Eine Analyse des Stakeholdervertrauens in die UBS in der Krise - Analyse... · Parlament) über die...

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zfo | 89 Schwerpunkt Ausgelöst durch die Immobilienkrise 2007 in den USA erlitt das globale Finanz- und Wirt- schaſtssystem einen nachhaltigen Reputationsschaden. Den Banken ist nach wie vor unklar, wie dieses Vertrauen zurückerobert werden kann. Im Mittelpunkt steht daher die Frage, wie einmal verlorenes Vertrauen wieder aufgebaut werden kann und welche Maßnahmen zum Vertrauensauau für die einzelnen Stakeholder der Unternehmen im Vordergrund stehen sollten. Antoinette Weibel / Christin Wohlrath/ Anne Hager 02/2013 (82. Jg.), Seite 89–95 Vertrauen in der Krise Vertrauen in der Krise Eine Analyse des Stakeholdervertrauens in die UBS Vertrauen als Organisationsprinzip Das Vertrauen in die Akteure des Finanzsektors be- findet sich seit der Immobilienkrise in einem Dau- ertief. 1 Corporate Trust und die Vertrauenswürdig- keit eines Unternehmens stellen aber einen Wett- bewerbsvorteil dar. Vertrauen kann nicht imitiert werden und ist auch nicht auf einfache Art und Wei- se replizierbar. 2 Vertrauen als Organisationsprinzip steigert die Kooperation der Mitarbeiter, die Quali- tät der Gruppenkommunikation sowie den Wissens- austausch zwischen den Mitarbeitern. 3 In einer ver- trauensvollen Arbeitsumgebung ist ein besonderes Bemühen und Engagement der Mitarbeiter festzu- stellen und die Leistungen des Teams sind erhöht. 4 Vertrauen ist die Basis für das Engagement der Mitarbeiter. Es verbessert die Kommunikation und Leistung eines Teams. Organisationsbezogenes Vertrauen wird somit zu einem zentralen Erfolgsfaktor für Unternehmen. Je- doch existiert zum Charakter und Wiederaufbau or- ganisationsbezogenen Vertrauens kaum For- schung. Die meisten Erkenntnisse beziehen sich auf interpersonales Vertrauen. Zwar steht auch bei organisationsbezogenem Vertrauen die Bereit- schaft einzelner Individuen oder Stakeholdergrup- pen sich verletzlich zu zeigen im Vordergrund: Der Vertrauensgeber gewährt einem Unternehmen ei- nen Vertrauensvorschuss, da er davon ausgeht, dass seine Verletzlichkeit nicht ausgenutzt wird. 5 Aber gleichzeitig sind organisationsbezogene Ver- trauensentscheidungen mehrschichtiger als inter- personale. Zum einen entstehen im Umgang mit Unternehmen vielfache Abhängigkeiten. So erwar- tet der Vertrauensgeber, dass nicht nur das Ge- samtunternehmen wohlgesonnen und nützlich agiert, sondern auch dass die einzelnen Mitarbei- ter und Repräsentanten des Unternehmens sich vertrauenswürdig verhalten. Zum anderen bestehen systemische Risiken. Die Handlungen des Unternehmens werden nicht nur von den Mitarbeitern, sondern auch durch das Zu- sammenwirken von Struktur, Kultur und Akteuren geprägt. Am Beispiel des Mitarbeitervertrauens wird deutlich, dass Vertrauen ein wichtiger Faktor im System ist: Mitarbeiter engagieren sich für ein Unternehmen, obwohl sich ein solches Engage- ment nicht zwingend lohnt. Unabhängig vom eige- nen Handeln könnte mangelndes Engagement an- derer Teammitarbeiter, ein unaufmerksamer Vorge- setzter oder Umstrukturierungsmaßnahmen die Belohnung für dieses Engagement verhindern. Die- se Faktoren fließen alle in die Vertrauensentschei- dung des Mitarbeiters ein, sich trotzdem für das Unternehmen zu engagieren. Die verschiedenen Interessensgruppen begründen ihr Vertrauen auf unterschiedlichen Indikatoren. Organisationsbezogenes Vertrauen aus verschie- denen Perspektiven bewertet. Pirson und Malhotra zeigen, dass die unterschiedlichen Stakeholder ih- rer Vertrauensentscheidung jeweils unterschied- liche Vertrauensindikatoren zugrunde legen. 7 So legen interne Stakeholder großen Wert auf Füh- rungskompetenz, während externe In- teressensgruppen Performanz und Zu- verlässigkeit in den Vordergrund stel- len. Zudem gewichten Stakeholder, die im engen Verhältnis zum Unterneh- men stehen, Wohlwollen höher als In- Stakeholder englisch für Mitglied einer Interessengruppe, Geschäftsinteressent, Anspruchsberechtigter. 6

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02/2013 (82. Jg.), Seite 89–

Vertrauen als Orga

Das Vertrauen in die Akfindet sich seit der Immertief.1 Corporate Trustkeit eines Unternehmebewerbsvorteil dar. Vewerden und ist auch nicse replizierbar.2 Vertrausteigert die Kooperatiotät der Gruppenkommunaustausch zwischen detrauensvollen ArbeitsumBemühen und Engagemstellen und die Leistung

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stehen, Wohlwollen höher als In-

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Antoinette Weibel/ Christin Wohlrath/ Anne Hager

Vertrauen in der Krise

Eine Analyse des Stakeholdervertrauens in die UBS

Ausgelöst durch die Immobilienkrise 2007 in den USA erlitt das globale Finanz- und Wirt-schaftssystem einen nachhaltigen Reputationsschaden. Den Banken ist nach wie vor unklar, wie dieses Vertrauen zurückerobert werden kann. Im Mittelpunkt steht daher die Frage, wie einmal verlorenes Vertrauen wieder aufgebaut werden kann und welche Maßnahmen zum Vertrauensaufbau für die einzelnen Stakeholder der Unternehmen im Vordergrund stehen sollten.

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r Mitglied einer Interessengruppe, teressent, Anspruchsberechtigter.6

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Ver trauenSchwerpunkt

teressensgruppen, die ein eher lockeres Verhältnis zum Unternehmen haben und die mehr auf Integri-tät und geteilte Werte achten.

Die Rückeroberung von Vertrauen nach dem Vertrauensbruch

Von einem Vertrauensbruch spricht man, wenn Un-ternehmenskrisen oder unternehmerisches Versa-gen die Legitimität des Unternehmens in Frage stel-len und angezweifelt wird, ob das Verhalten des

Unternehmens noch als »erstrebens-wert, aufrichtig oder angemessen« gelten kann.15 Problematisch wird es insbesondere, wenn an Stelle von Ver-trauen Misstrauen rückt und die Stake-holder die Beziehung zum Unterneh-men generell in Frage stellen.

Einem Vertrauensverlust sollten sofort Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Vertrauenskrisen folgen.

Da das Vertrauen nach einem Vertrauensbruch auf ein niedrigeres Niveau fällt als zu Beginn der Ver-trauensbeziehung, erfordert der Prozess der Zu-rückeroberung von Vertrauen sowohl Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses als auch zur Vertiefung des neu gewonnenen Ver-trauens. Die Herausforderung besteht darin, erneut positive Erwartungen in die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens hervorzurufen und im Weiteren die negativen Erwartungen zu revidieren. Bei der Vertrauenszurückeroberung sind strukturelle und verbale Maßnahmen zu unterscheiden.16 Struktu-relle Maßnahmen sind strategische oder institutio-nelle Anpassungen des Unternehmens zur Vermei-dung zukünftiger Krisen, wie die Einführung von Compliance-Systemen, die Revision von Anreiz-praktiken oder neue Risikomanagementstrategien.

Wandelt sich ein Vertrauensverlust in Misstrau­en, ist es deutlich schwerer, das Vertrauen wie­derzugewinnen.

Zu den verbalen Maßnahmen zählen Entschuldi-gungen oder Rechtfertigungen. Zudem sollten miss trauensregulierende und vertrauensbildende Instrumente unterschieden werden.17 Das Überwin-den von Misstrauen ist deutlich schwieriger als ge-ringes Vertrauen erneut zu vertiefen. Misstrauische Stakeholder beobachten das Unternehmen sehr aufmerksam und reagieren selbst auf kleine Fehl-tritte mit verstärktem Misstrauen. Ihr Misstrauen kann nur überwunden werden, wenn das Unterneh-men einen notwendigen Wertewandel glaubhaft kommunizieren kann.

Die wenigen Studien, die sich bislang mit Ver-trauensbruch und -zurückeroberung auf organisati-onsbezogener Ebene auseinandersetzen, nehmen keinen Bezug auf die unterschiedlichen Bedürfnis-se der Stakeholder. Implizit wird davon ausgegan-gen, dass eine Vertrauenskrise bei allen Stakehol-dern zu ähnlichen Reaktionen führt und dass durch die Anstrengungen des Unternehmens alle Stake-holdergruppen gleichermaßen zurückerobert wer-den können. Der Fall UBS zeigt jedoch, dass die verschiedenen Stakeholder sehr unterschiedlich reagieren (s. Kasten links).

Die UBS 2007 bis 2012 im Zeitraffer

Die »Ikone der Schweizer Wirtschaft« galt einst als Symbol der Solidarität und hatte den Ruf einer konservativen und soliden Großbank mit einem vorbild-lichen Anlagemanagement – bis sie in der Finanzkrise Ende 2007 vor dem Konkurs stand.8 Das Jahr 2007 schloss die Bank mit einem Verlust von 2,73 Mrd. Euro ab, doch die Schweizerische Eidgenossenschaft half. Indem die Zweck-gesellschaft »SNB StabFund« einen Kredit von 40 Mrd. Euro aufnahm und an die Schweizer Nationalbank (SNB) verkauft wurde, floss der UBS Eigenkapital zu. Der »SNB StabFund« reduzierte sein Engagement auf 12,1 Mrd. Euro, als die UBS nach drei Verlustjahren 2010 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieb.9 Doch trotz Führungswechsel, Personalabbau, der Schaffung einer besseren Kapitaldecke und einer Risikosenkung kämpfte die Bank immer noch um das Vertrauen der Stakeholder und so verharrte der erhoffte Neugeldzufluss auf tiefem Niveau.10 Der damalige CEO der UBS, Oswald Grübel, fasste die Situati-on so zusammen: »Wir werden nicht ruhen, bis wir es geschafft haben«. Eine aufwändige Imagekampagne »we will not rest« sollte Zeichen setzen, dass die UBS aus ihren Fehlern lernen will, sowie Zuversicht, Dynamik und Engagement symbolisieren.11

Doch 2011 mitten in der Phase der Revitalisierung wurde ein neuer Skandal publik: Der Londoner UBS-Händler Kweku Adoboli verspekulierte sich mit nicht genehmigten Transaktionen und erzeugte einen Verlust von etwa 1,5 Mrd. Euro. Der Zeitpunkt des Skandals war denkbar ungünstig, denn just am Tag der Bekanntgabe des Vorfalls debattierte der Nationalrat (das schweizerische Parlament) über die »Too-big-to-fail«-Vorlage und eine weitere Verschärfung der Bankenregulierung.12 Die UBS reagierte auf den Vorfall mit einem aberma-ligen Personalwechsel. Das neue Führungsgespann Sergio Ermotti und Axel Weber verkündete im Herbst 2012 eine umfassende Redimensionierung der Investmentbank. Doch die wiederkehrenden Rückschläge hatten weiterrei-chende Konsequenzen für die UBS. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA beschloss in das operative Geschäft der Großbank einzugreifen. Die Maßnah-men umfassen Kapitalrestriktionen und ein Akquisitionsverbot für die Invest-mentbank. Zur Überwachung des Maßnahmenpakets setzt die FINMA einen unabhängigen Untersuchungsbeauftragten ein und lässt eine Prüfgesellschaft kontrollieren, ob die Maßnahmen der UBS greifen.13

ComplianceUnter Compliance versteht man die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien sowie von freiwil-lig vereinbarten Regelungen innerhalb eines Unternehmens.14

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SchwerpunktVer trauen in der Krise

Die UBS in der Finanzkrise – enttäuschte Vertrauenserwartungen

Nur wenige Unternehmen erlebten ein solches Re-putationsdesaster wie die UBS, die innerhalb weni-ger Monate vom »Musterknaben zum Buhmann« in der Presse avancierte. Auf den zweiten Blick offen-bart sich eine differenziertere Geschichte. Nicht al-le Stakeholder der UBS empfanden die Vorkomm-nisse als Vertrauensbruch – vielmehr reagierten die Interessensgruppen sehr unterschiedlich. Die Re-aktionen reichten von geringfügigen Einschränkun-gen des bisherigen Vertrauens in die Bank bis hin zu offenem Misstrauen. Dementsprechend wurden die verschiedenen Maßnahmen der UBS, Vertrauen zurückzuerobern, als unterschiedlich effektiv wahr-genommen. Betrachtet man den Fall UBS aus der Sicht von Kleinkunden, institutionellen Investoren und Politikern, so deuten viele Indikatoren darauf hin, dass es der UBS noch nicht gelang, Vertrauen wiederherzustellen.

Kleinkunden: Das Vertrauen ist belastet, aber nicht erschüttert

Das Vertrauen der Kleinkunden in die UBS änderte sich nur wenig. Viele Kunden haben ein eher be-grenztes, kalkülbasiertes Vertrauen zur Bank. Durch den Einlegerschutz und staatliche Regulie-rungen sind für sie die Risiken überschaubar. So meinte etwa ein Befragter, dass er keine Angst hätte Geld zu verlieren »(…) weil die UBS system-relevant [ist], das Land konnte sich das gar nicht erlauben, [sie] in den Sand zu setzen, respektive dem Schicksal zu überlassen.« Kleinkunden ver-trauen außerdem vor allem ihrem Kundenberater und dieses Vertrauen hat in der Krise kaum gelit-ten:

»Man meint, in der Schweiz seien Geschäfte viel-leicht besser, weil man hat vielleicht auch einfach Kontakt zur Bank, weiß, dort steht eine Filiale, hat ein paar Leute drin. Zu diesen hat man vielleicht Vertrauen (...)«.

In erster Linie wird das Finanzsystem als kritisch gesehen. Als Teil des Finanzsystems muss die UBS gewisse Praktiken übernehmen. Somit trägt sie nach Ansicht der Kunden auch nur teilweise die Ver-antwortung für die Krise:

»Es gab da immer wieder Rückschläge, aber sie hat immer was gemacht, sie hat das auch kommu-niziert. Nach meinem Verständnis hatte ich da nie Schiss oder hatte auch keinen Vertrauensverlust. Natürlich fand ich das alles schlimm. Ich bin auch nicht einverstanden mit den ganzen Boni, die da die Oberen einstreichen, aber (...) es ist nun mal das

Gesetz des Marktes und wenn sie das nun mal nicht bezahlen, dann sind diese Leute weg!«

Für die durch staatliche Regulierungen geschützten Kleinkunden spielt Vertrauen in die Bank keine große Rolle; entsprechend gering ist der Vertrauensverlust.

Die Anstrengungen der UBS mehr Kundennähe zu demonstrieren, wurden positiv wahrgenommen. Die befragten Kunden fühlten sich besser aufgehoben als vor der Krise: »Also meine subjektive Wahrneh-mung oder Erfahrung war so, dahingehend, dass sie sich wieder mehr, stärker konzentriert haben, einer-seits auf kleine Sparer, wie ich es bin, und anderer-seits, dass sie sich wieder stärker fokussiert haben auf das Mutterland, also auf die Schweiz. Und wenn du in die Filiale rein gehst, dann habe ich das Gefühl, sie kümmern sich einfach mehr. Du wirst wieder mehr geschätzt. Wenn du reinkommst sagen sie ‚Gu-ten Tag’, und davor hatte ich das Gefühl, wurdest du kaum beachtet, wenn du reinkamst.«

Die Kunden misstrauen dem Finanzsystem, je-doch die Vertrauensbeziehung zur UBS wurde kaum beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund wirkten die Imagekampagne und das verstärkte Bemühen der Kundenberater sogar verstärkend auf das Vertrauen in die UBS.

Methodik der Untersuchung

Unsere Fallstudie basiert auf einer Literatur- und Dokumentenanalyse sowie auf neun Interviews mit drei ausgewählten Stakeholdergruppen: Kleinkunden, Politikern und institutionellen Investoren.18 Diese drei Stakeholdergruppen sind durch unterschiedliche Abhängigkeiten charakterisiert. Die Vertrauens-beziehung zwischen den Kunden und der UBS ist durch eine geringe einseitige Abhängigkeit gekennzeichnet. Den Kunden ist es zu jedem Zeitpunkt möglich, die Bank zu wechseln. Der Einlegerschutz sichert ihr Vermögen bis zu einem gewissen Betrag. Aus Sicht der Bank sind die Kleinkunden jedoch von unterge-ordneter Bedeutung und daher ist das Abhängigkeitsverhältnis als schwach zu kennzeichnen. Die Beziehung zwischen Schweizer Politikern und der UBS ist von schwacher gegenseitiger Abhängigkeit geprägt. Die Politiker hegen ein Interesse an der UBS als Arbeitgeber und Steuerzahler. Die UBS ist wiederum von den politi-schen Rahmenbedingungen abhängig. Institutionelle Investoren und die Bank stehen in einem Verhältnis, dass durch hohe wechselseitige Abhängigkeit charakterisiert ist. Die institutionellen Inve-storen investieren für 10 bis 15 Jahre in Portfolios und können nur in Ausnahme-fällen ihre Einlagen zurückfordern. Sie müssen sich gegenüber ihren Kunden, die erwarten, dass die Versicherungsbeiträge renditeträchtig angelegt werden, verantworten. Daher sind sie vom Wohlergehen der UBS abhängig. Umgekehrt können die Investoren aber auch Druck auf die UBS ausüben, indem sie ihre Stimmrechte als Eigentümer geltend machen.

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Institutionelle Investoren: Vertrauen verloren

Das Vertrauen der institutionellen Investoren wur-de stark in Mitleidenschaft gezogen. In vielen Aus-sagen wird insbesondere die Kompetenz der UBS in Frage gestellt. Die Investoren scheinen sich einig, dass die UBS weitgehend selbstverschuldet in die

Krise geriet. So meinte ein Investor: »Sie hatten ja, glaube ich, bei dem

Eigenkapital noch einen Wert von 2 %, also einen enormen Leverage derzeit und eben dann, wo schon andere vom

Ausstieg gewarnt haben, oder vom Absturz im Im-mobiliengeschäft gewarnt haben in den USA, ha-ben sie noch für, glaube ich, 20 Milliarden damals ein Portfolio übernommen in ’07, im Frühling, das schien schon damals ziemlich gewagt und ja, sehr unvorsichtig zu dem Zeitpunkt und die Größe von ihrem Portfolio, wo sie ja dann der Nationalbank übergeben haben, hat ja dann auch gezeigt, dass sie sehr viele Risiken gefahren haben. Von dem her, würde ich sagen, dass sie da ziemlich eigenver-schuldet reingekommen sind.«

Für institutionelle Investoren steht die Kompe­tenz und Integrität der Bank im Mittelpunkt.

Leise Zweifel werden an der Integrität der Bank ge-äußert. So betonte ein Investor, dass ein integres Verhalten des Topmanagements für die Vertrauens-bildung zentral sei: »(…) dass das Topmanagement integer ist und glaubwürdig ist, das gehört dazu zum Vertrauen, das sendet eine wichtige Botschaft aus. Und für uns als langfristige Investoren ist es wichtig, weil wir ja eben versuchen einen Dialog aufzubauen (...)« Gleichzeitig beklagen sich die in-stitutionellen Investoren aber, dass der Dialog mit den Investoren nicht so offen geführt wird, wie dies wünschenswert wäre. Dies dokumentiert die fol-gende Aussage:

»Ja, also im Prinzip müsste es wirklich mal je-mand versuchen, offen zu sein und aufzuzeigen, wie es aussieht und wie die Bilanz aussieht, wo die Risiken sind, wie viel Risiken sie noch eingehen, und man kann auch nicht versprechen, dass das Vertrauen unmittelbar zurückkommt, aber ich den-ke, das wäre sicher mal ein Anfang (...)«

Die Bemühungen der UBS Vertrauen zurückzuer-obern, werden an den zwei Vertrauensindikatoren Kompetenz und Integrität gemessen. Kompetenz konnte die UBS demonstrieren, indem sie die ope-rative Handlungsfähigkeit wiederhergestellte. Die mehrfache Aufnahme von Eigenkapital und der Ein-stieg der Nationalbank beruhigte die Lage. Aller-dings bedauern die Investoren, dass die UBS in ih-

ren Reformen nicht weit genug ging. Das folgende Zitat dokumentiert diese Wahrnehmung:

»(…) nachdem die UBS gerettet wurde und auch wieder diese großen Positionen abgeschrieben wurden und das Kapital wieder aufgebaut wurde, da war schon eine Schwelle erreicht, wo man sagen kann, jetzt ist wahrscheinlich die UBS wieder ar-beitsfähig und genügend stabilisiert. Aber wir fin-den eben, das ist noch nicht genug. Also, wenn wie-der so etwas passiert wie diese Krise, ich bin nicht sicher, ob die jetzigen Vorschriften wirklich reichen und die Kapitalausstattung reicht, um so einen sol-chen Schock absorbieren zu können. In diesem Sin-ne braucht es für uns Hard Facts, um sicher zu ge-hen und genügend Vertrauen zu haben. Und das muss dann auch einfach eine Führung sein, die das dann sagt, wir wollen mehr Eigenkapital«.

Den Investoren gingen Reformen nicht weit ge­nug und sie kritisierten das Risikomanagement der UBS.

Die institutionellen Investoren wünschen sich zu-dem, dass die Bank Risiken aktiver handhabt. In diesem Zusammenhang wird vor allem der Umgang mit der Investmentbanksparte grundlegend hinter-fragt. Die ergriffenen Maßnahmen werden als zu zögerlich erachtet. So wird gezweifelt, ob der ehe-malige Investmentbanker Sergio Ermotti die richti-ge Führungsperson ist, um eine umfassende Reor-ganisation des Bereiches vorzunehmen. Auch wird kritisiert, dass die UBS keine glaubwürdige Lang-zeitperspektive kommuniziert:

»Aber eben eine klare Perspektive möchte ich se-hen, wie werden die Geschäftstätigkeiten der Bank, also klassisches Kreditgeschäft und auf der ande-ren Seite das Investmentbanking weitergeführt? Was ich eben hören möchte, ist, dass man das wirk-lich genügend scharf trennen kann, damit nicht der eine Teil den anderen in Mitleidenschaft zieht bei Problemen.«

Den angekündigten Wertewandel der UBS hielten die Investoren für unglaubwürdig.

Für wenig glaubwürdig halten die Investoren die Bemühungen der UBS einen Wertewandel zu voll-ziehen und Integrität zu signalisieren. Übereinstim-mend nannten alle Investoren die Benennung des ehemaligen Mitglieds des Schweizer Bundesrats Kaspar Villiger zum Aufsichtsratsvorsitzenden als zunächst vertrauensbildende Maßnahme, die ein Umdenken signalisieren sollte. Gleichzeitig zeigt sich aber an diesem Beispiel, wie problematisch eine solche, eher zu kurz greifende Maßnahme des Wertewandels sein kann:

Leverageist ein englischer Begriff aus der Finanzwirt-schaft und bedeutet Fremdfinanzierungsgrad.19

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SchwerpunktVer trauen in der Krise

»(…) ich meine, in der Bevölkerung ist das auch nicht gut angekommen, dass die UBS vom Staat dann gerettet werden musste und trotzdem zahlt man immer noch schöne Boni, vor allem nach Ame-rika und genauso Zeug hat man gedacht, ja, als Po-litiker kommt er und ist eher kritisch so Sachen ge-genüber, aber hat dann genau die gleichen Phra-sen benutzt, um das zu verteidigen, dass man die Löhne, die Boni zahlen muss, da man die Talente braucht und so weiter. Und all das kommt natürlich schlecht an. Damit schafft man auch nicht Vertrau-en. Nicht mal unbedingt beim Investor, sondern bei der Bevölkerung, wo ja insofern auch beteiligt ist, weil die UBS ja mit Steuergeldern gerettet wurde. Wenn man dann nach wie vor horrende Boni zahlt, dann versteht das niemand. Und wenn eine Person wie Villiger das dann verteidigt mit den gleichen Worten, wie‘s der normale Banker tut, dann kommt das nicht gut an. Es ist eigentlich sogar eher das Gegenteil passiert, dass er, wo man auch gedacht hat, er könnte das Ruder rumreißen, nachher in den Chor eingestimmt hat, wie alle anderen auch.«

Skandale und weitere Fehlentwicklungen weckten das Misstrauen der Investoren.

Aus unserer Analyse wird ersichtlich, dass für die Investoren der Glaube an die Kompetenz der UBS im Vordergrund steht. Das Image der kompetenten UBS ist allerdings noch nicht umfassend wieder-hergestellt. Dies zeigt auch die folgende Aussage im Nachgang zum Händlerskandal »Adoboli«: Die UBS »(…) hatte uns gesagt, man werde das besser im Griff haben und das war offensichtlich nicht so.« Den erneuten Beteuerungen, aus den Problemen gelernt zu haben, begegnen die Investoren mit Misstrauen: »Also die Konsequenz ist, dass der Sündige angeklagt wurde und sich jetzt verantwor-ten muss. Es wurde auch erwähnt, dass da irgend-wo ein Kontrollleck war, aber wie das jetzt wirklich geschlossen wurde, habe nie mitbekommen.« Es bleibt fraglich, ob die jüngsten Bekenntnisse zur Redimensionierung der Bank an dieser Einschät-zung etwas ändern können. Die verstärkte Banken-aufsicht durch die FINMA wirft erneut die Frage auf, ob das Unternehmen aus eigener Einsicht und Stär-ke die richtigen Maßnahmen ergreifen kann.

Politiker: Das Wertesystem im Fokus

Bei den Politikern, wie schon bei den Investoren, herrscht Skepsis in Bezug auf die Kompetenz der UBS. Im Gleichklang mit den Kleinkunden themati-sieren die Politiker den eingeschränkten Hand-lungsspielraum der UBS im Rahmen des globalen

Finanzsystems. Zentral für die Ausführungen sei-tens der Politiker ist jedoch die Wertediskussion.

Nach Ansicht der Politiker ist eine Bank vertrau-enswürdig, »(…) wenn sie zeigt, dass sie den Stand-ort, wo sie tätig ist, dass sie den fördert, schätzt, dass sie eine Loyalitätserklärung dazu abgibt und sagt, es geht nicht darum, einfach hier nur den Briefkastenfirmensitz zu haben, sondern es geht auch darum, hier Arbeitsplätze zu schaffen, zu er-halten und auch hier zu betreiben. Es macht eine Bank glaubwürdig, wenn sie eben diese Attribute, die die schweizerische Gesellschaft, das schweize-rische Volk, kennt, ein bisschen der Bescheiden-heit, der sozialen Verpflichtung, der Freiwilligkeit, der Miliztätigkeit, wenn sie diese auch fördert. Ja, und dann halt auch gegenüber der Politik signali-siert, wir sind bereit im gesamten politischen Ge-setzgebungsprozess mitzuarbeiten, wir bringen zwar unsere Anliegen ein, aber wir sind bereit mit-zuarbeiten und konsensfähige Lösungen mitzutra-gen. Das ist das schweizerische System.«

Für Politiker ist ein Konsens über Werte die Basis des Vertrauens.

Die Politiker sind sich einig, dass die UBS diesen Wertekonsens nicht mehr im ausreichenden Maße teilt: »Für mich war das Problem echt nicht das Kun-denpersonal, sondern für mich war die Strategie, die Philosophie, die war katastrophal und da sind dann die Geschäftsleitung, Verwaltungsrat und

Für die Praxis – Drei Stufen der Vertrauensrückeroberung

• Analyse der Stakeholder-Beziehung: Grundlage für organisationsbezogenes Vertrauen sind vereinfachende Vertrauensindikatoren: Stakeholder konzent-rieren sich auf die Bereiche, die für den eigenen Umgang mit dem Unterneh-men relevant sind. Von besonderer Bedeutung ist das Abhängigkeitsverhältnis des Stakeholders – je abhängiger der Stakeholder vom Unternehmen und je wichtiger die Beziehung für ihn ist, desto mehr spielt Vertrauen und Vertrau-ensbruch eine Rolle. Besonderes Augenmerk sollte also auf diese vertrauens-kritischen Stakeholdergruppen gelegt werden.

• Auswahl der Maßnahmen zur Zurückeroberung der Stakeholder: Die Stakehol-deranalyse zeigt, ob Vertrauen in das Unternehmen litt oder ob sogar Misstrau-en entstand. Im ersten Fall können mittels struktureller Maßnahmen zukünfti-ge Fehler vermieden werden und durch die Pflege der stakeholderspezifischen Vertrauensindikatoren Vertrauen zurückerobert werden. Misstrauen wird ein-zig durch einen glaubwürdigen Wertewandel »gewendet«.

• Lösungsansätze Priorisierung und Dialog: Die Vertrauensindikatoren kann ein Unternehmen nur kennenlernen, wenn es in einen Dialog mit seinen Stakehol-dergruppen tritt. Die konkurrierenden Stakeholderbedürfnisse sind in ihrer Vielfalt zu akzeptieren und im Zeitablauf nach ihrem Wert oder ihrer Dringlich-keit auszubalancieren oder zu synthetisieren. Eine langfristige Priorisierung einer Stakeholdergruppe, wie dies in Form der Shareholdervalue-Orientierung geschehen ist, trägt nicht nachhaltig zur Vertrauensrückeroberung bei.

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CEO, die da an die Kasse (...) müssen.« Dass bei Po-litikern gegenüber der UBS ein gewisses Misstrau-en zu spüren ist, äußerte sich darin, dass sie den Fall UBS für keineswegs abgeschlossen halten: »(…) aber nach meiner Meinung ist das Ganze, die ganze Bank, noch nicht aus dem Schlamassel.«

Das Hauptaugenmerk der Politiker liegt auf Maß-nahmen, die für einen Wertewandel stehen. In dem Zusammenhang bewerteten sie den Versuch, mit Hilfe des ehemaligen Bundesratspräsidenten die Reputation zu verbessern, als kritisch:

»(…) er war wirklich irgendwie ein Saubermann und das war eine gute Idee. Aber das genügt natür-lich nicht, um das Vertrauen wiederherzustellen. (…) Also Villiger war eine gute Maßnahme in der Kommunikation, in der Außenwirkung. Ich wüsste aber nicht, es ist mir nichts bekannt, auf der Ebene der Leistungen. Was hat er strategisch bewirkt, dass die UBS ihre Strategie den gegebenen Um-ständen auch wirklich nachhaltig anpasst? Die UBS hat ja auch bewiesen, dass sie zu wenig gelernt ha-ben mit dem neulichen Fall.«

Gelingt es nach einem Vertrauensverlust nicht, die Politik vom Wertewandel zu überzeugen, wird sich das Misstrauen der Politiker nicht abbauen lassen.

Die Politiker wünschen sich Maßnahmen, die den Wertewandel langfristig in der Bank verankern. Zwar hat die UBS versucht »(…) qualitätssichernde Systeme zu implementieren. Doch (…) der Fall von London zeigt einfach, dass sie noch nicht genug greifen oder noch nicht genügend sicher greifen. Und da glaube ich, das Wichtigste, was sie machen müssten, das wäre diese Koppelung zwischen per-sönlichem Vorteil und Erwirtschaftung von Gewinn, oder, das müssten sie mehr, also diese direkte Ver-bindung müssten sie lösen. Weil diese Anreize, die Boni, die schaffen meiner Meinung nach Anreize, die die Sicherheit der Bank gefährden. (…) Das heißt, es braucht eine andere Kultur und bei dieser Kultur, da habe ich eigentlich nichts gesehen, auch wenn ich Herrn Grübel als Exponenten gehört habe, nachdem er da nach Singapur geflogen ist in der Krise, aber ich habe nichts gemerkt von einer ande-ren Kultur.«

Im Kern bleibt ein gehöriges Misstrauen gegen-über der UBS bestehen. Dieses Misstrauen äußert sich in den strengen Regulierungsmaßnahmen, die die Schweiz ab 2013 in Kraft setzt. Ob ein klares Be-kenntnis zum Werte- und Kulturwandel der UBS die Regulierungswelle abgeschwächt hätte, ist Speku-lation.

Stakeholdervertrauen zurückerobern

Organisationsbezogenes Vertrauen muss stakehol-derspezifisch zurückerobert werden. Die Interes-sensgruppen eines Unternehmens nehmen Krisen und das Vertrauen beeinträchtigende Vorfälle un-terschiedlich wahr. Reparaturmaßnahmen können nur adressatengerecht ihre Wirkung entfalten, da für jeden Stakeholder diejenigen Vertrauensindika-toren von Bedeutung sind, die mit der eigenen Ver-letzlichkeit korrespondieren. Im Fall der UBS möch-ten die institutionellen Investoren eine kompetente Führung sehen, die sich den Herausforderungen transparent stellt. Während die Politiker klare Sig-nale eines Wertewandels erwarten, erhoffen sich die Kleinkunden eine aufmerksame und beständi-ge Kundenbetreuung.

Um verloren gegangenes Vertrauen wieder­herzustellen, müssen die Bedürfnisse aller Interessensgruppen berücksichtigt werden.

Das von der UBS geschnürte Maßnahmenpaket zur Vertrauenswiederherstellung befriedigte nur einige Erwartungen, andere Stakeholderbedürfnisse blie-ben nach unserer Analyse unberücksichtigt. Fünf Jahre nach der Krise konnte die UBS ihre Vertrau-enswürdigkeit noch nicht wieder zurückgewinnen. Wiederkehrende negative Vorfälle erschweren nicht nur die glaubhafte Wiederherstellung des or-ganisationsbezogenen Vertrauens, sondern ließen beträchtliche Zweifel an der Effektivität der UBS-Reformen aufkommen.

Anmerkungen1 Edelman, R.: Edelman Trust Barometer Findings,

New York, Chicago 2011, S. 1–25.2 Barney, J. B./Hansen, M. H.: Trustworthiness as a

Source of Competitive Advantage. In: Strategic Manage-ment Journal, 15. Jg., 1994, Winter Special Issue, S. 175–190.

3 Searle, R./Weibel, A./Den Hartog, D.: Employee Trust in Organizational Contexts. In: Hodgkinson, J. P./ Ford, J. K. (Hrsg.): International Review of Industrial and Organi zational Psychology, 26. Jg., 2011, S. 143–193.

4 Dirks, K. T.: Trust in leadership and team performance: Evidence from NCAA basketball. In: Journal of Applied Psychology, 87. Jg., 2000, H. 4, S. 611–628.

5 Osterloh, M./Weibel, A.: Investition Vertrauen: Prozesse der Vertrauensentwicklung in Organisationen, Wiesbaden 2006, S. 33–70.

6 Anm. d. Red.7 Pirson, M./Malhotra, D.: Foundations of Organizational

Trust: What Matters to Different Stakeholders? In: Organization Science, 22. Jg., 2011, H. 4, S. 1087–1104.

8 Financial Times Deutschland: Der Niedergang der UBS, 12.08.2012, (www.ftd.de), http://tinyurl.com/bftrrbb (letzter Zugriff: 22.12.2012).

9 Tagesanzeiger: »Momentan haben alle die Nase voll

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SchwerpunktVer trauen in der Krise

von der Krise«, 08.02.2011, (www.tagesanzeiger.ch), http://tinyurl.com/b4ebole (letzter Zugriff: 22.12.2012); Frankfurter Allgemeine: Stationen des Abstiegs der UBS, 10.02.2009, (www.faz.net), http://tinyurl.com/b4kll5h (letzter Zugriff: 22.12.2012).

10 Der Verwaltungsratspräsident Marcel Opel gab 2008 seinen Rücktritt bekannt. Es folgten: 2008–2009 Peter Kurer, 2009–2012 Kaspar Villiger und 2012 bis dato Axel Weber. Auch bei den CEOs fand ein Führungswechsel statt: Marcel Rohner, 2007–2009, wurde von dem ehe-maligen Credit Suisse Chef Oswald Grübel abgelöst. Seit 2011 leitet Sergio Ermotti die UBS.

11 Bilanz: Marke UBS. Die Auferstehung, 27.08.2010, (www.bilanz.ch), http://tinyurl.com/az8ms49 (letzter Zugriff: 22.12.2012).

12 Süddeutsche Zeitung: »Gier schlägt Gewissen«, 16.09.2011, (www.sueddeutsche.de), http://tinyurl.com/6bsrl7n (letzter Zugriff: 22.12.2012); Neue Züricher Zeitung: UBS-Händler mit »grosser krimineller Energie«, 15.09.2011, (www.nzz.ch), http://tinyurl.com/acbd42f (letzter Zugriff: 22.12.2012).

13 finma: UBS-Handelsverluste in London: Die FINMA be-anstandet erhebliche Kontrollmängel, 26.11.2012, (www.finma.ch), http://tinyurl.com/anhpa2c (letzter Zugriff: 22.12.2012).

14 Anm. d. Red.15 Suchmann, M.: Managing Legitimacy: Strategic and

Instititional Approaches. In: Academy of Management Review, 20. Jg., 1995, H. 1, S. 571–610.

16 Kramer, R. M./Lewicki, R. J.: Repairing and Enhancing Trust: Approaches to Reducing Organizational Trust Deficits. In: The Academy of Management Annals, 4. Jg., 2010, H. 1, S. 245–277.

17 Gillespie, N./Dietz, G.: Trust Repair after an Organiza-tion-Level Failure. In: Academy of Management Review, 34. Jg., 2009, H. 1, S. 127–145.

18 Zeitpunkt der Betrachtung waren die Jahre 2007–2011. Wünschenswert wäre die Untersuchung mindestens einer internen Stakeholdergruppe, wie die Mitarbeiter, gewesen; dies scheiterte jedoch am Zugang.

19 Anm. d. Red.

Zusammenfassung

Vertrauenswürdigkeit stellt einen wichtigen und schwer imitierbaren Wettbewerbsvorteil dar. Die noch junge Forschung zum Thema »Zurückeroberung von or-ganisationsbezogenen Vertrauen« vernachlässigt bis-lang, dass Unternehmen mehreren Anspruchsgruppen gegenüberstehen, deren unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen. Am Beispiel der schweizerischen Bank UBS wird gezeigt, wie verschie-dene Stakeholder die Krisen der Bank einschätzen. Vertrauensbildende Maßnahmen können daher nur adressatengerecht ihre Wirkung entfalten. Da das von der UBS geschnürte Maßnahmenpaket zur Vertrauens-wiederherstellung nur einige Erwartungen befriedigen konnte, andere Stakeholderbedürfnisse unberück-sichtigt blieben, erstaunt es nicht, dass die UBS fünf Jahre nach der Krise immer noch um ihren guten Ruf kämpft. Auf der Grundlage dieses Falles werden drei Stufen der Vertrauensrückeroberung vorgestellt, die sich an den unterschiedlichen Bedürfnissen der Stake-holder ausrichten.

Summary

Organizational trustworthiness is an important com-petitive advantage that is difficult to imitate. Research on the subject of «Recapturing Organizational Trust” is still in its infancy and, until now, disregards the fact that companies are confronted with several stakehold-ers whose necessities have to be considered. Using the example of the Swiss bank UBS, we show how dif-ferent stakeholders estimate the banks´ incidents and crises. Reparation measures can unfold their impact only in a target-group related manner. The measures taken by UBS to restore trust only managed to fulfil some expectations; other stakeholder needs were still not satisfied. Accordingly, it is not surprising that even five years after the crisis UBS still has to compete for a good reputation. Based on our case, we present three stages of recapturing trust which align with the differ-ent needs of stakeholders.

Prof. Dr. Antoinette WeibelOrdinaria, Lehrstuhl für Manage-ment, Universität [email protected](Foto: Copyright Johanna Bossart)

Dipl.­Kffr. Christin WohlrathWissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Management, Universi-tät [email protected]

Anne Hager, M. A.Politik- und Verwaltungswissen-schaftlerin, Programmmitarbeiterin der Deutschen Kinder- und [email protected]

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