Der Offizier (September 2015)

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Offizier DER Ausgabe 3/2015 Zeitschrift der Österreichischen Offiziersgesellschaft P.B.B. ABS. ÖSTERREICHISCHE OFFIZIERSGESELLSCHAFT, SCHWARZENBERGPLATZ 1, 1010 WIEN 14Z040084 M Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit im Inneren Plattform Wehrhaftes Österreich Chancen für eine „Europaarmee“ Young Reserve Officers Seminar

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Magazin der österreichischen Offiziersgesellschaft

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Ausgabe 3/2015 Zeitschrift der Österreichischen Offiziersgesellschaft

P.B.B.ABS. ÖSTERREICHISCHE OFFIZIERSGESELLSCHAFT, SCHWARZENBERGPLATZ 1, 1010 WIEN14Z040084 M

Aufrechterhaltung vonOrdnung und Sicherheit

im Inneren

Plattform Wehrhaftes Österreich

Chancen für eine„Europaarmee“

Young ReserveOfficers Seminar

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Ausgabe 3/2015

D as Asylantenproblem be-schäftigt als Top-Thema Nummer 1 derzeit und wahr-

scheinlich auch in der nächsten Zeit die österreichische Innenpolitik. Dass in Zeiten der Not Politiker und Interes-sierte nach dem Bundesheer rufen, ist man in diesem Land gewohnt. So ist es auch diesmal und das ist in Ordnung. / Das Erschütternde aber dabei ist, dass man vorher das Bundesheer fast bis zur Nichtexistenz demoliert hat. Und die Regierungen der vergange-nen Jahrzehnte haben es zugelassen, dass – wie derzeit der Fall – sich etwa die Hälfte eines Geburtsjahrgangs für den Zivildienst entscheiden kann. Und diese Nichtsoldaten werden u. a. den diversen Hilfsorganisationen zugeteilt. So ist eben des Volkes Wille. / Nun, da sich die Politik in eine Notsituation manövriert hat, gibt es Gedanken von Volksvertretern und Hil-festellern, das Heer zu Aufgaben zu ver-wenden, für die das Heer keine gesetz-lichen Befugnisse hat. Und die beiden Organisationen Offiziersgesellschaft und Interessengemeinschaft der Be-rufsoffiziere (IGBO) weisen darauf hin. Flüchtlingsbetreuung durch das Bun-desheer ist wahrlich kein „Assistenzein-satz“ (IGBO). „Asylantenversorgung oder deren Transport sind wohl Aufga-ben, die jedes Busunternehmen oder jede Cateringfirma bestens bewältigen kann und somit sicher keine Aufgabe für das Bundesheer, wie es der Verfas-sungsgeber vorgesehen hat. (...) Trau-matisierte Kriegsflüchtlinge nun vom

Militär betreuen zu lassen, weil es güns-tiger ist, kann wohl nicht die Lösung sein, und ist auch nicht verfassungs-konform! (...) Völlig unverständlich ist, warum die vielen Zivildiener, die auf eine Zuweisung durch das BMI warten und für die anfallenden Aufgaben bes-tens eingesetzt werden könnten, dafür nicht herangezogen werden.“ (ÖOG) Und die Offiziersorganisationen zeigen auch die einzige Möglichkeit für eini-ge dieser Tätigkeiten auf: „Hilfeleistung im Rahmen der Ausbildung“. Für einen Grenzsicherungseinsatz als Assistenz für das BMI – wie bereits gehabt – könnte das Heer gesetzlich allenfalls herangezogen werden. / Dass der Bundesgeschäftsführer einer Blaulicht-Organisation über die-se Reaktionen der Offiziere mit Un-verständnis reagiert, zeigt nur, dass er keine Gesetzeskenntnis hat. Denn pri-mär dürfen Handlungen der gesamten staatlichen Verwaltung „nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden“. Zwei-tens regeln die Bundesverfassung und das Wehrgesetz ganz exakt die Aufga-ben des Bundesheers. Es geht nicht darum, ob das Bundesheer will, son-dern darum, ob ein Einsatz des Heers rechtens ist oder nicht. Das sollte auch der Bundesgeschäftsführer der erwähnten NGO sowie andere Volks-vertreter wissen und bedenken. Ohne rechtliche Normen gibt es keinen ge-ordneten Staat. Das ist zum Schutz der Bürger und der der staatlichen Obrigkeit anvertrauten Menschen un-verzichtbar.

/ Freiwillige Organisationen dürfen agieren, soweit es nicht Normen ver-bieten, behördliche Einrichtungen nur aufgrund von Gesetzen. Das ist der Punkt und keine „Verhöhnung ehren-amtlicher Mitarbeiter“, wie es der Herr (Ministerialrat) des Freiwilligen-Klubs formuliert. Und wenn er mit Argumen-ten, die unterhalb der Gürtellinie ange-siedelt sind, gegen die IGBO wettert und fordert: „(Es) scheint so zu sein, dass ein mit einer satten Beamtenpen-sion ausgestatteter Vertreter der IGBO den Anschluss an die Realität verloren hat. Diese Herrschaften sollen endlich einmal das Primat der Politik akzeptie-ren, nämlich, dass die demokratisch legitimierten Vertreter des Souveräns entscheiden, wie und wo das Bundes-heer zum Einsatz gelangt“, dann irrt er total. Artikel 18 (1) des Bundes-Verfas-sungsgesetzes (B-VG) sagt ihm ande-res. Auch die „demokratisch gewählten Vertreter des Souveräns“ dürfen nicht anders handeln, denn sonst begehen sie den Bruch jener Verfassung, deren Einhaltung sie gelobt haben. Auch die Politik hat sich an Gesetze zu halten. Ob die genannte Blaulicht-Organisati-on das anders sieht, ist ihr überlassen. Wenn ja, dann befindet sie sich außer-halb der Rechtsordnung. / Übrigens, „das Primat der Politik“ hat jenen Zustand des Heers und Ös-terreichs zu verantworten, in dem sich das Land und das Heer derzeit befin-den.

Observer

BSERVEROhne Gesetz, frei nach

politischem Gutdünken?

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Ausgabe 3/2015

VorwortLiebe Leserin, lieber Leser!

Während Europa und Österreich wegen der Flücht-lingswelle den Atem anhalten, reduzieren wir die Streitkräfte und machen eine Zentralstellenreform. Während unsere Nachbarn wegen diverser Kriege auf-rüsten, rüsten wir ab.

Irgendwie erinnert es an das Jahr 1866, wo uns Oberst dhmtD Mag. Dr. Peter Aumüller im „Truppendienst“ 3/2004 erinnert: „Während Preußen aufrüstete, rüste-te Österreich unter dem Finanzminister Plener sicht-bar ab. Der Budgetanteil der zivilen Ressorts stieg, dem Militär hingegen wurden permanent Kräfte und Mittel gestrichen. 93 Kavallerie-Eskadronen wurden aufgelöst, ebenso 51 Batterien der Artillerie. 1864 be-stand sogar die Absicht, eine ganze Armee und ihre Kommanden aufzulösen. Im selben Jahr wurden die für November angesetzten Manöver aus finanziellen Gründen abgesetzt. Die Einsparungspolitiker hatten es u. a. darauf abgesehen, die Zwischeninstanzen – also die mittlere Führung – abzuschaffen. Bei Königgrätz waren deshalb die Stäbe überlastet, was die Erstellung und Weitergabe von Befehlen bzw. Meldungen deut-lich verzögerte. Das Budgetjahr 1865/66 brachte mit ei-nem Rückgang von 34,8 Prozent die einschneidendste Verminderung der Mittel für die Streitkräfte – und das angesichts der wachsenden Kriegsgefahr, also unmit-telbar vor Königgrätz!“

Möge uns ein ähnliches Schicksal erspart bleiben, dass wir einsparen, unmittelbar bevor wir es brauchen. Möge uns die Umsicht und Verantwortlichkeit unserer Politik bald mehr bescheren als ein Investitionspaket, das bestenfalls das Überleben sicherstellt und nur be-dingt geeignet ist, den derzeitigen und kommenden Anfordernissen an die Streitkräfte zu entsprechen. Es ist verständlich, dass eine „Plattform Wehrpflicht – Wehrhaftes Österreich“ als Dachverband der wehr-politischen Verbände Österreichs gegründet wurde, um sich unter anderem für ein ausreichendes Bud-get einzusetzen, welches die beschlossene Mobilma-chungsstärke von 55.000 Mann für eine ausreichen-de, moderne und den Erfordernissen entsprechende Ausrüstung erfordert, für welchen Einsatz auch immer.

Ihr ChefredakteurHerbert Bauer

DER OFFIZIERMedieninhaber und Herausgeber: Österreichische Offiziersgesellschaft, Schwarzenbergplatz 1, A-1010 Wien ZVR-Zahl: 795014511 Ι Chefredakteur:

GenMjr Mag. Herbert Bauer Ι Erscheinungsort: Wien Ι MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Bgdr i. R. A. Eigentler, MSD; Obst i.R. O. Heel (Tirolbeilage); G. Haffer-Hochrainer;

M. Musner; M. Sala Ι Marketing: Dr. Franz Palla ([email protected]) Ι Hersteller: TARGET GROUP Publishing GmbH, Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck Ι

Druck: Ing. F. Feilhauer A-2620 Neunkirchen, Seebensteiner Straße 1 Ι Fotos: Titelbild/Foto: Bundesheer/Wolfgang Riedlsperger – Bearbeitung ÖOG; andere gem. Einzelnachweis

Namentlich gezeichnete Beiträge müssen sich nicht mit der Meinung des Herausgebers decken. Unaufgefordert eingesandte Beiträge

bedeuten keine automatische Veröffentlichung.

Internet: www.oeog.at, [email protected]

Offenlegung gemäß § 24 und § 25 Mediengesetz:Die Zeitschrift „Der Offizier“ befindet sich zu 100 % im Eigentum der

Österreichischen Offiziersgesellschaft, A-1010 Wien, Schwarzenbergplatz 1. Die Richtung der überparteilichen Zeitschrift ist durch die Statuten der ÖOG bestimmt und bezweckt Information in Wort und Bild zu Themen

der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Inhalt

30 ÖOG und Internet

31 Oberbefehlshaber

Brief des Präsidenten4

Europaarmee6

Flüchtlinge in Österreich10

Young Reserve Officers12

Kommentar W. Sablatnig14

Wehrhaftes Österreich15

Bürgerinitiative17

Die Zeitung lebt19

Eine systemische Betrachtung23

Delegiertenversammlung29

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Brief des PräsidentenDer Traum vom Frieden

E nde 2003 verabschiedete die EU ihre erste und bisher einzi-ge Sicherheitsstrategie mit der

idealistischen Überschrift „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“. In der Einleitung ist zu lesen: „Nie zuvor ist Europa so wohlhabend, so sicher und so frei gewesen. Die Gewalt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist einer in der europäischen Geschichte beispiel-losen Periode des Friedens und der Stabilität gewichen.“ Und weiter heißt es: „Größere Angriffe gegen Mitglied-staaten sind nunmehr unwahrscheinlich geworden. Dafür ist Europa mit neuen Bedrohungen konfrontiert, die verschie-denartiger, weniger sichtbar und weni-ger vorhersehbar sind:• Terrorismus• Verbreitung von

Massenvernichtungswaffen• Regionale Konflikte• Scheitern von Staaten• Organisierte KriminalitätUnser herkömmliches Konzept der Selbstverteidigung, das bis zum Ende des Kalten Krieges galt, ging von der Gefahr einer Invasion aus. Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen. Die neuen Bedrohungen sind dynamischer Art. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass östlich der Europäi-schen Union und an den Mittelmeer-grenzen ein Ring verantwortungsvoll regierter Staaten entsteht, mit denen

wir enge, auf Zusammenarbeit ge-gründete Beziehungen pflegen kön-nen.“

„Ring of Fire“Ohne Übertreibung lässt sich feststel-len, dass alle diese Bedrohungen schla-gend geworden sind. Europäische Ver-teidigungslinien im Ausland sind aber nicht zu erkennen. Denn aus einem angestrebten Ring der Stabilität und Zusammenarbeit rund um Europa ist eine Kette lodernder Krisenschauplätze geworden: / Der „Arabische Frühling“ brachte keine demokratischen Staaten in Nord-afrika, sondern entweder Militärregime (Ägypten) oder gescheiterte Staaten (Libyen, Syrien, Irak, Jemen). In dieses Machtvakuum ist die Terror-Miliz „Is-lamischer Staat“ mit großer Brutalität hineingestoßen und hat ein Kalifat aus-gerufen, dessen angestrebtes Territori-um bis weit nach Europa reicht – und auch Österreich umfasst! Experten be-fürchten ein Übergreifen dieser Desta-bilisierung auf die Türkei, die vor einer Zerreißprobe steht. / In der Ukraine herrscht trotz Waf-fenstillstandsvereinbarungen weiterhin ein Krieg, in den Russland offensichtlich aktiv verwickelt ist. Großmanöver Russ-lands und der NATO erinnern frappant an den „Kalten Krieg“ – und so wird als optimistischste Lösung für die Ukraine ein „eingefrorener Konflikt“ angestrebt.

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/ Im Baltikum und in Skandinavien sind Grenzverletzungen zur See und in der Luft inzwischen Alltag. In Estland wurden auch zu Lande bereits „grüne Männchen“ angetroffen. Gebietsan-sprüche in der Nordpol-Region und im Eismeer deuten bereits auf künftige Konflikte hin.

Europa – das aktuelle Top-RisikoDie Eurasia Group, ein Strategie-Think-tank, setzte daher die Politik Europas an die Spitze der Top 10 der geopolitischen Risiken im Jahr 2015. Weder ist die EU in der Lage, in den selbst definierten Einflusszonen als Ordnungsmacht in Erscheinung zu treten. Noch vermag sie die Folgen dieses Scheiterns – die Flüchtlingsströme und den anschwel-lenden Terrorismus des IS – in den Griff zu bekommen. Stattdessen nehmen die zentrifugalen Kräfte zu – Stichwort Grexit und Brexit – und die Re-Nati-onalisierung schreitet munter voran. Gleichzeitig verschärft die jahrelange Wirtschaftskrise die sozialen Spannun-gen in den Mitgliedsländern.

Österreich ist ein UnsicherheitsfaktorSelbstverständlich wirken alle diese Problemzonen auch direkt auf Öster-reich. Doch während andere Länder die Zeichen der Zeit erkennen, wird in Österreich munter an der Demontage des Bundesheers – der strategischen Handlungsreserve der Republik – wei-tergearbeitet. Die negativen Folgen der andauernden Budgetkürzungen sind unübersehbar. Die Einsatzbereit-schaft für alle gesetzlich definierten Aufgaben ist nicht mehr sichergestellt. Der frühere Generalstabschef, General Entacher, hat das in einem Interview so beschrieben: „Österreich wird innerhalb der europäischen Sicherheitspolitik un-zuverlässig, unbrauchbar und unsolida-risch. Auf diesem Niveau ist Österreich ein Unsicherheitsfaktor zu einem Zeit-punkt, wo militärische Konflikte in un-serer Umgebung zunehmen.“ / Die NATO-Mitglieder innerhalb der EU haben sich dazu verpflichtet, ihre Verteidigungsausgaben wieder auf zwei Prozent des BIP anzuheben. Österreich

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dümpelt mit 0,55 Prozent des BIP auf einem historischen Tiefststand dahin. Dem Vernehmen nach stehen auch die zugesagten Sonderinvestitionen wieder auf der Kippe und werden für das nächs-te Doppelbudget weitere Einschnitte beim Bundesheer geplant.

Bundesheer – die neue Heilsarmee?Statt jene militärischen Kapazitäten zu erhalten und auch wieder aufzubauen, die angesichts der Bedrohungslage er-forderlich sind, erfolgt in Österreich der Ruf nach dem Militär dann, wenn nach einem beispiellosen Multiorganversa-gen der Flüchtlingspolitik Hilfe benötigt wird. Solange jedoch Politiker in völliger Ignoranz der Gesetzeslage meinen, das Bundesheer wäre entweder ein Techni-sches Hilfswerk bei der Katastrophen-hilfe oder eine Sozialeinrichtung zur Flüchtlingsbetreuung, muss man sich um die Sicherheitsvorsorge in Öster-reich ernste Sorgen machen. / In dieser Phase der permanenten politischen Themenverfehlung haben sich die großen wehrpolitischen Ver-bände in Österreich zu einem Dachver-band zusammengeschlossen. Als „Platt-form Wehrhaftes Österreich“ wollen wir gemeinsam gegen die Zerstörung des Bundesheers und für die Sicherheit Ös-terreichs eintreten. / Mit unserer Unterschriftenaktion (siehe auch Seite 17) wollen wir der österreichischen Bevölkerung, die zu schützen wir Soldaten gelobt haben, die Möglichkeit geben, parteiübergrei-fend und unabhängig ihre Unterstüt-zung für das Bundesheer auszudrü-cken.

Der Ruf nach dem starken MannIn schwierigen Zeiten mit komplexer Problemlage wünschen sich viele Bür-ger einfache Lösungen. Der Ruf nach ei-nem Heilsbringer, der mit starker Hand die Probleme löst, ist aber nicht nur bei Populisten in. Auch das Durchgriffs-recht des Bunds in der Flüchtlingsfrage folgt dieser Logik. Und während der Sommermonate gefiel sich auch Minis-ter Klug in der Rolle des starken Manns. Zwar wurde er nicht Landeshauptmann

in der Steiermark, aber innerhalb des Ministeriums hat er versucht, bemerk-bare Akzente zu setzen. Im Rahmen der Neugestaltung der Zentralstellenorga-nisation werden nämlich nicht nur aus Spargründen Dienstposten reduziert, sondern auch Kompetenzen und Zu-ständigkeiten neu geregelt. Dabei wan-dert die Zuständigkeit für Budget- und Personalfragen gebündelt in die zivile Sektion 1 oder gleich direkt in das Ka-binett des Ministers. Zahlreiche Kom-mentatoren haben diesen Vorgang als Entmachtung des Generalstabs inter-pretiert und sprechen von einer Kluft zwischen den Spitzenmilitärs und den Zivilisten im Ressort. / Selbstverständlich hat ein Minister das Recht, die Strukturen und Abläufe seines Ministeriums nach seinen Wün-

schen und Vorgaben zu gestalten. Und selbstverständlich sind das Budget und die Personalangelegenheiten entschei-dende Stellschrauben für den Erfolg oder Misserfolg. Doch wer diese The-men zur Chefsache erklärt, der wird in Zukunft nicht sagen können, er wäre schlecht beraten worden. Spitzenbeam-te sind immer auch ein Schutzschild für den Minister. In Zukunft wird Minister Klug selbst Rede und Antwort stehen müssen. / Und als sicherheitspolitisches Ge-wissen werden wir auch weiterhin auf seine Verantwortung für die Sicherheit Österreichs hinweisen!

Mag. Erich Cibulka, ObstdhmfD

Präsident der Österreichischen

Offiziersgesellschaft

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B is zum Ende des Kalten Kriegs gegen Ende der 1980er Jahre war die Gestaltung der Sicher-

heit und Verteidigung Europas eine eher einfache Aufgabe, galt es „bloß“ das Gleichgewicht des Schreckens in Balance zu halten. Die beiden wichtigs-ten sicherheitspolitischen Instrumente in diesem Kalten Krieg waren in Europa im Westen die 1949 gegründete NATO und im Osten der 1955 gegründete War-schauer Pakt (WAPA). Der Großteil der europäischen Staaten waren Mitglieder in einer der beiden Organisationen, ei-nige wenige Staaten blieben außerhalb des Blocksystems und waren blockfrei oder neutral, wie etwa Österreich, die Schweiz, Jugoslawien, Finnland, Irland und Schweden. / Neben den beiden Blocksystemen, welche im Wesentlichen durch die USA bzw. die Sowjetunion dominiert wa-ren, bemühten sich einige europäische Staaten von sich aus, parallel zum Auf-bau einer gemeinsamen europäischen Wirtschafts- und Währungspolitik eine eigenständige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ins Leben zu rufen. Während der wirtschaftliche

Zusammenschluss bereits 1957 mit der Gründung der Europäischen Wirt-schaftsgemeinschaft (EWG) und 1960 mit der Gründung der europäischen Freihandelszone/European Free Trade Association (EFTA) gelang, blieb die Entwicklung einer eigenständigen eu-ropäischen Verteidigungsgemeinschaft, damals als Westeuropäische Union (WEU) bezeichnet, eher bescheiden. Da die meisten Mitgliedsstaaten der WEU auch gleichzeitig Mitglied in der NATO waren, blieben die Erfolge der WEU, eine eigenständige Europaarmee aufzu-stellen, unerreicht, was auch die Auflö-sung der WEU 2011 beschleunigte.

Europäische SituationDie Europäische Union mit ihren 28 Mitgliedsstaaten – 22 davon sind auch

Mitgliedsstaaten der NATO – nahm aber mit der 2001 mit dem Vertrag von Nizza beschlossenen gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) einen neuen Anlauf. Die wich-tigsten Institutionen, welche der GSVP Leben einhauchen sollen, sind das politi-sche und sicherheitspolitische Komitee, welches sich im Regelfall aus den Bot-schaftern der Mitgliedsstaaten zusam-mensetzt, der Militärausschuss der EU, der Militärstab der EU, die Europäische Verteidigungsagentur (European De-fence Agency, EDA) und weitere Insti-tutionen, die hier nicht näher angeführt werden. Die EU verfügt über keine eige-nen Soldaten oder gar eine europäische Armee. Stattdessen muss die EU auf die Streitkräfte der Mitgliedstaaten zurück-greifen, welche im Einzelfall autonom über die Bereitstellung entscheiden. In einem ersten Schritt, um rasch reagie-ren zu können, beschloss der Rat 2004 die Aufstellung der sogenannten EU Battlegroups. Diese Verbände mit einer Stärke von etwa 1500 Soldaten sollten innerhalb von zehn bis 15 Tagen in einem Radius von bis zu 6000 Kilometern um Brüssel für eine Dauer von bis zu vier

Chancen für eine „Europaarmee“ BRIGADIER DR. HABIL. HARALD PÖCHER

Eurofighter mit Meteor

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Monaten zum Krisenmanagement ein-gesetzt werden können. Die volle Ein-satzfähigkeit wurde 2007 erreicht, seit-dem stehen jeweils zwei dieser in der Regel multinational zusammengesetz-ten Verbände für jeweils sechs Monate einsatzbereit zur Verfügung. Die USA sehen die militärischen Initiativen im Rahmen der EU mit Skepsis, jedoch wird in der EU immer wieder betont, dass es bei der gemeinsamen europäischen Si-cherheits- und Verteidigungspolitik kei-nesfalls darum geht, einen Ersatz für die NATO auf die Beine zu stellen und eine europäische Armee ist daher vorder-hand nicht geplant. Das beruhigt zwar Washington, ist aber möglicherweise auch eine gute und diplomatische Aus-rede dafür, dass die Mitgliedsstaaten der EU nicht wesentlich mehr Geld für ihre Streitkräfte ausgeben müssen. / Nach dem Ende des Kalten Kriegs und der Wiedervereinigung der beiden

deutschen Staaten 1990 sagten viele Experten der NATO ein baldiges Ende vorher. Heute, rund 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs, präsentiert sich die NATO nach mehreren Erweiterungs-runden und aktuell 26 Mitgliedsstaaten vitaler als jemals zuvor. Zurzeit wird ein neues Gebäude für das Hauptquartier der NATO auf dem Gelände des ehe-maligen Flugplatzes Melsbroek errich-tet, welches 2016 bezogen werden soll. Die NATO bietet in Brüssel für mehr als 3000 Personen Beschäftigung. Das mi-litärische Hauptquartier der NATO liegt im belgischen Mons, rund 70 Kilometer von Brüssel entfernt gelegen. Ähnlich wie die EU verfügt die NATO auch über keine eigenen Streitkräfte. Dennoch hat die NATO einen entscheidenden Vorteil gegenüber der EU, da sie über stehen-de Kommandostrukturen, assignierte Kräfte und das militärische Potenzial der USA – insbesondere strategischer

Transportraum – verfügen kann und im Anlassfall damit weltweit einsetzbar ist.

GSVP versus NATO – ein Effizienzvergleich in ZahlenDie NATO unterhält in ihren Mitglieds-staaten rund 3,4 Millionen Militärperso-nal, die Mitgliedsstaaten der EU ledig-lich 1,5 Millionen, wovon aber rund 1,4 Millionen auch als NATO-Militärper-sonen gezählt werden können, da ein Großteil der EU Mitgliedsstaaten auch Mitglied in der NATO ist. Die personal-stärksten Streitkräfte in der NATO un-terhalten die USA (1,5 Millionen) und die Türkei (600.000). In der EU unterhalten Frankreich (227.000), Großbritannien (191.000), Deutschland (182.000), Itali-en (180.000), Griechenland (152.000), Spanien (123.000) und Polen (122.000) die personalstärksten Streitkräfte, ins-gesamt 1,18 Millionen. Demnach stellen sieben Staaten von den 28 Mitglieds-staaten rund 78 Prozent der gesamten EU-Streitkräfte. Weitere zwölf Prozent stellen Rumänien (73.000), die Nieder-lande (37.000), Portugal (42.000) und Belgien (34.000). Der Rest von zehn Prozent verteilt sich auf 17 weitere Mit-gliedsstaaten, darunter auch die Nicht-NATO-Mitglieder Österreich, Finnland, Irland und Schweden. Da die großen Staaten in Europa auch zu den großen Truppenstellern in der NATO zählen, kann man nur unschwer vermuten, wo bei diesen Staaten das ›

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„Charles de Gaulle“ - Ankunft in Cuxhaven

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Airbus A400M (EC-404; MSN 004) auf der ILA Berlin Air Show 2012

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Schwergewicht des militärischen En-gagements liegt! Des Weiteren haben die kleineren Staaten aufgrund der geringen Truppenstärken sowie ihres geringen Verteidigungsbudgets wenig Entscheidungsspielraum bei der Ausge-staltung der GSVP und sind damit rela-tiv unbedeutend. / Einen weiteren Effizienzvorteil der NATO-Staaten bilden die weltweit durchgeführten operativen Einsätze. Während die NATO zurzeit rund 20.000 Militärpersonen weltweit eingesetzt hat, befinden sich in EU-geführten Ope-rationen lediglich 4000 Militärperso-nen. Die NATO hat damit rund 0,6 Pro-zent seiner Militärpersonen im Einsatz, die EU nur rund 0,26 Prozent. / Ein Vergleich der Verteidigungsbud-gets der Mitgliedsstaaten der NATO mit den Mitgliedsstaaten der EU spricht eine noch deutlichere Sprache. Alle NATO-Mitglieder gaben 2014 rund 890 Milliarden US Dollar, während alle EU-Mitgliedsstaaten nur rund 280 Millio-nen Euro aufgewendet haben.

Europäische Verteidigungs-agentur versus vergleichbare NATO-Agenturen Die European Defence Agency (EDA)Europäische Verteidigungsagentur/ wurde 2004 gegründet, um effektive Verteidigungskapazitäten zu entwickeln sowie die Rüstungsaktivitäten der Mit-gliedstaaten und mögliche gemeinsame Waffenanschaffungen zur Vermeidung von Überkapazitäten zu koordinieren. Bis auf Dänemark machen alle EU-Mit-gliedsstaaten bei der EDA mit. In der EDA sind 126 Personen direkt beschäf-tigt, das Jahresbudget beträgt rund 31 Millionen Euro. / Zehn Jahre nach der Gründung der EDA ist bereits viel Positives im Verteidi-gungs- und Rüstungsbereich gelungen. Der große Wurf freilich blieb der EDA bislang versagt, da die großen europä-ischen EDA-Mitglieder die Errungen-schaften ihrer Rüstungsindustrie offen-sichtlich nicht mit anderen teilen wollen und die wichtigsten EDA-Mitglieder auch NATO-Mitglieder sind und sich auch in den NATO-Gremien einbringen können. Die Gründung eines gemein-samen Europäischen Rüstungsraums bleibt daher weiter Utopie und auch die-

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se muss daher weiterhin warten. Auch die Richtlinie 2009/81/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rats vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicher-heit kann man eher in den Bereich „Pa-pier ist geduldig“ einstufen. / Die NATO ist eine weitverzweigte Organisation mit vielen Agenturen und dadurch ein Arbeitgeber für zigtausende Arbeitskräfte. Mit der EDA vergleichbar kann die NATO Science and Technolo-gy Organization und die NATO Support and Procurement Agency (NSPA) ange-sehen werden. Genaue Angaben über die Anzahl der Mitarbeiter in diesen bei-den Organisationen und das verfügbare Budget finden sich in den offen zugäng-lichen Unterlagen nicht. Jedenfalls kann aus den Informationen auf der Home-page der NATO durchaus der Schluss gezogen werden, dass in diesen Orga-nisationen die NATO-Mitgliedsstaaten untereinander stark vernetzt sind, aber

auch Raum offen ist für Nicht-NATO-Mitglieder. Beispielsweise unterhält das neutrale Finnland ein Verbindungsbüro zur NSPA und kann damit seine nati-onale Rüstungsindustrie im sonst für Nichtmitglieder gesperrten NATO-Be-reich platzieren. / Österreich spielt trotz der Mitglied-schaft bei der NATO-Partnerschaft für den Frieden realpolitisch gesehen für die NATO-Organisationen keine Rolle. Im Rahmen der EDA macht Österreich dort mit, wo man sich aufgrund der ge-ringen verfügbaren Finanzmittel eine Teilnahme leisten kann. / Sowohl der EDA als auch der damit vergleichbaren NATO-Organisationen gelang bislang nicht der große Wurf, beispielsweise durch die Vereinheit-lichung von Rüstungsprojekten oder durch den Austausch von Forschungs-ergebnissen im Hochtechnologiebe-reich über Grenzen hinweg oder durch die Durchsetzung von Wettbewerb bei Rüstungsgeschäften unter den Mitglie-dern.

SchlussfolgerungAngesichts dieser eher mageren Ergeb-nisse wird es wohl noch lange dauern, ehe zählbare Ergebnisse verzeichnet werden können. Und die genannten Umstände sind ein Indiz dafür, dass auch so mancher ernstgemeinte Vor-schlag zur raschen Aufstellung einer funktionsfähigen EU-Armee zum Ein-frieren gebracht werden wird.

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ZUR PERSON

Brigadier Dr. habil. Harald Pöcher ist Mitglied der OGB und Leiter der Revisions- abteilung B im BMLVS

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N eben allen emotionalen Dis-kussionen zum Thema Asyl und Flüchtlinge, mit zum Teil

brauchbaren Ansichten, berechtigten Befürchtungen aber auch unakzepta-blen Argumenten, gilt es auch, einmal harte Fakten zu betrachten. Hierzu gibt es hervorragende amtliche, sachliche Quellen, auf die sich nachstehender Beitrag auch bezieht. / Zum einen ist das die Publikation „Migration&Integration, Zahlen-Daten-Indikatoren 2015“, erstellt von Statistik Austria, Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Öster-reichischen Akademie der Wissenschaf-ten, Wien 2015. Dieses Projekt wird gefördert durch Asyl-, Migrations- und Intergationsfonds und das Bundesmi-nisterium für Europa, Integration und Äußeres und ist in elektronischer Form im Internet unter www.bmeia.gv.at, www.integrationsfonds.at sowie www.statistik.at verfügbar. Zum anderen sind es die Asyldaten des Bundesministeri-ums für Inneres, die ebenfalls im Inter-net über www.bmi.gv.at abrufbar sind.

Flüchtlinge in ÖsterreichAsylanträgeDer aus den Medien bekannte eklatan-te Anstieg von Asylanträgen zeigt im Vergleichszeitraum zu 2014 einen An-stieg um über 212 Prozent (siehe Abb. 1 und 2). In Zahlen ausgedrückt stehen den 9047 Anträgen im Zeitraum Jänner bis Juni 2014 im Jahre 2015 bisher 28.311 Anträge gegenüber. Die Top-6-Her-kunftsländer sind im Jahre 2015 Syrien, Afghanistan, Irak, Kosovo, Pakistan und Somalia (s. Abb. 3). / Gemäß den Angaben des Bundes-ministeriums für Inneres stellen die männlichen Asylwerber mit 22.244 An-trägen eine deutliche Mehrheit, näm-lich 78,57 Prozent gegenüber den 6067 (21,43 Prozent) weiblichen Antragstel-lerinnen (s. Abb. 4). Insgesamt 3523 der 28.311 Anträge wurden vom Jänner bis einschließlich Juni von Personen unter 18 Jahren gestellt, wovon 192 unter 14 Jahren sind.

GeburtenentwicklungGemäß Statistik Austria kamen im Jahr 2014 in Österreich 81.722 Kinder zur

Welt, während 78.252 Personen verstar-ben. Somit fiel die Geburtenbilanz (die Differenz zwischen Lebendgeborenen und Gestorbenen) mit plus 3470 Per-sonen deutlich positiv aus. Die Unter-schiede nach der Staatsangehörigkeit sind aufgrund der unterschiedlichen Altersstruktur und Fertilität erheblich. Ausländer/-innen verzeichneten einen

ASYL-ANTRAGSSTATISTIKMONATLICHE ENTWICKLUNG IM JAHRESVERGLEICH

Quelle: BMI Grafik: ÖOG/Manfred Musner ABB. 1

ASYLANTRÄGEJÄNNER BIS JUNI 2015

2015 Vorjahr Differenz

28.311 9.047 + 212,93 %

Quelle: BMI ABB. 2

Geburtenüberschuss im Ausmaß von plus 11.443 Personen, österreichische Staatsangehörige einen Sterbefallüber-schuss (minus 7973 Personen). / Im Durchschnitt bekamen Frauen in Österreich 2014 rund 1,46 Kinder

(2013: 1,44). Im Inland gebore-ne Frauen brachten im Schnitt 1,36 Kinder zur Welt, im Aus-land geborene hingegen 1,85 Kinder. Besonders stechen Frauen aus der Türkei mit 2,40 und Frauen aus dem ehe-maligen Jugoslawien (ohne Slowenien und Kroatien) mit 2,06 Kindern hervor. Einge-bürgerte Frauen näherten sich dem durchschnittlichen Fertilitätsniveau Österreichs an und bekamen nur mehr 1,50 Kinder, deutlich weniger als Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (1,91). Das durchschnittliche Alter bei der Geburt ihres ersten Kin-des lag 2014 bei in Österreich geborenen Müttern bei 29,3 Jahren. Im Ausland geborene Frauen waren bei der Geburt ihres ersten Kindes hingegen

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TOP 6 DER ASYLANTRÄGE NACH STAATSANGEHÖRIGKEITPER 30. JUNI 2015 IM VERGLEICH ZUM GESAMTEN JAHR 2014

Jänner bis Juni 2015 Jänner bis Dezember 2014

SYRIEN 7.692 7.754

AFGHANISTAN 5.749 5.070

IRAK 3.806 1.107

KOSOVO 2.298 1.901

PAKISTAN 1.183 561

SOMALIA 1.163 1.162

Quelle: BMI ABB. 3

BEVÖLKERUNG 2014NACH ALTER, GESCHLECHT, MIGRATIONSHINTERGRUND

UND ZUWANDERGENERATION

Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2014, Jahresdurchschnitt über alle Wochen ABB. 5

GLIEDERUNG DER ANTRÄGENACH GESCHLECHT JÄNNER BIS JUNI 2015

männlich in Prozent weiblich in Prozent Summe

22.244 78,57 % 6.067 21,43 % 28.311

Quelle: BMI ABB. 4

um rund zwei Jahre jünger. Frauen aus der Türkei wurden noch deutlich früher zum ersten Mal Mutter, nämlich mit durchschnittlich 24,3 Jahren, gefolgt von Frauen aus dem ehemaligen Ju-goslawien (außerhalb der EU) mit 25,8 Jahren (siehe auch Abb. 5).

SicherheitDer Anteil ausländischer Staatsange-höriger an den Tatverdächtigen insge-samt stieg von 33,1 Prozent (2013) auf 35,0 Prozent (2014), der Anteil an den neu Inhaftierten von 57,0 Prozent auf 59,1 Prozent und der Anteil an den Ver-urteilungen von 35,2 Prozent auf 37,0 Prozent. Schließlich zeigt sich ein fort-gesetzter Anstieg an Straftaten, die von In- und Ausländern an ausländischen Staatsangehörigen begangen wurden. 2013 waren 24,6 Prozent aller Opfer von Straftaten ausländische Staatsangehöri-ge, 2014 waren es 25,8 Prozent. / In der oben zitierten Publikation der Statistik Austria werden neben den ausgewählten und bisher angeführten Parametern auch die Bevölkerungs-entwicklung, Zu- und Abwanderung, Sprache und Bildung, Arbeit und Beruf, Soziales und Gesundheit, Wohnen und räumlicher Kontext, Familienformen, Einbürgerungen, subjektive Fragen zum Integrationsklima und die Bundes-länder im Überblick behandelt.

Bundesheer Angesichts der angespannten Situation bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen wird das Bundesheer das Innenministerium unterstützen, um die Polizei zu entlasten. Das Bun-desheer stellt Busse, Kleinbusse und Sanitätsfahrzeuge zur Verfügung und ermöglicht damit den Transport von rund 300 Personen pro Tag. Drei Pi-onierkompanien zu je 180 Soldaten sorgen für den Aufbau von Unterkünf-ten für Asylwerber. Kasernenküchen übernehmen vorübergehend die Ver-pflegung für einzelne Betreuungsein-richtungen des Bunds. Darüber hin-aus werden die Garnisonen Freistadt, Klosterneuburg, Vomp, Fehring, Wals-Siezenheim und Hörsching für die Un-terbringung von Flüchtlingen genutzt. (Red.)

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G anz im Zeichen der militärischen und sicherheitspolitischen Fortbildung auf internationaler Ebene standen das

Young Reserve Officers Seminar (YROS: 15. bis 18. April 2015) sowie der Young Reserve Officers Workshop (YROW, 3. bis 9. August 2015), wel-che heuer in Sofia/Bulgarien stattfanden. Der Autor hat an diesen beiden jährlich von CIOR (Interallied Confederation of Reserve Officers) organisierten Veranstaltungen im Rahmen der Österreichischen Offiziersgesellschaft teilge-nommen.

Interallied Confederation of Reserve OfficersCIOR ist der Zusammenschluss der Reserveoffi-ziersverbände von NATO- und PfP-Ländern und hat mittlerweile 36 Teilnehmerstaaten. Mit über 1,3 Millionen vertretenen Reservisten stellt CIOR die größte Reserveoffiziersorganisation der Welt dar. Österreich zählt wie die Schweiz, Schweden oder Finnland zu den Associate Members. CIOR trifft sich zweimal im Jahr – einmal beim Sum-mer Congress sowie beim Winter Meeting – und arbeitet in Komitees, die typische Themen be-handeln, von denen Reservisten betroffen sind. So etwa deren Beitrag zu Auslandseinsätzen und die Reintegration nach diesen, humanitäres Völ-kerrecht, die Auswirkung der NATO-Expansion auf die Reserve und die Arbeitgeberunterstüt-zung von Reservisten.

Young Reserve Officers Seminar (YROS)

LEUTNANT ERNST KRONREIF

Young Reserve Officers SeminarMeinen ersten Kontakt mit den von Reserveoffi-zieren organisierten und auf Englisch abgehalte-nen Weiterbildungen hatte ich im April 2015 bei YROS. Bei diesem dreieinhalbtägigen Seminar in Prag lag der Fokus darauf, die aus neun Ländern angereisten 46 Offiziere und Offiziersanwärter mit den Zielen und der Organisation von CIOR sowie dem Arbeiten und Führen im multina-tionalen Kontext vertraut zu machen. Für die hohe Qualität des praxisorientierten Unterrichts sorgten hierbei zwei einsatzerfahrene Trainer des Unites States Army Training and Doctrine Command (TRADOC), die die Inhalte interkultu-relle Kompetenz, Einsatz von Dolmetschern und Verhandlungsführung erfassten. Den Abschluss bildete ein Übungsszenario, bei dem Vertreter einer internationalen Friedenstruppe mit jenen eines Gastlands in Verhandlung treten mussten, um einen inhaftierten Soldaten freizubekom-men. Hierbei war es die Herausforderung, die nicht von Beginn an offensichtlichen Nebenziele der beiden Parteien durch intensive Gespräche zu identifizieren und Gemeinsamkeiten festzu-stellen, damit am Ende eine Lösung des Konflikts erreicht werden konnte.

Young Reserve Officers WorkshopNeben den bereits beim YROS in Prag vermit-telten Themen wurde das Angebot in Sofia beim einwöchigen YROW erweitert und vertieft. Zu

Eröffnung durch Minister Nikolay Nenchev, Verteidigungsminister der Republik Bulgarien

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nennen sind hier unter anderem Vorträge von erfahrenen Referenten über „How to be effec-tive in meetings“, humanitäres Völkerrecht (mit schriftlichem Test), die Aufbauorganisation der NATO (mit anschließender Simulation eines Meetings) oder der Erfahrungsbericht eines südafrikanischen Reserveoffiziers über seinen Einsatz als Teil eines Search and Rescue Teams in Nepal nach der Erdbebenkatastrophe 2015. / Die Repräsentanten der 14 teilnehmenden Nationen hatten Kurzpräsentationen zu halten, welche neben einem Überblick über die Länder auch Informationen über deren Wehr- und Reser-vesysteme boten. Da YROW jedes Jahr während des CIOR Summer Congress stattfindet, ergab sich für junge Reserve- und Milizoffiziere auch dieses Jahr die Möglichkeit, sich nicht nur unter-einander, sondern auch mit bereits erfahreneren Offizieren auszutauschen, welche die Mitglieds-länder und assoziierte Nationen repräsentierten oder für ein Engagement in den Komitees ange-reist waren. Eine gemeinsame Eröffnungszeremo-nie erfolgte vor der Alexander-Newski-Kathedrale. Während des CIOR-Symposiums, dem Kernstück des CIOR Summer Congress, wurde außerdem über Themen wie hybride Kriegsführung, die Süd-flanke Europas und Einsatzbereitschaft referiert.

CIOR Language Academy Einen weiteren jährlichen Programmpunkt von CIOR stellt die Language Academy dar, an der der Autor nach dem Summer Congress eben-falls teilgenommen hat. Dieser für Reservisten aller Ränge durchgeführte zweiwöchige Inten-sivkurs hat zum Ziel, die Sprachkenntnisse der Teilnehmer in Französisch oder Englisch auf allen Fähigkeitsstufen zu verbessern. Zwei we-sentliche Punkte waren für die Teilnahme aus-schlaggebend: zum einen das exzellente Betreu-ungsverhältnis von Lehrern zu Sprachschülern (z. B. Französischanfängerklasse 1:3) und zum

ZUR PERSON

Leutnant Ernst Kronreif, geb. 1989, studiert Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Volkswirt-schaft an der WU Wien; beordert im JgB T, bereitet er sich derzeit auf einen Auslandseinsatz im Kosovo vor und ist Mitglied der OGW.

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anderen die Möglichkeit, am Ende der zwei for-dernden Wochen eine STANAG-Sprachüberprü-fung bei zertifizierten Prüfern abzulegen.

Anregung: Reserve Officers Exchange Program mit Partnerländern Nachdem durch die Teilnahme an internati-onalen Seminaren und Workshops für den inhaltlichen Austausch von Offizieren und Offiziersanwärtern bereits der Grundstein in die richtige Richtung gelegt wurde, wäre es in meinen Augen nur der logische Schritt, dies auch auf Übungstätigkeit und die Teilnahme an (Laufbahn-)Kursen auszuweiten, um eine qua-litativ hochwertige Ausbildung von Milizsolda-ten im internationalen Umfeld voranzutreiben. Auslandssemester während des Studiums sowie zeitweilige berufliche Tätigkeiten im Ausland stellen heute eher die Regel als die Ausnahme dar. Daher würde den Milizsoldaten durch eine Teilnahme an Übungen und Kursen in Partner-ländern die Möglichkeit geboten werden, sich sowohl inhaltlich auszutauschen, um die Inter-operabilität zu steigern, als auch die operativen Fähigkeiten zu erhalten und zu festigen. Bei den aktiven Kameraden ist dies bereits gang und gäbe, wie etwa durch die europäische Initiative für den Austausch junger (aktiver) Offiziere oder die Kooperation mit der Bundeswehr im Rah-men der Aubildung für Heereshochgebirgsspe-zialisten und Heeresbergführer vorgelebt wird. / Zusammenfassend kann die Teilnahme am YROS, YROW und der Language Academy mit den Worten intensiv, fordernd und immens er-fahrungsreich beschrieben werden, und somit kann nur jedem (Miliz-)Offizier geraten werden, das Angebot an internationalen Fortbildungs-möglichkeiten anzunehmen und sowohl für die persönliche als auch militärische Weiterent-wicklung zu nutzen.

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Einmarsch der österrei-chischen De-legation bei der Eröff-nungsfeier

Der Autor beim Länderbriefing

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Endlich in Stein gemeißelt Eine ernüchternde Bilanz fünf Jahre nach

Michael Häupls Vorstoß gegen die WehrpflichtGASTKOMMENTAR VON WOLFGANG SABLATNIG

D ie Überraschung war Micha-el Häupl gelungen: In der Kronenzeitung vom 5. Okto-

ber 2010 forderte der Wiener Bürger-meister eine Volksbefragung über die Wehrpflicht. Der Coup für die Gemein-deratswahl ging nicht auf: Die absolute Mehrheit im „roten Wien“ verlor Häupl trotzdem. Und um Sicherheitspolitik und Bundesheer steht es heute schlech-ter als davor. / Wir erinnern uns: Häupls Vorstoß stellte die österreichische Sicherheits-politik auf den Kopf. Norbert Darabos als Verteidigungsminister bemühte sich anfangs zwar redlich, sein Bekenntnis zur Wehrpflicht („in Stein gemeißelt“) und die Zustimmung zu einer Volks-befragung zu vereinbaren. Bald kapi-tulierte er aber vor der eigenen Partei, die sich auf Zuruf Häupls von einem Dogma verabschiedete. Das Berufsheer, gebrandmarkt als Armee, die auf die ei-gene Bevölkerung schießt, hatte seinen Schrecken verloren. / Die ÖVP hingegen, die früher schon einmal mit einer Berufsarmee gelieb-äugelt hatte, war mit dem Schwenk der SPÖ zum bedingungslosen Befürworter der Wehrpflicht mutiert. Natürlich, es gab Sachargumente. Wichtiger für SPÖ und ÖVP war aber, dass sie einen Anlass gefunden hatten, gegeneinander in den Ring zu steigen, ohne einander wirklich weh zu tun. So wichtig waren das Bun-desheer und die Sicherheitspolitik dann auch nicht. / Das Schaugefecht der Volksbefra-gung endete am 20. Jänner 2013 mit 60 zu 40 für Wehrpflicht und Zivildienst.

Viele Soldaten atmeten auf. Die ÖVP begann im Hochgefühl ihres Erfolgs so-gar, von einem Wahlsieg gegen die SPÖ zu träumen. Und die SPÖ wechselte den Verteidigungsminister aus. Ressort-chef wurde mit Gerald Klug einer, der im Gegensatz zum Vorgänger gedient hatte und in der Wehrpflicht mehr den Nutzen als die vergeudeten Monate sah. Goldene Zeiten für das Bundesheer! Milch und Honig! / Mitnichten. Mehr als zweieinhalb Jahre später fällt die Bilanz ernüchternd aus. Der Grundwehrdienst musste at-traktiver werden – zusätzliches Geld dafür gab es aber nicht. Und die neue Verteidigungsstrategie? Bestenfalls ein Papiertiger im Zeichen von Sparpaket und Budgetkürzungen. / Das Bundesheer von heute wäre zu einem Assistenzeinsatz wie einst im Burgenland nicht mehr in der Lage, brachte Christian Segur-Cabanac in der Flüchtlingsdebatte dieses Sommers die Situation auf den Punkt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das Bundesheer soll Not-nagel für Hilfsdienste sein. Wo die mi-litärische Expertise gefragt ist, folgt oft nur das Schulterzucken. Der EU-Militär-einsatz im Mittelmeer? Ja, schon, grund-sätzlich. Aber Offiziere für den Stab? Keine Chance, die Neutralität! Oder Afrika? Ja, schon, wichtiger Kontinent.

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Aber mehr als eine Handvoll Experten? Leider nein. / Es bleibt die Mangelwirtschaft. Nicht einmal Investitionen in den Erhalt der allseits geschätzten Hub-schrauberflotte gehen ohne Diskussi-on über die Bühne, von einem Ausbau ganz zu schweigen. Nur die Eurofighter blasen die Euros in die Luft, als fliegen-de Erinnerung an eine Zeit, in der es auch kein Geld gab, aber Ambitionen. Es ist ein Dilemma: Für das, was die ös-terreichischen Jets können und dürfen, sind sie in Anschaffung und Betrieb zu teuer. Sie auszutauschen, käme aber noch teurer. / 70 Jahre nach der Gründung der Zweiten Republik, 60 Jahre nach dem Staatsvertrag, 20 Jahre nach dem Bei-tritt Österreichs zur EU bleiben viele Fragen offen. Die von Häupl angesto-ßene Debatte kratzte aber nicht einmal an der Oberfläche. Und kaum war die Volksbefragung vorbei, war die Bundes-regierung froh, das Thema wieder ver-räumen zu können. / Heute sind Sicherheitspolitik und Bundesheer wieder das, was sie in der österreichischen Öffentlichkeit auch da-vor waren: ein Minderheitenprogramm. Nur die Wehrpflicht ist jetzt wirklich in Stein gemeißelt. Viele mögen das be-grüßen. Die Chance einer fundierten Debatte über die sicherheitspolitischen Perspektiven ist aber auf lange Zeit ver-baut.

Wolfgang Sablatnig,

Wiener Redaktion der

Tiroler Tageszeitung

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„ Sicherheit ist das Fundament unseres staat-lichen Wohlstands. Wir müssen jetzt für unser Bundesheer eintreten!“ OBERST MAG. ERICH CIBULKA,

PRÄSIDENT ÖOG

I m Vorfeld der Volksbefragung zum Thema Wehrpflicht konstituierte sich die „Plattform Wehrpflicht“.

Damals galt es, die Wehrpflicht als Fundament der Wehrhaftigkeit Öster-reichs zu sichern. Dieses Vorhaben ist gelungen: Die österreichische Bevöl-kerung hat am 20. Jänner 2013 mit fast 60 Prozent der Beibehaltung der Wehr-pflicht zugestimmt. / Heute wird oftmals fälschlich behauptet, dass der Erhalt des Zivil-diensts das wichtigste Entscheidungs-motiv gewesen wäre. Richtig ist, dass bei der Wahltagsbefragung der Zivil-dienst von 74 Prozent der Befragten als Grund angeführt wurde. Da bei dieser

Gemeinsam für ein sicheres Österreich!

Plattform Wehrhaftes Österreich

Befragung aber Mehrfachnennungen möglich waren, ist auch festzuhalten, dass sicherheitspolitische Gründe den wesentlichen Ausschlag gaben: Katast-rophenhilfe, Schutz der Neutralität und Wehrpflicht als besseres System der Si-cherheitsvorsorge wurden in Summe von 171 Prozent der Befragten als Mo-tive für die Beibehaltung genannt.

Wehrpflicht als Fundament der SicherheitspolitikDaher beschlossen die wehrpoliti-schen Verbände, sich auch weiterhin gemeinsam für die Umsetzung der Wehrdienstreform und aller Anliegen der Sicherheitspolitik einzusetzen. Die wichtigste Maßnahme ist der „Tag der Wehrpflicht“, der sowohl am 20. Jänner 2014 als auch im Jahre 2015 mit gro-ßem Erfolg als wehrpolitische Manifes-tation abgehalten wurde („Der Offizier“ berichtete ausführlich). / Von besonderer Bedeutung da-bei ist, dass Wehrpflicht nicht auf den Grundwehrdienst verkürzt werden darf. Nur im Zusammenklang von prä-senten Verbänden mit Grundwehr-dienern, dem Milizsystem und den Pflichten im Reservestand kann eine Struktur des Bundesheers gebildet werden, die den sicherheitspolitischen Anforderungen entspricht.

Budgetkrise zerstört BundesheerDer Bericht zur Reform des Wehr-diensts, eine Vereinbarung der Bun-desminister für Landesverteidigung und für Inneres, vom Juli 2013 beinhal-

tet zahlreiche gute Ansätze, die jedoch zu einem erheblichen Teil in der kurz darauf einsetzenden Budgetkrise un-tergegangen sind. / Im Gefolge dieser Budgetnöte ist auch die Parteieneinigung vom 23. Dezember 2014 zu verstehen, die ins-besondere eine weitere Reduktion der schweren Waffen sowie ein bis ins Jahr 2020 projektiertes Investitionspaket mit sich brachte. / Die wehrpolitischen Vereine stel-len daher einhellig fest, dass die ös-terreichische Sicherheitspolitik und insbesondere das Bundesheer an der Untergrenze der Wirksamkeit ›

„ Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin – dann kommt der Krieg zu Euch! Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und lässt andere kämpfen für seine Sache, der muss sich vorsehen: Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will, denn es wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.“ BERTOLT BRECHT

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„ Die Sicherheit Österreichs ist uns allen wichtig. Der Schulterschluss soll ein Zeichen der Sorge um die Zukunft des Bundesheers nach außen sein.“ VIZELEUTNANT PAUL KELLERMAYR,

PRÄSIDENT ÖUOG

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Ausgabe 3/2015

angelangt sind beziehungsweise diese in vielen Bereichen bereits unterschrit-ten haben. / In ehrlicher Besorgnis um die Si-cherheit des Lands und der österreichi-schen Bevölkerung haben daher die in der Plattform teilnehmenden Vereine beschlossen, ihre gemeinsame Arbeit zu intensivieren und dazu einen Dach-verband zu gründen.

Lobby für das BundesheerIm Sommer 2015 wurde die „Plattform Wehrpflicht – Wehrhaftes Österreich“ als Dachverband der wehrpolitischen Verbände Österreichs gegründet. Als Gründungsmitglieder haben sich zu-sammengeschlossen:• Österreichische Offiziersgesellschaft• Österreichische

Unteroffiziersgesellschaft• Interessensgemeinschaft der

Berufsoffiziere• Vereinigung Österreichischer

PeacekeeperDieser Zusammenschluss vereint Sol-daten aller Dienstgrade im Präsenz-, Miliz- und Reservestand zu einer „Lobby für das Bundesheer“. Der Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft (ÖOG), Oberst Mag. Erich Cibulka, wurde zum Vorsitzenden der Präsiden-tenkonferenz gewählt, der Präsident der Österreichischen Unteroffiziersgesell-schaft (ÖUOG), Vizeleutnant Paul Kel-

lermayr, zu seinem Stellvertreter. Wei-tere Vorstandsmitglieder sind General i. R. DI Günther Greindl, Vereinigung Österreichischer Peacekeeper (VÖP), und Oberst i.R. Dr. Siegfried Albel, Inte-ressensgemeinschaft der Berufsoffiziere (IGBO).

Die „Plattform Wehrpflicht – Wehr-haftes Österreich – Dachverband der wehrpolitischen Verbände Öster-reichs“ verfolgt zum Zweck des Erhalts und Ausbaus der Wehrhaftigkeit und Verteidigungsbereitschaft Österreichs • das politische Eintreten für die allge-

meine Wehrpflicht gem. Art. 9a Abs. 3 B-VG,

• das Eintreten für die umfassende Lan-desverteidigung gem. Art. 9a Abs. 1 und 2 B-VG

• sowie das Eintreten für die militäri-sche Landesverteidigung als solche, insbesondere für das Milizsystem, gem. Art. 79 Abs. 1 B-VG.

Unser Gelöbnis: Gesetze müssen eingehalten werden! Der Dachverband bekennt sich1. zur geltenden Verfassung, insbeson-

dere zu • den Aufgaben des Bundesheers

(Art. 79 B-VG und § 1 KSE-BVG), • den Prinzipien der Umfassenden

Landesverteidigung (Art. 9a B-VG), • dem darin enthaltenen Bereich der

Geistigen Landesverteidigung, • dem Prinzip der allgemeinen Wehr-

pflicht (Art. 9a B-VG), • dem Milizprinzip (Art. 79 Abs. 1

zweiter Satz),2. zur Österreichischen Sicherheits-

strategie (ÖSS) vom 3. Juli 2013, die als Entschließung des Nationalrats der Bundesregierung eine nähere Ausgestaltung der oben genannten Rechtsvorschriften aufträgt,

3. zur Teilstrategie Verteidigungspolitik vom Oktober 2014 und

4. akzeptiert den Beschluss der Bun-desregierung vom 24. Mai 2005, mit dem eine Heeresgliederung mit einer Stärke von 55.000 Soldaten beschlossen wurde.

Stopp der Bundesheer-Zerstörung! Massive Krisen bedrohen Europa! In der Ukraine wird Krieg geführt. Groß-

manöver Russlands und der NATO erinnern an Zeiten des Kalten Kriegs. Im Nahen Osten sind Bürgerkriege der Nährboden der Terror-Miliz „Isla-mischer Staat“, die ein Kalifat errich-ten möchte, das bis weit nach Europa reichen soll (und auch Österreich um-fasst). Der Balkan ist noch immer eine Region der Instabilität. / Die Ströme der Kriegsflüchtlinge und die Massenmigration sind Vorbo-ten einer neuen Völkerwanderung, die die soziale Ordnung in Österreich und ganz Europa vor große Herausforde-rungen stellen wird. / Wir dürfen daher nicht die Augen verschließen und die Realität verleug-nen. Österreich braucht neben der Polizei auch ein einsatzfähiges Bundes-heer, das als Sicherheitsinstrument der Republik seine gesetzlichen Aufgaben erfüllen kann. / Daher unterstützt der neue Dach-verband gemeinsam mit dem Öster-reichischen Kameradschaftsbund die Bürgerinitiative „Stopp der Bundes-heer-Zerstörung. Für ein sicheres Ös-terreich!“. (Red.)

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„ Wir müssen selbst für unsere Sicherheit sorgen! Führungskräfte werden nach ihrem Handeln beur-teilt. Daher handeln wir!“ OBERST I. R. DR. SIEGFRIED ALBEL,

OBMANN IGBO

„ Österreich betreibt eine Sicherheitspolitik der schönen Worte und der leeren Kassen. Gleichzei-tig toben rund um Europa bewaffnete Konflikte. Es ist für die besorgten Bür-ger höchste Zeit, die Stim-me zu erheben und an die Politik einen Weckruf zu senden.“ GENERAL I. R. DI GÜNTHER GREINDL,

PRÄSIDENT VÖP

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Es lebe die Zeitung!Mag. Hermann Petz

S ie halten die aktuellste Ausgabe der Zeitschrift „Der Offizier“ der Österreichi-schen Offiziersgesellschaft in Händen.

Ein Produkt, das Ihnen vielleicht auch deshalb Lesevergnügen bereitet, weil Sie darin blättern können, weil Sie es, wo und wann Sie wollen, in entspannter Atmosphäre lesen, beiseitelegen und bei passender Gelegenheit wieder zur Hand nehmen können. Weil Sie einen interessanten Artikel ganz einfach herausnehmen können. Weil diese Print-Ausgabe ohne Datenverlust für die Ewigkeit unverändert bleibt. Viele dieser Vorteile kann Online nicht bieten. Doch das sind nur einige Aspekte, die für das gedruckte Papier sprechen, es gibt noch eine ganze Menge mehr. Doch dazu später.

Das Buch. Handfeste FaktenWie komme ich nun als Zeitungsverleger dazu, ein Buch zur Zukunft der Zeitung zu verfas-

sen? Und zu erklären, warum Print eine große Zukunft hat. Moment mal: Könnte da nicht Zweckoptimismus im Raum stehen? Ich glaube nicht. Denn ich habe mich in den vergangenen eineinhalb Jahren mit Fakten beschäftigt, habe Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis zu-sammengetragen. Und ich hätte kein Buch ver-öffentlicht, wenn die Tatsachen dagegengespro-chen hätten. Nach eingehender Recherche bin ich gefestigter denn je in meiner Aussage: Die gedruckte Zeitung wird auch in 50 Jahren ihre Leser finden!.

Verschwörungstheorien haben ausgedientMir war klar, dass ich mit dieser Denkschrift nicht den Mainstream bediene. Die Mär des sogenannten Zeitungssterbens wird von vielen Menschen einfach als Faktum angesehen und weiterverbreitet. Die Frage ist jedoch: ›

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Auf welcher Grundlage? In Österreich beispiels-weise, wo aktuell 70 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren täglich Zeitung lesen, wurden in den vergangenen Jahrzehnten ausschließlich Partei-zeitungen – eine ohnehin aussterbende Spezies – eingestellt. Die US-Zeitungskrise ist ebenso kritisch zu hinterfragen wie ein kolportiertes Zeitungssterben in Schweden (ein Land, in dem bei 9,5 Millionen Einwohnern übrigens 173 Zei-tungen mehrmals wöchentlich erscheinen).

Tiroler Tageszeitung: Steigende Leserzahlen – auch bei der Jugend!Viele der Argumente, die in meiner Denkschrift zum Tragen kommen, gründen auch auf meiner verlegerischen Erfahrung. Seit 1996 ist die Tiro-ler Tageszeitung, das Flaggschiff unseres Unter-nehmens, im Internet, übrigens sehr erfolgreich, mit steigenden Zugriffen. Jedoch haben wir auch in Print deutlich an Lesern dazugewon-nen. Insbesondere auch bei der Jugend: 40,3 Prozent der 14- bis 19-jährigen Tiroler lesen täg-lich ein Print-Produkt der Tiroler Tageszeitung. Die „TT-Kompakt“, die kostenlos in öffentlichen Verkehrsmitteln erhältlich ist, hat dabei allein eine Reichweite von 11,5 Prozent bei den 14- bis 19-jährigen. Jeder dieser jungen Menschen hät-te ebenso die Möglichkeit, sein Smartphone zu zücken und Informationen auch im Internet ab-zuholen. Print ist jedoch das Medium ihrer Wahl.

/ Ein weiteres Praxisbeispiel aus meinem Haus: Eine aktuelle kanalübergreifenden Leseranalyse hat ergeben: 30 Prozent unserer Leser benützen den Print- und den Onlinekanal der Tiroler Tages-zeitung. 60 Prozent lesen nur die gedruckte Aus-gabe. Lediglich zehn Prozent lesen nur Online. Glaubte man der allgemeinen Stimmungslage, möchte man doch meinen, dass mindestens 50 Prozent ausschließlich die TT-Online lesen. / In meinem Buch habe ich versucht, anhand von zehn Thesen darzulegen, was für die profes-sionelle Information durch Printmedien spricht – und was deshalb die Zeitung auch in Zukunft unverzichtbar macht. Für die Leser von „Der Of-fizier“ möchte ich diese zusammenfassen.

Zehn Thesen zur Zukunft der Zeitung

1. Die Zeitung als Anker des Journalismus: Print finanziert den Qualitätsjournalismus

Die 400-jährige Geschichte öffentlicher Kom-munikation durch professionellen Journalis-mus hat ihre Wurzel in der Tageszeitung. Und bis heute findet sich hier das einzige ökonomi-sche Modell, mit dem sich Qualitätsjournalis-mus von bezahlten und deshalb unabhängigen Journalisten refinanzieren lässt. Ich behaupte: Qualitätsjournalismus (der nicht wie der ORF durch Staatsgelder bezuschusst ist) lässt sich nur in Print finanzieren. Abgesehen von sehr

Die Moser Holding gehört zu den führenden Verlags-

häusern Österreichs mit Sitz in Innsbruck. Neben

Tiroler Medien ist sie gemeinsam mit der Styria

Media Group Herausge-berin des Verbunds der Gratiswochenzeitungen

(Bezirksblätter, BZ, Woche) sowie des österreichischen

Lifestyle-Magazinrings der Bundesländerinnen.

(www.moserholding.com)

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Intergraphik – die Druckerei der Tiroler Tageszeitung

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mentierte „eingefrorene Information“ ermög-licht der Gesellschaft Nachdenken, Diskurs und aufgeklärte Bewertung. Im Fluss der Da-ten sehnt sich der Leser nach einer Zusam-menfassung vom Tag (die allerdings auch in Form einer digitalen Ausgabe in Erscheinung treten kann). Die Ergänzung durch laufende Updates im Internet ist heute unverzichtbar, sie kann aber ein Freeze Briefing nicht erset-zen.

6. Print bleibt Hort verlässlicher Qualität Print ist Qualität, Seriosität, Überblick, Tiefe,

Genauigkeit. Print generiert auch Prestige und hat – anders als das Internet – Premi-umsegmente für den anspruchsvollen Leser. Print ist das Medium der Klugen. Und ohne polemisch sein zu wollen, trifft das wohl den Punkt: Insbesondere, wenn in der Bildungs-diskussion das Thema des sinnerfassenden Lesens als die zentrale Herausforderung ge-sehen wird. Ein Beispiel aus dem täglichen Verlagsleben: Für unsere Ansprechpartner hat eine Geschichte erst Gewicht, wenn sie auch in Papierform gedruckt ist. „Was, der Ar-tikel kommt nur in Online?“ wird oft, immer wieder auch aus dem Mund von Internet-Ver-fechtern, gehört. Und dem ist nichts hinzuzu-fügen.

7. Zeitungsanzeigen wirken – im Gegensatz zu Online

Zeitungswerbung wirkt im gedruckten Um-feld intensiver, glaubwürdiger und gewünsch-ter und löst stärkere Kaufimpulse aus. Online-werbung ist flüchtig – und stört die meisten User sogar. Eine Reihe von Studien, die ich in Buchform auch anführe, belegen das. 51,2 Pro-zent der Österreicher empfinden TV-Werbung nach einer Studie des Dentsu Aegis Network 2014 als sehr störend. Erst mit großem Res-pektabstand folgt Internetwerbung mit 32,9 Prozent, Werbung in sozialen Netzwerken mit 31,8 Prozent, Radiowerbung mit 29,5 Prozent. Printwerbung in Magazinen und in Zeitungen wird dagegen nur von rund jedem Zehnten als störend wahrgenommen. Außerdem bleiben Zeitungsanzeigen im Kopf. Während 52,6 Pro-zent der Österreicher ihrer Zeitungslektüre volle Aufmerksamkeit schenken, sind es beim Internet nur 28,7  Prozent, beim Fernsehen 21,4  Prozent und in sozialen Netzwerken 14,3  Prozent. Einige große Media-Agenturen sehen das mittlerweile auch so – und gehen wieder verstärkt in Printwerbung. ›

spezialisierten großen Zeitungsportalen, wie beispielsweise dem Wallstreet Journal, sind Onlinenachrichten bis Dato weder durch Be-zahlschranken (sogenannte Paywalls) noch durch Anzeigenkunden finanzierbar. Ein Prob-lem, das sich die Verleger, die von Beginn des Internet alle Informationen gratis ins Netz ge-stellt haben, übrigens auch selbst zuschreiben müssen.

2. Zeitung schafft Gemeinschaft: Ohne Print kein Angebot im Netz

Print ist Träger der Informationsmarke. Nur durch das Vertrauen in die Printmarke wer-den Netzangebote überhaupt wahrgenom-men. Das Vertrauen in etablierte Printmarken steigt sogar – und im regionalen Lebensum-feld ist „meine Zeitung“ eine Säule der Iden-tität. Online funktioniert dort sehr gut, wo es einen funktionierenden Printkanal gibt.

3. Die Lage ist besser als die Stimmung: Print geht es besser als vermutet

Auch wenn Onlinefans das nicht gerne hören: Wir finden eine anhaltend hohe Printdichte – nicht nur in Österreich, sondern in fast allen europäischen Ländern. Printtitel melden wie-der steigende Auflagen. Laut der aktuellsten Media-Analyse gibt es täglich 5,014 Millionen Tageszeitungsleser in Österreich (knapp 70 Prozent der Bevölkerung ab 14 lesen Tageszei-tung), täglich werden 1,73 Millionen Tageszei-tungen in Österreich verkauft. Sie werden mir recht geben: Zeitungssterben sieht anders aus.

4. „Be-greifen statt ver-wischen“: Die Sinne lesen mit

Ich habe es eingangs bereits erwähnt: Die Zei-tung ist emotionaler als jeder digitale Kanal – weil sie greifbar, fühlbar, riechbar, hörbar ist. Sie bedient gleich mehrere Sinne, ist haptisch angenehm, bequem zu lesen, nachhaltig in der Rezeption, augenfreundlicher als der Bild-schirm, das Lean-back-Medium im Gegensatz zum Arbeitsmedium Bildschirm. Und sie ge-währleistet stete Verfügbarkeit, weil Unab-hängigkeit von teuren Geräten.

5. Freeze Briefing der Zeitung schafft Orientierung und Identität

Ein weiterer unverzichtbarer Vorteil der Zei-tung: Sie bietet professionelle Selektion und Einordnung zu einem definierten Zeitpunkt. Erst diese professionell selektierte und kom-

ZUR PERSON

Mag. Hermann Petz Geboren 1961, trat der gelernte Banker 1990 als Assistent der Geschäftslei-tung in die Moser Holding ein. 1992 übernahm Her-mann Petz die kaufmän-nische Leitung. Fünf Jahre später wurde er in den Vorstand berufen, 2002 übernahm Petz die operati-ve Gesamtverantwortung der Moser Holding AG, seit 2003 ist er Vorstandsvor-sitzender. Hermann Petz ist Mitglied des Vorstands und des Präsidiums des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), Vor-standsvorsitzender der Austria Presse Agentur (APA) sowie Österreich-Delegierter der ENPA (European Newspaper Publishers Association).

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– denn der professionelle öffentliche Diskurs der Tageszeitung verbürgt Aufklärung durch journalistisch fundierte Information. Schon das Rieple’sche Gesetz besagt, dass neue Me-dien vorhandene Medien nicht verdrängen könnten. Viel mehr kann es gegenseitigen Nutzen bringen. Mit Bewegtbild, Interaktion und Datenbankfunktion bedient das Internet andere Bedürfnisse als Print – das lässt Raum für friedliche Koexistenz.

10. Die Zeitungsherstellung ist umweltbewusster als die digitale Information

Überraschend, aber belegt: Die Zeitungsher-stellung hat die bessere Ökobilanz als die digitale Information. Immer wieder wird bei Anti-Zeitungs-Argumenten mit vorwurfs-vollem Unterton geäußert, die Zeitungs-wirtschaft sei auf das Abholzen der Wälder gegründet. Doch nach letzten Erkenntnissen sei das Gegenteil der Fall: Wissenschaftler des Königlich-Schwedischen Instituts für Techno-logie haben den Versuch unternommen, den ökologischen Fußabdruck von Analog und Digital gegenüberzustellen. Das Ergebnis: Die Umweltbelastung durch das Lesen einer Tageszeitung ist um 20 Prozent geringer als jene, die beim Lesen der gleichen Textmenge in Onlinemedien entsteht.

8. Die digitale Information im Fadenkreuz: Das Netz zerlegt sich selbst

Die Euphorie gegenüber dem Internet ist auch bei den überzeugtesten Print-Verfech-tern verflogen: Viele Fehlentwicklungen im Netz haben dem digitalen Angebot gescha-det. Denn entprofessionalisierte Information, Geschwätz, Einseitigkeit und Datensammelei im Internet nehmen zu. Die Existenz von Blog-gern oder Bürgerjournalisten – die zu Beginn als Proponenten eines unabhängigen Jour-nalismus gefeiert wurden – wird heute mehr denn je hinterfragt. Heute wird sonnenklar: Im Netz herrschen Marketing und Big Data. In den Sozialen Medien und darüber hinaus ge-fährdet das Überwachungspotenzial der Big Five (Google, Amazon, Facebook, Microsoft, Apple) unsere Persönlichkeitsrechte. Diesem Thema habe ich in meinem Buch besonders viel Raum gegeben. So wenig wir alle auf die Annehmlichkeiten des Internet verzichten wollen und können: auf die Gefahren, die von Google und Co ausgehen, muss mehr denn je hingewiesen werden.

9. Die Tageszeitung bleibt das gesellschaftliche Lagerfeuer – friedliche Koexistenz mit dem Netz

In meinem Buch komme ich schließlich zum Ergebnis: Online wird Offline nicht verdrängen

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Der Newsroom der Tiroler Tageszeitung

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S eit dem Ende des Kalten Kriegs vor 25 Jahren haben sich die Bedrohungs-bilder und -szenarien wesentlich

verändert. Von einer relativ einfach über-schaubaren bipolaren Welt sind wir heu-te in einer hochkomplexen, sehr dynami-schen und zunehmend turbulenteren Zeit angelangt. Die Fachwelt verwendet dafür auch den Begriff VUCA – volatil, unsicher, komplex und ambivalent (Englisch: vola-tility, uncertainty, complexity and ambi-guity). Diese Entwicklungen betreffen so gut wie alle Lebensbereiche. Gleichzeitig haben sich unsere altbewährten Denkmus-ter kaum verändert. Doch reicht das aus, um mit den neuen Herausforderungen zu-rechtzukommen? / Die vorliegende systemische Betrachtung wird mit einem Blick über den Tellerrand aktu-elle und zukünftig erwartbare sicherheitspoliti-

sche Herausforderungen aus einem etwas an-deren Blickwinkel beleuchten. / Ein wesentlicher Treiber für die Veränderun-gen nach dem Ende des Kalten Kriegs war die exponenziell ansteigende Verbreitung von In-formations- und Kommunikationstechnologien (IKT), der Basistechnologie des 5. Kondratieff-Zykluses, ab den 1990er Jahren. Mit den Kon-dratieff-Zyklen werden zyklische Wirtschafts-entwicklungen in der Dauer von rund 40 bis 60 Jahren, wo je eine Basistechnologie/-innovation die Entwicklungen bestimmt hat, beschrieben. Demnach befinden wir uns aktuell im abklin-genden 5. bzw. am beginnenden 6. Zyklus, also in einer Umbruchphase. / Eine solche Umbruchphase wird auch von verschiedenen anderen Autoren und mit unter-schiedlichen Blinkwinkeln für diese Dekade er-wartet, welche sich mit der Transformation von der Industrie- zur Netzwerkgesellschaft ›

Sicherheitspolitisch relevante Entwicklungen Eine systemische Betrachtung Teil 1MAJOR HERBERT SAURUGG, MSC

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DIE KONDRATIEFF-ZYKLEN

1. Dampfmaschine, Frühmechanisierung, Industrialisierung » Kraft; 2. Eisenbahn » Transport; 3. Elektrotechnik- und Schwermaschinen; Chemie » Verarbeitung; 4. Integrierter

Schaltkreis, Kernenergie, Transistor, Automobil » Automatisierung; 5. Informations- und Kommunikationstechnik » Integration, Globalisierung; 6. Wahrscheinlich Psychosoziale

Gesundheit, Biotechnologie, Bildung

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24 Ausgabe 3/2015OffizierDER

zusammenfassen lässt. Ausschlaggebend dafür ist die zunehmende technische Vernetzung auf Basis der Informations- und Kommunikations-technik. Eine steigende Vernetzung in einem System führt zu mehr Dynamik und Komplexität.

SystemeEin System beschreibt die funktionale Zusam-mensetzung von verschiedenen Systemelemen-ten zu einem Ganzen. Entscheidend dabei sind die Beziehungen zwischen den Systemelemen-ten, das „Wirkungsgefüge“ bzw. die „unsichtba-ren Fäden“. Ein System ist daher mehr als die Summe der Einzelelemente. Was unspektakulär klingt, hat dennoch weitreichende Folgen, wie unzählige Beispiele bezeugen. Ob das beim Aus-bruch des Ersten Weltkriegs (es ging zu Beginn eigentlich nur um Serbien), im Umweltbereich (Wildbachverbauungen, Umweltverschmut-zung), bei der Entwicklungshilfe (Brunnenbau), bei Großprojekten wie dem Berliner Flughafen oder auch beim Finanzcrash 2007/2008 war, immer wurden die „unsichtbaren Fäden“ zu an-deren Systemen bzw. Umwelten unzureichend berücksichtigt bzw. unterschätzt. / Was konkret ein System ist, hängt von der jeweiligen Betrachtung und Detaillierung ab. Ob man etwa ein Molekül, eine Zelle, ein Organ, den Menschen oder sein Sozialsystem betrach-tet. Ein System kann auch eine inhaltliche, eine zeitliche und/oder eine soziale Grenze zu seiner Umwelt aufweisen. Daher darf ein System nicht als etwas Absolutes oder Starres verstanden werden. / Zudem wird zwischen einfachen, kompli-zierten und komplexen Systemen unterschie-den. Einfache und komplizierte Systeme (etwa

Maschinen) sind relativ einfach steuer-, mana-ge- und kontrollierbar. Komplizierte Systeme mögen unübersichtlich bzw. undurchschaubar erscheinen. Sie verfügen aber über einen stan-dardisierten „Bauplan“ und lassen sich in ihre Einzelteile zerlegen und anschließend wieder zusammensetzen, ohne dass sich dadurch die Funktionalität oder das Systemverhalten än-dert. Ganz im Gegensatz zu komplexen Syste-men.

Komplexe SystemeSteigt die Vernetzung in einem System bzw. mit der Umwelt, so entstehen komplexe Sys-teme mit einem differenzierten Systemver-halten. In komplexen Systemen kommt es zu laufenden Rückkopplungen, die den weiteren Prozessverlauf beeinflussen bzw. verändern. Es entstehen Eigendynamiken. Einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gehen verloren, die Steuerbarkeit (Management) sinkt bzw. wird unmöglich. Es kommt zu langen Ursache-Wir-kungs-Ketten. Eingriffe wirken sich häufig erst zeitverzögert aus und sind irreversibel (zum Bei-spiel Klimawandel). Es entsteht die Gefahr einer Übersteuerung. Kleine Ursachen können zu großen Wirkungen führen und umgekehrt. Viel Aufwand mit wenig Ergebnis. Es kommt zu in-direkten Wirkungen (Nebenfolgen), die im Vor-hinein kaum abschätzbar sind und daher durch unsere etablierten Risikobewertungsmethoden nicht erfasst werden (können). Eine fehlende Reichweitenbegrenzung ermöglicht Domi-no- und Kaskadeneffekte, die umso verheeren-der ausfallen können, je größer das vernetzte System ist. Die Lösung eines Problems schafft leicht neue Probleme (Gefahr von Aktionismus). Es kommt zu exponentiellen Entwicklungen und zur Erhöhung der Dynamik, mit denen wir nur sehr schlecht umgehen können. / Das alles mag auf den ersten Blick wenig Praxisbezug aufweisen. Bei einer näheren Be-trachtung finden sich jedoch unzählige Beispiele aus dem täglichen Leben, wo genau diese As-pekte eine ganz zentrale Rolle spiel(t)en. Hinzu kommt, dass wir erst seit sehr kurzer Zeit mit komplexen technischen Systemen konfrontiert sind und es noch wenig Erfahrungswissen gibt. Beispiele wie die zeitverzögerten negativen Aus-wirkungen durch das Internet (Cyber-Angriffe, Sicherheitsschwachstellen), ein Terroranschlag, der zwei Kriege zur Folge hatte (9/11), oder ein fehlgeleitetes Finanzsystem, immer spielt die unterschätzte Komplexität und Nicht-Steuer-barkeit eine Rolle. Zeitgleich sind wir perma-nent von komplexen Systemen umgeben, da die Natur nur aus offenen, dynamischen und damit komplexen Systemen besteht.

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Vermurungen

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ZUR PERSON

Herbert Saurugg, MSc, war 15 Jahre Berufsoffi-zier des Österreichischen Bundesheers, zuletzt im Bereich IKT-/Cyber-Sicher-heit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit den möglichen Auswirkungen der steigen-den Vernetzung und Kom-plexität, welche zu bisher kaum bekannten systemi-schen Risiken fü[email protected] www.saurugg.net

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EmergenzHinzu kommt, dass mit dem Grad der Ver-netzung auch die Emergenz in einem System steigt. Unter Emergenz wird die spontane Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen infolge des Zusammenspiels der Elemente in einem System verstanden. Die Ei-genschaften der Elemente lassen dabei keine Rückschlüsse auf die emergenten Eigenschaf-ten des Systems zu, was wiederum dazu führt, dass es zu einer spontanen Selbstorganisation und zu einer Nichtvorhersagbarkeit der Ent-wicklungen kommt. Berücksichtigt man diese Aspekte bei der Betrachtung von aktuellen Entwicklungen, so erscheinen diese in einem neuen Licht.

Islamischer StaatSo wird etwa begreifbarer, wie faktisch aus dem Nichts eine Organisation wie der „Islamische Staat“ (IS) unrühmliche Weltbekanntheit erlan-gen konnte. Nur durch die Möglichkeiten der technischen Vernetzung konnte eine spontane und weitreichende Selbstorganisation erfolgen. In diesem negativen Fall führte das innerhalb kürzester Zeit zu einer weiträumigen Destabi-lisierung und Schreckensherrschaft. Verstärkt wurde das Ganze durch die Desinformations- und Propagandamöglichkeiten, die durch das Internet bereitgestellt werden. Daran ist aber weniger das Transportmedium schuld als viel-mehr, wie wir uns selbst dadurch manipulieren (lassen). / Die Gegenreaktionen – insbesondere die Luftschläge – zeigen bisher wenig Wirkung. Ganz abgesehen davon, dass die Folgewirkun-gen kaum abschätzbar sind. Die steigende Sorge vor möglichen Anschlägen in anderen Ländern ist daher mehr als begründet, werden diese doch mit einer Zersplitterung deutlich wahr-scheinlicher. Nichts zu tun, wäre aber genauso falsch, womit sich hier die Widersprüchlichkeit (VUC-Ambivalenz) widerspiegelt.

TerrorismusUm Terrorismus begegnen zu können, muss man zuerst seine Funktionsweise verstehen, wenn-gleich es keinen homogenen Terrorismus gibt. Kurz und knapp dargestellt wirkt Terrorismus im Wesentlichen zweimal. Einmal durch die unmit-telbaren Auswirkungen etwa eines Anschlags und das zweite Mal durch die beim Opfer her-vorgerufenen Reaktionen. Aus verschiedenen Untersuchungen ist etwa bekannt, dass in der Regel die Sekundärschäden wesentlich höher sind als die Schäden durch das unmittelbare Ereignis. So geht man heute davon aus, dass die Folgekosten von 9/11 in die Billionen gehen. Damit führt eigentlich nicht das unmittelbare Ereignis, sondern die Reaktionen darauf zu den wesentlich größeren Schäden und dies nicht nur auf finanzieller Basis oder so offensichtlich wie nach 9/11. Eine große Anzahl von unschuldigen Menschen verlor in Folge des „Kampfs gegen den Terror“ ihr Leben. Neben den unzähligen Soldaten eine noch viel größere Anzahl von Zivi-listen – direkt, aber auch indirekt. Zudem haben wir erhebliche Freiheitseinschränkungen oder eine sehr weitgehende Überwachung in Kauf genommen, um vermeintlich die Sicherheit zu erhöhen, was aber eher einen Trugschluss dar-stellt, wie sich im weiteren Verlauf noch zeigen wird. ›

„VERNETZTE UNSICHERHEIT – HYBRIDE BEDROHUNGEN IM 21. JAHRHUNDERT“

SCHRIFTENREIHE DER LANDESVERTEIDIGUNGSAKADEMIE

Erscheinungsdatum: Juli 2015Herausgeber: Oberst Mag. Anton Dengg, Mag. Michael SchurianVerlag: Landesverteidigungsakademie (LVAk) / Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK)ISBN: 978-3-902944-71-9http://www.bundesheer.at/wissen-forschung/publikationen/publikation.php?id=752

Das Österreichische Bundesheer und die Schiebel Group - eine erfolgreiche Partnerschaft seit 18 Jahren.

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26 Ausgabe 3/2015OffizierDER

/ In den vergangenen Jahren gab es jedoch auch positive Beispiele, wo nicht sofort über-reagiert wurde. Etwa nach den Anschlägen auf das öffentliche Verkehrssystem in London im Jahr 2005, da man Anschläge erwartet und sich darauf vorbereitet hat. Auch nach dem Einzeltä-teranschlag in Norwegen, wo 2011 77 Menschen getötet wurden, wurde auf eine Anlassgesetzge-bung und Überreaktion verzichtet. / Ein für die westliche Welt de facto unlösbares Problem stellen die geänderten Zielvorstellun-gen von aktuellen Terrorgruppen dar. Während im 20. Jahrhundert mit Terrorismus noch vorwie-gend (regional-)politische Ziele verfolgt wurden, wozu man etwa auch Rücksicht auf die (gegneri-sche) Bevölkerung nehmen musste, hat sich das seit 9/11 grundlegend geändert. Fundamentalis-tische, vorwiegend islamische Gruppierungen, verfolgen nicht mehr irdische Ziele, womit wich-tige Hemmschwellen wegfallen. Es sollte daher mit deutlich höheren Schäden durch zukünftige terroristische Anschläge gerechnet werden.

Ursachen für TerrorismusDie derzeitige „Terrorismusbekämpfung“ ist weitgehend nur eine Symptombekämpfung. Sel-ten wird versucht, den möglichen Ursachen auf den Grund zu gehen und dort anzusetzen. Der deutsche Risikoforscher Ortwin Renn wie auch der Soziologe Ulrich Beck sehen gerade in der zunehmenden Unzufriedenheit mit ungerechten Vermögens- und Machtverhältnissen eine Ursa-che, die zu sozialer Unzufriedenheit bis hin zu aggressiven Handlungen, wie sozialem Aufruhr, Fanatismus und Terrorismus, führen. Hier be-steht wiederum ein unmittelbarer Bezug zu un-serer westlichen Lebensweise und zu unserem

Konsumverhalten. Eine reine militärische oder sicherheitspolitische Herangehensweise greift daher bei Weitem zu kurz und lässt viele Aspekte unberücksichtigt. Hinzu kommt, dass es hierfür keine einfachen technischen Lösungen, wie sie sonst gerne versprochen werden, gibt.

Cyber-BedrohungenÄhnlich wie beim Terrorismus erfolgt die Ausein-andersetzung auch mit den Cyber-Bedrohungen. Während sie lange Zeit vernachlässigt wurden, ist hier nun ebenfalls sehr viel Aktionismus und Scheinsicherheit zu beobachten. / Während sich viele Organisationen und Initiativen auf die Erhöhung der Daten- und IT-Sicherheit fokussieren, bleiben andere weit wesentlichere Aspekte oft unberücksichtigt. So gibt es etwa seit Monaten Hinweise auf ge-zielte Cyber-Angriffe auf westliche Energiever-sorgungsunternehmen, die vermeintlich aus Russland kommen, was bei Cyber-Angriffen nie eindeutig feststellbar ist. Hier sollten auf jeden Fall die Alarmglocken läuten. 2007 hat die Ver-setzung eines russischen Denkmals zu einem massiven – nicht, wie häufig dargestellt wird, rein staatlich koordinierten – Cyber-Angriff auf Estland geführt, der auch gerne als erster Cyber-War dargestellt wird. Damals waren weitgehend „nur“ virtuelle Systeme betroffen. Heute könnte dabei unsere wichtigste und zugleich kritischs-te Infrastruktur zum Ausfall gebracht werden, geplant oder auch ungeplant. Dabei sollte drin-gend davon Abstand genommen werden, einen klaren Akteur auszumachen. Gerade Cyber-An-griffe können äußerst rasch außer Kontrolle ge-raten und unvorhergesehene Eigendynamiken entwickeln, da jeder, der sich gerade berufen fühlt und die Voraussetzungen mitbringt, daran teilnehmen kann, ohne dass es dazu einer zent-ralen Koordinierung bedarf. Es erolgt sozusagen eine spontane Selbstorganisation. / In der Schweiz wurde dieses Szenario als Ausgang für die Sicherheitsverbundsübung 2014 (SVU 14) herangezogen, in Folge dessen es zu Instabilitäten im Stromversorgungssys-tem kommt, was wiederum zu einem Blackout – einem plötzlichen, überregionalen und länger andauernden Strom- und Infrastrukturausfall – führt. Dabei wurde als noch viel schlimmer die darauffolgende mehrwöchige Strommangellage identifiziert, da weder wir als Gesellschaft noch unsere Infrastrukturen auf ein solches mögli-ches strategisches Schockereignis vorbereitet sind. Auch der aktuelle Schweizer Risikobericht 2015 schätzt eine Pandemie und eine mehrwö-chige Strommangellage bzw. ein Blackout als die wahrscheinlichsten und folgenschwersten Ereig-nisse für die Schweiz in absehbarer Zukunft ein. ©

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1. „European Cyber Security Challenge“

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All diese Szenarien kennen keine Ländergren-zen. Zum anderen zeigt sich hier, dass die Be-trachtung einer Domäne allein nicht ausreicht, sondern auch die möglichen Querverbindungen („unsichtbare Fäden“) erfasst und berücksichtigt werden müssen. / Auf der Hackerkonferenz Black Hat 2014 zeigten Forscher, wie es ihnen gelungen ist, ei-nen in Spanien bereits millionenfach ausgeroll-ten „intelligenten“ Stromzähler („Smart Meter“) zu kompromittieren und eine Fernabschaltung über das Netzwerk zu initiieren. Möglicherweise ein neues und finanziell lukratives Geschäfts-modell für die organisierte Kriminalität oder für Akteure, die nichts Gutes im Schilde führen. / Aber es muss gar nicht immer ein Angriff sein. Eine aktuelle deutsche Studie kommt zum Schluss, dass mit einem intendierten „Gierver-halten“ der Konsumenten beim Einsatz von „in-telligenten“ Stromzählern Blackouts ausgelöst werden könnten. Das erfordert natürlich zusätz-lich ein gerade instabiles System, was derzeit aber immer häufiger gegeben ist. Dabei spielt die Vernetzung und die reine Fokussierung auf mo-netäre Vorteile eine wesentliche Rolle. Ein sol-ches Verhalten hat bereits 2012 auf der Strom-händlerseite beinahe zur Katastrophe geführt. / Ein anderes Beispiel für nicht intendierte Nebenfolgen passierte am 1. Jänner 2010. Da-mals versagten in Deutschland rund 30 Milli-onen EC- und Kreditkarten, da die Mikrochips fehlerhaft programmiert waren. Die betroffenen Kunden konnten weder an Geldautomaten Bar-geld abheben noch damit bargeldlos bezahlen. Ein solcher Fehler in einer wichtigen Kompo-nente in einer hoch vernetzen Infrastruktur hät-te wahrscheinlich verheerende Folgen. / Auch wenn es bisher überraschenderweise noch keine größeren Zwischenfälle gab, befin-den wir uns hier in einer gefährlichen „Truthahn-Illusion“. Ein Truthahn, der Tag für Tag von sei-nem Besitzer gefüttert wird, nimmt aufgrund seiner täglich positiven Erfahrung an, dass die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Gravierendes passiert, von Tag zu Tag kleiner wird. Sein Ver-trauen steigt mit jeder positiven Erfahrung (Fütterung). Am Tag vor Thanksgiving (bei dem traditionell die Truthähne geschlachtet werden)

erlebt der Truthahn allerdings eine fatale Über-raschung. / Auch wir orientieren uns gern an der Ver-gangenheit und übersehen dabei leicht die sich vor uns veränderten Rahmenbedingungen. Ak-tuelle Cyber-Sicherheitskonzepte berücksichti-gen viele dieser Faktoren nur bedingt, geht es doch häufig vorwiegend um Datendiebstahl, Cyber-Kriminalität und Datenschutz bzw. nur um die Verhinderung oder Meldung von Ereig-nissen. Ganz abgesehen davon, dass Cyber De-fence in einem vernetzten System keine zweite Verteidigungslinie darstellt, wie das derzeit gern gesehen wird.

Gasversorgung Im Zusammenhang mit dem schwelenden Konflikt mit Russland wurde im Herbst 2014 ein europäischer Stresstest bei der Gasversor-gung durchgeführt. Die Regulierungsbehörden versuchten zu beruhigen, indem festgehalten wurde, dass bei einer Gaslieferunterbrechnung aus Russland für mehrere Monate keine Gefahr droht. Gleichzeitig hätte 2012 der damalige Eng-pass in der Gasversorgung beinahe zum Black-out geführt. Zum anderen führt eine nähere Betrachtung der Gasversorgung zutage, dass wir eigentlich wider den Aussagen der Regulie-rungsbehörden kaum große Spielräume haben, um längere Gaslieferunterbrechungen kompen-sieren zu können. ›

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28 Ausgabe 3/2015OffizierDER

Besonders spannend dürfte daher der Winter 2015/16 werden, nachdem im Gegensatz zu 2014 Anfang August die österreichischen Speicher statt mit 81 Prozent nur zu 48 Prozent gefüllt waren. Auch auf europäischer Ebene gab es zu diesem Zeitpunkt eine erhebliche negative Bilanz von fast 20 Prozent. Auch hier wissen wir meistens nicht, welche sonstigen Abhängigkeiten und Wech-selwirkungen es noch gibt. Außer etwa, dass die Lebensmittelgrundversorgung massiv von einer funktionierenden Gasversorgung abhängig ist.

Sonnenstürme Eine völlig andere Bedrohung für unsere moder-ne Lebensweise geht etwa von Sonnenstürmen (Koronaler Massenauswurf) aus. Die OECD hält dazu in ihrer Studie „Future Global Shocks – Geo-magnetic Storms“ fest: „Geomagnetic storms can be categorized as a global shock for several reasons: the effects of an extreme storm will be

felt on multiple continents; the resulting dama-ge to electric power transmission will require international cooperation to address; and the economic costs of a lengthy power outage will affect economies around the world.“

Flüchtlingsströme Dieses Thema hat nur bedingt mit der Kritischen Infrastrukturen zu tun, führt aber vor Augen, wie schnell unsere bisher bewährten Bewältigungs-mechanismen mit neuen Szenarien überfordert sein können. Wobei es hier wohl mehr am Wil-len und am „Silodenken“ als am Können schei-tert. Zudem zeigt sich, dass die Zivilgesellschaft durchaus bereit ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und zu helfen, wenngleich es dazu eine viel größere negativ eingestellte Gruppe gibt. Hier zeigt sich, dass man mit Ignorieren – was lange genug passiert ist – Probleme nicht aus der Welt schaffen kann. (wird fortgesetzt)

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Aufbau eines Flüchtlingszelts durch Soldaten

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17. Oktober 2015 in Graz

Einladungen ergehen gesondert

Auszug aus dem § 8 der ÖOG Statuten:

Die Delegiertenversammlung ist das höchste beschlussfassende Organ.

Die ordentliche Delegiertenversammlung findet alle zwei Jahre statt.

Die Mitglieder der ÖOG werden in der Delegiertenversammlung durch Delegierte vertreten.

Die Zahl der stimmberechtigten Delegierten bestimmt sich nach der Zahl der Einzelmitglieder einer LOG im

Jahr der Abhaltung, wobei von einer LOG je angefangene 100 Mitglieder ein Delegierter, insgesamt mindestens

jedoch zwei Delegierte, entsandt werden.

Die Entsendung der ihnen jeweils zustehenden Delegierten obliegt den LOG gemäß ihren jeweiligen Statuten.

Die Aufgaben der Delegiertenversammlung sind u. a.:

• Wahl des Präsidenten, der Vizepräsidenten und des Kassiers

• Wahl der beiden Rechnungsprüfer

• Beschlussfassung über gestellte Anträge

• Entgegennahme der Rechenschaftsberichte, Genehmigung der Rechnungsabschlüsse und

Erteilung der Entlastung des Vorstands

• Beschlussfassung über grundsätzliche, richtungsbestimmende Positionspapiere

Delegiertenversammlung 2015mit Wahl

ÖSTERREICHISCHE OFFIZIERSGESELLSCHAFTA-1010 WIEN. SCHWARZENBERGPLATZ 1 – E-MAIL: [email protected] - TEL.: +43-1-712-15-10 – ZVR-ZAHL: 795014511

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Page 30: Der Offizier (September 2015)

30 Ausgabe 3/2015OffizierDER

M it der Adresse www.oeog.at wurde im Auftrag des damaligen Präsi-denten DI Michael Malzacher eine

Homepage eingerichtet und begann die ÖOG ihre damaligen Publikationen „Sicherheitspoliti-sches Bulletin“ und „Wehrpolitische Information der Österreichischen Offiziersgesellschaft“ sowie die aktuellen Presseaussendungen elektronisch verfügbar zu machen. Auch die Zeitschrift „Der Offizier“ wurde auszugsweise mit Inhaltsangabe und einzelnen Artikeln eingebracht. Nach einem Relaunch 2009 wurden bisherige Teile in ein Archiv gelegt, das jedoch extra angesteuert wer-den kann. In der heutigen Form und angepasst an das mediale Erscheinungsbild der ÖOG steht das „Wehr- und Sicherheitspolitische Bulletin“ in jahresmäßig durchnummerierter Form zur Verfü-gung und wird „Der Offizier“ als Download und als Version „zum Blättern“ angeboten. Eine Vor-stellung der ÖOG sowie eine Übersicht über die Kontaktdaten der einzelnen Landesoffiziersge-sellschaften runden das Bild ab.

/ Im Jänner 2015 gab es rund 25.000 Besu-che der Homepage, wobei ein Höhepunkt nach dem Tag der Wehrpflicht am 20. Jänner 2015 verzeichnet wurde. / Die Anfragen kommen aus den unterschied-lichsten Bereichen, wobei neben nachvoll-ziehbaren Ländern auch ein entsprechendes Interesse durch Firmen (Adressen mit .com-Endungen) mit 32,41 Prozent oder Netzwerke (.net) mit 12,06 Prozent oder auch unbekannte Adressen (12,65 Prozent) auffallen. / Da viele der Mitglieder der ÖOG nach wie vor auch Printmedienleser sind, fiel die Ent-scheidung, dass „Der Offizier“ nach wie vor auch in gedruckter Version beibehalten wird. Die Zeitschrift wird allen Mitgliedern der Lan-desorganisationen zugesandt und besteht aus einer Auflage von ca. 10.000 Stück. Über die Mitgliederinformation hinaus wird die Zeit-schrift auch zur wehrpolitischen Arbeit in der Öffentlichkeit verwendet. So werden alle rele-vanten Kräfte des Staats und der Bundesländer wie der Bundespräsident, alle Mitglieder der Bundesregierung, alle Abgeordneten des Par-laments sowie alle Bürgermeister der Republik Österreich, Repräsentanten des Kultus und der Interessensvertretungen wie Wirtschaftskam-mer, Industriellenvereinigung u. a. m., Offiziere des Österreichischen Bundesheers (Berufs-/Reserve-/Milizoffiziere, aktiv bzw. i. R.), Militär-akademiker, Polizeioffiziere, mit der umfassen-den Landesverteidigung betraute Funktionäre, Interessensvertretungen, leitende Beamte aller Ministerien, Wirtschaftsmanager, österr. und ausländ. Militärattachés, an Wehr- und Sicher-heitspolitik Interessierte, die sechzig größten Bibliotheken Österreichs u. a. m. zusätzlich mit der Zeitschrift beteilt. / Um ein möglichst breites Spektrum an In-teressierten zu erreichen, erfolgte 2010 dann auch der Einstieg bei Facebook. Die Reichweite von Beiträgen kann bis zu 6.000 betragen, Ten-denz steigend. Neben der Gruppe der 18- bis 24-jährigen stellt die Gruppe der 45- bis 54-jäh-rigen den größten Interessentenanteil. / Seit vorigem Jahr findet man die ÖOG auch auf Twitter (@OeOG_Info), wenngleich hier noch mehr Followers wünschenswert wären. / Für die Homepage sind demnächst Verbes-serungen geplant, um auch eine Lesbarkeit auf mobilen Devices sicherzustellen. (Red.)

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Die ÖOG und das Internet Seit 1996 ist die Österreichische Offiziersgesellschaft (ÖOG) im Internet vertreten

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Ausgabe 3/2015

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Ich bin der Auffassung, dass die Zukunft – innerhalb eines bestimmten Rahmens – gestaltbar ist und heute noch keinesfalls feststeht, wie Österreich, Europa oder die Welt in 20 oder 30 Jahren aussehen werden. Die Worte „innerhalb eines bestimmten Rahmens“ bringen zum Ausdruck, dass die Zukunft kein Wunschkonzert ist, wo jedes gewünschte Resultat lieferbar ist, sondern eine Mischung aus faktenbasierten Tendenzen, technologischen Entwicklungen und Handlungen von Menschen als Trägern der Geschichte, einschließlich unerwarteter Wen-depunkte. Was wir zu diesen Entwicklungen beitragen können, liegt meines Erachtens vor allem in nachstehenden Zielsetzungen:

• Friede, Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an die Spitze unserer Werteskala setzen – und mit Leben erfüllen;

• Krieg und Gewalt als Mittel der Politik ächten und zurückdrängen;

• engstirnigen Nationalismus und Ignoranz gegenüber dem  Grundsatz, dass alle Menschen gleich an Rechten und Würde geboren sind, als Relikte aus dem 19. und 20. Jahrhundert hinter uns lassen;

• die politischen und moralischen Grundlagen des europäischen Projekts nicht aus den Augen verlieren und unbeirrbar an einer Weiterentwicklung des europäischen Projekts zu arbeiten;

• und jeder neuen Generation die Chance geben, Verantwortung zu übernehmen und an dem zeitlosen Projekt einer Höherentwicklung der menschlichen Zivilisation und der menschlichen Kultur weiterzuarbeiten.“

„Wohin geht Europa – Herausforderungen, Chancen, Probleme“

DR. HEINZ FISCHERBUNDESPRÄSIDENT DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND

OBERBEFEHLSHABER DES ÖSTERREICHISCHEN BUNDESHEERS(ZITIERT NACH EINER REDE VOR DER GESELLSCHAFT FÜR POLITISCH-STRATEGISCHE STUDIEN

AN DER LANDESVERTEIDIGUNGSAKADEMIE AM 22. JUNI 2015)

Page 32: Der Offizier (September 2015)

Das sicherheitspolitische Gewissen der Republik Österreich