transition. Gerald Ullrich legt Wert darauf, dass Transition nicht nur das Zeitfenster beschreibt, in dem der Jugendliche in die Erwachsenen-Ambu-lanz wechselt, sondern die Maßnahmen, die ihn befähigen sollen, seine Gesund-heitsfragen mit den konkurrierenden An-forderungen seines Lebens in Einklang zu bringen und im besten Fall ihn in die Lage zu versetzen, sich seinen Arzt ver-antwortungsvoll selbst auszusuchen. Weiterhin finden Sie die Artikel aus den

verschiedenen Ressorts u. a. zu Immun-defekten, Umweltmedizin, dem Journal Club und den pneumologischen Fall, der eine seltene Ursache der chronischen Rhinitis beschreibt.

In diesem Jahr hat die GPA erstmals die Lucie Adelsberger-Medaille verliehen, eine Auszeichnung, die an die jüdische Kinderärztin und erste pädiatrische Aller-gologin erinnern soll; Lucie Adelsberger hat Auschwitz überlebt und ist anschlie-ßend in die USA emigriert. Ausführliche Informationen zu Lucie Adelsberger, aber auch zu den anderen in diesem Jahr ver-liehenen Preisen finden Sie in diesem Heft.

Ich hoffe, dass wir dazu beitragen konn-ten, dass durch die Lektüre dieser Aus-gabe Ihrer Zeitschrift viele Ihrer Fragen beantwortet werden konnten, aber auch ebenso viele neu generiert wurden.

Ihnen und Ihren Familien wünsche ich ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr.

Ihr Ernst Rietschel

PD Dr. med. Ernst Rietschel

Klinik und Poliklinik für Kinder- und

Jugendmedizin der Uniklinik Köln

Kerpener Str. 62 | 50924 Köln

[email protected]

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Impressum 5

Herausgeber: Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e. V., Rathausstraße 10, 52072 Aachen, Tel. 02 41/98 00-4 86, Fax 02 41/98 00-2 59, [email protected],

E www.gpau.de

Verlag: iKOMM • Information und Kommunikation im Gesundheitswesen GmbH, Friesenstraße 14, 53175 Bonn, Tel. 02 28 /37 38 41, Fax 02 28 /37 38 40, [email protected], E www.ikomm.infoVerlagsleitung: Dr. Ulrich Kümmel

Schriftleitung: Prof. Dr. med. Albrecht Bufe, Experimentelle Pneumo-logie, Ruhr Universität Bochum, 44780 Bochum, [email protected]; Dr. med. Armin Grübl, Kinderklinik München- Schwabing, Klinik und Poliklinik f. Kinder- und Jugendmedizin der TUM, Kölner Platz 1, 80804 München, [email protected]; PD Dr. med. Ernst Rietschel, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln, Kerpener Str. 62, 50924 Köln, [email protected];

Prof. Dr. med. Christian Vogelberg, Universitätskli-nikum Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, [email protected]

Ressortschriftleiter: Dr. med. Peter J. Fischer, Schwäbisch Gmünd (Elternratgeber); Dr. med. Frank Friedrichs, Aachen (Gesundheitspolitik); Dr. med. Michael Gerstlauer, Klinikum Augsburg, Klinik für Kinder und Jugendliche, 86156 Augsburg (Fragen an den Allergologen); Dr. med. Thomas Lob-Corzilius, Kinderhospital Osnabrück, 49082 Osnabrück (Umweltmedizin); PD Dr. med. Hagen Ott, Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, 22149 Hamburg (Pädiatrische Dermatologie), Prof. Dr. med. Jürgen Seidenberg, Elisabeth-Kinderkrankenhaus, 26133 Oldenburg (Pädiatrische Pneumologie); Prof. Dr. med. Volker Wahn, Charité Campus Virchow, Klinik m. S. Pädiatri-sche Pneumologie und Immunologie, 13353 Berlin (Pädiatrische Immunologie)

Redaktion: Dr. med. Susanne Meinrenken, Am Schäferhof 3, 28759 Bremen, [email protected]

Bildnachweis: Bechara Y. Ghorayeb, Houston, Texas: S. 20 | Bouvier-Verlag, Bonn: S. 27 unten, S. 29 | fotolia.com: Titelseite: coldwaterman, S. 9: falonkoontz, S. 14: Photographee.eu, s. 15: Monkey Business, S. 39: pho-tophonie, S. 42: contraswerkstatt, S. 44: Maren Winter, S. 45 oben: coldwaterman, S. 48: Picture-Factory | iKOMM GmbH, Bonn: S. 38 | Klinikum Oldenburg: S. 19, S. 22 | Willi Müller-Sieslak: S. 25, S 26, S. 27 oben | PD Dr. Ernst Rietschel: S. 3 | Dr. Thomas Spindler: S. 45 unten

Anzeigenleitung: iKOMM GmbH, Albrecht Habicht. Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 16 vom 1. Januar 2014

Erscheinungsweise: Die Pädiatrische Allergologie in Klink und Praxis er- scheint vierteljährlich jeweils am Beginn des Quartals.

Bezugspreise: Einzelheft (eJournal): 15,00 Euro, Jahresabonnement: 42,00 Euro, Jahresabonnement für Studenten (bei Vorlage einer Bescheinigung): 31,50 Euro

Layout: kippconcept gmbh, Bonn

ISSN: 2364-3455

Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis, 19. Jg / Nr. 1

TOPIC

6 Medikamentöse Therapie der Rhinitis allergica im Kindes- und Jugendalter Ist bei allergischer Rhinitis die Allergenkarenz nicht möglich, ist eine medikamentöse Thera-pie angezeigt. Zurzeit ist die Gabe topischer Glukokortikosteroide die effektivste Form der pharmakologischen Behandlung und daher zusammen mit den nichtsedierenden Antihistaminika erste Wahl, inzwischen steht ein entsprechendes Kombinationspräparat zur Verfügung.

14 „Lost in Transition“: Brauchen wir besondere Konzepte in der Allergologie? Warum Kinder beim Übergang zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin „verloren“ gehen können und welche Maßnahmen nötig sind, eine Weiterbehandlung beim Facharzt zu ermöglichen, beschreibt der Autor in diesem Beitrag.

WEITERE THEMEN

20 Der pneumologische Fall Asthma bronchiale, chronische Rhinosinusitis und Urtikaria bei Fieber

IN EIGENER SACHE

25 Zwei bekannte und ein neuer Preis – die GPA verlieh auch 2015 Preise an herausragende Projekte und Persönlichkeiten

WEITERE THEMEN

31 Gesundheitspolitik Reale Kosten einer SIT

Verordnungsforum der KV Baden-Württemberg befasst sich mit der allergenspezifischen Immuntherapie

38 Aktuelle Fragen an den Allergologen Allergische Rhinokonjunktivitis

40 Neue Immundefekte Was gibt es Neues über schwere kongenitale

Neutropenien?

42 Umweltmedizin Wie problematisch ist Triclosan in der Medizin und der Umwelt?

JOURNAL CLUB

44 Spezifische Immuntherapie bei allergischer Rhinitis schützt vor Asthma

IN EIGENER SACHE

46 Stellungnahme des GPA-geschäftsführenden Vorstands

VERANSTALTUNGEN

48 Termine

Inhalt / Impressum

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Topic6

Medikamentöse Therapie der Rhinitis allergica im Kindes- und JugendalterAktuelle Standards und Neue EntwicklungenLudger Klimek, Annette Sperl, Zentrum für Rhinologie und Allergologie, Wiesbaden und Ernst Rietschel, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln

Die allergische Rhinitis weist eine weiterhin steigende Inzidenz auf und ist häufig mit Komorbiditäten wie Asthma bronchiale oder atopischem Ekzem assoziiert. Ist die Karenz der allergenauslösenden Stoffe nicht möglich, ist eine medikamentöse Therapie mit Mastzellstabilisatoren, Antihistaminika, Glukokortikosteroiden (GKS), Leukotrienrezeptor-Antagonisten und Dekongestiva sowie eine allergenspezifische Immuntherapie als kausale Behandlung indiziert. Zurzeit ist bei Typ-I-Reaktionen, wie der Rhinitis allergica, die Gabe topischer Glukokortikosteroide die effektivste Form der pharmakologischen Behandlung und daher zusammen mit den nichtsedierenden Antihistaminika erste Wahl. Als neues Wirkprinzip steht die nasale Gabe der Kombination von einem Glukokortikoid und einem Antihistaminikum zur Verfügung.

Die allergische Rhinitis (AR) betrifft ca. 10 – 20 % der globalen Population [4]. In der KIGGS-Studie (Bundesgesund-heitsblatt, Ausgabe Juli 2014) wurde für Jungen eine Lebenszeitprävalenz von 12,5 %, für Mädchen von 8,9 % ermittelt. Die AR ist häufig mit anderen aller gisch bedingten Komorbiditäten wie Asthma und dem atopischen Ekzem assoziiert. Als erste Behandlungsmaßnahme soll-ten alle Möglichkeiten der Allergenkarenz genutzt werden. Diese sind insbeson-dere bei Sensibilisierungen gegenüber Hausstaubmilben und Tierhaaren (Hund, Katze, Pferd) Erfolg versprechend. Zum heutigen Zeitpunkt beinhaltet die medikamentöse Therapie der AR die Gabe von Mastzellstabilisatoren, Anti-histaminika, Glukokortikosteroiden (GKS), Leukotrienrezeptor-Antagonisten und Dekongestiva.

MastzellstabilisatorenDie Substanzen Cromoglicinsäure und Nedocromil haben eine stabilisierende Wirkung auf die Histamin produzieren-den Mastzellen, indem sie deren De-granulationsprozess blockieren [32]. Vorteile der Wirkstoffe sind die gute Ver-

träglichkeit und das geringe Nebenwir-kungsprofil, sodass sie bei Kleinkindern und Schwangeren bzw. stillenden Frauen eingesetzt werden können. Ein Nachteil dieser Therapieform ist die notwendige 4-mal tägliche Anwendung, die Proble-me bei der Compliance mit sich bringen kann. Darüber hinaus zeigen Mastzell-stabilisatoren im Vergleich zu anderen pharmakologischen Substanzen, wie An-tihistaminika und GKS, eine schwächere Wirkung auf die nasalen Symptome (Tab. 2). Diese Wirkstoffe spielen dementspre-chend nur noch eine untergeordnete Rol-le bei der Therapie der AR [4].

AntihistaminikaAntihistaminika blockieren zellständige Histaminrezeptoren und reduzieren so-mit die Wirkung von Histamin im Gewe-be. Histamin entfaltet seine Wirkung auf die Zellen über 4 Histaminrezeptoren (H1, H2, H3 und H4). Da für die allergische Sofortreaktion hauptsächlich die H1-Re-zeptoren verantwortlich sind, werden für die Behandlung der AR zurzeit nur H1-An-tihistaminika eingesetzt. Erste klinische Studien zur Wirksamkeit von H3-Anti-histaminika weisen jedoch ebenfalls auf

einen potenziellen Nutzen bei der Redu-zierung der nasalen Symptome hin [40].

Grundsätzlich unterscheidet man bei den H1-Antihistaminika Substanzen der ersten und zweiten Generation. Die erste Generation der H1-Antihistaminika weist eine ausgeprägte sedierende Wirkung auf, die sich negativ auf Leistungsfähigkeit und motorische Fähigkeiten auswirken kann [18]. H1-Antihistaminika der zweiten Generation können hingegen aufgrund ihres hydrophilen Charakters nur im ver-ringerten Maße die Blut-Hirn-Schranke passieren und haben dadurch nur geringe bis gar keine sedierenden Eigenschaften. Bei der Therapie der AR werden dem-entsprechend die Präparate der zweiten Generation bevorzugt [4]. Die neueren Antihistaminika wie Levocetirizin, Deslo-ratadin, Fexofenadin, Ebastin, Rupatadin, Olopatadin und Bilastin sind weiterent-wickelte Formen der Antihistaminika der zweiten Generation (Cetirizin, Loratidin) und werden oftmals als Antihistaminika der dritten Generation bezeichnet.

H1-Antihistaminika stehen sowohl für den systemischen als auch topischen

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Einsatz zur Verfügung (Tab. 1, Tab. 2). Der Vorteil der beiden Anwendungsformen ist, dass sie effektiv die meisten Sympto-me der AR verbessern, z. B. Rhinorrhoe, Pruritus und auch okuläre Symptome. Die nasale Obstruktion wird jedoch bes-ser durch die topische Anwendungsform reduziert. Topische Antihistaminika, wie z. B. Azelastin, haben eine besondersschnell eintretende Wirkung innerhalb von ca. 15 Minuten und sind daher be-sonders sinnvoll bei akut auftretenden

Beschwerden [14]. Nachteilig ist jedoch die kürzere Wirkdauer, sodass eine 2-mal tägliche Applikation erforderlich ist, wäh-rend die meisten oralen Antihistaminika in einer einzigen Tagesdosis eingenom-men werden können. Im Vergleich zu nasalen GKS gibt es kein einheitliches Ergebnis. Während einige Studien den nasalen GKS eine bessere Wirksamkeit zuschreiben [43], zeigen andere Studien, dass beide Therapieformen eine ähnli-che Effektivität aufweisen [16].

Neue und in der Pädiatrie bislang wenig bekannte Antihistaminika sind Rupatadin, Bilastin und Olopatadin (bisher nur als Au-gentropfen zugelassen). Diese modernen Antihistaminika sollen neben der H1-blo-ckierenden Wirkung weitere antiinflam-matorische Eigenschaften aufweisen.

Topische Glukokortikosteroide (GKS)Topische GKS binden an intrazelluläre Glu-kokortikoidrezeptoren und aktivieren da-durch den Rezeptorkomplex. Dieser ent-

Tabelle 1. Systemische H1-Antihistaminika

Wirkstoff Handelsname Applikationsform Konzentration Tagesdosis Zulassungsalter

Azelastin Allergodil Filmtablette 2 mg/Tbl. 2-mal 1 Tbl. ≥ 6 Jahre

Cetirizin Zyrtec, u.a. Saft 1 mg/ml 2 – 6 Jahre: 2-mal 2,5 ml 6 – 12 Jahre: 2-mal 5 ml > 12 Jahre: 10 ml

≥ 2 Jahre

Tropfen 10 mg/ml 2 – 6 Jahre: 2-mal 2,5 mg = 2-mal 5 Tr.

6 – 12 Jahre: 2-mal 5 mg = 2-mal 10 Tr.

> 12 Jahre: 10 mg = 20 Tr.

≥ 2 Jahre

Filmtablette 10 mg/ml 6 – 12 Jahre: 2-mal 0,5 Tbl. > 12 Jahre: 1 Tbl.

≥ 6 Jahre

Desloratadin Aerius, u. a. Lösung 0,5 mg/ml 1 – 5 Jahre: 2,5 ml 6–11 Jahre: 5 ml ≥ 12 Jahre: 10 ml

≥ 1 Jahr

Filmtablette 5 mg/ml 1 Tbl. > 12 Jahre

Schmelztablette 2,5 mg/ml 6 – 11 Jahre: 1 Tbl. ≥ 12 Jahre: 2-mal 1 Tbl.

≥ 6 Jahre

5 mg/ml ≥ 12 Jahre: 1 Tbl.

Ebastin Ebastel Filmtablette 10 mg/Tbl. 1 – 2 Tbl. ≥ 12 Jahre

20 mg/Tbl. 1 Tbl.

Fexofenadin Telfast, u. a. Filmtablette 30 mg/Tbl. 6 – 12 Jahre: 1 Tbl. ≥ 6 Jahre

120 mg/Tbl. 1 Tbl. > 12 Jahre

Levoceterizin Xusal, u. a. Saft 0,5 mg/ml 2 – 6 Jahre: 2-mal 2,5 ml > 6 Jahre: 10 ml

≥ 2 Jahre

Tropfen 5 mg/ml 2 – 6 Jahre: 2-mal 5 Tr. > 6 Jahre: 20 Tr.

≥ 2 Jahre

Filmtablette 5 mg/Tbl. 1 Tbl. ≥ 6 Jahre

Loratadin Loraderm, u. a. Tablette 10 mg/Tbl. 1 Tbl. > 6 Jahre (≥ 30 kg KG)

Mizolastin Zolim Tablette 10 mg/Tbl. 1 Tbl. ≥ 12 Jahre

Rupatadin Urtimed Tablette 10 mg/Tbl. 1 Tbl. ≥ 12 Jahre

Lösung 1 mg/ml 5 ml ≥ 6 Jahre (≥ 25 kg KG)

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faltet seine Wirkung mittels Transakti-vierung und Transrepression [2]. Bei der Trans aktivierung interagiert der Rezeptor- komplex mit GREs (glucocorticosteroid response elements) von glukokortikoid- abhängigen Genen und bewirkt so die Stei-gerung der Expression antiinflammatori-scher Proteine [2]. Bei der Transrepression kommt es durch Protein-Protein-Inter- aktionen zu einer supprimierten Expres- sion proinflammatorischer Proteine [2].

Interessanterweise gibt es neben diesen zeitaufwendigen Mechanismen rezep-torunabhängige Sofortwirkungen. So kann z. B. die Gefäßexsudation in der al-lergischen Sofortphasenreaktion bereits 5 – 10 Minuten nach Applikation nasaler GKS signifikant reduziert, die allergenin-duzierte Expression des Adhäsionsmole-küls E-Selektin bereits nach 30 Minuten signifikant gehemmt werden [20, 30] .

Der größte Vorteil der nasalen GKS liegt darin, dass sie alle nasalen Symptome wirksam unterdrücken (Tab. 2). GKS sind im Allgemeinen gut verträglich und lokale Nebenwirkungen beschränken sich meist auf Epistaxis, nasale Trocken-heit, Irritationen im Rachenbereich und Kopfschmerzen. Systemische Neben-wirkungen, wie sie bei systemischer Gabe von GKS entstehen, treten nur sel-ten auf und eine Wachstumshemmung bei Kindern konnte bisher nur bei der Gabe von Beclomethasondipropionat nachgewiesen werden [38]. Trotzdem sollte bei langfristiger Gabe das Wachs-tum von Kindern regelmäßig überprüft werden. Ein Nachteil der GKS liegt darin, dass sie im Gegensatz zu Antihistami-nika, einen spät eintretenden maxima-len Wirkeintritt nach einem Intervall von bis zu 2 – 3 Wochen haben. Die Therapie muss dementsprechend früh begonnen

und regelmäßig angewendet werden und sollte nicht „bei Bedarf“ erfolgen. Auf-grund ihres guten Wirkungsprofils sind nasale GKS jedoch momentan die erste Wahl bei der Behandlung der AR.

Das klinische Phänomen einer Hyposmie bei allergischer Rhinitis wird häufig be-schrieben. Oft wird die Region der Rima olfactorii in die allergische Entzündung miteinbezogen, woraus sich eine Riech-störung ergibt. In einer randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Studie beschäftigten sich Sivam et al. mit dem Effekt von Mometasonfuorat (MF) auf die Riechfähigkeit, wobei 17 Patienten mit einer intermittierenden allergischen Rhinitis und reduziertem Riechvermögen eingeschlossen wurden [37]. Die Patienten erhielten für 2 Wochen während ihrer Hauptbeschwerden MF oder ein Plazebo. Geprüft wurden vor und

Tabelle 2. Topische Medikation: H1-Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren und Glukokortikoide

Wirkstoff Handelsname Konzentration Tagesdosis Zulassungsalter

Topische H1-Antihistaminika (Nasenspray)

Azelastin Allergodil, u. a. 0,14 mg 2-mal 1 bds. ≥6 Jahre

Levocabastin Livocab 0,05 mg 2-mal 2 bds. ≥1 Jahr

Topische Mastzellstabilisatoren (Nasenspray)

Cromoglycinsäure Allergocrom, u. a. 20 mg/ml 4- bis 6-mal 1 bds. Keine Beschränkung

Topische Glukokortikoide (Nasenspray)

Beclomethason Beclomet 0,05 mg 2-mal 2 bds. ≥ 6 Jahre

Rhinivict, u. a. 0,1 mg 2-mal 1 bds.

Budesonid Pulmicort topinasal

0,064 mg 1 – 2 bds. ≥ 6 Jahre

Budapp, u. a. 0,05 mg 1 – 2 bds. ≥ 6 Jahre

Flunisolid Syntaris 0,025 mg 3-mal 1 bds. ≥5 Jahre

Fluticasonfuroat Avamys 0,027 mg 6 – 11 Jahre, 1 bds. ≥ 12 Jahre 2 bds.

≥ 6 Jahre

Fluticasonpropionat Flutide nasal, u.a. 0,05 mg 4 – 11 Jahr 1 bds. ≥ 12 Jahre 2 bds.

≥ 4 Jahre

Mometasonfuroat Nasonex 0,05 mg 6 – 11 Jahre 1 bds. ≥ 12 Jahre 2 bds.

≥ 6 Jahre

Fluticasonpropionat + Azelastin

Dymista 0,05 mg 0,125 mg

2-mal 1 bds. > 12 Jahre

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nach Therapie die Nasendurchgängig-keit mittels nasaler Peak-flow-Messung, die Riechfunktion sowie ein Lebensqua-litätsindex. Die Behandlung ging einher mit reduzierter nasaler Entzündung und verminderter Eosinophilenaktivität in der Olfaktoriusregion im Vergleich zur Kon-trollgruppe. Somit konnte die Beteiligung der Olfaktoriusregion im Rahmen des al-lergischen Entzündungsprozesses und deren erfolgreiche Behandlung mit dem topischen Kortikosteroid MF gezeigt wer-den [37].

Leukotrienrezeptor-AntagonistenEs ist bekannt, dass im Rahmen der aller-gischen Entzündungskaskade neben Hista min und verschiedenen Zytoki-nen auch Leukotriene (LT) wie Cystein-Leuko triene (CysLT) eine entscheidende Rolle spielen, v. a. bei Patienten mit ei-ner persistierenden allergischen Rhini-tis. Cysteinyl-Leukotriene (Cys-LT) sind potente Entzündungsmediatoren. Das Enzym 5-Lipooxygenase (5-LO) kataly-siert die Entstehung von LT aus Arachi-donsäuremetaboliten. LT spielen neben Histamin in einer Reihe von allergologi-schen Krankheitsbildern eine herausra-gende Rolle. So ist die Einwanderung von eosinophilen Granulozyten in der Pa-thogenese v. a. durch LT vermittelt. LT führen zu einer starken Bronchokonstrik-tion, erhöhten Kapillarpermeabilität und vermehrten Sekretion der Schleimdrüs-en [35]. Leuko trienrezeptor-Antagonisten unterbinden diesen Vorgang, indem sie entweder als kompetitive Inhibitoren den Rezeptor selber blockieren (Monte-lukast, Zafirlukast, Pranlukast) oder das Enzym 5-Lipoxygenase inhibieren (Zi-leuton), welches an der Entstehung der Leukotriene beteiligt ist. Medikamente mit antileukotriener Wirkung könnten demnach in der Behandlung allergischer Krankheitsbilder in Zukunft eine wichti-gere Rolle spielen. In Deutschland ist als Leukotrienrezeptor-Antagonist nur Mon-

telukast zur Behandlung des Asthma bronchiale bei Erwachsenen und Kindern zugelassen.

In der Behandlung der AR sind Leuko-trienrezeptor-Antagonisten effektiver als Plazebo und weisen eine etwas geringere Wirkstärke als orale H1-Antihistaminika auf [34]. Lehtimäki et al. untersuchten 2009 in einer randomisierten, doppel-blinden, plazebokontrollierten Studie an 45 Pollenallergikern mit Symptomen in den oberen und unteren Atemwegen sowie außerhalb der Atemwege (Kon-junktivitis, orales Allergiesyndrom, Urti-caria) die Effektivität von Montelukast als Monotherapie. Unterschiede zwi-schen Plazebo und Verum ergaben sich hier lediglich im Verbrauch inhalativer β2-Agonisten (LABA) bei den Patienten mit asthmatischen Beschwerden. Eine signifikante Verbesserung der Sympto-me der allergischen Rhinitis und anderer allergischer Symptome konnte hier nicht festgestellt werden [24].

In Kombination mit einem oralen H1-An-tihistaminikum zeigen Leukotrienrezep-tor-Antagonisten eine höhere Wirksam-keit als orale H1-Antihistaminika allein, weshalb die Wirkstoffe zusammen ein-gesetzt werden können [34]. Day et al. haben 2009 die Effektivität von Monte-lukast mit Loratadin gegen Plazebo und Phenylephrin in der symptomatischen Therapie der AR in der Pollenexpositi-onskammer untersucht [9]. Gemessen wurden die nasale Obstruktion mittels „nasal congestion score“ und Rhinoma-nometrie sowie extranasale Symptome mittels „total symptom score“ nach 6 Stunden. Hier zeigte sich die Montelu-kast-Loratadin-Kombination in allen Wer-ten signifikant dem Plazebo und auch Phenylephrin überlegen. Problematisch ist hier allerdings das Studiendesign, da eine Beurteilung der Montelukast-Lorata-din-Kombination gegenüber einer Mono-

therapie mit Loratadin nicht berücksich-tigt wurde [9].

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen 2009 auch Prenner et al., die an 1095 AR- Patienten die Effektivität einer Monte-lukast-Loratadin-Kombination gegenüber Plazebo und Pseudoephedrin unter-sucht haben. Hier wurden keine signi-fikanten Unterschiede zwischen Monte- lukast-Loratadin und Pseudoephedrin bezogen auf die subjektive nasale Obstruktion, Rhinomanometrie und Lebens qualität beobachtet. Beide The-rapien waren signifikant dem Plazebo überlegen. Allerdings zeigten sich bei der Therapie mit Montelukast-Loratadin signifikant weniger Nebenwirkungen gegenüber der Therapie als mit Pseudo-ephedrin [31].

Cingi et al. untersuchten in einer mul-tizentrischen, prospektiven, randomi-sierten, plazebokontrollierten Parallel-gruppenstudie an 275 Patienten mit 3 Behandlungsarmen über 21 Tage (A = alleinige Therapie mit Fexofenadin, B = Kombination von Fexofenadin mit Monte-lukast, C = Kombination von Fexofenadin

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mit Plazebo) die Effekte der Kombination gegen die Einzelsubstanzen während der Pollensaison [7]. Dabei ergab sich ein statistisch signifikanter Behandlungs-vorteil für Therapieoption B (Kombina-tion von Fexofenadin und Montelukast) sowohl auf subjektiver Ebene (Patienten-tagebuch) als auch anhand von objek-tiven Parametern (Rhinomanometrie).

Ein Vorteil der Leukotrienrezeptor-Ant-agonisten scheint somit zu sein, dass sie sowohl bei Asthma als auch der AR eine Wirksamkeit aufweisen, sodass Patienten mit einer Komorbidität hier-von profitieren. Nur für diese Gruppe ist der Wirkstoff Montelukast momentan in Deutschland zugelassen. Aufgrund der überlegenen Wirksamkeit der nasalen GKS (Tab. 2) stellen Leukotrienrezeptor- Antagonisten bei der Behandlung der AR nur die zweite Wahl dar.

Dekongestiva (α-Sympathomimetika)Für die akute Behandlung der AR werden α-Sympathomimetika eingesetzt, welche an α-Adrenorezeptoren binden und diese aktivieren (Tab. 2 und Tab. 3). Die Folge ist eine Vasokonstriktion der nasalen Mu-kosa, die zu einer verringerten Füllung der Kapazitätsgefäße und somit zu einem Abschwellen der Schleimhäute führt.

Die Gabe der Substanzen kann sowohl topisch als auch systemisch erfolgen. Ein Vorteil der Dekongestiva ist die schnell eintretende Wirkung. Allerdings reduzie-ren sie lediglich die nasale Obstruktion und keine weiteren Symptome. Zu den Nebenwirkungen der systemischen Me-dikamente gehören Tachykardien, Un-ruhe, Schlaflosigkeit und Hypertonie [15]. Bei der topischen Nutzung der Dekon-gestiva kann es zu nasaler Trockenheit und Niesreiz kommen. Eine langfristige Nutzung kann zudem zu der Entwick-lung einer Rhinopathia medicamentosa

führen. Dementsprechend sollte die The-rapie mit Dekongestiva nicht länger als 3 – 5 Tage andauern [4].

Vergleich der TherapiestrategienBernstein ging in einer Metaanalyse der Frage nach, inwieweit die für die allergi-sche Rhinitis zugelassenen Medikamen-te effektiv nasale Symptome behandeln, wenn sie in der zugelassenen Dosierung eingenommen werden [3]. Dabei wurden in die Auswertung Daten aus 54 rando-misierten, plazebokontrollierten Studien mit mehr als 14.000 Erwachsenen und 1580 Kindern mit allergischer Rhinitis eingeschlossen (38 Studien mit inter- mittierender allergischer Rhinitis – 11.980 Erwachsene und 946 Kinder bzw. 12 Stu-dien mit persistierender allergischer Rhi-nitis – 3800 Erwachsene und 366 Kinder).

Bei der Auswertung mittels Totalem Na-salen Symptom-Score (TNSS) ergaben sich nach Behandlung folgende Werte für die Reduktion der Beschwerden bei intermittierender allergischer Rhinitis:❙❙ nasale Antihistaminika = – 22,2 %❙❙ orale Antihistaminika = – 23,5 %❙❙ topische GKS = – 40,7 %; ❙❙ Plazebo = – 15,0 %

Für die persistierende allergische Rhini-tis zeigten sich folgende Ergebnisse:❙❙ orale Antihistaminika = – 51,0 %,❙❙ topische GKS = – 37,3 %❙❙ Plazebo = – 24,8 %

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die GKS in der Therapie der AR am effektivsten sind; diese sind auch bei der persistierenden AR mit Erfolg anzuwen-den, wobei orale Antihistaminika hier in einigen Fällen effektiver sind.

Neue FixkombinationEine Weiterentwicklung und Verbesse-rung der heutigen pharmakologischen Therapieansätze für Patienten mit aller-

gischer Rhinitis sind notwendig, da trotz der zahlreichen vorhandenen Therapie-möglichkeiten bei vielen Betroffenen die Symptome nicht ausreichend gelindert werden können. Studien zeigen, dass etwa 40 % der Patienten eine Kombi-nationstherapie mit verschiedenen Prä- paraten anwenden [6, 8], obwohl der zusätzliche Nutzen eines zweiten Prä-parats in vielen Studien nicht belegt werden konnte [1, 11]. Demgegenüber besteht heute auch die Standard therapie des Asthma bronchiale in einer inhala-tiven Fixkombination eines langwirksa-men β-Mimetikums mit einem topischen Steroid.

Kürzlich konnte auch bei der allergischen Rhinitis für eine neue Fixkombination mit veränderten pharmakologischen Eigen-schaften eines nasalen GKS (Flutica-sonpropionat) und eines nasalen Anti- histaminikums (Azelastin) eine höhere Wirksamkeit bezüglich der Linderung der Symptome nachgewiesen werden als für die Gabe der einzelnen Wirkstoffe [44, 45, 46]. Diese Kombination beruht auf der initialen Studie von Ratner et al., die zwei verschiedene Nasensprays von Aze- lastin und Fluticasonpropionat anwen-deten [33]. Nachdem diese Studie er- folgreich war, konnte durch die Verän-derung der pharmakologischen Eigen-schaften dieser Präparate und Kom-bination der zwei Wirkstoffe in einem gemeinsamen Nasenspray die Wirkung sogar noch gesteigert werden [44, 45, 46]. Insgesamt wurde die Kombinations-therapie gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen (3,1 %), Dysgeusien (2,1 %) Erosionen der Mukosa (1,5 %) und Epistaxis (1,5 %) [46] [32]. Das Nebenwirkungsprofil unter-schied sich dabei nicht wesentlich von denen der Monopräparate. Der Wirkstoff ist auch in Deutschland zur Behandlung der allergischen Rhinitis ab 12 Jahren zu-gelassen.

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ComplianceIn der Praxis drängt sich manchmal die Frage auf, warum Kinder mit einer Rhinitis ungern Nasentropfen oder Nasensprays verabreicht bekommen. Interessant zu erfahren wäre deshalb, ob diese Annahme wirklich stimmt und welche Faktoren zu einer besseren Compliance führen. Wong et al. erhoben mit einem Fragebogen von Eltern und Betreuern bei 1- bis 15-jährigen Kindern Daten bezüglich Diagnose und Behandlung, Patientengebrauch der Me-dikation und Medikamentenwirkung bzw. bevorzugtem Applikationsweg [41]. Aus den 194 auswertbaren Dokumentations-bögen ergab sich folgendes Bild: Das Alter spielte eine entscheidende Rolle bei der Akzeptanz. Topische Nasensprays / Na-sentropfen zeigten eine bessere Compli-ance bei älteren Kindern (7 – 15 Jahre) als bei den jüngeren Patienten (1 – 6 Jahre) (OR = 2,383). Insgesamt lehnten 24,7 % der Kinder den nasalen Applikationsweg völlig ab. Interessant zu beobachten war, dass sich von denjenigen Kindern, die sich bezüglich einer Präferenz äußern konnten (n = 75), 73 % für eine orale Medi-kation entscheiden würden.

Allergenspezifische ImmuntherapieDie spezifische Immuntherapie (SIT) ist neben der Allergenkarenz die einzige

Behandlungsform, die ursächlich den Verlauf allergischer Erkrankungen, insbe-sondere den der allergischen Rhinokon-junktivitis, positiv beeinflussen kann. Ein wesentliches Ziel der Allergiebehandlung liegt in der Verhinderung der Krankheits-progression. Dieses Ziel kann derzeit ein-zig mit der SIT als krankheitsmodifizie-rende Behandlung erreicht werden [19].

Eine SIT wird entweder als subkutane Im-muntherapie (SCIT) oder als sublinguale Immuntherapie (SLIT) durchgeführt. Die Erfolgsrate der beiden Therapieformen ist abhängig vom Allergen, insbesondere die Pollenallergie kann mithilfe der SIT gut behandelt werden [19]. Es gibt Hinwei-se darauf, dass durch eine SCIT mit Bir-ken oder Gräserallergen das Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthma vermindert werden kann. Dieser Effekt ist auch nach 7 Jahren noch nachweisbar [27, 28] (s. a. Journal Club in dieser Aus-gabe). In der deutschen Leitlinie wird for-muliert, dass eine Indikation zur SIT dann besteht, wenn das verursachende Aller-gen nicht gemieden werden kann oder die Meidung nicht ausreichend wirksam ist. Andere Voraussetzungen sind [19]: ❙❙ Sensibilisierung gegen ein Aeroaller-

gen und Nachweis der klinischen Re-levanz; für perenniale Allergene ist

meist eine spezifische Provokation (nasal, konjunktival) unabdingbar.

❙❙ Die Wirkung der SIT muss für die zu behandelnde Erkrankung belegt sein; dies ist in der Regel aufgrund der Studienlage für die allergische Rhino-konjunktivitis und für das allergische Asth ma der Fall.

❙❙ Verfügbar sein muss ein geeigneter Al-lergenextrakt; gefordert wird der Wirk-samkeitsnachweis in einer klinischen Studie. Die Auswahl wird hier künftig leichter werden, da für alle neu zuge-lassenen Präparate entsprechende Studien vorgeschrieben sind.

❙❙ Voraussetzung für eine erfolgreiche SIT ist die Bereitschaft des Patienten, die Therapie über einen Zeitraum von 3 Jahren regelmäßig durchzuführen.

Als Faustregel kann die Immuntherapie empfohlen werden, wenn Symptome be-reits seit mindestens 2 Jahren bestehen und Allergenkarenz nicht möglich oder nicht ausreichend ist.

Unter den o. g. Voraussetzungen hat die SCIT in einer Metaanalyse bereits nach dem ersten Therapiejahr eine überlegene Effektivität bezüglich einer Symptommin-derung im Vergleich zur Pharmakotherapie [26]. Die meisten Nebenwirkungen bei der

Tabelle 3. Alpha-adrenerge Dekongestiva

Wirkstoff Handelsname Applikationsform Konzentration Tagesdosis Zulassungsalter

Oxymetazolin-hydrochlorid

Nasivin u. a. Dosiertropfer 0,1 mg/ml 2- bis 3-mal 1 – 2 Geburt

Dosierspray 0,25 mg/ml 1- bis 3-mal 1 ≥ 1 – 6 Jahre

Tropfen / Spray 0,5 mg/ml 1- bis 3-mal 1 > 6 Jahre

Tetrazolinhydrochlorid Tetryzolin Nasenspray 1 mg/ml 1- bis 3-mal 1 ≥ 6 Jahre

Tramazolin-hydrochlorid

Rhinospray u. a. Nasenspray 0,63 mg/ml 1- bis 3-mal 1 ≥ 2 – 6 Jahre

Tropfen 1,26 mg/ml 1- bis 3-mal 1 ≥ 6 Jahre

Xylometazolin-hydrochlorid

Olynth u.a. Nasenspray / Tropfen 0,1 mg/ml 1- bis 3-mal 1 ≥6 Jahre

Nasenspray / Tropfen 0,5 mg/ml 1- bis 3-mal 1 ≥2–6 Jahre

Tropfen 0,25 mg/ml 1- bis 3-mal 1 – 2 gtt Geburt

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SCIT sind Lokalreaktionen, wie Rötungen oder Schwellungen. Diese unerwünsch-ten Reaktionen sind jedoch nur leicht bis mittelschwer und mithilfe der Gabe von Antihistaminika relativ leicht zu behandeln [19]. Trotzdem sollte der Patient nach der Injektion noch mindestens 30 Minuten lang in der Praxis beobachtet werden [19]. Bei der SLIT treten die meisten Neben-wirkungen ebenfalls lokal auf und sind vor-nehmend milder Ausprägung [19].

Anti-IgE-AntikörperIn Deutschland ist Omalizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen IgE, unter dem Handelsnamen Xolair® zur Behand-lung des schweren Asthma bronchiale für Patienten ab 6 Jahren zugelassen. Die Wirksamkeit dieser neuen Behandlungs-form ist inzwischen ausreichend belegt. So konnten z. B. Niven et al. in einer rando-misierten, Open-label-Studie über 1 Jahr an 164 Patienten die Wirksamkeit von Omalizumab in der Therapie des mode-raten bis schweren, therapieresis tenten, unkontrollierten allergischen Asth mas nachweisen [29]. Vor dem Hintergrund des pathophysiologischen Wissens um die Schlüsselrolle von IgE in der allergi-schen Entzündungskaskade ist eine Rei-he weiterer Indikationen zu überdenken. Gerade bei der Behandlung der Rhinitis allergica, v. a. in Kombination mit einer allergenspezifischen Immuntherapie (SIT), scheint Omalizumab eine überlegens-werte Therapiealternative.

Stock et al. haben bereits 2007 auf die mögliche Kombination von Omalizumab mit einer SIT hingewiesen. In dieser ers-ten Pilotstudie konnten die Nebenwir-kungen der SIT um 50 % reduziert werden [39]. Kamin et al. konnten diese Ergeb-nisse 2010 in einer plazebokontrollierten, randomisierten, doppelblinden Studie an 221 Kindern bestätigen. Hier wurden die Patienten entweder mit einer SIT und Omalizumab oder mit einer SIT und Pla-

zebo behandelt. Geprüft wurden lokale und systemische Nebenwirkungen und Patientenzufriedenheit mittels klinischer Untersuchung und Tagebuch. Schwere, therapiebedingte Nebenwirkungen tra-ten hier in Form von 4 Asthmaanfällen ausschließlich in der Plazebo-Gruppe auf. Allerdings zeigten sich mit 16,8 % gegenüber 12,3 % mehr lokale Nebenwir-kungen in der Omalizumab-Gruppe an der Stelle der Omalizumab-Injektion. An der Stelle der Antigeninjektion bei der SIT zeigten sich signifikant mehr lokale Reaktionen in der Plazebo-Gruppe [17].

Auch Kopp et al. verglichen 2009 die Therapie mit Omalizumab und SIT mit SIT und Plazebo in einer doppel blinden, randomisierten Studie an 130 Patienten über 18 Wochen. Bewertet wurden hier v. a. die Symptomlast, der Verbrauch von Rescue-Medikation, die Asthma-Kontrol-le (mit dem „Asthma Control Question-naire“), die Asthma bezogene Lebensqua-lität und die Rhinokonjunktivitis bezogene Lebensqualität. Die Kombinationsthera-pie verbesserte die Symptomlast um 39 % und auch die Asthma-Kontrolle und die Asthma- und Rhinokonjunktivitis bezo-gene Lebensqualität signifikant. Der Ver-brauch an Rescue-Medikation ging nicht signifikant zurück, allerdings bewerteten 78,5 % der Patienten den Erfolg der Kom-binationstherapie gegenüber nur 46,1 % in der SIT und Plazebo-Gruppe als gut [22]. Bisher kann Anti-IgE allerdings nur bei gleichzeitig bestehendem schwerem Asthma angewendet werden.

Fazit für die Praxis❙❙ Nasale Glukokortikosteroide stellen

zurzeit die erste Wahl bei der The-

rapie der allergischen Rhinitis dar. Insbesondere in der Kombination mit lokalen Steroiden in der Behandlung eines Asthma bronchiale ist das Län-genwachstum regelmäßig zu kontrol-lieren.

❙❙ Leukotrienrezeptorantagonisten in Kom- bination mit einem Antihistaminikum können, bei gleichzeitigem Bestehen eines Asthma bronchiale, zu einer deutlichen Reduktion der Symptome beitragen.

❙❙ Neue Antihistaminika sind auf dem Markt, die neben der H1-blockierenden Wirkung weitere antiinflammatorische Eigenschaften aufweisen.

❙❙ Ein neues Wirkprinzip, welches die Gabe von Glukokortikosteroid und Antihistaminikum in einer pharma-kologisch veränderten Rezeptur als Fixkombination vereint, stellt eine Er-folg versprechende Alternative zu den heutigen Therapieoptionen der allergi-schen Rhinitis dar.

❙❙ Eine allergenspezifische Immunthera-pie sollte v. a. bei Pollenallergikern im-mer dann erwogen werden, wenn das verursachende Allergen nicht ausrei-chend gemieden werden kann.

Prof. Dr. med. Ludger Klimek, Dr. med Annette Sperl

Zentrum für Rhinologie und Allergologie

An den Quellen 10 | 65183 Wiesbaden

[email protected]

PD Dr. med. Ernst Rietschel

Klinik und Poliklinik für Kinder- und

Jugendmedizin der Uniklinik Köln

Kerpener Str. 62 | 50924 Köln

[email protected]

Interessenkonflikt: Ludger Klimek: Honorare für u. a. Durchführung klinischer Studien, Gutachten, Beratung, Vorträge, Autorenschaft von folgenden Firmen: ALK-Abello, Allergopharma, Bencard, Bionorica, Boehringer Ingelheim, Biomay, Cytos, HAL, Hartington, GSK, Leti, Lofarma, MEDA, Novartis, Roxall, Stallergenes.Annette Sperl: Kein Interessenkonflikt.Ernst Rietschel: Berater- und Vortragshonorar von Fa MEDA.

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Topic14

„Lost in Transition“: Brauchen wir besondere Konzepte in der Allergologie?Gerald Ullrich, Schwerin

Der nachfolgende Beitrag zum Thema Übergang junger Erwachsener von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin beruht auf einem eingeladenen Vortrag, der am 3. 10. 2015 auf dem DAK in Köln zum Abschluss der Tagung gehalten wurde.

Der zum Vortrag vorgegebene Arbeits-titel „Lost in Transition“ ist exakt so schon einmal Gegenstand der Reflexion gewesen, insofern die zwei internati-onal renommierten Adoleszentenme-diziner, Janet McDonagh aus Birming-ham und Russel Viner aus London, vor knapp 10 Jahren dazu gewissermaßen die Essentials aus klinischer Sicht zur Diskussion gestellt hatten. Auf den im BMJ veröffentlichten und frei zugäng-lichen Beitrag komme ich noch zurück und empfehle ihn auch heute noch zur Lektüre [3].

„Lost“ in transition? Über den angebotenen Titel lässt sich allerdings in seinen Komponenten nach-denken: Das Stichwort „Verluste“ etwa wirft die Frage auf, die von McDonagh und Viner gar nicht weiter vertieft wur-de, ob wir zu diesem wichtigen Thema schon Genaues wissen? Also etwa, wie viele Patienten beim Wechsel der Sys-teme „verloren“ gehen, oder ob solche jungen Erwachsenen näher charakteri-sierbar sind. Auch über die Gründe für etwaige Verluste wüsste man gerne Be-scheid.

Bezüglich Letzterem wäre etwa zu den-ken an die in der Transitionsliteratur hin-länglich bekannte Kluft zwischen der Art, wie Medizin in der Pädiatrie praktiziert wird im Vergleich zur Erwachsenenme-dizin, die in der Literatur zur Transition als „cultural gap“ bezeichnet wird (vgl. Textbox 1). Aber es könnte auch eine mangelnde oder verspätete pädiatrische Einleitung des Wechsels zu Verlusten führen, etwa wenn Patienten es nicht mehr passend finden, weiter in die Kin-derklinik zu gehen und mangels für sie erkennbarer Vorbereitung eines Wech-sels dann einfach weg bleiben [16].

Mir sind ad hoc keine Zahlen bekannt, die diese Problematik der Verluste für die Al-lergologie näher beschreiben und quanti-fizieren. Es ist auch überraschend, dass dieser neuralgische Punkt der Transition in einer Vielzahl von Veröffentlichungen als solcher erwähnt wird, dass aber auch für andere Krankheitsbilder nur wenige Untersuchungen existieren, die diese Problematik sorgfältiger erfassen und quantifizieren. In dem gerade erschie-nenen Sammelband zur Transitionsme-dizin [4] finden sich zumindest Hinweise auf „Verluste“ – seien es solche durch Ausscheiden aus der spezialisierten Be-handlung oder durch sprunghaften An-stieg von Problemen, die auf mangelnde (Überwachung der) Therapieumsetzung zurückgehen – z. B. für die Rheumatolo-

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Topic 15

gie, den Typ-1-Diabetes oder auch für die Transplantationsmedizin (Nephrologie).

Eine wichtige Untersuchung zum The-ma „Verluste“ beim Übergang stammt aus der Diabetologie [2]. In dieser Studie wurden für eine Region in Großbritanni-en die „Wanderungsbewegungen“ der Patienten konkreter analysiert und dabei tatsächlich beträchtliche Verluste fest-gestellt: während den Pädiatern auf dem Weg zum Übergang mit 1,3 % kaum ein Patient verloren ging, erschienen etwa ein Fünftel (21 %) der Patienten nicht zu dem geplanten ersten Kontakt in der Er-wachsenenmedizin! Die Autoren erwäh-nen aber, dass „die meisten“ der Patien-ten dann doch über kurz oder lang in der Spezialambulanz vorstellig wurden, also nicht im engeren Sinne verloren gingen. Die eigentliche Sorge bereitet Kipps et al. vielmehr ein Trend zur Ausdünnung der Termine in der Spezialambulanz zu-gunsten der bloßen Betreuung durch den Hausarzt. Dazu stellen Kipps et al. [2] al-lerdings fest, dass dieser Trend erstens

bereits vor dem Wechsel einsetzt und zweitens, dass sich ein solchermaßen ungünstiger Verlauf gewissermaßen an-kündigt. Denn die HBA1c-Werte solcher Patienten waren systematisch schlech-

ter – und zwar wiederum auch schon vor dem Wechsel.

Dass die im frühen Erwachsenenalter beobachtbaren Schwierigkeiten nicht erst mit dem Wechsel auftreten, sondern bei genauerem Hinsehen bereits unter der Ägide der pädiatrischen Behandlung Konturen bekommen, sollte als Mahnung verstanden werden, nicht gewissermaßen mit Steinen zu werfen, wenn man im Glas-haus sitzt. Mit anderen Worten: Wer Ju-gendliche und junge Erwachsene ärztlich betreut, wird in jedem Fall mit erheblichen Schwierigkeiten der Compliance konfron-tiert sein, egal ob in der Kinderklinik oder in der Erwachsenenmedizin, weshalb Schwierigkeiten nicht per se dem Behand-lerwechsel zugerechnet werden dürfen. Zugleich erwachsen daraus spezifische Anforderungen an die übernehmende Er-wachsenenmedizin, die eben nicht nach dem für sie sonst üblichen „Schema“ vor-gehen sollte [vgl. 9, 12].

Interessant ist die Arbeit von Kipps et al. [2] schließlich auch dadurch, dass darin

Pädiatrie versus Erwachsenenmedizin

Organisation der Versorgung:❙❙ ganzheitliche, koordinierte Betreuung versus Fokussierung auf Krankheits-

bild (und fallweise Delegation an diverse internistische Subspezialitäten)❙❙ Teamansatz (incl. psychosoziale Berufsgruppen) versus arztzentrierte Ver-

sorgung ❙❙ Erreichbarkeit (sowohl Fragen / Information also auch im Sinne von Unter-

stützung bekommen) versus Distanz❙❙ Behandlungsphilosophie, u. a. Wertschätzen versus Ignorieren der Ansich-

ten und Erfahrungen des Patienten (als „Experte“ seiner Krankheit)

Kommunikation:❙❙ Mangelner Austausch zwischen beiden Systemen❙❙ Mangelndes Feedback an abgebende Pädiatrie

Einbezug der Familie:❙❙ Familienorientierung (im Sinne der Würdigung der fortbestehende Bedeu-

tung der Familie für das Management der Krankheit auch im Erwachsenen-alter) versus Patientenorientierung

„Subkulturen“; nach [6]

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Topic16

unterschiedliche Modalitäten des Trans-fers in der untersuchten Region unter-schieden werden. Die Autoren gelangen dabei zu dem Ergebnis, dass die Art des Wechsels von größerer Bedeutung war als das Durchschnittsalter beim Wechsel (Spannweite 16 – 19 Jahre), und dass der Wechsel in eine Spezial-sprechstunde für junge Erwachsene vorteil hafter war als der Wechsel in eine allgemeine internistische Sprechstunde, auch wenn dadurch nicht alle Probleme schon gelöst sind.

„Transition“?Auch über den Begriff Transition lässt sich nachdenken: Was genau meint man damit? Gerade bei diesem in den letzten Jahren sehr in die Aufmerksamkeit ge-ratenen Thema hege ich große Zweifel, ob immer klar ist, was damit eigentlich gemeint ist. Im Rückblick etwa auf eini-ge Kongressbeiträge der GPP und DGP, die 2014 erstmals unter dem gemeinsa-men Kongressthema „Transition“ getagt hatten, oder auch mit Blick auf Beiträge auf der Jahrestagung der E DeutschenGesellschaft für Transitionsmedizin im November letzten Jahres in Kiel, konnte mitunter der Eindruck entstehen, als ob „Transition“ das Zeitfenster des Über-gangs sei – und man sich dann unter die-ser Überschrift bemüht, die medizinisch und behandlungstechnisch feststell-baren Besonderheiten für das jeweilige Krankheitsbild zu benennen.

Demgegenüber ist mit dem wegweisen-den Artikel von Blum et al. [1] darauf zu beharren, dass Transition definiert ist als ein absichtsvoller, gezielter und geplan-ter Prozess, in dem Jugendliche und jun-ge Erwachsene mit einer chronischen Krankheit von pädiatrischer Behandlung

in die Erwachsenenmedizin überwech-seln. Hierbei klingt das Zentralthema der Transitionsmedizin an, nämlich der Wechsel zwischen nur bedingt kompa-tiblen Versorgungssystemen („cultural gap“). In der Diskussion um Transition – und übrigens auch in dem eingangserwähnten Beitrag von McDonagh und Viner [3] – wird aber kein Zweifel daran gelassen, dass es um mehr als um die-se Schnittstelle geht. Daher habe ich in einem kürzlich erschienenen Artikel geschrieben, dass Transition im medi-zinischen Kontext die Gesamtheit der Maßnahmen umfasst, die den minder-jährigen Patienten befähigen sollen, später angemessen für sich selbst zu sprechen und seine Krankheit zu behan-deln. Hierzu gehört auch, dass er oder sie lernt, Gesundheitsfragen mit konkur-rierenden Anforderungen des sonstigen Lebens in Einklang zu bringen [10]. So gesehen geht es bei der Transition also um die von den Behandlern ergriffenen oder eingeleiteten Maßnahmen, die den chronisch kranken Heranwachsenden befähigen (sollen), mit seiner Krankheit erwachsen zu werden – wozu in der Re-gel auch der Wechsel der Behandler ge-hört.

Besondere Konzepte in der Allergologie?Schließlich sollte man auch innehalten beim Untertitel: Besondere Konzepte. Wenn ich an die erwähnten Kongresse der GPP und der DGP vom letzten Jahr denke oder auch an die genannte Tagung der Gesellschaft für Transitionsmedizin, dann habe ich sehr den Eindruck, dass derzeit eine ausgeprägte Überpointie-rung krankheitsspezifischer Aspekte der Transition grassiert – bei gleichzeitiger Vernachlässigung ihrer generischen Komponenten. Demgegenüber kann nicht deutlich genug betont werden, dass Transition bzw. „transitional care“, wie es in der internationalen Fachliteratur übli-

cherweise heißt, im Kern ein generisches, also nicht krankheitsspezifisches Kon-zept ist. Dies wird auch deutlich in dem erwähnten Beitrag von McDonagh und Vi-ner so benannt, wo es explizit heißt: „The host of issues facing adolescents with chronic conditions that are not specific to their particular illness supports generic, inter-specialty developments in transitio-nal care“ [2, S. 436].

Und um die Botschaft meines Abschluss-vortrags vorwegzunehmen: Nein, wir brauchen in meinen Augen keine beson-deren Konzepte in der Allergologie, son-dern wir müssen „nur“ die vorhandenen (generischen) Konzepte auch nutzen und anwenden!

Auf den generischen, krankheitsunspe-zifischen Kern der Transition bin ich auf der letztjährigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Transitionsmedizin zu sprechen gekommen, nachzulesen in ei-nem Aufsatz in der Zeitschrift für Präven-tion und Rehabilitation [10]1.

Während der damalige Vortrag ebenso wie der Aufsatz primär auf entwicklungs-psychologische Aspekte als Grundla-ge einer „Adolescent and Young Adult Medicine“ [9] fokussiert und erläutert, weshalb es auch in der übernehmen-den Erwachsenenmedizin eine entwick-lungspsychologische Haltung braucht, möchte ich mich hier auf die pädiatri-sche Seite der Medaille konzentrieren. Ich tue dies unter dem Gesichtspunkt, dass eine erfolgreiche Transition zwar nur erfolgreich abgeschlossen werden kann durch gemeinsame Anstrengun-gen von Pädiatrie und Erwachsenenme-dizin, dass aber die Transition dennoch primär eine Aufgabe der Pädiatrie ist und bleibt [12].

Ich werde zunächst auf Eckpunkte einer wohlverstandenen, generisch konzipier-

1 Bei Interesse finden Sie die Folien des dama-ligen Vortrags auf meiner Homepage unter E www.med-wiss.com/ullrich

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ten Transition eingehen und dann noch Missverständnisse und Stolpersteine ansprechen.

Eckpunkte eines generischen TransitionskonzeptsDer eingangs erwähnte Russel Viner hat in verschiedenen Veröffentlichungen die Eckpunkte eines generischen Transiti-onskonzepts wie folgt formuliert (vgl. Textbox 2):1. Der Wechsel sollte nicht an starren

Altersvorgaben ausgerichtet sein,aber dennoch sollte er eine klare zeit-liche Struktur aufweisen.

2. Insbesondere braucht es eine aus-giebige Vorbereitungsphase, zu derAnleitung und Schulung gehören,hier v. a. mit Blick auf Fertigkeitenund nicht nur mit dem Blick auf Wis-sen. Zu dieser ausgiebigen Vorberei-tung gehört weiter die schrittweiseÜbergabe von Therapieverantwor-tung an den Heranwachsenden, und

dass der Jugendliche einen Teil der Sprechstunde allein mit dem Arzt verbringt, wodurch er oder sie lernt, die Sprechzeit auch für sich zu nut-zen, also nicht nur Objekt, sondern Subjekt der Behandlung zu werden. Schließlich sollen schon frühzeitig Informationen über die Erwachse-nenmedizin angeboten werden.

3. Die eigentliche Phase des Wechsels,also die störungsarme Überbrückung der Schnittstelle, soll ihrerseits zeit-lich strukturiert sein, wobei ein Fens-ter von 12 Monaten empfohlen wird,in der im Idealfall auch eine gemein-sam geteilte Sprechstunde oder einProbebesuch in der Erwachsenenme-dizin stattgefunden hat.

4. Natürlich bedarf es einer aufge-schlossenen Erwachsenenmedizin,in der nicht notwendig der Arzt, aberirgendeine koordinierende Persondes übernehmenden Teams für diebesonderen Belange der Transition

sensibilisiert ist, wobei sich nicht nur für die übernehmende Erwach-senenmedizin, sondern auch für die Pädiatrie gezeigt hat, dass die Be-nennung einer für den Wechsel ko-ordinierend zuständigen Person für den Gesamterfolg ein besonderes Gewicht hat [5].

Missverständnisse und StolpersteineSoweit die Eckpunkte eines generischen Transitionskonzepts, das zweifellos auch in der Allergologie passen würde. Ich will auf ein paar Missverständnisse und Stolpersteine noch hinweisen, die den Weg zusätzlich und mitunter unnötig be-schwerlich machen.

1. Individualisierung – aber wie?Ohne damit eine Priorität ansprechen zu wollen, nenne ich hier an erster Stelle, dass in den Beiträgen zur Transitions-medizin üblicherweise auf die Notwen-digkeit der Individualisierung hingewie-sen wird, wie es schon ganz früh der Onkologe Rosen getan hat: „Both the timing and the structure of transition must be determined on an individual basis“ [7, S. 3412). Auch eine erste Ex-pertise im Auftrag des Bundesministeri-ums für Gesundheit zu den Problemen der Betreuung beim Übergang in das Erwachsenenalter äußert sich im näm-lichen Sinne [vgl. 16]. Dass sich dies bei Lichte betrachtet als arger Stolperstein erweist, wird ersichtlich, wenn es in ei-nem relativ aktuellen Review heißt [5; S. 27, Hervorhebungen durch G. Ullrich]: „Although there is consensus that age alone should not be used to determine when to transfer tasks to the patient, virtu-ally nothing is known about develop-mental indicators …“

Ohne hier auf Details eingehen zu kön-nen, will ich auf eine Möglichkeit des Umgangs mit der geforderten Individua-

Grundzüge der Versorgung in der Übergangsphase

Flexible Terminierung:❙❙ dennoch Hinweis auf geplanten Zeitpunkt des konkreten Wechsels

Vorbereitungsphase:❙❙ Anleitung und Förderung, ggf. Schulungsprogramm, dabei Fokus nicht nur

auf Wissen, sondern auch Fertigkeiten („skills“)❙❙ schrittweise Verantwortungsübergabe (Therapieaufgaben) ❙❙ Aufteilung der Sprechstunde (ab 13. Lebensjahr) mit separatem Abschnitt

für den Jugendlichen❙❙ Informationen zur Erwachsenenmedizin (Broschüren oder Ähnliches)

Koordinierte Übergabe („Transfer“):❙❙ Ankündigung etwa 12 Monate im Voraus❙❙ Besuch der Erwachsenenmedizin (anschließende Nachbesprechung in Pä-

diatrie) oder gemeinsame pädiatrisch-internistische Sprechstunde ❙❙ Teammitglied als Koordinator benannt

Aufgeschlossene Erwachsenenabteilung:❙❙ mindestens ein Teammitglied (nicht notwendig der Arzt) mit spezifischer

Ausrichtung auf die Erfordernisse der Übergangsphase

„transitional care“; nach [15]

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lisierung des Vorgehens hinweisen, näm-lich auf den sehr nützlichen Fragebogen „Mind the Gap“ [8] aus der Arbeitsgruppe von McDonagh, von dem es eine Version für den Jugendlichen und eine für die Eltern gibt. Dieser Fragebogen kann ge-nutzt werden, um den Prozess auf den individuellen Bedarf hin genau anzu-passen, wobei er so einfach aufgebaut ist, dass schon die bloße Übersetzung ausreicht, um damit in der Praxis etwas anzufangen. Er ist allerdings primär auf die Schnittstelle, also den Behandler-wechsel ausgerichtet, während die gefor-derte Individualisierung den gesamten Prozess umfasst, also bedeutend früher virulent wird, wie es das Zitat aus der Arbeit von Pai und Ostendorf anklingen lässt [5].

2. Wann ist der Patient „reif“(für den Wechsel)?

Eher um Missverständnisse geht es bei der Frage, wann der Patient „reif“ für den Wechsel ist, was in der Literatur zur Transition unter dem Begriff der „readi-ness“ diskutiert und neuerdings auch systematisch gemessen wird. Wichtig ist mir hier, dass im Alltag nicht selten fälschlich an „Reife“ im allgemeinen Sinne gedacht (und der Wechsel dann

womöglich aufgeschoben) wird! Viel-mehr meint Reife hier den kompetenten Umgang mit der Krankheit und deren Behandlung, wie es neuerdings auch in etlichen Fragebögen und Skalen erfasst wird [vgl. im Überblick 17]. Man kann so-gar mit Blick auf die Entwicklungspsy-chologie des jungen Erwachsenenalters feststellen, dass es gerade heutzutage nicht darum geht, wie „erwachsen“ der jeweilige Patient ist, sondern wie hand-lungskompetent in Bezug auf seine Krankheit [10, 11].

Diesen Aspekt macht im Übrigen auch ein kleiner, in den Niederlanden entwi-ckelter Fragebogen zur Messung der Selbstwirksamkeit deutlich (vgl. Textbox 3), der als steuerndes Hilfsmittel im Tran-sitionsprozess konzipiert ist, und der auf das krankheitsbezogene Selbstmanage-ment und nicht auf allgemeine Aspekte des Erwachsenenalters bezogen ist. Die drei Skalen ebenso wie die zur Illustra-tion angeführten Items der jeweiligen Skala machen deutlich, dass „Reife“ hier in einem engen, krankheitsbezogenen Sinn gemeint ist. Das hat sich im Übri-gen mit diesem Fragebogen auch empi-risch so zeigen lassen, denn die Autoren fanden an einer sehr großen Stichprobe

von über 3.600 chronisch kranken Ju-gendlichen und jungen Erwachsenen (12 – 19 Jahre), dass für die von den Pati-enten selbst eingeschätzte Reife für den Wechsel nicht das Lebensalter den größ-ten Ausschlag gab, sondern die mit dem Fragebogen erfasste Selbstwirksamkeit, nämlich sich ausreichend in der Lage zu fühlen, selbstständig Termine mit dem Krankenhaus zu vereinbaren und in der Sprechstunde alleine zurecht zu kom-men [13].

3. Wechsel blockiert, weil Kollegenvor Ort „desinteressiert“?

Ein weiteres Missverständnis, das die praktische Arbeit in der Pädiatrie beein-trächtigen kann, ist die nicht wenig ver-breitete Vorstellung, es müsste jeweils dort, wo in der Pädiatrie eine Spezialam-bulanz ist, auch eine übernehmende auf-geschlossenen Erwachsenenabteilung existieren. Wenn das der Fall ist, ist das zwar sehr vorteilhaft für alle involvierten Parteien. Aber es ist nicht die Vorausset-zung dafür, dass in der Pädiatrie die Tran-sition systematisch betrieben wird. Hier-zu sei nur am Rande angemerkt, dass nicht wenige Fachleute empfehlen, den Zeitpunkt für den Wechsel nicht am chro-nologischen Alter zu orientieren, sondern an psychosozialen Übergängen, vorzugs-weise dem Wechsel von der schulischen zur beruflichen Ausbildung [vgl. 16]. Bei den letztgenannten Übergängen haben wir es ja ohnehin nicht selten mit einem dadurch bedingten Wohnortwechsel zu tun, sodass die dann zuständige (über-nehmende) Abteilung typischerweise nicht am Ort der bislang behandelnden Pädiatrie gelegen ist.

Mit anderen Worten ist der Mangel an aufgeschlossenen internistischen Be-handlern vor Ort kein Grund, die Prozes-se aufzuschieben. Stattdessen bedarf es im Rahmen der Vorbereitung dann Hilfestellungen für den heranwachsen-

Skalen und Beispielitems* des Fragebogens zur Selbstwirksamkeit in der Transition

Skala: Selbstwirksamkeit im Umgang mit der Krankheit:❙❙ Beispiel-Item: „Ich schaffe es, meinem Lehrer oder meinem Chef meine

Krankheit zu erklären.“

Skala: Selbstwirksamkeit im Auskennen mit der Krankheit:❙❙ Beispiel-Item: „Ich weiß, was mir der Arzt verschrieben hat.“

Skala: Selbstwirksamkeit im Hinblick auf eigenständige Ambulanzbesuche:❙❙ Beispiel-Item: „Ich würde mir zutrauen, den Arzt zu fragen, mir etwas genau-

er zu erklären, bis ich es verstanden habe.“

* nicht autorisierte Übersetzung der Skalen und Items durch G. Ullrich

„On Your Own Self-Efficacy Scale“; nach [14]

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den Patienten, woran er oder sie eine ge-eignete, gute internistische Behandlung erkennen kann bzw. worauf geachtet werden soll. Auch das Thema, sich und die eigenen Interessen in der Sprech-stunde klar zu artikulieren, muss dann ein entsprechendes Gewicht bekom-men2.

FazitIch möchte meine Überlegungen zum vorgegebenen Thema wie folgt zusam-menfassen:❙❙ Transition bezieht sich auf Maßnah-

men zum erfolgreichen Wechsel von pädiatrischer Behandlung in die Er-wachsenenmedizin.

❙❙ Diese Maßnahmen haben inhaltlich ei-nen Bezug zum jeweiligen Krankheits-bild, das Konzept selbst ist hingegen generisch, also krankheitsübergrei-fend bzw. krankheitsunspezifisch.

❙❙ Transition ist zudem eingebettet in das übergreifende Thema des Erwach-senwerdens mit chronischer Erkran-kung.

Weiterführende Links

E Deutsche Gesellschaft für Transitionsmedizin

E WHO-Dokument zum Heranwachsen mit chronischer Krankheit

❙❙ Ein solchermaßen erweitertes Ver-ständnis von Transition kann verhin-dern, dass der Blick sich nicht wie noch häufig auf die bloße Schnittstel-le zwischen Pädiatrie und Erwach-senenmedizin verengt: Es braucht Transition selbst dort, wo gar kein Wechsel stattfindet, und Transition braucht es auch dann noch, wenn ein Wechsel bereits erfolgt ist. Das Letzte mag nicht auf Anhieb eingängig sein, wird aber verständlich, wenn man sich mit den entwicklungspsycho-logischen Implikationen des jungen Erwachsenenalters näher befasst [10, 11, 12].

Literatur

1 Blum RW, Garell D, Hodgman CH et al. Transition from child-centered to adult health-care systems for adolescents with chronic conditions. A position paper of the Society for Adolescent Medicine. J Ad-olesc Health 1993; 14: 570-6

2 Kipps S, Bahu T, Ong K et al. Current methods of transfer of young people with Type 1 diabetes to adult services. Diabet Med 2002; 19: 649-54

3 McDonagh JE, Viner RM. Lost in transition? Between paediatric and adult services. BMJ 2006; 332: 435-6

4 Oldhafer M (Hrsg) Transitionsmedizin: Multiprofes-sionelle Begleitung junger Erwachsener mit chroni-scher Krankheit. Schattauer Verlag, Stuttgart, 2015

5 Pai ALH, Ostendorf HM. Treatment Adherence in Adolescents and Young Adults Affected by Chronic Illness during the Health Care Transition from Pedi-atric to Adult Health Care: A Literature Review. Child Health Care 2011; 40: 16-33

6 Reiss JG, Gibson RW, Walker LR. Health care transi-tion: youth, family, and provider perspectives. Pedi-atrics 2005; 115: 112-20

7 Rosen DS. Transition to adult health care for adoles-cents and young adults with cancer. Cancer 1993; 71: 3411-14

8 Shaw KL, Southwood TR, McDonagh JE. Develop-ment and preliminary validation of the ‚Mind the Gap‘ scale to assess satisfaction with transitional health care among adolescents with juvenile id-iopathic arthritis. Child Care Health Dev 2007; 33: 380-8

9 Steinbeck K, Towns S, Bennett D. Adolescent and young adult medicine is a special and specific area of medical practice. J Paediatr Child Health 2014; 50; 427-31

10 Ullrich G. Transfer, Transition – oder Statuspassa-ge. Anmerkungen zu einer aktuellen Diskussion. Präv & Rehab 2014; 26: 162-67

11 Ullrich G. Transition als Statuspassage: Entwick-lungspsychologische Anmerkungen zu einer aktu-ellen Diskussion. (S. 10-21) In: Oldhafer M (Hrsg) Transitionsmedizin: Multiprofessionelle Begleitung junger Erwachsener mit chronischer Krankheit. Schattauer Verlag, Stuttgart, 2015

12 Ullrich G. Transition – Wirklich eine gemeinsame Aufgabe von Pädiatrie und Pneumologie? Atem-wegs- & Lungenkrankheiten 2015/2016 (im Druck)

13 van Staa AL, van der Stege HA, Jedeloo S, Moll HA, Hilberink SR. Readiness to transfer to adult care of

adolescents with chronic conditions: exploration of associated factors. J Adolsec Health 2011; 48:295-302

14 van Staa AL, Strating MMH. On Your Own Feet Self-Efficacy Scale: development and validation of a generic instrument for chronically ill adolescents. In: Van Staa AL (ed.) On your own feet. Preferenc-es and competencies for care of adolescents with chronic conditions. Rotterdam: Hogeschool Rotter-dam, 2012

15 Viner R. Transition from paediatric to adult care. Bridging the gaps or passing the buck? Arch Dis Child 1999; 81: 271-5

16 von der Hardt H, Hürter P, Lange K, Ullrich G. Ver-sorgungssituation chronisch kranker Jugendlicher beim Übergang in das Erwachsenenalter: Expertise für das Bundesministerium für Gesundheit 313-1722003/10. Frankfurt am Main: Verlag für Akade-mische Schriften, 1997

17 Zhang LF, Ho JS, Kennedy SE. A systematic review of the psychometric properties of transition readi-ness assessment tools in adolescents with chronic disease. BMC Pediatr. 2014; 14:4. doi: 10.1186/1471-2431-14-4.: 4-14

2 Zu denken ist hierbei an etwas Vergleichbares, wie es im Rahmen eines Freiburger Modellpro-jekts zur Förderung der Kommunikation in der Arzt-Patient-Beziehung für unausgewählte er-wachsene Patienten praktiziert wurde, nämlich – anstelle der ansonsten üblichen Schulungvon Ärzten in patientenzentrierter Gesprächs-führung – den Patienten darin zu schulen, sich in der Sprechstunde besser zu behaupten bzw. die eigenen Bedürfnisse klarer zu artikulieren (E http://www.aerzteblatt.de/archiv/162393; Zugriff am 15. 10. 2015)

Dipl.-Psych. Dr. Gerald Ullrich

Reutzstr. 1 | 19055 Schwerin

[email protected]

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Weitere Themen20

DER PNEUMOLOGISCHE FALL

Asthma bronchiale, chronische Rhinosinusitis und Urtikaria bei FieberKristina Otto, Jürgen Seidenberg, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin (Elisabeth-Kinderkrankenhaus), Klinikum Oldenburg, Medizinischer Campus Universität Oldenburg

Weist ein Patient neben Asthma bronchiale auch eine chronische Rhinosinusitis und Polyposis nasi auf, sollte an ein Aspirin-Exacerbat-ed-Respiratory Disease (AERD) – eine sog. „Pseudoallergie“ – gedacht und eine mögliche Reaktion auf nichtsteroidale Antirheumatika überprüft werden. Bei Kindern mit Asthma bronchiale ist diese Krankheit in 0,6 % bis maximal 10 % nachweisbar, insbesondere ab dem Teenageralter, mit steigender Tendenz. Anhand eines Fallbeispiels werden Krankheitsbild, Pathomechanismen, Diagnostik und Thera-pie im Folgenden erörtert.

AnamneseWir behandelten eine 17,5 Jahre alte Jugendliche mit mäßig kontrolliertem schwergradig-persistierendem Asthma bronchiale, das im Kleinkindalter mit in-fektgetriggerten obstruktiven Bronchi-tiden begonnen hatte.

Die Patientin hatte als Kleinkind eine My-koplasmenpneumonie durchgemacht. Im Alter von 2 Jahren fand die erste Nasennebenhöhlenfensterung und Ade-notomie statt. Es erfolgte eine erneute Nasennebenhöhlenfensterung mit 13,5 Jahren bei chronischer Rhinosinusitis und Nasenmuschelhyperplasie rechts. Mit 14 Jahren entwickelte die Patientin eine nasale Polyposis links. Aufgrund des bestehenden schwergradigen Asth-ma bronchiale und aufgetretener Polypo-sis nasi fand eine stationäre Abklärung mit Bronchoskopie, Immundefektdiag-nostik, Schweißtest und 24h-pH-Metrie statt. Hierbei ließen sich eine Zystische Fibrose (Schweißtest und Genetik für die häufigsten Mutationen negativ), eine pri-märe Ziliendyskinesie, ein Immundefekt, ein pathologischer gastroösophagealer Reflux und ein Churg-Strauss-Syndrom ausschließen.

Im Prick-Test und RAST ergab sich zu die-sem Zeitpunkt kein Anhalt für eine vorlie-gende Sensibilisierung. Klinisch bestan-den keine Anzeichen für eine Allergie.

Die Behandlung erfolgte dauerhaft mit einem inhalativen Kortikosteroid in Kom-bination mit einem lang wirksamen Be-tamimetikum (LABA; Viani Diskus) sowie Leukotrienantagonisten (Montelukast), eine Inhalation mit einem kurzwirksamen Beta-2-Mimetikum (Salbutamol Easyha-

ler) wurde bei Bedarf angewandt. Zudem fand eine lokale Therapie mit nasalem Kortikosteroid (Nasonex Nasenspray) statt, des Weiteren führte die Patientin Nasenspülungen per Pari-Sinus durch. Die Compliance war, soweit eruierbar, gut.

Aufgrund des Symptomenkomplexes ei-ner chronischen Rhinosinusitis (Abb. 1), Polyposis nasi und rezidivierenden Asth-maanfällen stellten wir den Verdacht auf ein Analgetika-Intoleranz-Syndrom.

Abbildung 1. cCT der Nasennebenhöhlen unserer Patientin (17 Jahre) mit chronischer Sinusitis

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Diagnostik

Stationäre Provokation mit Paracetamol bzw. AcetylsalicylsäureIm Alter von knapp 15 Jahren wurde erst-mals eine stationäre Provokation mit 500 mg Paracetamol und maximal 500 mg Acetylsalicylsäure bei der Patientin durchgeführt, ohne dass eine klinische Reaktion aufgetreten ist.

Im Alter von 17 Jahren trat nach Ein-nahme von Levofloxacin und Ibuprofen bei fieberhaftem Infekt eine ubiquitäre Urtikaria bei der jungen Frau auf. Bei erneuter Ibuprofeneinnahme wegen Kopfschmerzen (aber ohne Fieber) ca. 4 Wochen später kam es zu einer verlegten Nasenatmung, Niesen, Husten, Atemnot und Übelkeit bei der Patientin. Die erneut durchführte stationäre Provokation in unserer Klinik mit Verdacht auf Analgeti-ka-Intoleranz / Aspirin-Exacerbated-Res-piratory Disease (AERD) fiel nun positiv aus. Nach der Verabreichung von 250 mg Paracetamol reagierte die Jugend-liche 30 Minuten später mit verlegter Nasenatmung, Rhinorrhoe und einem Peak-Flow Abfall von > 15 %. Nach Gabe von 50 mg Acetylsalicylsäure entwickel-te die Patientin nach 2 Stunden eine Rhi-nitis, Atemnot und einen signifikanten Peak-Flow-Abfall. Nach dreifacher Wie-derholung der Gabe von 50 mg Acetyl-salicylsäure stellte sich eine Toleranz für diese Dosis ein.

Es erfolgte der Therapieversuch einer adaptiven Desaktivierung mit Steige-rungsversuch der Acetylsalicylsäure bis auf 1300 mg, dann Reduktion auf 500 mg/Tag p.o. als Dauertherapie nach dem Schema von Stevenson et al. [23].

Leider gelang die Steigerung der ASS- Dosis nur auf maximal 75 mg, danach vertrug die Patientin die höheren Dosen trotz mehrfacher Versuche nicht.

Mit 17,5 Jahren benötigte die Jugendli-che erneut eine Nasennebenhöhlen-Ope-ration. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Asthma bronchiale kontrolliert – aller-dings unter Therapie in der Stufe 4 bis 5 des Asthmatherapie-Stufenschemas mit hochdosierten inhalativen Kortikosteroi-den plus LABA, Montelukast und inter-mittierender Verabreichung von oralen Kortikosteroiden.

Als Schmerzmittel hat die Patientin Eteri-coxib (Arcoxia, ein selektiver COX-2-Inhi-bitor) gut vertragen.

Erörterung des Krankheitsbildes

Diagnose: Aspirin-Exacerbated- Respiratory Disease (AERD)Für diese Krankheit sind auch die Syn-onyme Analgetika-Intoleranz-Syndrom, Aspirin induziertes / sensitives Asthma, Samter Trias / Morbus Samter oder auch Morbus Widal in Gebrauch.

Die erste Beschreibung der Erkrankung erfolgte durch Widal et al. 1922 [28]. 1968 wurde durch Samter u. Beers erstmals in

Studien das klinische Bild der Symptom-kombination (s. u.) dargestellt, die daher auch als Samter Trias bezeichnet wurde [22].

Definiert ist das AERD als nicht durch Im-munglobuline vermittelte Überempfind-lichkeitsreaktion (z. B. Asthmaanfall, Urti-karia, Angioödem bis hin zur Anaphylaxie mit Hypotension und Laryngospasmus), die nach Einnahme nichtsteroidaler Anti-phlogistika wie z. B. Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac und weiteren auf-tritt. Die Reaktion beginnt typischerwei-se 20 Minuten bis zu 3 Stunden nach Me-dikamenteneinnahme.

Klinische SymptomeZu den klinischen Symptomen zählt zum einen die klassische Samter-Trias:❙❙ Asthma bronchiale❙❙ Polyposis nasi (Abb. 2)❙❙ NSAID-Intoleranz

Des Weiteren kommen eine chronische hypertrophe eosinophile Sinusitis, na-sale Obstruktion, wässrige Rhinorrhoe, Hyposmie / Anosmie, Urtikaria und / oder Angioödeme vor.

Abbildung 2. Nasaler Polyp: Schemazeichnung, klinischer Befund

Bechara Y. Ghorayeb, MD, Houston/Texas, www.ghorayeb.com

Polypen

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Beim Verlauf der Erkrankung sind häufige Rezidive nach operativen Eingriffen bei nasalen Polypen und chronischer Rhino-sinusitis typisch, sodass insbesondere bei häufig notwendigen HNO-Eingriffen und – wenn es sich bei den Patienten überdies um Asthmatiker handelt – an diese Diagnose gedacht werden sollte.

PrävalenzDas Auftreten des Krankheitsbildes in der Gesamtbevölkerung beträgt 0,3 – 0,9 %. Etwa 7 % der Asthmatiker sind betroffen. Handelt es sich um ein schwe-res Asthma, ist die Prävalenz doppelt so hoch und liegt bei ca. 14 % [20]. Bei Asth matikern mit nasaler Polyposis steigt die Prävalenz des AERD bis auf 30 – 40 %; liegen zusätzlich zu einer chronischen Rhinosinusitis auch Nasen-polypen vor, so steigt sie auf 36 – 49 % [9, 15, 18]. Ebenfalls leiden 22 – 67 % der Menschen mit chronisch rezidivierender Urtikaria an einem AERD [19].

Dabei sind 0,6 – 5 % – nach einigen Quel-len auch bis zu 10 % – der Kinder mit As-thma bronchiale betroffen, das mittlere Alter liegt dabei bei ca. 7 Jahren ohne

geschlechtsspezifische Häufung [10]. Die Prävalenz bei Kindern unter 10 Jah-ren ist sehr gering, meist liegt der Beginn der Erkrankung im Teenageralter. Das Auftreten steigt ab der 3. Lebensdekade deutlich an und dann sind Frauen signifi-kant häufiger betroffen als Männer (57 % Frauen versus 43 % Männer) [4, 24].

Zudem kann eine genetische Prädispo-sition vorliegen, denn in Studien konn-te gezeigt werden, dass Patienten mit dem HLA-Typ HLA-DR7-DQA1*0201/-DQB1*0202-Haplotyp verglichen mit den Trägern des HLA-DR5-Allels ein 2- bis 3-fach erhöhtes Risiko haben an AERD zu erkranken [17].

PathomechanismusDer Pathomechanismus der Erkrankung erklärt sich aus der Wirkung der nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAID) auf den Membranphospholipidabbau (Abb. 3). Es handelt sich bei dem AERD um eine sog. „Pseudoallergie“, denn die Re-aktion wird nicht immunologisch über IgE – wie bei der Typ-I-Allergie – ver- mittelt, sondern es besteht eine Idiosyn-krasie im Arachidonsäurestoffwechsel.

Dabei verhindern die NSAID den Abbau von Arachidonsäure über die Cyclooxy-genasen (unselektive Hemmung der COX-1 und COX-2), wodurch ein Wech-sel in Richtung des Lipoxygenase- Stoffwechselwegs stattfindet und es zu einer gesteigerten Bildung von Leu-kotrienen und Hydroperoxyeicosate-traensäure-Derivaten (HPTE) kommt.

Überdies liegt bei den Patienten offen-bar eine abnorme Empfindlichkeit gegen über den gesteigert gebildeten Cysteinyl-Leuko trienen (Leukotrien C4, D4 und E4) vor, was zu Vasokonstriktion, Bronchospasmus, Schleimsekretion und Schleimhautödem durch erhöhte Perme-abilität führen kann [1, 25].

Als Ursache wird am ehesten eine kon-stitutive Überexpression der Leukotrien- C4-Synthase postuliert, der ein Polymor-phismus in der Promoterregion der Gen-sequenz dieses Enzyms auf dem Chro-mosom 5q zugrunde liegt [5]. Hingegen wird das broncho- und vasodilatative und somit bronchoprotektive Prostaglandin E2 (PGE2) vermindert produziert.

DiagnostikZur Diagnosestellung eines AERD sind zum einen die Klinik und genaue Anam-nese der Reaktion nach NSAID-Einnah-

Abbildung 3. Arachidonsäuremetabolismus und Wirkung der Cyclooxy-genase-Inhibitoren

Abbildung 4. Nasenpolyp endoskopisch

Membranphospholipide

Arachidonsäure

Prostaglandine H2Leukotriene LTA4LTB4 = ChemotaxinLTC4 = Bronchospasmus Vasokonstriktion

Permeabilität

LTE4 = Permeabilität

PGD2 PGF2a

PGE2 = Bronchodilatation Vasodilatation

proinflammatorisch proinflammatorisch antiinflammatorisch

Phospholiphase A2

5-Lipooxygenase COX 1, 2

Modifiziert nach www.journalmed.de, 09/2010

Klinikum Oldenburg

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me entscheidend, zum anderen Pro-vokationstests, die als „Goldstandard“ gelten und den endgültigen Beweis für das Vorliegen einer Analgetika-Intole-ranz liefern. Hingegen sind Prick- / Intra-kutantest und RAST ungeeignet, da sie auf der Produktion spezifischen IgEs basieren, die beim AERD nicht vorliegt. Ausreichend validierte In-vitro-Verfahren stehen zur Diagnostik ebenfalls nicht zur Verfügung.

Die nachfolgenden Verfahren, wie Mes-sung von Leukotrien-, Histamin-, Pros-taglandin-Ausschüttung, Cellular Aller-gen Stimulationtest (CAST), Messung von 15-Hydroxyeicosateraensäure (15-HETE) in Leukozyten und die Flowzyto-metrie der Basophilenaktivierung nach ASS-Stimulation ergaben in Studien keine zielführenden Ergebnisse zur kli-nischen Einschätzung einer möglichen Überempfindlichkeitsreaktion auf NSAID [7, 8, 12].

TherapieFür die Therapie des Analgetika-Intole-ranz Syndroms gibt es zwei Hauptmög-lichkeiten.

Die erste Option ist das strikte Meiden der auslösenden Medikamente (NSAIDs) und Fortführung der Therapie der Grun-derkrankung. Dazu bedarf es einer um-fassenden Aufklärung des Patienten be-züglich kreuzreagierender Medikamente zu Acetylsalicylsäure bzw. Ibuprofen (Tab. 1), dies ist entscheidend zur Ver-meidung zukünftiger Reaktionen. Mit-hilfe der Karenz kann zwar eine Reduk-tion der Unverträglichkeitsreaktionen erreicht werden, die nasalen Symptome sowie der Verlauf des oftmals schwer-gradigen Asthma bronchiale lassen sich so aber nicht positiv beeinflussen.

Bei häufigem Analgetika-Bedarf ist ggf. eine stationäre Provokation mit weiteren Analgetika notwendig, um eine Behand-lungsmöglichkeit von Schmerzzustän-den des Patienten sicherzustellen. Bei rheumatischen Erkrankungen können selektive COX-2-Inhibitoren überprüft und angewandt werden.

Die zweite Therapieoption besteht in einer adaptiven Desaktivierung – auch ASS-Desensibilisierung genannt. Die Wirkung der adaptiven Desaktivierung

besteht in einer Toleranzinduktion ge-genüber NSAID durch repetitive Verabrei-chung steigender Dosen von ASS. Diese bleibt jedoch nur bei täglicher Einnahme des Medikaments erhalten. Liegt zwi-schen den Einnahmen des Medikaments ein Zeitintervall von über 48 Stunden, ist eine Intoleranzreaktion wieder möglich. Die Refraktärperiode beträgt ca. 48 bis maximal 72 Stunden, einmalig in Studien sogar nur 24 Stunden [23, 29]. Die Desen-sibilisierung kann oral oder alternativ auch kombiniert inhalativ / nasal und oral stattfinden. Die Standardtherapie erfolgt oral, für die es inzwischen diverse Sche-mata gibt.

Wichtig zu beachten ist, dass die Desen-sibilisierung nicht die Dauertherapie der Grunderkrankung ersetzt. Eine Kontrain-dikation für die Therapie per ASS-Desakti-vierung stellen Schwangerschaft, unkon-trolliertes Asthma bronchiale, gastrales Ulcus und eine Blutungsneigung dar.

Vor Beginn einer Provokation bzw. Desak-tivierung mit ASS sollte ein Leukotrienan-tagonist als Schutz vor schweren Reak-tionen der unteren Atemwege, wie ein Bronchospasmus, angesetzt bzw. fortge-führt werden [6, 26, 27]. Obere Atemwegs-reaktionen kann ein Leukotrienantago-nist allerdings nicht verhindern [3].

Die adaptive Desaktivierung nach dem Schema von Stevenson et al. erfolgt in Form einer initialen Aufdosierungspha-se mit Lysin-ASS dreimal täglich über 5 Tage unter stationärer Überwachung. Die Anfangsdosis beträgt 30 mg, die Höchst-dosis 1300 mg. Die maximale Dosis von 1300 mg pro Tag wird dann für einen Mo-nat fortgeführt. Danach erfolgt eine Re-duktion auf eine maximale Tagesdosis von 500 mg als Dauertherapie [23].

Ein weiteres Schema basiert auf einer Studie von Rozsasi et al. Hierbei erfolgt

Tabelle 1. NSAIDs mit häufiger Kreuzreaktion zu Acetylsalicylsäure

Hemmung Inhibition durch folgende NSAIDs

Prädominante COX-1- und COX-2-Inhibition

Diclofenac, Etodolac, Flubiprofen, Fenoprofen, Ibuprofen, Indometacin, Keto profen, Ketorolac, Meclofenamat, Naproxen, Nabumeton, Oxaprozin, Piroxicam, Phenylbutazon, Sulindac, Tolmetin

Geringe COX-1- und keine COX-2-Inhibition

Paracetamol, Salsalat

Relative COX-2-Inhibition Meloxicam, Nimesulid

Selektive COX-2-Inhibition Celecoxib, Etoricoxib, Lumiracoxib, Parecoxib

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die Aufdosierungsphase wie bei dem Schema nach Stevenson et al. Die Dau-ertherapie wird jedoch mit einer tägli-chen Erhaltungsdosis von 300 mg / Tag ASS durchgeführt und erzielt ebenfalls eine gute dauerhafte Wirkung mit weni-ger gastrointestinalen Nebenwirkungen [21].

Die ASS-Desensibilisierung reduziert im Gegensatz zur NSAID-Karenz die Rezi-divrate der nasalen Polyposis, verbes-sert das Riechvermögen und vermindert den Schweregrad des intrinsischen Asth-ma bronchiale [2, 11, 13, 14, 16, 23].

FazitBei der Symptomkombination von As-thma bronchiale, chronischer Rhinosi-nusitis und Polyposis nasi sollte gerade bei chronisch progredienten und schwer therapierbaren Verläufen mit Rezidiven der Rhinosinusitis bzw. Polyposis nasi an eine Aspirin-Exacerbated-Respirato-ry Disease (AERD) gedacht werden. Dies kann auch bei Kindern vorkommen – dann meist ab dem 10. – 18. Lebensjahr, selten in jüngerem Alter. Die Diagnose wird per Anamnese und oraler Acetylsa-licylsäure-Provokation unter stationärer Überwachung gestellt.

Literatur

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Dr. med. Kristina Otto, Prof. Dr. med. Jürgen Seidenberg

Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin

(Elisabeth-Kinderkrankenhaus),

Klinikum Oldenburg,

Medizinischer Campus Universität Oldenburg

Rahel-Strauss-Str. 10 | 26133 Oldenburg

[email protected]

Eine adaptive Desensibilisierung mit ASS bewirkt oftmals eine klinische Besse-rung sämtlicher Beschwerden des/r Pa-tienten/in und verhindert Rezidive, ins-besondere der Polyposis nasi et sinuum.

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IN EIGENER SACHE – VERLEIHUNG DER PREISE DER GPA

Zwei bekannte und ein neuer Preis – die GPA verlieh auch 2015 Preise an herausragende Projekte und PersönlichkeitenAuf dem diesjährigen 10. Deutschen Allergiekongress hatte die Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin drei Preise zu vergeben: den zusammen mit der Nestlé Nutrition Institute gestifteten Förderpreis Pädiatrische Allergologie, den Preis „Die Welle“ der GPA sowie dieses Jahr erstmals die Lucie Adelsberger Medaille. Wir drucken auf den folgenden Seiten die jeweilige Laudatio von Prof. Dr. med. Christian Vogelberg für Dr. med. Martina Millner-Uhlemann, von Prof. Dr. med. Albrecht Bufe an PD Dr. med. Ernst Rietschel sowie von Prof. Dr. med. Johannes Forster an Prof. Dr. med. Radvan Urbanek für deren jeweilige Verdienste.

Förderpreis Pädiatrische Allergologie an Martina Millner-Uhlemann Prof. Dr. med. Christian VogelbergDie Gesellschaft für Pädiatrische Aller-gologie und Umweltmedizin e. V. (GPA) vergibt den Förderpreis Pädiatrische Al-lergologie, der zusammen mit dem Nest-lé Nutrition Institute gestiftet wird. Ich freue mich, dass Hr. Dr. Possner heute als Vertreter des Nestlé Nutrition Institu-te die Preisverleihung begleitet. Mit dem Förderpreis sollen Einzelpersonen oder Gruppen ausgezeichnet werden, die sich in herausragender Weise um die Verbes-serung der Situation allergiekranker Kin-der bemühen.

Die spezifische Immuntherapie ist nicht nur die einzige kausale Therapieoption, die wir zur Behandlung allergischer Er-krankungen haben. Sie ist auch eine The-rapie mit einer langen Geschichte. Viele Studien demonstrieren ihre Wirksamkeit und Sicherheit in den unterschiedlichen Applikationsformen. Dennoch existieren bis heute keine Daten zu einem unmittel-baren Vergleich verschiedener Allergen-extrakte hinsichtlich deren Wirksamkeit und Sicherheit. Vor diesem Hintergrund

wurde 2009 auf Initiative von Fr. Dr. Martina Millner-Uhlemann das Projekt „Gräserdschungel“ von der PädNetzS e. G. ins Leben gerufen. Fr. Dr. Millner-Uhle-mann führt als Kinderärztin, Allergologin und Kinderpneumologin eine kinderärzt-liche Praxis mit Tätigkeitsschwerpunk-ten Atemwegserkrankungen, Allergien und Neurodermitis in Stuttgart. Mit er-heblichem Aufwand, entwickelt und be- treut von einem Expertenteam aus Kli-niken und Praxen, gelang eine firmen-unabhängige, behandlerunabhängige kontrollierte Anwendungsbeobachtung mit 5 unterschiedlichen Präparaten von 5 Firmen. Auf der Basis der erhobenen Daten können Aussagen zu möglichen Unterschieden zwischen unmodifizier-ten Allergenextrakten und Allergoiden, zwischen verschiedenen Adjuvanzien so-wie unterschiedlichen Therapieregimen getroffen werden. Mittels eines On-line-Tagebuchs konnten die Studienteil-nehmer ihre Symptome und den Medi-kamentenverbrauch protokollieren. Das Online-Tagebuch erwies sich als valides Erhebungsinstrument für die Evaluation von Symptomlast und Medikamenten-verbrauch der Kinder mit einer Sensi-bilisierung gegenüber Graspollen. Auf

dieser Grundlage wurde ein Instrument geschaffen, welches auch für einen Ein-satz in anderen Untersuchungen mit vergleichbarer Fragestellung denkbar ist. Die Studie befindet sich in der Ab-schlussphase der Auswertung, Ende des Jahres werden die Ergebnisse erwartet.

Eine unabhängige Preisjury hat das Projekt „Gräserdschungel“ für den dies-jährigen Förderpreis Pädiatrische Aller-gologie der Gesellschaft Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin aus-gewählt. Frau Dr. Millner-Uhlemann, wir

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alle sind sehr gespannt darauf, was Ihre Untersuchungen zeigen werden; ich gra-tuliere Ihnen von Herzen und wünsche Ih-nen für Ihr Vorhaben im Namen der GPA gutes Gelingen und viel Erfolg.

„Die Welle“ an Ernst Rietschel Prof. Dr. med. Albrecht BufeDie Einführung der GPA-Welle geht zu-rück auf den amerikanischen Psycho-therapeuten und Existenzpsychologen Ervin Yalom, von dem wir den berühmten Roman „Und Nietzsche weinte“ kennen. Yalom behauptet: In der Beziehung von Ich und Du wirken Menschen auf andere wie Steine, die ins Wasser fallen, zirkulä-re Wellen auslösen und dabei die ande-ren Menschen bewegen. Diese Fähigkeit der bewussten und unbewussten Ein-flussnahme schafft Sinn im Leben des „Rolling Stone“, teilweise ohne dass die-ser es selber erkennt.

Die GPA-Welle wird vergeben an diejeni-gen „Rolling Stones“ aus unserem Kreis, die durch ihre Wellen die GPA und ihre In-tention deutlich voranbringen, in diesem Jahr an Ernst Rietschel:

Die GPA vergibt heute zum dritten Mal unseren Ehrenpreis, unseren OSKAR für das Lebenswerk: „Die GPA-Welle“. Jeder

von uns, oft ohne bewusste Absicht oder Wissen, erzeugt im Leben konzentrische Einflusskreise, den Welleneffekt! – jahre-lang, auch über Generationen hinweg.

Wir vergeben die GPA-Welle an jeman-den, der im Laufe seines Lebens einen erheblichen Welleneffekt erzeugt hat und erzeugt für die GPA, für deren Ent-wicklung und Mission: die pädiatrische Allergologie zum Erfolg der Kinder zu führen. Gemeinsam gegen Allergien für mehr Toleranz; so – und wer erhält den Preis also in diesem Jahr?

Lassen Sie es mich in Tönen zusammen-fassen, frei nach einem durchaus be-kannten Beatles-Song:„Rietschel, ma belle,

sont les mots qui vont trés bien ensemble.Rietschel, bekommt die Well (e)These are facts that go together well,

ma Rietschel.We love you, we want you, we thank you.For all your impulsies.Du bist der Teil von jener Kraft,

die stets das Gute will und dieses für uns schafft.

Rietschel, hab‘ Dank.Bitte sei doch ewiglich

für uns die große Bank.Rietschel, hab‘ Dank.“

Lucie Adelsberger Medaille an Radvan UrbanekProf. Dr. med. Johannes ForsterRadvan Urbanek wurde am 20. November 1943 in Prag geboren, wo er auch Medizin studierte und promovierte. Im Jahre 1969 begann er eine Anästhesie-Ausbildung in Lüdenscheid, entschied sich aber 1971 um, um Facharzt für Kinderheilkunde an der Al-bert-Ludwigs-Universität Freiburg zu wer-den. Dort hat er sich 1980 habilitiert über „Immunologische Untersuchungen bei Allergien im Kindesalter“ – mit einem we-sentlichen Fokus auf der Insektengift-All-ergie. Wissenschaftlich hat er 1983 / 1984 mit einem Forschungsaufenthalt im Guy’s Hospital in London nochmals seinen im-munologischen Horizont erweitert.

Er ist einer der Gründer der Arbeits-gemeinschaft Pädiatrische Allergolo-gie Süd – einerseits als trinationale (Schweiz-Österreich-Deutschland) AG, andererseits als ein Fundament der Ge-sellschaft für Pädiatrische Allergologie.

So wundert es keinen, dass er im Jahre 1990 auf den „von Pirquet-Lehrstuhl“ der Universitäts-Kinderklinik Wien berufen wurde. Neben der Leitungsaufgabe der großen Abteilung für Allgemeinpädiat-rie hat er auch dort stets hochengagiert sein – wie er es ausdrückte – „Hobby“, die Allergologie und Pneumologie betrie-ben.

Er wird den Anforderungen, die den Träge-rinnen und Trägern der Lucie Adelsberger Medaille gestellt sind, in besonderer Wei-se gerecht. Er hat sich nicht nur, wie dar-gestellt, um die Forschung und die aller-gologische Krankenversorgung verdient gemacht, er ist auch ein hervorragender Lehrer und vor allem ein wirklicher Pra-xisanleiter für junge Kollegen. Er ist ein mitreißendes Vorbild, auch jetzt noch, da er seit 2006 wieder in der Allergie- und Pneumologie-Ambulanz des Zentrums

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für Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Universitäts-Klinikums Freiburg als Arzt, Berater und Ausbilder tätig ist. Er ist wie kein Zweiter belesen und motivierend für die nachfolgenden Ärztegeneratio-nen, es ihm nach zu machen.

Auch wenn die Verleihung dieser Medail-le mit Fug und Recht die Lebensleistung von Radvan Urbanek in wissenschaftli-cher, pädagogischer und ärztlicher Hin-sicht würdigt, so wünschen ihm doch alle, die von ihm gelernt haben, dies noch einige Jahre weiter zu können, und freuen sich mit ihm über diese Auszeichnung.

Lucie Adelsberger MedailleDr. med. Frank Friedrichs, Prof. Dr. med. Christian Vogelberg

Die Gesellschaft für Pädiatrische Aller-gologie und Umweltmedizin e. V. (GPA) hat in diesem Jahr auf dem Deutschen Allergiekongress in Köln erstmals die Lucie Adelsberger Medaille verliehen. Der erste Träger dieses Ehrenpreises, der an die deutsche Kinderärztin / Internistin und pädiatrische Allergologin Dr. Lucie Adelsberger erinnern soll, ist Prof. Dr. Radvan Urbanek, Freiburg.

Die GPA vergibt die Lucie Adelsberger Medaille für hervorragende Leistungen im Gebiet der pädiatrischen Allergologie in wissenschaftlicher, ärztlicher und ge-sellschaftlicher Hinsicht. Entsprechend der wissenschaftlichen und beruflichen Ziele der Namensgeberin Lucie Adels-berger soll dieser Preis besonders die Kolleginnen und Kollegen ehren, die sich um die Forschung und Lehre, den Wis-senstransfer von der Klinik in die Praxis und die Verbesserung der Situation al-lergiekranker Kinder und Jugendlicher verdient gemacht haben. Der Ehrenpreis

soll auch an unsere Kollegin Lucie Adels-berger und ihr beruflichen und privaten Lebensweg, geprägt durch Verfolgung im Dritten Reich, erinnern (§ 1 der Satzung des Preises).

Wer war Lucie Adelsberger?Lucie Adelsberger wurde am 12. April 1895 in Nürnberg als Tochter des jüdi-schen Kaufmanns Isidor Adelsberger und seiner Frau Rosa geboren. Zwei jün-gere Geschwister, eine Schwester und ein Bruder, wurden nach ihr geboren. Der Va-ter starb bereits 1906, sodass die Mutter sich und drei Kinder versorgen musste. Am 14.07.1914 bestand Lucie Adelsber-ger das Abitur am Kgl. Realgymnasium Nürnberg. Erst seit 1911 war eine höhere Ausbildung für Frauen in Bayern erlaubt. Zum Wintersemester 1914 schrieb sie sich an der Friedrich-Alexander-Universi-tät in Erlangen in das Fach Medizin und im Nebenfach Naturwissenschaften ein. Im März 1917 bestand sie das Physikum, im November 1919 das Staatsexamen.

Unter ihren akademischen Lehrern war Prof. Friedrich Jamin (1872 – 1951), der in Erlangen seit 1907 das gemeinsame Or-dinariat von Pharmakologie, Kinderheil-kunde und Medizinischer Poliklinik – mit einem zunehmenden Schwerpunkt auf der Pädiatrie – innehatte.

Noch 1919 beginnt Lucie Adelsberger mit ihrem Praktischen Jahr im Cnopf´schen Kinderspital in ihrer Heimatstadt Nürn-berg. Sie arbeitet auf der Säuglingsstati-on, der chirurgischen und der Infektions-

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abteilung des Hauses. Ihre Dissertation über „die Verdauungsleucocytose beim Säugling“ war so herausragend, dass sie 1921 vor der eigentlichen Promotion (1923) in vollem Wortlaut über 31 Seiten in der von den bedeutendsten Pädiatern der Zeit herausgegebenen „Zeitschrift für Kinderheilkunde“ abgedruckt wurde.

Im Dezember 1920 wird Lucie Adels-berger die Approbation als Ärztin erteilt. Im Januar 1921 wechselt sie an das Städ-tische Krankenhaus Friedrichshain in Berlin und arbeitet ab 1922 gleichzeitig an der Kinderabteilung und der II. Inne-ren Abteilung des Hauses. Hier bereitet sie beide Facharztspezialisierungen vor, die sie 1925 (Innere Medizin) und 1926 (Kinderheilkunde) erlangen wird.

In den 3 Jahren am Krankenhaus Fried-richshain setzt sie ihre wissenschaft-

liche Tätigkeit fort. „Es entstehen auf Studien und Fallbeobachtungen basie-rende Veröffentlichungen über das The-ma, mit dem sich Lucie Adelsberger in-tensiv befassen wird: die verschiedenen Formen der Überempfindlichkeit beim Menschen, die Allergie. Es ist jedoch ein Charakteristikum ihres wissenschaftli-chen Ansatzes, dass sie sich für ihr im-mer klarer werdendes Problem der Über-empfindlichkeitsreaktionen nicht mit der Laboratoriumsarbeit begnügt, sondern jeweilige klinische Fallvorstellungen in die Analyse einbezieht“, schreibt Prof. Dr. E. Seidler in seinem Buch [2].

1924 wechselt Lucie Adelsberger in die Kinderklinik im Berliner Städtischen Wai-senhaus und Kinderasyl in Berlin-Kreuz-berg. Diese Klinik war von Heinrich Finkel-stein (1865 – 1942) zu einer der wichtigsten klinischen Forschungseinrichtungen der

Kinderheilkunde entwickelt worden. Eine umfassende Untersuchung über das Ek-zem im frühen Säuglingsalter ist das Er-gebnis des Jahres, das Lucie Adelsberger in dieser Klinik verbringt.

Am 1. Mai 1925 eröffnet Lucie Adelsberger als Internistin und Kinderärztin mit dem Schwerpunkt allergischer Krankheiten in der Chausseestraße 63 im Berliner Wed-ding ihre Praxis. Gleichzeitig betreut sie konsiliarisch als Kinderärztin die Säug-lings- und Kinderwohlfahrt im Bezirk Wed-ding. Daneben ordnet sie ihr Material zu den ihr wichtigen klinischen Krankheits-bildern der Überempfindlichkeit; eine ers-te Übersichtsarbeit aus dem Jahr 1927 fasst den Stand der Erkenntnisse über das Heufieber, das Ekzem, das Asthma bronchiale, die Urtikaria und bestimmte Formen von Darmerkrankungen, Migräne und Epilepsie zusammen. 1927 spricht sie

Lucie Adelsberger Medaille der Gesellschaft für Pädiatrische Aller gologie und Umweltmedizin e.V.

§ 1 Die Gesellschaft für PädiatrischeAllergologie und Umweltmedi-zin e. V. (GPA) vergibt die Lucie Adelsberger Medaille für hervor-ragende Leistungen im Gebiet der pädiatrischen Allergologie in wissenschaftlicher, ärztlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Ent-sprechend der wissenschaftlichen und beruflichen Ziele der Namens-geberin des Lucie Adelsberger Preises soll dieser Preis beson-ders die Kolleginnen und Kollegen ehren, die sich um die Forschung und Lehre, den Wissens transfer von der Klinik in die Praxis und die Verbesserung der Situation allergiekranker Kinder und Ju-gendlicher verdient gemacht ha-ben. Der Ehrenpreis soll auch an

unsere Kollegin Lucie Adelsberger und ihren beruflichen und privaten Lebensweg, geprägt durch Verfol-gung im Dritten Reich, erinnern.

§ 2 Der Preisträger bzw. die Preisträ-gerin wird gleichzeitig nach Be-schluss der Mitgliederversamm-lung der GPA Ehrenmitglied der Gesellschaft für Pädiatrische Al-lergologie und Umweltmedizin e. V.

§ 3 Über die Vergabe der Lucie Adels-berger Medaille entscheidet ein Kuratorium. Mitglieder des Ku-ratoriums sind der 1. und 2. Vor-sitzende der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Um-weltmedizin e. V. sowie jeweils ein Vertreter der vier pädiatrisch-al-

lergologischen Arbeitsgemein-schaften der GPA.

§ 5 Die vom Kuratorium getroffeneEntscheidung ist unanfechtbar. Der Rechtsweg bleibt ausge-schlossen.

§ 6 Die Lucie Adelsberger Medaillewird einmal jährlich im Rahmen der Jahrestagung der Gesell-schaft für Pädiatrische Allergolo-gie und Umweltmedizin e. V. ver-geben.

§ 7 Die Lucie Adelsberger Medaillewird öffentlich bekannt gemacht und der Preisträger durch eine Presseveröffentlichung der Fach-presse vorgestellt.

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über „Überempfindlichkeitsprobleme“ auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde in Budapest. Sie wird in die Gesellschaft aufgenommen.

„1927 tritt sie neben ihrer Praxistätig-keit einer neu gegründeten Forschungs-gruppe der serologischen Abteilung des Robert Koch-Instituts bei. Dort bestand unter der Leitung von Richard Otto (1878 – 1945) ein Zentrum der immuno-logischen Forschung. Mit Geldern der Notgemeinschaft der deutschen Wissen-schaft wurde dort eine Beobachtungs-stelle für Überempfindlichkeitsreaktio-nen eingerichtet und mit dem Serologen Hans Munter und Lucie Adelsberger be-setzt. Beide entwickelten diese Abteilung zu einer Forschungs- und Beratungs-stelle für allergische Erkrankungen. Ende März 1933 wurden beide Wissenschaft-ler, die diese Allergie-Ambulanz (in un-serer heutigen Terminologie) geführt ha-ben, entlassen. Bis zu diesem Zeitpunkt kombinieren die beiden Forscher die ex-perimentelle und klinische Arbeit, wobei Lucie Adelsberger die Erfahrungen aus der Praxis einbringt. Umfängliche experi-mentelle Untersuchungen entstehen zur Verbesserung der Kenntnisse über die Allergene. In Übersichtsarbeiten und Vor-trägen soll die Ärzteschaft mit der Praxis der Allergie-Erkrankungen bekannt ge-macht werden. 1929 erscheint von Lucie Adelsberger eine Monographie über die bisherigen Kenntnisse zur Überempfind-lichkeit, in der sie feststellt, die Behand-lung allergischer Krankheiten nicht mehr lediglich ‚dem intuitiven Blick des Arztes und einer Zufallskonstellation‘ zu über-lassen sind, sondern dass die inzwischen experimentell gewonnene Erkenntnisse jeden Arzt zwingen, sich damit zu befas-sen. Sie macht Vorschläge für die Ehe- und Berufsberatung und bespricht das andersgeartete Bild der Allergie-Erkran-kungen im Kindesalter. Hierbei wird nicht nur die serologische Prüfung auf Nah-

rungsmittel- oder Klima-Allergene, son-dern auch die sorgfältige Familien- und Individualanamnese hervorgehoben.“ [1]

Mit der Entlassung von Hans Munter und Lucie Adelsberger am 31.03.1933 endet die Arbeit der Forschungsstelle. Am 22. April 1933 verlor Lucie Adelsberger, wie alle nichtarischen Ärzte, ihre Zulassung bei den Krankenkassen. In der Folge schlos-sen viele wissenschaftliche Gesellschaf-ten die jüdischen Mitglieder aus oder leg-ten ihnen, wie die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde, den Austritt nahe.

Am 10. Mai 1933 finden die Bücherver-brennungen auf dem Opernplatz in Berlin statt. In dieser Zeit gelang es Lucie Adels-berger einige wissenschaftliche Arbei-ten zum Druck zu bringen, darunter eine mit dem Titel „Was ist eine Allergie und wie heilt man sie?“, die als Bilanz ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit gesehen werden kann. 1934 erscheint die Mono-graphie über „Alimentäre Allergien“, die sie gemeinsam mit ihrem ehemaligen Kollegen Dr. Hans Munter verfasst hat.

Im Frühjahr und Sommer 1938 korrespon-diert sie mit Francis M. Rackemann von der Harvard-University in Boston. Man bie-tet ihr eine Position als „instructor in bac-teriology and allergy“ an. Im Frühherbst 1938 reist sie mit einem Besuchervisum für 10 Tage in die USA ein. Sie erhält aller-dings keine Aufenthaltsgenehmigung als Gastforscherin, da sie in den zwei letzten Jahren zuvor keine Tätigkeit als Forsche-rin und Dozentin in Deutschland nach-

weisen konnte. Lucie Adelsberger kehrt daraufhin nach Berlin zurück. Auch eine zweiter Versuch, mit Unterstützung von Freunden 1939 eine Anstellung in London, G. B., zu erhalten, scheitert.

Am 30. September 1938 wurde allen jü-dischen Ärztinnen und Ärzten die Appro-bation entzogen. Einem kleinen Teil wur-de gestattet, ihre Angehörigen und ihre noch verbliebenen jüdischen Patienten zu behandeln. Sie durften sich aber nicht mehr „Arzt“, sondern nur noch „Kranken-behandler“ nennen. Das Praxisschild und Rezepte waren mit einem blauen David-stern zu versehen. In den nächsten Jah-ren war Lucie Adelsberger mehrfach ge-zwungen ihre Wohnung zu wechseln. Seit dem 06.12.1941 bewohnte sie mit ihrer schwerkranken Mutter zwei Zimmer mit einer Diele, wo sie ihre verbliebenen jüdi-schen Patienten empfing, zur Untermiete. Dies war ihre letzte Adresse, von der aus sie zur Deportation abgeholt wurde.

Am 17. Mai 1943 wird Lucie Adels berger mit dem „38. Osttransport“ von Berlin nach Auschwitz deportiert. Sie wird dort als Ärztin der Kinder im Zigeuner-lager und im Frauen-Konzentrations-lager Ausch witz-Birkenau eingesetzt. Sie übersteht den berüchtigten Rückmarsch in das KZ Ravensbrück. Am 02.05.1945 wird sie befreit.

Im Juli 1945 gelangt sie durch Vermitt-lung des britischen Red Cross nach Amsterdam. Sie gilt dort als staatenlos und darf nicht arbeiten. Während dieser Zeit schreibt sie das erste Manuskript ihres Berichts über Auschwitz, den sie nach Überarbeitung 10 Jahre später ver-öffentlichen wird. Dieses Buch mit dem Titel „Auschwitz – Ein Tatsachenbericht“ wird 2001 von Prof. Dr. Eduard Seidler, em. Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Freiburg i. Br., ergänzt mit wesentlichen Informationen

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zu ihrem beruflichen und privaten Le-benslauf, herausgeben.

Im Oktober 1946 reist sie von Amsterdam nach New York, U. S. A. In den Jahren 1947 bis 1949 arbeitet sie als Tbc-Ärztin im Montefiore Hospital, Country Sanato-rium, Bedfords Hills, N. Y.

1949 besteht sie die „state board exami-nation“ und erhält eine „medical license“. Ab August 1949 arbeitet sie im Rese-arch Department des Montifiore Hospi-tal and Medical Center in New York. Sie publiziert zu Themen aus der Allergolo-gie, Immunologie und insbesondere der Frühdiagnose des Karzinoms. Nebenher eröffnet sie eine kleine allergologische Privatpraxis in der 3539 Rochambeau Ave., New York 67, N. Y.

Am 02.11.1971 stirbt Lucie Adelsberger in New York an einem Mammakarzinom.

Nachwort und DanksagungEs ist als besonderen Verdienst von Herrn Prof. Dr. Eduard Seidler zu werten, dass dieser mit seinen Recherchen und der anschließenden Publikation Lucie Adels-berger in würdiger Weise ihrer Nachwelt in Erinnerung gebracht hat. Der Vorstand der GPA stand im Vorfeld der ersten Preisverleihung in mehreren Telefonaten und Schriftwechseln mit Herrn Prof. Seid-ler in Kontakt und nahm weitere wertvolle Anregungen auf. Das von ihm im Bouvier Verlag 2001 (2. Auflage 2005) herausge-gebene Buch enthält den Bericht von Dr. Lucie Adelsberger über deren Erinnerun-gen an Auschwitz, den sie 1945 und 46 während der Wartezeit auf ein U. S. A.-Vi-sum in Rotterdam niedergeschrieben hat. Neben den Erinnerungen des Häftlings Nummer 45171, Dr. Lucie Adelsberger, fin-det sich ein Anhang mit dem von Prof. Dr. Seidler recherchierten Lebenslauf, aus dem wir viele der oben wiedergegebenen Informationen übernommen haben.

Literatur

1. Auschwitz: ein Tatsachenbericht; das Vermächtnis

der Opfer für uns Juden und für alle Menschen / Lu-

cie Adelsberger, Hrsg. Eduard Seidler, Bouvier-Ver-

lag Bonn, 2005

2. Seidler E. Jüdische Kinderärzte 1933 – 1945 Ent-

rechtet / Geflohen / Ermordet. Freiburg: Karger. Er-

weiterte Neuaufl. 2007.

Schriftenverzeichnis Dr. med. Lucie Adelsberger (Aus: [1], S. 161–163)

1.) Die Verdauungsleukocytose beim Säugling. Med. Diss. Univ. Erlangen 1920 (Promotion 1923) 66 S., Manuskript

2.) Die Verdauungsleukocytose beim Säugling. Zschr. f. Kinderheilk. 29 (1921), 156 – 189

3.) Herpes Zoster und Varicellen. Münchn. Med. Wochenschr. 71 (1924), 105 – 107

4.) Hans Rosenberg und Lucie Adelsberger: Beiträge zum physikalisch-chemischen Verhalten des Blutes nach intravenösen Injektionen, besonders von Proteinkörpern (unter Berücksichtigung der Anaphylaxie). Zschr. f. Immunitätsforschg. u. experiment. Therapie, 34 (1922), 36 – 70

5.) Lucie Adelsberger und Hans Rosenberg: Über Hämoklasie und Kolloidoklasie. Dtsch. Med. Wo-chenschr. 49 (1923), 639 – 641

6.) Über verschiedenartige Formen der Idiosynkrasie. Med. Klinik 20 (1924), 1573 – 1575

7.) Fritz Schiff und Lucie Adelsberger: Über blutgruppenspezifische Antikörper und Antigene. Zschr. f. Immunitätsforschg. u. experiment. Therapie 40 (1924), 335 – 367

8.) Fritz Schiff und Lucie Adelsberger: Über blutgruppenspezifische Antikörper und Antigene. 10. Ta-gung der Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie in Göttingen 1924. Zentralbl. f. Bakteriologie (etc.) 93 (1924), 172 – 183

9.) Fritz Schiff und Lucie Adelsberger: Die Blutgruppendiagnose als forensische Methode. Ärztl. Sachverständigen-Zeitung 30 (1924), 101 – 103

10.) Verhalten der kindlichen Haut gegenüber verschiedenen Reizen. Zschr. f. Kinderheilk. 43 (1927), 373 – 390

11.) Idiosynkrasien und Überempfindlichkeitszustände. Zschr. f. ärztliche Fortbildung 24 (1927), 146 – 152

12.) Anaphylaxie und Atopie. I. Mitteilung: Versuche mit passiver Übertragung. Zschr. Hyg. Infekti-onskr. 110 (1929), 104 – 119

13.) Anaphylaxie und Atopie. II. Mitteilung: Zur Kenntnis der Stauballergene. Zschr. Hyg. Infektionskr. 110 (1929), 278 – 284

14.) Überempfindlichkeitskrankheiten (Theoretischer Teil). Med. Klinik 25 (1929), Beiheft 7, 133 – 158

15.) Die Verhütung und Bekämpfung der Überempfindlichkeitskrankheiten in sozialer Beziehung. Mo-natsschr. Deutscher Ärztinnen 6 (1930), 7 – 11

16.) Die Frau als Ärztin: In: Die Kultur der Frau. Eine Lebenssymphonie der Frauen des XX. Jahr-hunderts. Hrsg: Ada Schmidt-Beil. Berlin-Frohnau: Verl. Für Kultur und Wissenschaften 1930, 198 – 295

17.) Anaphylaxie und Atopie. III. Mitteilung: Anaphylaxieversuche mit Atopenen. Zschr. Hyg. Infek-tionskr. 111 (1930), 577 – 599

18.) Lucie Adelsberger und Werner Ulrich: Zur Kenntnis der Pferdeschuppenallergene. Zschr. Hyg. Infektionskr. 111 (1930), 600 – 617.

19.) Richard Otto und Lucie Adelsberger: Experimentelle Untersuchungen über die Beziehungen des anaphylaktischen Reaktionskörpers zum sog. atopischen Reagin bei der Serumüberempfind-lichkeit. Zschr. Hyg. Infektionskr. 113 (1931), 16 – 38

20.) Zum Symptombild und zum Krankheitsverlauf der allergischen Krankheiten. Dtsch. Med. Wo-chenschr. 57 (1931), 585 – 588

21.) Zur Praxis der Allergie-Erkrankungen im Kindesalter. Kinderärztl. Praxis 3 (1932), 97 – 193

22.) Die Bedeutung der Eiklar-Reaktion für die Beurteilung des Ekzema infantum. Beitrag zur „Kli-nisch-therapeutischen Umfrage“. Dermatol. Wochenschr. 95, (1932), 1300 – 1301

23.) Lucie Adelsberger und Hans Munter: Zur Klinik des Heufiebers. Med. Klinik 28 (1932), 860-864

24.) Der Wert des „Testens“. Dtsch. Med. Wochenschr. 59 (1933), 927 – 930

25.) Lucie Adelsberger und Hans Munter: Alimentäre Allergie. Sammlg. zwangloser Abhdlg. aus d. Gebiet d. Verdauungs- und Stoffwechselkrankh. 12,7. Halle / Saale: Marhold 1934. 61 S.

26.) Phénomènes de Désensibilisation. Revue d´Immunologie. 1 (1936), 14 – 26

27.) Was ist Allergie und wie heilt man sie? Dtsch. Med. Wochenschr. 62 (1936), 733 – 737

28.) Darmextrakte bei allergischen Krankheiten. Fortschr. d. Therapie 13 (1937), 568 – 575

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GESUNDHEITSPOLITIK

Reale Kosten einer SITAllergologen aufgepasst bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung für SIT-Lösungen – Angesetzte (Listen-)Preise entsprechen häufig nicht den realen Preisen!

Ludger Klimek, Zentrum für Rhinologie und Allergologie, Wiesbaden

Der AeDA erhält derzeit vermehrt Hinweise, nach denen in einigen KV-Regionen bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Prüfungsstellen bei drohen-den Regressen die Kosten der verordneten SIT-Präparate falsch berechnen (SIT: Spezifische Immuntherapie). Hierbei werden offensichtlich die Listenpreise der SIT-Präparate für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen angesetzt. Diese weichen jedoch erheblich von den tatsächlichen Preisen ab, welche die Kostenerstatter (GKV / PKV-Kassen) belasten. Diese Differenz hat eventuell erhebliche Auswirkungen auf die Frage, ob Ärzte regress-pflichtig werden oder nicht. Schlimmstenfalls könnte ein Allergologe durch dieses Vorgehen für Arzneimittelkosten regresspflichtig gemacht werden, die den Krankenkassen in Wirklichkeit nie entstanden sind!

EinleitungDie Verordnung von Therapielösungen zur spezifischen Immuntherapie im vertrags-ärztlichen Bereich hat sich wie alle Thera-pieformen an den Vorgaben des Arzneimit-telgesetzes zu orientieren. Die Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V und die Richtlinien des Bundesaus-schusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arznei-mittel-Richtlinien / AMR) reglementieren die Therapie im Bereich der GKV. Medizi-nisch-fachlich fasst die durch die allergo-logischen Fachgesellschaften gemeinsam erstellte AWMF-S2k-Leitlinie zur spezifi-schen Immuntherapie [1] das derzeitige Wissen über diese Therapie zusammen. Diese neue S2k-Leitlinie hat mit einer pro-duktspezifischen Bewertung eine neue Wirtschaftlichkeitsdiskussion entfacht, die aktuell von einigen KVen aufgegriffen und konkretisiert wird.

Was kostet eigentlich eine SIT? Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verord-nungsweise nehmen in der Regel Bezug auf die Listenpreise der SIT-Produkte. Was dabei aber bislang häufig völlig unbeachtet geblieben ist, sind die realen Preise der Pro-

dukte, die durch die aktuellen gesetzgeberi-schen Rahmenbedingungen massiv beein-flusst werden. Listenpreis und realer Preis sind deshalb zwei höchst unterschiedliche Dinge! Das hat starke Auswirkungen auf die Arzneimittelkosten und eventuelle Re-gressforderungen der allergologisch tä-tigen Ärzte und wird daher im Folgenden erläutert.

Seit April 2014 unterliegen alle SIT-Her-steller gemäß § 130 a [1] SGB V einem Pflicht rabatt von 7 % auf die Listenpreise. Diese Zwangsabgabe ist für alle Präparate gleich. Was sich aber viel stärker auswirkt ist, dass zusätzlich ein sog. Preismorato-

rium gesetzlich bis Ende 2017 festge-schrieben wurde (§ 130 a [3a] SGB V). Die-ses Preismoratorium, das schon im Juli 2010 in Kraft getreten ist, friert die Preise auf dem Stand vom 31.07.2009 ein. Alle Preiserhöhungen seit diesem Stichtag werden über die Apothekenrechenzentren von den Krankenkassen nachträglich wie-der zurückgefordert. Als Beispiel für eine solche Rückforderung ist ein Ausschnitt aus einer „Anforderung Herstellerab-schlag“ abgebildet (Abb. 1).

In diesem Beispiel musste der Hersteller für den Monat April insgesamt 294.334,67 € an die Krankenkassen zurückerstatten.

Abbildung 1. Ausschnitt aus einer „Anforderung Herstellerabschlag“

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Die Hersteller erzielen also aktuell nur die Preise, die für ihre Präparate am 31.07.2009 gültig waren, weiterhin reduziert um ei-nen Pflichtrabatt von 7 %. Das alles wäre vielleicht weniger interessant, wenn diese beträchtlichen Abschläge für alle SIT-Prä-parate gleich wären. Dies ist aber nicht der Fall. Aufgrund gestiegener Rohstoffpreise und Inflation seit 2009 ergaben sich Preis-erhöhungen seitens der Hersteller, welche höchst unterschiedlich ausfielen. Somit ergibt ein Blick auf die offiziell verfügba-ren Listenpreise ein stark verzerrtes Bild. Sollten diese auch in Wirtschaftlichkeits-prüfungen angesetzt werden, hätte dies für die betroffenen Ärzte erhebliche Auswir-kungen.

Anhand einiger Beispiele erkennt man sehr eindrucksvoll den Unterschied zwi-schen Listenpreis und realem Preis (siehe Tab. 1; alle Angaben in €, Stand 04.08.2015). In dieser Tabelle sind die in Deutschland verfügbaren AIT-Präparate aufgelistet. Alle Preisangaben wurden den Herstellern zur Prüfung zur Verfügung gestellt und ggf. nach deren Angaben korrigiert. Wichtig ist: Diese Tabelle dient rein der Erkennung von Differenzen zwischen Listenpreisen und re-alen Preisen für AIT-Präparate in Deutsch-land. Die Listung ist daher nicht mit einer speziellen Bewertung von Wirksamkeit und unerwünschten Wirkungen verbunden. Zudem sind Faktoren wie Füllmenge der Flaschen, Injektionsvolumina, Injektions-intervalle, Aufdosierungsschemata etc. nicht berücksichtigt. Wichtig ist die Beach-tung von Qualitätsunterschieden zwischen den Präparaten. So ist für einige Präparate die Wirksamkeit weniger gut belegt, wäh-rend für andere eine hervorragende Evi-denz vorliegt, zum Teil mit Nachweis der Asthmaprävention oder Langzeiteffekten. Aus diesem Grund kann ein (möglicher-weise preiswert erscheinendes Präparat) langfristig die bei optimaler Wirksamkeit möglichen Kosten einsparungen verfeh-len und somit dauerhaft eine schlechtere

Kosten-Nutzen-Bilanz aufweisen. Somit ist ein günstiger Präparatepreis nicht mit einer hohen Wirtschaftlichkeit gleichzu setzen. Diese Aspekte sind bei einer Preisdiskus-sion unbedingt zu beachten und werden auch von § 9 Arzneimittelrichtlinie und § 12 SGB V bestätigt. Medizinisch-fach-lich fasst die durch die allergologischen Fachgesellschaften gemeinsam erstellte AWMF-S2k-Leitlinie zur spezifischen Im-muntherapie [1] den derzeit allgemein an-erkannten Stand des Wissen über diese Therapie zusammen.

Selbstverständlich müssen bei allen Preis-vergleichen präparatespezifische Unter-schiede wie z. B. Füllmenge der Flaschen, Injektionsvolumina, Injektionsabstände, Aufdosierungsschemata etc. berücksich-tigt werden, was einen aussagekräftigen Vergleich auf Jahres- oder 3-Jahresebene erschwert. Somit ist auch die Berechnung von Tagestherapiekosten (DDD’s) – wie in anderen Indikationsbereichen üblich – für SIT-Präparate nicht sinnvoll. Aus die-sem Grund gibt es im „Amtlichen ATC-Code“ des DIMDI auch keine DDD-Anga-ben zu SIT-Präparaten. Nichtsdestotrotz sollte der verordnende Arzt auch die aktu-ellen Listenpreise im Auge behalten, denn diese würden nach Ablauf des Morato-riums direkt Gültigkeit besitzen und eine Prüfung auf dieser Grundlage stattfinden.

FazitBei einer Ermittlung der Verordnungs-kosten reicht es nicht aus, die in den Pra-xisprogrammen zu findenden Listenpreise zu vergleichen. Vielmehr ist die Situation durch die gesetzlichen vorgegebenen Her-stellerabschläge nach § 130 a SGB V weit-aus komplizierter. Zumindest bis 2017 gilt das oben Beschriebene und es ist zwin-gend angeraten, in einer Wirtschaftlich-keitsbeurteilung diese spezielle Sachlage zu berücksichtigen und nur die tatsäch-lichen Präparatepreise zu betrachten.

Vor allem Allergologen, die von einer Wirt-schaftlichkeitsprüfung betroffen sind, soll-ten unbedingt diese Differenz beachten und in der Argumentation gegenüber den Prüfungsausschüssen anführen, da sie zu einer erheblichen Reduktion ihres Verord-nungsvolumens führen kann.

Es ist zu fordern, dass zukünftig in die Be-rechnungen der Arzneimittelbudgets der allergologisch tätigen Ärzte die tatsächli-chen Therapiepreise Eingang finden und nicht virtuelle Listenpreise.

Literatur

1 Pfaar O, Bachert C, Bufe A et al. Die (allergen-) spezifische Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedi-zin (GPA), der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) und der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI). Allergo J Int 2014;23:282 – 319.

Prof. Dr. med. Ludger Klimek

Zentrum für Rhinologie und Allergologie

An den Quellen 10 | 65183 Wiesbaden

[email protected]

Dieser Text ist im AllergoJournal 08/2015 erschienen.

Interessenkonflikt: Ludger Klimek: Honorare für u. a. Durchführung klinischer Studien, Gutachten, Beratung, Vorträge, Autorenschaft von folgenden Firmen: ALK-Abello, Allergopharma, Bencard, Bionorica, Boehringer Ingelheim, Biomay, Cytos, HAL, Hartington, GSK, Leti, Lofarma, MEDA, Novartis, Roxall, Stallergenes.

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Präparat (Preise in €) Hersteller Listenpreis* Pflichtrabatt** realer Preis

Acaroid AB Allergopharma 478,34 113,23 365,11

Acaroid FB 1-mal 3 ml (HD 0,6 ml) Allergopharma 437,90 102,55 335,35

Acaroid FB 2-mal 3 ml (HD 0,6 ml) Allergopharma 789,67 186,81 602,86

ALK Depot-SQ AB 4-mal 5 ml ALK Abelló 533,67 114,27 419,40

ALK Depot-SQ FB 1-mal 5 ml (HD 1,0 ml) ALK Abelló 440,41 103,85 336,56

ALK Depot-SQ FB 2-mal 5 ml (HD 1,0 ml) ALK Abelló 804,23 179,10 625,13

ALK 7 AB ALK Abelló 476,14 101,83 374,31

ALK 7 FB 1-mal 3,5 ml (HD 1,0 ml) ALK Abelló 436,28 93,11 343,17

Allergovit AB Allergopharma 478,34 113,23 365,11

Allergovit FB 1-mal 3 ml (HD 0,6 ml) Allergopharma 437,90 102,55 335,35

Allergovit FB 2-mal 3 ml (HD 0,6 ml) Allergopharma 789,67 157,05 632,62

AVANZ AB ALK Abelló 505,16 73,44 431,72

AVANZ FB 1-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) ALK Abelló 462,01 67,57 394,44

AVANZ FB 2-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) ALK Abelló 844,03 119,54 724,49

Clustoid 1-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Ro-mal all 497,96 140,39 357,57

Clustoid 2-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Ro-mal all 873,02 257,60 615,42

Depigoid AB Leti 353,89 19,63 334,26

Depigoid FB 1-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Leti 294,85 16,26 278,59

Depigoid FB 2-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Leti 521,55 29,21 492,34

Depiquick Leti 353,89 19,63 334,26

Novo-Helisen depot AB Allergopharma 415,83 94,78 321,05

Novo-Helisen depot FB 1-mal 4,5 ml (HD 1,0 ml) Allergopharma 314,10 71,30 242,80

Novo-Helisen depot FB 2-mal 4,5 ml (HD 1,0ml) Allergopharma 561,69 130,08 431,61

Polline-mal 4 Plus (4 Inj. à 1,0 ml) Bencard 750,06 80,09 669,97

PURETHAL 1-mal 3 ml (HD 0,5 ml) HAL Allergie 448,49 119,09 329,40

PURETHAL 2-mal 3 ml (HD 0,5 ml) HAL Allergie 845,02 216,16 628,86

Roxoid 1-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Roxall 489,38 141,76 347,62

Roxoid 2-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Roxall 863,21 287,73 575,48

TATop AB Bencard 248,19 13,60 234,59

TA Top FB 1-mal 1,5 ml (HD 0,5 ml) Bencard 248,19 13,60 234,59

TA Top FB 2-mal 1,5 ml (HD 0,5 ml) Bencard 366,27 20,34 345,93

Tyromilbe AB Bencard 371,10 34,02 337,08

Tyromilbe FB 1-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Bencard 350,00 32,06 317,94

Tyromilbe FB 2-mal 2,5 ml (HD 0,5 ml) Bencard 654,86 78,68 576,18

AB = Anfangsbehandlung, FB = Fortsetzungsbehandlung, AIT = allergenspezifische Immuntherapie, HD = empfohlene Höchstdosis* dieser Preis befindet sich in der Praxissoftware** gemäß Lauer-Taxe Stand 04.08.2015 (Summe aus 7 % Abschlag und Preismoratorium)

Tabelle 1. Beispiele für SIT-Präparate mit Angaben zu Listenpreisen und realen Preisen (Preise in €). (Alle Angaben sind in der Lauer-Taxe zugänglich, in der Arzt-Software werden nur die Listenpreise brutto angegeben.)

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GESUNDHEITSPOLITIK

Verordnungsforum der KV Baden-Württemberg befasst sich mit der allergenspezifischen ImmuntherapieInteressante Bewertungen und korrekturbedürftige Fehleinschätzungen

Ludger Klimek, Zentrum für Rhinologie und Allergologie Wiesbaden und Christian Vogelberg, Universitätsklinik Dresden

Stellungnahme des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (AeDA) und der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie (GPA)

Im KVBW-Verordnungsforum Nr. 33 von April 2015 wurde unter der Überschrift: „SCIT und SLIT: Neue S2k-Leitlinie nimmt Präparate in den Fokus“ eine Bewertung der allergenspezifischen Immuntherapie (AIT) als Behandlungsverfahren allergischer Erkrankungen im Allgemeinen und der aktuell verfügbaren Präparate für die AIT im Besonderen vorgenommen.

Der Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) und die Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) begrüßen ausdrücklich, dass sich das Verordnungsforum der KV Baden-Württemberg mit dieser wichtigsten Therapieform allergischer Erkrankungen befasst. Zahlreichen Aussagen dieses Beitrags stimmen wir ausdrücklich zu. Wir halten es allerdings für unbedingt erforderlich, einzelne Aspekte des Beitrags zu präzisieren und teilweise zu korrigieren.

Das Verordnungsforum der KVBW lie-fert nach Angaben auf der E Homepageder KV Baden-Württemberg (Zugriff am 28.10.2015, 18:22h) „aktuelle und kritische Informationen rund um die rationale und ra-tionelle Pharmakotherapie“. Außerdem ent-hält die Broschüre nach dortigen Angaben „wichtige Hinweise zur wirtschaftlichen Ver-ordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln“. In den 35 Ausgaben des Verordnungsfo-rums, die unter o. g. Internetadresse abruf-bar sind, finden sich zahlreiche Beiträge von hoher Qualität mit wichtigen und wis-senschaftlich seriös recherchierten Infor-mationen für die niedergelassenen Ärzte in Baden-Württemberg.

Vor diesem Hintergrund begrüßen es die o. g. allergologischen Gesellschaften Deutschlands explizit, dass sich eine kas-senärztliche Vereinigung mit der AIT und der diesbezüglichen neuen Leitlinie (Pfaar

O. et al.: Leitlinie zur (allergen-) spezifi-schen Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergo J Int 2014;23:282 – 319) auseinandersetzt. Es handelt sich bei der allergenspezifischen Immuntherapie sicherlich um die rationals-te, rationellste und langfristig wirtschaft-lichste Therapieform allergischer Erkran-kungen.

Betroffen machen uns als allergologische Gesellschaften allerdings die offensichtli-chen Fehlinterpretationen der o. g. Leitlinie, die unserer Ansicht nach dringend einer Kommentierung und Richtigstellung be-dürfen.

Diese Fehlinterpretationen zeigen sich insbesondere in den beiden nicht num-merierten Abbildungen „Patienten-Durch-schnittskosten nach Applikationsart“ und „Evidenz / Zulassungsklassifikation nach

DGAKI-Patientenkosten je nach Allergen-quelle 2013“ auf Seite 14 des Beitrags.

Die Autoren ziehen zudem (auf Seite 13 des Beitrags, 2. Spalte rechts unten) die Schlussfolgerung „Untersuchungen zur Verordnungsrealität in Baden-Württemberg zeigen, dass patientenbezogen keine Kosten-unterschiede zwischen SCIT- und SLIT-Be-handlungen bestehen. Ferner wird deutlich, dass in Baden-Württemberg SIT-Produkte ohne Zulassung und ohne Nachweis der jetzt geforderten Evidenz-Kriterien die höchsten Patientenkosten darstellten“ (Anmerkung: SCIT: subkutane Immuntherapie; SLIT: sub-linguale Immuntherapie).

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, wie auf der Grundlage der dargestellten o. g. Abbil-dungen diese Aussagen getroffen werden können. Vor allem ist für uns nicht nach-vollziehbar, wie die von uns miterstellte

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Leitlinie zur AIT und die hierin enthaltene tabellarische Auflistung der AIT-Produkte zur Begründung für diese Schlussfolgerun-gen verwendet werden kann.

Diskussion über Evidenz versus WirtschaftlichkeitDie Auswahl der in die Leitlinientabelle ein-gegangenen Literatur erfolgte nach streng definierten wissenschaftlichen Kriterien, die von der Leitliniengruppe spe ziell zu diesem Zweck definiert wurden. Die so entstandene Auswahl an Studien entstand allein aus der Veranlassung, wissenschaft-liche Informationen zur Evidenz der auf-gelisteten Präparate unter definierten Kri-terien darzustellen. Diese nun mit einem neuen Beurteilungskriterium wie der hier genannten „Evidenz / Zulassungsklassifi-kation“ zu bewerten, macht wissenschaft-lich überhaupt keinen Sinn, da die Anwen-dung dieses Kriteriums in der primären Literatursuche ggf. zu einer völlig anders zusammengesetzten Literaturauswahl ge-führt hätte.

Gerade derartige Interpretationen hat die Leitliniengruppe aber nicht beabsichtigt. Ausdrücklich wird daher in der Leitlinie darauf hingewiesen, dass die Informati-onen in der benannten Tabelle nicht als Entscheidungsgrundlage zur Verordnungs- bzw. Erstattungsfähigkeit im Sinne einer Positiv- oder Negativliste geeignet sind. Insbesondere enthält die Leitlinie keinerlei Angaben zu einer ausreichenden, zweck-mäßigen und wirtschaftlichen Verord-nungsweise, wie sie nach § 12 SGB V, Ab-satz 1 Voraussetzung für eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversi-cherungen ist (siehe obenstehenden Kas-ten zur Begriffsdefinition). Insbesondere die „Wirtschaftlichkeit“ wird hierbei in der Leitlinie nicht betrachtet.

Der Autor / die Autoren im KVBW-Verord-nungsforum versuchen nun aber, auf der Grundlage der Leitlinie aus einer Evidenz-

betrachtung eine „Zulassungsklassifikati-on“ zu erstellen und aufgrund dieser die Wirtschaftlichkeit der AIT-Produkte zu be-werten. Auf Seite 14 (rechte Spalte oben) findet sich die Aussage: „Fraglich ist, ob Investitionen in nicht wirksame Produkte langfristig sinnvoll sind. Nichts ist unwirt-schaftlicher als Therapien, die nicht wirken, so preisgünstig diese auch sind.“ Dieser Aussage ist sicherlich grundsätzlich zu-zustimmen. Unzutreffend wird hier aber der Eindruck erweckt, dass die Leitlinie Grundlage der o. g. Klassifikation sei und diese vom Autor / den Autoren verwen-

dete „Evidenz / Zulassungsklassifikation“ decke. Dies ist aber keineswegs der Fall.

Evidenz und Wirksamkeit sind zwei unter-schiedliche Begriffe, die zwar häufig im Zu-sammenhang benutzt werden, keineswegs jedoch gleichzusetzen sind. Der Begriff Evidenz im Kontext der evidenzbasierten Medizin leitet sich vom lateinischen (Evi-dentia) ab und steht umgangssprachlich für „Ersichtlichkeit, Klarheit, Beweis“, was sich im englischen Wort „evidence“ (Nach-weis / Beweis) widerspiegelt und zum Be-griff der „Evidence-based Medicine“ ge-

SGB V § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot

„Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht not-wendig sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“❙❙ § 12 SGB V, Absatz 1

Der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ wird hierbei wie folgt definiert: „Die vertragsärztliche Versorgung ist ‚wirtschaftlich‘, wenn der Vertragsarzt (Leistungserbringer) die (notwendigen, ausreichenden und zweckmäßigen) Leistungen mit einem möglichst geringen Aufwand an ‚Kosten‘ (im Sinne von Ausgaben der Krankenkassen) erbringt.“

❙❙ Auszug aus der KBV Fortbildung Nr. 9 Die Begriffe „zweckmäßig“, „ausreichend“ und „notwendig“ sind wie folgt definiert: Zweckmäßig ist eine ärztliche Maßnahme, die objektiv geeignet ist, auf den angestrebten Zweck, den Heilerfolg hinzuwirken. Ausreichend sind Leistungen, wenn sie dem Einzelfall angepasst sind, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Die Leistung muss gerade dazu genügen, den angestrebten Heilerfolg zu erzielen. Der Leistungserbrin-ger bzw. Leistungsveranlasser ist zu mengenmäßigen Betrachtungen seiner Handlungen verpflichtet. Zur Verdeutlichung kann hierbei das Schulnotensys-tem herangezogen werden.Notwendig ist eine Behandlung, die nicht über den Umfang dessen hinausgeht, was im Einzelfall zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit unent-behrlich ist. Notwendig ist alles, worauf der Arzt bei der Behandlung eines Pa-tienten nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht verzichten darf, andernfalls ist die Behandlung nicht ausreichend.

Zielen die Kriterien zweckmäßig und ausreichend darauf ab, dass nicht weniger geschieht, als zur Erzielung des Heilerfolgs geschehen muss, soll mit dem Krite-rium notwendig sichergestellt werden, dass nicht mehr geschieht als diesem Ziel entspricht.

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führt hat. Evidenz bezieht sich hierbei auf die Informationen aus klinischen Studien, die einen Sachverhalt erhärten oder wider-legen. Die Wirksamkeit hingegen stellt die-sen Sachverhalt selbst dar.

Die Leitlinie trifft bewusst im Wesentli-chen Aussagen zur Evidenz der aufgeführ-ten Produkte und nur in geringem Maße zur Wirksamkeit. Evidenz bezieht sich aber nicht auf das Ausmaß der Wirksam-keit, sondern lediglich auf die Sicherheit, mit der im speziellen Fall nachgewiesen ist, dass ein Produkt wirksam – oder evtl. eben auch unwirksam – ist. Da die Beur-teilung der Evidenz, mit der die Wirksam-keit einer Intervention gezeigt ist, keine Rückschlüsse auf die Größenordnung des Effekts der Intervention ermöglicht, kann fehlende Evidenz nicht mit fehlender Wirk-samkeit gleichgesetzt werden. Eine Inter-vention mit noch nicht nachgewiesener Evidenz kann sogar höchst wirksam sein.

Allerdings muss diese Wirksamkeit dann auch in entsprechenden Studien nachge-wiesen werden. Hierfür sieht die TAV eine Übergangsphase vor, in der die notwendi-gen Studien durchgeführt und vorgelegt werden können. Präparate, für die nach dieser Übergangsphase weiterhin Wirk-samkeitsnachweise fehlen, sollten von den Behörden konsequent vom Markt genom-men werden.

Diese Bewertung durch die Leitlinie ge-schieht vor dem Hintergrund, dass klini-sche Studien, die den Effekt der allergen-spezifischen Immuntherapie beurteilen, vollkommen unterschiedlich angelegt sind. Auch ist bei Betrachtung verschiedener Studien zur AIT zu beachten, dass die Wirk-stärke der Behandlung durch Randbedin-gungen beeinflusst werden kann, zu denen beispielsweise gehören: ❙❙ Ausprägung der Symptome in der unter-

suchten Population❙❙ Sensibilisierungsrate der Probanden

❙❙ Ausprägung des Pollenflugs in der Aus-wertsaison

❙❙ Behandlungsgüte bei Betrachtung ver-schiedener statistischer Studien-Popu-lationen (ITT versus PP-Auswertung)

❙❙ Definitionen verschiedener Zielkriterien ❙❙ Analytische Methodiken

Zudem haben sich die Kriterien zur Wirk-samkeitsbeurteilung im Laufe der Zeit gewandelt. Behördliche Zulassungen von AIT-Produkten wurden vor einigen Jahr-zehnten nach anderen Kriterien erteilt als heute. Dies spiegelt lediglich die Entwick-lung der medizinischen Wissenschaft wider und ist keinesfalls ein Qualitätskri-terium per se. Die in der neuen Leitlinie ausgewählten WAO-Kriterien stehen bei-spielsweise erst seit 2009 zur Verfügung und fanden daher nur Eingang in neuere Studien mit neueren Produkten.

Der Gesetzgeber berücksichtigt diese Ei-genheiten der AIT in der „Verordnung über die Ausdehnung der Vorschriften über die Zulassung der Arzneimittel auf Therapieal-lergene, die für einzelne Personen auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden, sowie über Verfahrensregelungen der staatlichen Char-genprüfung“ (kurz: Therapieallergene-Ver-ordnung: TAV) vom 7. November 2008 (Bun-desgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil I Nr. 51). Er schreibt hierin die arzneimittelrechtliche Zulassung für alle SIT-Produkte vor, die häufig verwendete Allergene enthalten. Als solche werden Pollen von Süßgräsern (Familie der Poacea außer Mais), frühblü-henden Bäumen (Birke, Erle, Hasel), Haus-staubmilben und Bienen- und Wespengift festgelegt. Für diese Allergene muss im-mer ein Zulassungsverfahren eingeleitet werden, in dem Produktqualität, präklini-sche Daten, Wirksamkeit und Verträglich-keit aus doppelblinden, plazebokontrollier-ten Studien durch das Paul-Ehrlich-Institut überprüft wird. Eine Zulassung wird nur er-teilt, wenn ein positives Nutzen-Risiko-Ver-hältnis nachgewiesen ist.

Es erscheint daher angemessen, dem Paul-Ehrlich-Institut die Beurteilung dieser Parameter anzuvertrauen und nicht eigene Parameter wie die hier aufgeführte „Evi-denz / Zulassungsklassifikation” zu entwi-ckeln.

Vor allem berücksichtigt der Gesetzgeber jedoch auch, dass es Therapieallergene gibt, die nicht den in der TAV genannten Gruppen angehören, wie beispielsweise Kräuterpollen (Ragweed, Beifuß, Wegerich etc.), Schimmelpilze (Alternaria, Cladospori-um, etc.), Tierepithelien (Katzenepithelien etc.) und andere mehr. Dies geschah aus gutem Grund, da für seltene Allergene oder Allergenmischung die für eine Zulassung notwendigen Studien mit großen Patien-tenzahlen schon allein aufgrund der Anzahl benötigter Patienten nicht möglich sind.

Die Befreiung für patientenindividuell her-gestellte Therapieallergene von der Zulas-sungspflicht war bislang in der 14. AMG-No-velle von 2005 geregelt. In § 21 Abs. 2 Nr. 1 b AMG sind spezifische Immuntherapeutika, die aufgrund einer Rezeptur hergestellt wer-den, ausdrücklich von der Pflicht zur Zulas-sung freigestellt: „Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die (…) für einzelne Per-sonen auf Grund einer Rezeptur als Therapie-allergene (…) hergestellt werden.“

Diese Regelung ist durch die TAV für diese seltenen Allergene nicht aufgehoben.

KostendiskussionAuch bezogen auf die Abbildung „Patien-ten-Durchschnittskosten nach Applikati-onsart“ auf Seite 14 des Beitrags und die Aussage: „Untersuchungen zur Verordnungs-realität in Baden-Württemberg zeigen, dass patientenbezogen keine Kostenunterschiede zwischen SCIT- und SLIT-Behandlungen be-stehen“ haben die unterzeichnenden aller-gologischen Gesellschaften Deutschlands erhebliche Bedenken bezüglich der Daten-grundlage und -auswertung.

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Patientenbezogene Behandlungskosten können nur auf der Basis von Kosten je Effektstärke berechnet werden, d.h. des-jenigen Betrags in Euro, der benötigt wird, um ein vordefiniertes Ausmaß an Wirk-samkeit zu erzielen. Es bleibt fraglich, wie diese Berechnung auf der Grundlage der oben dargestellten Fakten und den der KV Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden Daten erfolgte. Beispielsweise ermöglicht eine Packung eines in Deutsch-land am häufigsten verordneten Präparats für die SCIT in der Erhaltungstherapie eine Behandlung über mindestens 10 Mona-te (10-mal die Höchstdosis bei einer In- jektion pro Monat), bei anderen Präpa- raten zur SLIT mit Tabletten jedoch nur für ca. 3 bis 3,3 Monate (90 bzw. 100 Ta- bletten). Sollte jedoch von dem SCIT-Prä- parat nicht die Höchstdosis, sondern eine individuelle Erhaltungsdosis verabreicht und nicht in monatlichen Injektionen, son-dern beispielsweise in 2 oder in 6-wöchi- gen Injektionsintervallen therapiert wer-den, so ergeben sich vollkommen andere Kosten.

Hinzu kommen weitere Besonderheiten der AIT, die z. B. eine Anwendung als prä- / ko-saisonale oder perenniale Immuntherapie möglich machen. All diese Vorgehenswei-sen sind jedoch leitliniengerecht und pati-entenindividuell notwendig.

Wir gehen davon aus, dass all diese Infor-mationen über die im Bereich der KV Ba-den-Württemberg behandelten SCIT- und SLIT-Patienten in den o. g. Berechnungen nicht berücksichtigt werden konnten – wä-ren aber für einen Hinweis dankbar, falls sie doch in die Analysen eingegangen sind und wie die Berechnungen erfolgten.

Interpretation der Leitlinien-Tabelle in der dargestellten Form ist unzulässig All dies zeigt, dass eine weitergehende In-terpretation der Leitlinien-Tabelle, wie sie

vom Autor / den Autoren hier versucht wird, generell nicht sinnvoll ist. Jegliche sinnvol-le Interpretation ist in der Leit linien-Tabelle bereits enthalten. Weitergehende Ausle-gungsversuche sind entweder redundant oder geeignet, Sinn und Zweck der von der Leitliniengruppe beabsichtigten Aussagen zu verfälschen.

Leider muss abschließend auch bemerkt werden, dass die beiden nicht numme-rierten Abbildungen „Patienten-Durch-schnittskosten nach Applikationsart“ und „Evidenz / Zulassungsklassifikation nach DGAKI-Patientenkosten je nach Allergen-quelle 2013“ auf Seite 14 des Beitrags jeg-liche wissenschaftlich notwendige Aussa-ge zur Datenbasis und Interpretation der dargestellten Daten vermissen lassen. Die Abbildungen oder ihre Legenden enthalten keinerlei Angaben über die statistischen Grundlagen der Auswertung. Werden hier arithmetische Mittelwerte oder Mediane angegeben? Für die statistische Beschrei-bung von quantitativen, stetigen Merkma-len wird üblicherweise der arithmetische Mittelwert als „Durchschnittswert“ ange-geben. Handelt es sich hierbei also um die Summe aller beobachteten Werte geteilt durch die Gesamtzahl der Beobachtun-gen? Ein solcher Wert würde einen für die beobachtete Population typischen Wert re-präsentieren, wäre jedoch bei schiefer Ver-teilung der Daten im Stichprobenumfang nicht sinnvoll anwendbar. Zudem werden keine Maßzahlen für Streuung und Varianz der Daten wie eine Standardabweichung angegeben.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: ❙❙ Die publizierte S2k-Leitlinie zur spezi-

fischen Immuntherapie gibt eine her-vorragende Übersicht zur Evidenz in Deutschland erhältlicher Allergenpräpa-rate für die allergenspezifische Immun-therapie (AIT).

❙❙ Der Autor / die Autoren haben Kernaus-sagen der neuen Leitlinie Immuntherapie

zwar richtig zitiert, die Schlussfolgerun-gen hieraus in der nicht nummerierten Abbildung „Evidenz / Zulassungsklassi-fikation nach DGAKI-Patientenkosten je nach Allergenquelle 2013“ auf Seite 14 des Beitrags und die Interpretation auf Seite 13 des Beitrags, 2. Spalte rechts unten sind jedoch unzutreffend.

❙❙ Entscheidungen zur Erstattungsfähig-keit von AIT-Produkten müssen auf Kosten-Nutzen-Analysen basieren, und nicht ausschließlich auf einer Evidenz-bewertung.

❙❙ Dem Paul-Ehrlich-Institut obliegt die Entscheidung über die Verkehrsfähig-keit der auf dem deutschen Markt zur Verfügung stehenden Therapieallerge-ne. Aktuell verkehrsfähige Therapieal-lergen-Produkte sollten für die Vertrags-ärzte verordnungsfähig bleiben.

❙❙ Präparate, für die nach der in der TAV vorgesehenen Übergangsphase kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt, soll-ten von den Behörden konsequent vom Markt genommen werden.

Dieser Text ist im AllergoJournal 08/2015 erschienen.

Prof. Dr. med. Ludger Klimek

Zentrum für Rhinologie und Allergologie

An den Quellen 10 | 65183 Wiesbaden

[email protected]

Prof. Dr. med. Christian Vogelberg

Universitäts AllergieCentrum (UAC) Dresden

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

an der Technischen Universität Dresden

Fetscherstraße 74 | 01307 Dresden

[email protected]

Interessenkonflikt: Ludger Klimek: siehe Seite 12. Christian Vogelberg: Honorare für Referententätigkeit von HAL, ALK Abéllo und Allergopharma.

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SERIE QUARTHEFT: AKTUELLE FRAGEN AN DEN ALLERGOLOGEN

Allergische Rhinokonjunktivitis – Kreuzreaktionen zwischen Gräsern zu Birken- bzw. Eschenpollen beachten!Jens-Oliver Steiß, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen

Frage: Ich betreue einen 10-jährigen Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis von März bis Juni. Seit über einem Jahr wird er gegen Gräser hyposensibilisiert; die Symptome im März kamen dazu. Im aktuellen Prick ist er auch Birke und Esche positiv. Bet v 1 und Ole e 1 waren positiv. Es wurde die Empfehlung ausgesprochen, ihn nun auch gegen Birke und Esche zu hyposensibilisieren. Wie würden Sie ihn hyposensibilisieren?

Dr. Jens-Oliver Steiß antwortet:Pollen frühblühender Bäume stellen nach wie vor die wichtigste Allergenquel-le während der Frühjahrsmonate dar. Der wichtigste Auslöser ist die Birke (Betula verrucosa, Pflanzenordnung Fagales), wobei große Homologien mit Kreuzsen-sibilisierungen zu Erlen und Haselpollen bestehen. Der zweitwichtigste Erreger einer Frühjahrspollinose ist die Esche (Fraxinus excelsior) aus der Familie der Ölbaumgewächse (Oleaceae). Es beste-hen Kreuzreaktionen u. a. mit Bet v 2 (Birkenpollenprofilin, etwa 20 % der Bir-kenpollenallergiker haben Antikörper ge-gen Profilin) sowie mit Phl p 7 (Polcalcin, kreuzreaktive Allergenkomponente der Gräserpollen).

Ungeachtet dessen ist es möglich, dass ein Patient mit einer klinisch relevanten Allergie auf Eschenpollen durch eine spezifische Immuntherapie (SIT) mit ei-nem Birkenpollenextrakt keine deutliche Verbesserung seiner allergischen Be-schwerden erfährt. Dies kann durch für Eschenpollen spezifische Allergene ver-ursacht werden, die durch einen Birken-pollenextrakt nicht abgedeckt werden.

Im Falle einer SIT muss die Esche somit als eigenständiges Allergen berücksich-tigt werden. Die Esche blüht zeitgleich mit der Birke (Ende März / April), sodass sich Allergien gegen Eschenpollen nicht selten hinter einer Birkenpollenallergie „verstecken“ können. Daher empfiehlt es sich, vor einer geplanten SIT gegen Baumpollen auch auf Esche zu testen. Sehr starke Kreuzreaktionen bestehen

zwischen Esche und Öl- bzw. Oliven-bäumen sowie den weiteren Ölbaumge-wächsen wie Forsythie, Flieder oder dem Echten Jasmin. Somit kann das Hauptal-lergen aus Olivenpollen (Ole e 1), wie in der Kasuistik beschrieben, auch zum Nachweis einer Eschenpollensensibili-sierung eingesetzt werden, solange das Majorallergen der Esche, Fra e 1, zur Tes-tung nicht zur Verfügung steht.

Patienten mit einer Eschenpollensensi-bilisierung müssen bei Urlaubsreisen im Frühsommer im gesamten Mediter ran-raum mit allergischen Beschwerden durch Olivenpollen rechnen. Ob Birke und / oder Esche für die klinischen Symp-tome verantwortlich sind, kann auch durch eine nasale Provokation überprüft werden.

Da als Beschwerdezeitraum März bis Juni angeben wird, sollte bei dem Patien-ten die Indikation zur Gräserhyposensi-bilisierung nochmals überprüft werden. Der Gräserpollenflug war in den vergan-genen Jahren in Deutschland insbeson-dere während der Monate Mai bis Juli und meist im Juni am stärksten ausgeprägt.

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Die spezifischen Gräserpollenkompo-nenten sind Phl p 1 und Phl p 5b, kreuz-reaktive Komponenten zu Birken- und Eschenpollen sind Phl p 7. Es sollte die Möglichkeit einer Kreuzreaktion der Grä-serpollenallergie zu Birken- bzw. Eschen-pollen in Betracht gezogen werden.

Fazit: Ob die Gräserallergie durch eine spezifische Komponente der Gräserpol-len oder durch eine kreuzreaktive Aller-genkomponente bedingt ist, kann durch Bestimmung von Phl p 1, Phl p 5b, Phl p 7 und Phl p 12 überprüft werden.

Bei Nachweis der spezifischen Kom-ponenten musste die SIT mit Gräsern

Das „Quartheft“ erscheint viermal jährlich mit Unterstützung der Firma E ALLERGOPHARMA GmbH & Co. KG, Hermann-Körner-Straße 52, 21465 Reinbek. Die

Schrift leiter Prof. Dr. Bodo Niggemann (Berlin) und Dr. Frank Friedrichs (Aachen) sowie ein Kreis von anerkannten Expertinnen und Experten beantworten die pra-

xisrelevanten Fragen. Die Antworten sind, soweit möglich, evidenzbasiert. Da es zu vielen Fragen rund um die SIT jedoch nach wie vor keine ausreichenden Studi-

endaten gibt, spielt auch die Erfahrung der Experten eine große Rolle. Eine rechtsverbindliche Empfehlung kann daher durch die Antworten nicht offeriert werden.

Die Firma ALLERGOPHARMA GmbH & Co. KG bietet interessierten Ärzten an, das aktuelle Quartheft kostenfrei zu bestellen. Bitte schreiben Sie hierfür eine Email

mit Ihren Adressdaten unter dem Betreff „Quartheft“ an die folgende Emailadresse: [email protected].

Literatur:

1 Weber RW. Patterns of pollen cross-allergenicity. Allergy Clin Immunol 2003; 112: 229-39

2 Werchan M, Behrendt H, Bergmann KC. Pollenflug in Deutschland 2011 und Veränderungen seit 2001. Allergo J 2013; 22: 168-76

3 Wahl R, Schmid-Grendelmeier P, Cromwell O, Wü-thrich B. In vitro investigation of cross-reactivity between birch and ash pollen allergen extracts. J Allergy Clin Immunol 1996;98:99-106

4 Niederberger V, Purohit A, Oster JP, Spitzauer S, Valenta R, Pauli G. The allergen profile of ash (Fraxi-nus excelsior) pollen: crossreactivity with allergens from various plant species. Clin Exp Allergy 2002; 32: 933-41

5 Pollenflugstatistik des Deutschen Wetterdienstes 1997-2013 unter E www.dwd.de

Prof. Dr. med. Jens-Oliver Steiß

Pädiatrische Pneumologie und Allergologie

Mukoviszidose-Zentrum

Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin

Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH,

Standort Gießen

Feulgenstraße 10 – 12 | 35385 Gießen

[email protected]

In der Rubrik „Fragen an den Allergo-logen“ im eJournal PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE beantworten wir ger-ne interessante Fragen aus dem All-tag in Klinik und Praxis.Wer von Patienten oder Kollegen zu bestimmten Themen um Rat gebe-ten wurde oder selbst Wissensbedarf hat, schickt doch bitte eine entspre-chende Frage an den Schriftleiter Michael Gerstlauer: [email protected]. Er wird die Frage an einen Experten weiterlei-ten. Die Frage mit Antwort kann dann im jeweils aktuellen Journal publi-ziert werden. Vielen Dank für die Unterstützung!

fortgeführt werden. Sollten lediglich die kreuzreaktiven Komponenten nachge-wiesen werden, würde ich den Patienten je nach Ergebnis der nasalen Provokati-on mit Birke und / oder Esche hyposensi-bilisieren.

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SERIE: NEUE IMMUNDEFEKTE (16)

Was gibt es Neues über schwere kongenitale Neutropenien?Volker Wahn, Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie

Die bisherige bereits mehrfach in dieser Serie zitierte Immundefekt-Klassifikati-on (IUIS 2014) der schweren kongenita-len Neutropenien (SCN) umfasst die in Tabelle 1 genannten Erkrankungen.

Daneben gibt es angeborene Neutrope-nien bei Glykogenose-Typ-1b (Mutation bei G6PT1), die zyklische Neutropenie (Mutation bei ELANE / ELA2), die X-chro-mosomale Neutropenie (GOF-Mutation bei WASP), den p14-Defekt (Mutation bei ROBLD3 / LAMTOR2), das Barth-Syn-drom (Mutation im Tafazzin-Gen), das Cohen-Syndrom (Mutation im VPS13B-Gen, Genprodukt COH1), und die Poiki-lodermie mit Neutropenie (Clericuzio Syndrom, Mutation bei C16ORF57). Bei weiteren Immundefekten können Neut-ropenien auftreten, sie stehen aber nicht so im Vordergrund wie bei den isolierten Neutropenien. Übersichten, in denen die unterschiedlichen Pathomechanismen (Abb. 1) diskutiert werden, finden sich z. B. bei F. Hauck und C. Klein, 2013, oderT. Glaubach et al. 2014 [4, 5].

Nach der Veröffentlichung der Interna-tionalen Immundefekt-Klassifikation im Jahre 2014 sind die folgenden Defekte dazu gekommen, die möglicherweise in Zukunft SCN-Kürzel bekommen wer-den.

Angeborener Defekt beim CSF3RSomatisch erworbene Mutationen im Bereich des G-CSF Rezeptors sind bei SCN schon länger bekannt. Triot et al. beschrieben 2014 homozygote und Compound-heterozygote Mutationen, die zu einem Expressions- und somit Funktionsdefekt des zellulären Rezep-tors für G-CSF führten [7]. Basis dafür war eine Glykosylierungsstörung im Bereich des Rezeptors. Bei den betrof-fenen 4 Patienten war im Knochenmark die Myelopoese ausgereift ohne An-halt für Myelodysplasie. Die periphe-ren Neutrophilenzahlen lagen meist > 200 / µl. In der Anamnese der Patien-ten fanden sich polytope bakterielle Infektionen.

JAGN1-DefektBoztug et al. (2014) analysierten 14 In-dividuen mit SCN, bei denen insgesamt 9 verschiedene Mutationen bei JAGN1 (Jagunal homolog 1) gefunden werden konnten [3]. Die Granulozyten dieser Pa-tienten zeigten ultrastrukturelle Defek-te, eine Verminderung der Granula, eine aberrante N-Glykosylierung multipler Proteine und eine gesteigerte Apoptose. Das Genprodukt ist ein im endoplasma-tischen Retikulum lokalisiertes Protein, das am frühen sekretorischen Stoff-wechselweg in den Granulozyten betei-ligt und so für die Ausdifferenzierung der Zellen unerlässlich ist.

Bei den Patienten lagen die Granulozy-tenwerte zwischen 100 / µl und 1000 / µl. Im Knochenmark wies die Mehrzahl der Patienten einen zumindest intermittie-renden Reifungsstopp auf. Die Mehr-zahl der Patienten reagierte nicht auf G-CSF. Die Klinik bei den Patienten mit homozygotem Defekt war geprägt von bakteriellen Infektionen insbesondere im Bereich der Haut und der Atemwege. 1 Patient hatte eine Aspergillose entwi-ckelt. Dennoch ging es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Mehrzahl der Patienten bis zu einem Alter von 25 Jahren relativ gut. Später wurden 2 weitere Geschwister beschrieben, die zusätzlich zu schweren Neutrope-nie-Zeichen eine Systemerkrankung hatten mit erheblichen bakteriellen In-fektionen, fazialer Dysmorphie sowie einer geistigen Retardierung. G-CSF bis zu 10 µg / kg hatte keinen relevanten

Tabelle 1. Schwere kongenitale Neutropenien nach der IUIS-Klassifika-tion (2014)

Systematische Bezeichnung Mutation bei Synonym

SCN1 ELANE (ELA2) —

SCN2 GFI1 —

SCN3 HAX1 Morbus Kostmann

SCN4 G6PC3 —

SCN5 VPS45 —

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Myelopoese

PluripotenteStammzelle

Progenitor-zelle

Myeloblast Promyelozyt

Myelozyt Meta-myelozyt

Stabkemiger Granulozyt

Einfluss auf die Granulozytenzahlen. Immunologisch zeigte sich zusätzlich eine Hypogammaglobulinämie, vermut-lich als Folge der defekten Glykosylie-rung. Damit liegt eine enge Beziehung zu den CDG-Syndromen vor.

Defekt bei TCIRG1 (T-cell immune regulator 1)V. Makaryan et al. beschrieben 2014 eine Familie mit insgesamt 5 Generati-onen, bei denen 13 Mitglieder z. T. stark verminderte periphere Neutrophile auf-wiesen (74 – 1100 / µl) [6]. Genetische Analysen förderten dann einen Defekt bei TCIRG1 zutage. Das entsprechende Genprodukt in Monozyten war mittels Western-Blot-Analyse nur in verminder-ter Menge nachweisbar.

Bei der Transkription von TCIRG1 kön-nen durch alternatives Spleißen auf Proteinebene 2 Isoformen entstehen, die als TCIRG1-isoa und TCIRG1-isob bezeichnet werden. Homozygote oder Compound-heterozygote Mutationen bei TCIRG1-isoa sind die genetische Ursa-che der autosomal-rezessiven Osteope-trosis. Es kann darüber spekuliert wer-den, dass eine Mutation bei TCIRG1 dazu führt, dass die Mikroumgebung der Gra-nulopoese im Knochenmark verändert ist und auf diese Weise die Granulopoese stört. Das TCIRG1-Genprodukt gehört zu den vakuolären H+-ATPasen, die an der Regulation des intrazellulären pH-Werts beteiligt sind.

Bedauerlicherweise sucht man in der Publikation vergeblich nach klinischen Informationen über die Patienten.

CXCR2 DefektAuer et al. (2014) analysierten das Exom von insgesamt gut 30.000 Individuen mithilfe eines Gen-Chips. Dabei fanden sie eine Reihe von Individuen mit Mis-sense-Mutationen im Chemokinrezeptor

CXCR2, die eine Neutropenie aufwiesen. Im Detail konnte eine Familie studiert werden mit kongenitaler Neutropenie, bei der die ligandinduzierte Signaltrans-duktion über CXCR2 sowie die Chemo-taxis gestört waren. Das klinische Bild ähnelte dem WHIM-Syndrom, das auf eine Mutation bei CXCR2 zurückzuführen ist. Über die klinischen Probleme inner-halb dieser Familie sowie den aktuellen

Abbildung 1. Mögliche Ursachen für eine genetisch bedingte Neutrope-nie während der Myelopoese

Zustand der Patienten findet man leider keine Informationen.

Vielfältige Mechanismen können zu einer genetisch bedingten Neutropenie führen: Induktion der

Bildung ungefalteter Proteine, Störung der Zusammensetzung der Ribosomen und p53-abhängige

Apoptose. Des Weiteren wurden Störungen im Zellstoffwechsel, Zusammenbruch des mitochondria-

len Membranpotenzials und Fehllokalisation bestimmter Proteine (z. B. Elastase) gefunden. Alle die-

se Störungen bedeuten ein intrazelluläres Stresssignal, das vorzeitige Apoptose bereits im Knochen-

mark auslösen kann. Weitere Details finden sich in den Übersichten von Glaubach und Hauck [4, 5].

Literatur

1 Auer PL, Teumer A, Schick U et al. Rare and low-fre-quency coding variants in CXCR2 and other genes are associated with hematological traits. Nat Genet 2014; 46(6): 629-34

2 Baris S, Karakoc-Aydiner E, Ozen A et al. JAGN1 De-ficient Severe Congenital Neutropenia: Two Cases from the Same Family. J Clin Immunol. 2015; 35(4): 339-43

3 Boztug K, Järvinen PM, Salzer E et al. JAGN1 de-ficiency causes aberrant myeloid cell homeostasis and congenital neutropenia. Nat Genet. 2014; 46(9): 1021-7

4 Glaubach T, Minella AC, Corey SJ. Cellular stress pathways in pediatric bone marrow failure syn-

dromes: many roads lead to neutropenia. Pediatr Res 2014; 75(1-2): 189-95

5 Hauck F, Klein C. Pathogenic mechanisms and clinical implications of congenital neutropenia syndromes. Curr Opin Allergy Clin Immunol. 2013; 13(6): 596-606

6 Makaryan V, Rosenthal EA, Bolyard AA et al.; UW Center for Mendelian Genomics. TCIRG1-associat-ed congenital neutropenia. Hum Mutat 2014; 35(7): 824-7

7 Triot A, Järvinen PM, Arostegui JI et al. Inherited biallelic CSF3R mutations in severe congenital neu-tropenia. Blood 2014 123(24): 3811-7

Prof. Dr. med. Volker Wahn

Charité Universitätsmedizin Berlin

Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt

Pneumologie und Immunologie

Augustenburger Platz 1 | 13353 Berlin

[email protected]

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Weitere Themen42

UMWELTMEDIZIN

Wie problematisch ist Triclosan in der Medizin und der Umwelt?Thomas Lob-Corzilius, Christliches Kinderhospital Osnabrück

Triclosan gehört zur chemischen Stoffgruppe der polychlorierten Phenoxyphenole. Es wird als Desinfektionsmittel in der Hauptgruppe 1 der Biozid-Produkte geführt (Anhang V der Richtlinie 98/8/EG) [6], die gegen Bakterien, Pilze und/oder Viren wirksam sind. Rund 350 Ton-nen Triclosan wurden 2005 in der EU verbraucht. Dort darf Triclosan weder in Lebensmitteln noch in Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, noch in Tierfutter verwendet werden.

VerwendungTriclosan wird seit mehr als 40 Jahren aufgrund seiner desinfizierenden Wir-kung in höheren Konzentrationen als Biozid v. a. in Arzt- und Zahnarztpraxen sowie in Krankenhäusern eingesetzt, um die Übertragung von Krankheits-erregern und damit Infektionen zu ver-hindern bzw. einzudämmen. Triclosan ist in Handwaschmitteln, Antiseptika und Desinfektionsmitteln enthalten und wird auch in die Oberflächen von medi-zinischen Produkten wie chirurgischem Nahtmaterial eingearbeitet [4]. In der Dermatologie und somit auch in der to-pischen Therapie der Neurodermitis wird

Triclosan in Individual- und Magistral-rezepturen, 1- bis 3 %igen Cremes bzw. Salben zur Behandlung von kolonisier-ter oder infizierten Hautarealen genutzt (z. B. Hydrophobe Triclosan-Creme 1 % [NRF 11.122]) [3].

Triclosan wird aber auch in geringeren Konzentrationen – bis zu einer zulässi-gen Höchstkonzentration von 0,3 % – zur Wachstumshemmung von Bakterien in einer breiten Palette von Bedarfsge-genständen des täglichen Lebens und kosmetischen Präparaten wie z. B. als Konservierungsstoff in Zahnpasta, Deo-dorants und Seifen verwendet, ebenso

in Haushaltsreinigern und Waschmit-teln. Auch Sport- und Funktionstextilien, Schuhe und einige Matratzenbezüge (En-casings) werden mit Triclosan präpariert.

Verbreitung in der UmweltGreenpeace hat schon 2004 auf den Ein-satz von Triclosan in vielfältigen Produk-ten und die weitverbreitete Exposition gegenüber dieser Substanz hingewiesen [5]. Triclosan kann über die Haut resor-biert und in den Körper aufgenommen werden, wo es sich prinzipiell im Fettge-webe anreichern und auch über die Mut-termilch ausgeschieden werden kann. In mehreren Studien konnte im Urin von Schwangeren sowie im Nabelschnurblut Triclosan nachgewiesen werden [1]. Eine kanadische Studie, veröffentlicht im Ap-ril 2015, berichtet zudem über eine ver-minderte Fruchtbarkeit (längere Zeit bis zur Schwangerschaft) von Frauen, bei denen Triclosan-Werte von ≥ 71,7 μg / l im Urin nachgewiesen wurden [9].

Obwohl Triclosan eine sehr stabile che-mische Substanz ist, kann es durch Sonneneinstrahlung, Ozon, Chlor und ei-nige Mikroorganismen zum chemischen Abbau kommen [4]. Dabei kann sich Triclosan nach Aussage einer Studie der University of Minnesota von 2003 beim Abbau und unter UV-Licht zu chlorierten Dioxinen umwandeln. Triclosan auf Tex-

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Weitere Themen 43

tilien kann zur Dioxinquelle werden und somit zu einer weiteren Dioxinbelastung der Umwelt beitragen [5].

Wegen seiner verbreiteten Anwendung wird Triclosan auch im Abwasser gefun-den. In Kläranlagen wird ein Großteil des Triclosans entfernt, allerdings gelangt ein Rest in die Oberflächengewässer. Das entfernte Triclosan wird teilweise biologisch abgebaut, aber etwa die Hälf-te davon wird im Klärschlamm gebunden und kann mit diesem in die Umwelt ge-langen, wenn er zur Bodendüngung in der Landwirtschaft benutzt wird [4].

Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Slowa-kischen Umweltinstituts schreiben im Fachblatt „Environmental Science Pollu-tion Research“ [8], dass Triclosan zu den Stoffen gehört, die besonders schädlich für die Ökologie von Flüssen sind. So fan-den sich in der Elbe Spitzenwerte bis zum 12-Fachen dessen, was für Algen ohne Wirkung ist. Von den 500 untersuchten Abwasserschadstoffen belegt Triclosan in Europa Platz 6 der problematischsten Stoffe. Gefordert wird deshalb, Triclosan in die entsprechenden Überwachungs-programme aufzunehmen und regelmä-ßig europaweit zu kontrollieren.

ResistenzentwicklungDas Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) verlautbarte schon 2006: „Der Einsatz von Triclosan zur Desinfektion in Krankenhäusern und Zahnarztpraxen ist eine sachgerechte Anwendung. Die neu-erdings zu beobachtende Ausweitung des Einsatzes dieser Substanz in der Beklei-dungs- und Kosmetikindustrie, im Bereich von Bedarfsgegenständen und vielen an-deren Feldern führt zu einem wesentlich höheren Selektionsdruck auf die verschie-densten Bakterienpopulationen. Dies gilt vor allem für die Bereiche, in denen Unter-dosierungen unvermeidbar sind. Unter-

suchungen zeigten, dass sowohl gram-positive als auch gramnegative Bakterien über Mecha nismen verfügen, niedrige bis hohe Resistenzen gegenüber Triclosan zu entwickeln. Dazu gehören im Besonde-ren Effluxpumpen, die auch Resistenzen gegenüber Therapieantibiotika, speziell Chinolonen, hervorrufen. Der Einsatz von Triclosan sollte auf das unbedingt not-wendige Maß im ärztlichen Bereich be-schränkt werden.“ [2]

Das europäische Scientific Committee on Consumer Safety – SCCS – hat 2009 nach extensiver Literaturrecherche eine umfassende Monographie mit dem Ti-tel „Opinion on Triclosan-Antimicrobial Resistance“ [7] herausgegeben. In der abschließenden Bewertung heißt es deutlich zurückhaltender als in der Stel-lungnahme des BfR: „Die 6 in situ-Studi-en und die einzige Meta-Analyse konnten eine Zunahme einer Antibiotikaresistenz in Abhängigkeit vom Triclosangebrauch nicht sicher nachweisen ( … ). Deshalb kann das SCCS nur einen vorsichtigen Gebrauch von Triclosan in Applikationen empfehlen, beispielsweise in denen der Gesundheits-nutzen belegt ist. ( … ) Allerdings können Erkenntnisse aus in vitro-Studien nicht ignoriert werden, in denen Triclosan und andere Biozide eine Rolle in der Resistenzt-riggerung spielen.“

SchlussfolgerungenAngesichts der vorliegenden, sicher nicht immer eindeutigen Forschungs-ergebnissen sollte allein schon zur Prä-vention das ALARA-Prinzip – As Low As Reasonably Achievable (so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar) – ange-wendet werden. Konkret bedeutet dies:❙❙ Ein Verbot des Einsatzes von Triclosan

in Bedarfsgegenständen des täglichen Lebens, in kosmetischen Präparaten, Haushaltsreinigern, Waschmitteln, Sport- und Funktionstextilien, Schu-hen und Matratzenbezüge (Enca-sings) ist überfällig.

❙❙ Der Einsatz von Triclosan sollte auf das unbedingt notwendige Maß im ärztlichen Bereich beschränkt werden.

❙❙ In der dermatologischen Anwendung sollten Alternativen, z. B. Hydrophile Chlorhexidingluconat-Creme 1 %, NRF 11.116, genutzt bzw. triclosanhaltige Externa nur bei dringender Indikation und befristet eingesetzt werden.

Literatur

1 American Chemical Society. Pregnant women and fetuses exposed to antibacterial compounds face potential health risks., released 10. August 2014

E http://www.acs.org/content/acs/en/pressroom/newsreleases/2014/august/pregnant-women- and-fetuses-exposed-to-antibacterial-compounds- face-potential-health-risks.html

2 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Triclosan nur im ärztlichen Bereich anwenden, um Resis-tenzbildungen vorzubeugen. Stellungnahme Nr. 030/2006 des BfR vom 08. Mai 2006

3 Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbän-de (ABDA) (Hrsg.), Deutscher Arzneimittel-Codex (DAC) inkl. Neues Rezeptur-Formularium (NRF)

4 GreenFacts (2011) E copublications.greenfacts.org/de/triclosan

5 Krautter M. Triclosan – gefährlicher Bakterienkiller in Gebrauchsartikeln. Greenpeace, 2004

6 Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das In-verkehrbringen von Biozid-Produkten

7 Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS). Opinion on triclosan- Antimicrobial Resistance. SCCP/1251/09; 2010

8 UFZ; Pressemitteilung vom 26. Oktober 20129 Velez MP. Female exposure to phenols and phtha-

lates and time to pregnancy: the Maternal-Infant Research on Environmental Chemicals (MIREC). American Society for Reproductive Medicine 2015; 103: 1011–20

Dr. med. Thomas Lob-Corzilius

Kinder- und Jugendarzt

Allergologie, Kinderpneumologie, Umweltmedizin

Oberarzt Tagesklinik

Christliches Kinderhospital

Johannisfreiheit 1 | 49074 Osnabrück

[email protected]

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JOURNAL CLUB

Spezifische Immuntherapie bei allergischer Rhinitis schützt vor AsthmaErnst Rietschel, Universitätsklinik Köln und Susanne Meinrenken, Bremen

Forschungsansatz: Menschen mit per-sistierender allergischer Rhinitis (AR) oder solche mit intermittierender AR und mäßiger bis schwerer Symptomatik soll-ten eine spezifische Immuntherapie (SIT) erhalten. So steht es in den „Allergic Rhi-nitis and its impact on Asthma Guide-lines“. Möglicherweise nämlich kann eine SIT nicht nur eine langfristige Remission der AR oder auch Asthma erzielen, son-dern auch effektiv der Entstehung neuer Sensibilisierungen vorbeugen. Laut zwei bisher publizierter Studien mit Kindern, die an AR litten, kann sowohl eine sub-kutane (SCIT) als auch eine sublinguale Immuntherapie (SLIT) das Risiko für die Entwicklung eines Asthma deutlich ver-ringern [1, 2]. Aufgrund methodischer Schwächen beider Studien sind diese Schlussfolgerungen jedoch weiterhin umstritten, gerade in Bezug auf die klini-sche Relevanz. Diese Lücke wollten Jo-chen Schmitt und Kollegen anhand von Daten einer retrospektiven Studie füllen und fanden weitere Hinweise dafür, dass eine SIT bei AR das Risiko für ein späte-res Asthma senkt.

Studienmethoden und -ergebnisse: Aus dem Pool der sächsischen AOK standen Daten von 171.539 Patienten mit zwei-fach bestätigter AR zur Verfügung. Von diesen litten 118.754 Patienten mit chro-nischer AR in einem Durchschnittsalter von 37 Jahren nicht an Asthma bronch-iale und hatten weder im Jahr 2005 noch ab 2007 eine spezifische Immuntherapie erhalten. Aus dieser Gruppe nun iden-tifizierten die Autoren diejenigen, die

im Jahr 2006 mindestens eine SIT ver-schrieben bekommen hatten und diffe-renzierten zudem zwischen subkutaner und sublingualer Immuntherapie, nach der Art des Allergens (Gräser / Bäume, Milben versus andere Allergene), nach der Art der Präparation (nativ versus Al-lergoid bzw. Kombinationen) sowie der Dauer der Behandlung. Somit ergab sich eine „Expositionsgruppe“ von 2431 Per-sonen, denen 116.323 ohne SIT gegen-über standen. Anhand der Rezepte für Antihistaminika ließen sich Rückschlüs-se auf den Schweregrad der Symptoma-tik ziehen.

Als primären Endpunkt berechneten die Autoren das Neuauftreten eines Asthma zwischen 2007 und 2012; eine solche Diagnose wurde bei insgesamt 1,4 %

der Patienten (1646) gestellt. Mit einer risk ratio von 0,6 trat ein Asthma signi-fikant seltener bei Patienten nach einer SIT auf als bei denen ohne spezifische Therapie ihrer AR (95 % Konfidenzinter-vall 0,42 – 0,84, p = 0,03). Dabei führte die subkutane Behandlung zu einem deutlichen Effekt (RR = 0,57). Die Daten für die SLIT-Tropfen zeigten zwar eine noch höhere Senkung des Risikos für Asthma (RR = 0,43), erreichten aber kei-ne Signifikanz. Für die Kombination von SCIT und SLIT ergab sich gar kein Effekt. Besonders positive Ergebnisse zeigte die Verwendung von nativen Allergenen (RR = 0,22), die Daten für Allergoide mit einer RR von 0,59 waren jedoch nicht si-gnifikant. Tendenziell zeigte eine länger als 3 Jahre andauernde SIT eine höhere präventive Wirkung als eine kürzere SIT.

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » Journal Club / In eigener Sache 45

Faktoren wie Alter und Geschlecht hat-ten keinen Einfluss auf die Ergebnisse.

Schlussfolgerung der Autoren. Diese große Kohortenstudie ergänzt die bereits bekannten Ergebnisse: eine spezifische Immuntherapie bei Patienten mit AR kann das Risiko eines späteren Asthma bronchiale um 40 % effektiv senken. Dass sich im Gegensatz zur SCIT für die SLIT kein signifikanter Effekt zeigte, lag laut

der Autoren wahrscheinlich an der zu ge-ringen Probandenzahl der SLIT. Limitati-onen der Studie sehen die Autoren u. a. in den fehlenden Informationen zur Art der Sensibilisierung sowie fehlender Sicher-heit bei der Einschätzung des Schwere-grades der AR. Beides würde aber eher dazu führen, den Effekt einer SIT in Be-zug auf Asthma zu unterschätzen. Ihre Studie basiere auf einem realistischen Setting der klinischen Routine, betonen die Autoren als Vorteil und hebe sich da-durch von klinischen Studien mit selekti-onierten Patienten ab. Eine SIT solle also bei Patienten mit AR möglichst frühzei-tig beginnen und über 3 Jahre andauern, empfehlen Schmitt und Kollegen.

PD Dr. med. Ernst Rietschel

Klinik und Poliklinik für Kinder-

und Jugendmedizin der Uniklinik Köln

Kerpener Str. 62 | 50924 Köln

Dr. med. Susanne Meinrenken

[email protected]

Literatur:

1. Moller C, Dreborg S, Ferdousi HA et al. Pollen im-

munotherapy reduces the development of asthma

in children with seasonal rhinoconjunctivitis (the

PAT-study). J Allergy Clin Immunol 2002; 109: 251-6

2. Novembre E, Galli E, Landi F et al. Coseasonal sub-

lingual immunotherapy reduces the development

of asthma in children with allergic rhinoconjunctivi-

tis. J Allergy Clin Immunol 2004; 114: 851-7

E Originalstudie: Schmitt J et al. Aller-gy immunotherapy for allergic rhinitis effectively prevents asthma: Results from a large retrospective cohort study. J Allergy Clin Immunology 2015 [EPub ahead of print]

IN EIGENER SACHE

AGPAS hat einen neuen Vorstand gewähltDie Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Allergologie und Pneumologie Süd (AG-PAS) hat ihren Vorstand neu gewählt. Nach 6 Jahren im Amt stellte sich Dr. Armin Grübl nicht mehr zur Wahl; im Rahmen der Jahrestagung, 18. – 19. Sep-tember in Würzburg wurde der Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche in den Fachkliniken Wangen, Dr. Thomas Spindler, zum neuen 1. Vorsitzenden gewählt. Armin Grübl übernimmt als „Senior-Vorsitzender“ eine nun einge-führte Funktion für die AGPAS. Zum

2. Vorsitzenden wählten die MitgliederDr. Olaf Sommerburg, Universitätsklinik Heidelberg. Die Aufgabe des Schrift-führers hat Dr. Michael Gerstlauer aus Augsburg übernommen, Otto Laub bleibt weiterhin Schatzmeister. Aus dem er-weiterten Vorstand verabschiedete sich Wolfgang Brosi. Somit bilden nun Prof. Dr. Johannes Forster, Dr. Neda Harandi, Prof. Dr. Joachim Kühr, Prof. Dr. Carl- Peter Bauer, Dr. Irena Neustädter und Dr. Christian Denne den erweiterten Vor-stand (E www.agpas.de). Dr. med. Thomas Spindler

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Pädiatrische Allergologie » 01 / 2016 » In eigener Sache46

Stellungnahme des GPA-geschäftsführenden VorstandsWelche Therapieallergene dürfen wir aktuell für unsere Patienten im Kindes- und Jugendalter im Rahmen der SIT verordnen? Finden Sie hier eine kurze Stellungnahme des geschäftsführenden Vorstands der GPA.

Die GPA beobachtet aktuell eine große Verunsicherung unserer pädiatrischen Kolleginnen und Kollegen, vielen von ih-nen GPA-Mitglieder, durch eine öffentliche Kampagne und Publikationen der Thera-pieallergene vertreibenden Pharmaunter-nehmen sowie einzelner Meinungsbildner aus diesem Bereich. In dieser Ausgabe finden Sie zwei Beiträge zu diesem brand-aktuellen Thema (E Gesundheitspolitik,S. 31 ff). In der kommenden Ausgabe der Pädiatrischen Allergologie können Sie eine ausführlichere Stellungnahme der GPA zu dieser Diskussion erwarten.

Aktuell möchten wir Folgendes zur Aus-wahl geeigneter Präparate zur SIT bei Kindern und Jugendlichen feststellen:

Die SIT ist eine Individualtherapie, die allein von der / dem Ärztin / Arzt indiziert und durchgeführt wird, die/der im besten Fall über eine allergologische Zusatz-bezeichnung verfügt, mindestens aber über umfangreiche und ausreichende Erfahrung in der Durchführung und den Umgang mit der SIT.

Für die SIT von Kindern mit Therapieal-lergenen gelten die aktuellen Empfeh-lungen der S2-SIT-Leitlinie aus 2014. Es handelt sich bei Leitlinien um standardi-sierte Empfehlungen, keine bindenden Richtlinien! Aus unterschiedlichen Grün-den ist die Zahl plazebokontrollierter, randomisierter Doppelblindstudien im Kindes- und Jugendalter sehr klein. Die-ser Umstand wird sich in den nächsten 10 – 15 Jahren nur in geringem Umfang ändern. Die pädiatrischen Gesellschaf-ten in Deutschland haben zugestimmt, dass im Rahmen der Therapie-Allerge-ne-Verordnung (TAV) zunächst bevorzugt

Studien bei Erwachsenen durchgeführt werden dürfen. In Absprache mit dem Paediatric Committee (PDCO) der EMA wurde beschlossen, dass Kinderstudien (Langzeitstudien) erst nach Abschluss der Wirksamkeits- und Sicherheitsstudi-en (Kurzzeit-Wirksamkeitsstudien) bei Er-wachsenen durchgeführt werden dürfen.

Bis 2023 können die vom Paul-Ehrlich In-stitut noch nicht zugelassenen, aber ver-kehrsfähigen (und damit verordnungsfä-higen) Produkte (aktuell 95 Produkte) im

E TAV-Prozess verordnet werden.

Die produktspezifische Tabelle, auf die in der E aktuellen S2-Leitlinie Bezuggenommen wird, wird von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klini-sche Immunologie (DGAKI) halbjährlich aktualisiert und veröffentlicht. Diese Tabelle gibt ausdrücklich keine verbind-lichen Empfehlungen für die Auswahl von Therapieallergenen (siehe fett ge-druckten Text auf der Tabelle: „Tabelle als Entscheidungsgrundlage zur Verord-nungs- oder Erstattungsfähigkeit i. S. einer Positiv- oder Negativliste ungeeig-net“). Sie informiert lediglich über den aktuellen Stand der Zulassungen und der durchgeführten positiven Studien nach seitens der Autoren vorgegebenen Kriterien. Über Studien mit negativem Er-gebnis wird nicht informiert.

Die GPA beteiligt sich ausdrücklich nicht an der aktuell von einzelnen Pharma-unternehmen und Kollegen ausgelösten und ständig angefeuerten öffentlichen Diskussion um die Frage von Bedeutung der Evidenz (evidenzbasierte Kriterien) und Wirksamkeit von Therapieallerge-nen. Diese Diskussion muss, wenn sie

nicht zur Verunsicherung der / des pädi-atrischen Behandlers / Behandlerin und zum Schaden unserer Patienten führen soll, unabhängig von persönlichen und ökonomischen Interessen nach den Re-geln guter wissenschaftlicher Praxis geführt werden. Wir sind uns alle einig, dass die TAV hier zu einer weiteren Klä-rung, zunächst allerdings nur für die SIT bei Erwachsenen, beitragen wird. Dieser Prozess ist aber nicht abgeschlossen und daher sind nur vordergründig wis-senschaftliche Beiträge, die lediglich eine Momentaufnahme wiedergeben, bei einer Therapie, die 3 – 5 Jahre dauert (und seit 104 Jahren durchgeführt wird), nicht zielführend.

Das Vorgehen von Prüfungsausschüs-sen, die sich einzelner Argumente dieser Diskussion bedienen und Regressforde-rungen bei unseren KollegenInnen an-drohen, um diese damit zu verunsichern, lehnen wir ab. Ärztliche Kollegen, die die Prüfungsausschüsse und Kassenärztli-chen Vereinigungen diesbezüglich durch unwissenschaftliche, ungeprüfte und eigenwillige Interpretationen der S2-Leit-linie (und der damit verbundenen Tabel-len) unterstützen, schaden der nach den Regeln der ärztlichen Kunst korrekt indi-zierten und angewandten SIT und damit unseren Patienten.

Für den geschäftsführenden Vorstand:

Prof. Dr. med. Albrecht Bufe,

Dr. med. Frank Friedrichs

Geschäftsstelle der

Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie

und Umweltmedizin e. V.

Rathausstraße 10 | 52072 Aachen

[email protected] | E www.gpau.de

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TAGUNGEN UND TERMINE

In-vivo-DiagnostikDie Ausgabe 02 / 2016 erscheint am 30. März 2016.

Schwerpunktthema der nächsten Ausgabe

13. gemeinsame Jahrestagung derArbeitsgemeinschaft Asthmaschulung im Kindes- und Jugendalter e. V. (AGAS) und der Arbeitsgemeinschaft Neuroder-mitisschulung e. V. (AGNES)26. / 27. Februar 2016, KielLeitung: Prof. Dr. med. Regina Fölster-Holst, Kiel; Dr. med. Christian Falkenberg, Nebel / Amrum; PD Dr. med. Tobias Ankermann, KielInformation: DI-Text, Frank Digel, [email protected], E www.di-text.de

nappaKompaktkurs Pädiatrische Allergologie4. / 5. März 2016, Bad ZwischenahnLeitung: Prof. Dr. med. Jürgen SeidenbergInformation: DI-Text, Frank Digel, [email protected], www.di-text.de

38. Jahrestagung der Gesellschaft fürPädiatrische Pneumologie e. V. (GPP)10. – 12. März 2016, DresdenPostgraduiertenkurse am 9. / 10. März 2016, Tagungszentrum Börse DresdenLeitung: Prof. Dr. med. Christian VogelbergInformation: Intercom Dresden GmbH, Silke Wolf, [email protected]

Kompaktkurs „Pädiatrische Pneumo-logie“ der Arbeitsgemeinschaft Pädia-trische Pneumologie und Allergologie (APPA) e. V.8. / 9. April 2016, WörlitzLeitung: Prof. Dr. med. Christian VogelbergInformation: Intercom Dresden GmbH, Silke Wolf, [email protected]

nappaKompaktkurs Pädiatrische Pneumologie15. / 16. April 2016, Bad ZwischenahnLeitung: Prof. Dr. med. Jürgen Seidenbergnformation: DI-Text, Frank Digel, [email protected], E www.di-text.de

AGPASKompaktkurs Pädiatrische Allergologie3. / 4. Juni 2016, Ludwigsburg-BietigheimLeitung: Dr. med. Thomas Spindler, Fachkliniken Wangen; Dr. med. Christian Denne, Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim gGmbHInformation: Wurms & Partner PR GmbH, [email protected]

SAVE THE DATE

11. Deutscher Allergiekongress29. Sept. bis 1. Oktober 2016, BerlinLeitung: Prof. Dr. med. Susanne Lau, PD Dr. med. Jörg Kleine-TebbeInformation: wikonect GmbH, [email protected]

AGPAS 30. Jahrestagung21. / 22. Oktober 2016, SalzburgLeitung: Dr. med. Isidor Huttegger, SalzburgInformation: RG Gesellschaft für Information Organisation mbH,

E www.rg-web.de/aerztefortbildungen

WAPPA23. Jahrestagung04. / 05. November 2016, FrankfurtLeitung: Dr. med. Christian Walter, Bad HomburgInformation: DI-Text, Frank Digel, [email protected], E www.di-text.de

WAPPA37. Seminar „Indikation und Durch-führung der Hyposensibilisierung“25. / 26. November 2016, KölnLeitung: Dr. med. Frank Friedrichs, Aachen, Prof. Dr. med. Bodo Niggemann, BerlinInformation: DI-Text, Frank Digel, [email protected], E www.di-text.de

PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIEAUSGABE 01 / 2016