Heft 4 April 2011

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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ April 2011 | Heft 4 Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich Umwelt Erosionsrisikokarte im 2×2-Meter-Raster (ERK2) Seite 148 Pflanzenbau Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie Seite 176 Gesellschaft Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft Seite 184

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Heft 4 April 2011

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Page 1: Heft 4 April 2011

AgrArforschung schweiz

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Umwelt Erosionsrisikokarte im 2×2-Meter-Raster (ERK2) Seite 148

Pflanzenbau Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie Seite 176

Gesellschaft Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale

Leistungen in der Landwirtschaft Seite 184

Page 2: Heft 4 April 2011

ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.

HerausgeberinAgroscope

Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil

ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART)

b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,

Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften

Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro-nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]

Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).

AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]

AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]

Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch

ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA

InhaltApril 2011 | Heft 4

Bodenerosion führt zum Verlust von wertvollem Ober-boden und kann Gewässer mit Sediment oder Nähr- und Schadstoffen verunreinigen. Neu entwickelte Erosionsrisiko karten der landwirtschaft lichen Nutz-fläche der Schweiz zeigen das potenzielle Erosionsrisiko je nach Standortfaktoren wie Relief, Boden und Nieder-schlag. (Foto: Thomas Ledermann, CDE Bern)

147 Editorial

Umwelt

148 Erosionsrisikokarte im 2×2-Meter-Raster (ERK2)Simon Gisler, Hans Peter Liniger und Volker

Prasuhn

Umwelt

156 Identifizierung von Flächen, die über-proportional zur Gewässerbelastung beitragenMartin Frey, Nadine Konz, Christian Stamm

und Volker Prasuhn

Umwelt

162 Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020Simon Peter

Umwelt

170 Haltungssysteme und Messkonzept für Ammoniakemissionen bei freier LüftungSabine Schrade, Margret Keck, Kerstin Zeyer

und Lukas Emmenegger

Pflanzenbau

176 Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der AgrarmeteorologiePierluigi Calanca, Pascalle Smith, Annelie Holz-

kämper und Christof Ammann

Gesellschaft

184 Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der LandwirtschaftErnst Bolliger

190 Porträt

191 Aktuelles

195 Veranstaltungen

Page 3: Heft 4 April 2011

Editorial

147Agrarforschung Schweiz 2 (4): 147, 2011

Anton Candinas, Bundesamt für Landwirtschaft BLW

Liebe Leserin, lieber Leser

Zielgerichtetes Handeln setzt ausreichende Information voraus. Dazu gehört

das Wissen darüber, wohin wir wollen. Wir müssen aber auch wissen, wo wir

heute stehen und welche Handlungsmöglichkeiten uns zur Verfügung ste-

hen. Werfen wir einen Blick auf den Boden.

Gemäss UNO-Prognosen müssen im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen

ernährt werden. Das sind pro Jahr 80 Millionen mehr als heute, gleich viel

wie die Einwohnerzahl von Deutschland. Mit dem Einkommen steigt in den

Schwellenländern auch der Konsum tierischer Produkte. Damit steigt der

Bedarf an Produktionsfläche überproportional.

Bedrohte Böden

Dem steht weltweit eine begrenzte Fläche produktiver Böden gegenüber.

Grössere Landreserven gibt es nur noch in wenigen Ländern. Die vorhande-

nen Flächen sind zudem vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt. Millionen

Hektaren sind von Erosion bedroht, von Versalzung, Verdichtung, Schadstoff- 

eintrag und anderen Gefahren. Jährlich gehen zwei Millionen Hektaren

allein durch die Siedlungstätigkeit verloren.

Bezogen auf die Ernährung der Welt mag die Produktion von Nahrungs-

mitteln in der Schweiz unbedeutend erscheinen. Wir verfügen jedoch im

Mittelland über fruchtbare Böden und genügend Wasser für eine hohe Pro-

duktion. Das Mittelland gehört im weltweiten Vergleich zu den Gunstlagen.

Dieses Potenzial gilt es zu erhalten. Heute geht pro Stunde in der Schweiz

die Fläche verloren, die es für die Ernährung eines Menschen braucht. Das

hat auch damit zu tun, dass nebst der Landwirtschaft noch ganz andere,

mächtige Interessengruppen mit entscheiden.

Erosionsrisiken in der Schweiz

Bei anderen Problemen im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlich

genutzten Boden sieht es anders aus. Ein gutes Beispiel ist die Erosion. Das

Ziel ist klar, Erosion bedroht die Fruchtbarkeit der Böden und muss deshalb

vermieden werden. Die Möglichkeiten, Erosion zu vermeiden, sind bekannt.

Seit kurzem kennen wir die Orte und das Ausmass des Problems. Eine Karte

zeigt das potenzielle Erosionsrisiko auf Parzellenniveau detailliert auf (siehe

Artikel Seiten 148 bis 155 in dieser Ausgabe). Es liegt in der Hand der Land-

wirtinnen und Landwirte, durch angepasste Bewirtschaftungsmassnahmen

dafür zu sorgen, dass Erosion die Fruchtbarkeit der Böden nicht vermindert.

Diese Karte ist ein interessanter Vorschlag, mögliche Probleme in der

Landwirtschaft anzugehen. Dank guten Informationen unter anderem über

die Topografie, die Niederschläge und den Boden können die potenziell ero-

sionsgefährdeten Flächen identifiziert werden. Massnahmen zur Verbesse-

rung der Situation können auf diese Flächen beschränkt und zielgerichtet

aufgeführt werden. Voraussetzung dazu sind ausreichende Informationen.

Gute Information – Voraus setzung für zielgerichtetes Handeln

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148 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 148–155, 2011

U m w e l t

Simon Gisler1, Hans Peter Liniger1 und Volker Prasuhn2

1Centre for Development and Environment CDE, Universität Bern, 3012 Bern2Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich

Auskünfte: Volker Prasuhn, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 71 45

Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2)

nahmen verlangt. Die Umsetzung von Erosionsschutz-

massnahmen ist in der Praxis allerdings häufig ungenü-

gend. In der EU ist der Erosionsschutz neu im Rahmen

von «Cross Compliance» geregelt. Seit dem 01.07.2010

müssen zum Beispiel in Deutschland gemäss Direktzah-

lungen-Verpflichtungenverordnung in allen Bundeslän-

dern parzellenscharfe potenzielle Erosionsgefährdungs-

karten vorliegen und im Vollzug eingesetzt werden

(sogenanntes Erosionskataster). Eine vergleichbare

Regelung existiert in der Schweiz bisher nicht. Mit der

Erosionsgefährdungskarte der Schweiz, die kürzlich

erstellt worden ist (Friedli 2006, Prasuhn et al. 2007),

liegt zwar eine digitale Gefährdungskarte vor, diese ist

aber von der räumlichen Auflösung her (Hektarraster)

nur für nationale Übersichtszwecke, nicht aber für par-

E i n l e i t u n g

Bodenerosion führt zum Verlust von wertvollem Ober-

boden und kann Gewässer mit Sediment oder Nähr- und

Schadstoffen verunreinigen. Der Erhalt der Bodenfrucht-

barkeit ist im ureigenen Interesse jedes Landwirtschafts-

betriebes. Trotzdem werden die Folgen von Bodenero-

sion häufig nicht als vordringliches Problem eingestuft.

Die Bäuerinnen und Bauern werden zwar vom Gesetzge-

ber dazu aufgefordert, Erosion auf ihren Böden zu ver-

hindern. In der Verordnung über Belastungen des

Bodens (VBBo) sind Richtwerte für Bodenerosion auf

Ackerflächen festgeschrieben, und in der Direkt-

zahlungsverordnung (DZV) wird bei wiederholtem

Bodenabtrag auf Ackerflächen die Umsetzung von Mass-

Bodenerosion führt zur Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit. (Foto: ART)

Page 5: Heft 4 April 2011

Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2) | Umwelt

149

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Agrarforschung Schweiz 2 (4): 148–155, 2011

Die hoch aufgelöste Erosionsrisikokarte der

landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz

zeigt das potenzielle Erosionsrisiko aufgrund

der Standortfaktoren Relief, Boden und

Niederschlag – unabhängig von der jeweili-

gen Nutzung (Acker-, Dauergrünland oder

Reben) und Bewirtschaftung. Stark erosions-

gefährdete Bereiche innerhalb einer Parzelle

oder eines Hanges wie beispielsweise Tal-

wege können in der Karte gut identifiziert

werden. Erosionsschadenskartierungen im

Feld, Vergleiche mit anderen Erosionsrisiko-

karten und Diskussionen mit Landwirtinnen

und Landwirten haben die Plausibilität der

Karte bestätigt. Insgesamt wurden 44 % der

landwirtschaftlich genutzten Fläche im

Talgebiet auf der Basis eines 2x2-Meter-

Rasters als potenziell erosionsgefährdet

klassiert. Allerdings werden 38 % aller

Flächen im Talgebiet als Dauergrünland

genutzt und haben insofern kein reales

Erosionsrisiko. Eine digitale Karte der Acker-

flächen liegt derzeit nicht vor, so dass eine

Aufteilung in Acker- und Dauergrünland

nicht vorgenommen werden konnte. Mit der

ERK2 liegt nun eine für die ganze Schweiz

einheitliche Grundlage zur Beurteilung des

potenziellen Erosionsrisikos auf der Skala

Parzelle vor. Sie erlaubt, dass Landwirte und

die kantonale Beratung Flächen mit poten-

ziellem Erosionsrisiko frühzeitig wahrneh-

men, gemeinsam vor Ort beurteilen und

allfällige Massnahmen planen können. Eine

Überprüfung des modellierten Erosionsrisi-

kos im Feld bleibt aber unumgänglich.

zellenscharfe Massnahmenpläne geeignet. Daher wurde

im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW)

nun eine hoch aufgelöste Erosionsrisikokarte im

2x2-Meter-Raster (ERK2) erstellt (Gisler et al. 2010). Fol-

gende Anforderungen wurden an die Karte beziehungs-

weise das Modell gestellt:

•• wissenschaftlich abgesichert und anerkannt,

•• schweizweit möglichst einheitlich,

•• vergleichbar mit entsprechenden Karten aus EU-

Ländern,

•• digital bzw. GIS-basiert,

•• frei verfügbares und weit verbreitetes Programm,

•• möglichst einfach, d. h. mit vorhandenen Daten

realisierbar,

•• anwenderfreundlich, d. h. für Vollzug und Praxis

geeignet und akzeptiert,

•• hoch aufgelöst, d. h. auf Parzellenebene einsetzbar.

Einerseits soll die ERK2 helfen, potenziell erosionsge-

fährdete Gebiete zu lokalisieren, andererseits soll sie

durch ihre detaillierten Informationen bei einem bestä-

tigten Verdacht mögliche Ansätze für geeignete Mass-

nahmen aufzeigen. Die ERK2 ist ein Hilfsmittel für den

Landwirt und Behörden. Sie ersetzt jedoch keinesfalls

detaillierte Feldabklärungen vor Ort.

M e t h o d e n

Das Erosionsmodell AV-Erosion

Für die Berechnung des potenziellen Bodenabtrags

wurde die Software AVErosion 1.0, eine frei verfügbare

Extension für das ESRI GIS-Programm ArcView 3.x, ver-

wendet (Schäuble 2005). Das Modell wurde von

Schäuble (1999) entwickelt und wird derzeit von der

Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) im

Rahmen von Cross Compliance eingesetzt (Bischoff und

Gullich 2009). In der Schweiz wurde es in zwei Diplom-

arbeiten getestet (Chisholm 2008, Gisler 2009). AVEro-

sion berechnet auf Basis der «Modified Universal Soil

Loss Equation» (MUSLE) respektive der «Allgemeinen

Bodenabtrags gleichung» (ABAG) den langjährigen

mittleren Bodenabtrag (A) aus der Multiplikation der

Faktoren:

R = Regen- und Oberflächenabflussfaktor, Niederschlags-

erosivität

K = Bodenerodierbarkeitsfaktor

L = Grösse des Einzugsgebietes

S = Hangneigungsfaktor

C = Bedeckungs- und Bearbeitungsfaktor

P = Erosionsschutzfaktor

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Umwelt | Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2)

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Bei AVErosion erfolgt die Berechnung der Relief-

faktoren (L und S) in Einzugsgebietsdimension, das heisst

unter Einbezug von Nachbarschaftsbeziehungen aller

2x2-Meter-Rasterzellen und unter Berücksichtigung von

Hangrichtungswechseln. Sie beruht auf dem «Unit Contri-

buting Area Concept» und verwendet «Multiple-flow-

Algorithmen», im Gegensatz zur klassischen USLE, die auf

dem «Regular Slope Concept» beruht und «Single-flow-

Algorithmen» verwendet. Dadurch werden die Fliess-

wege des Wassers in Geländemulden (Talwege) besser

abgebildet. AVErosion benötigt fünf Eingabedatensätze:

•• Schlagraster (Berechnungseinheit)

•• Digitales Höhenmodell (DHM)

•• Raster mit den R-Faktordaten

•• Raster mit den K-Faktordaten

•• Raster mit den C-Faktordaten.

Schlagraster und Feldblöcke

Das Schlagraster gibt die zu berechnende Fläche vor.

Innerhalb seiner Grenzen werden die einzelnen Fakto-

ren generiert und zur resultierenden Erosionsabschät-

zung verrechnet. Schlagraster können Anbauparzellen,

Feldblöcke, Besitzparzellen, Feldstücke oder andere

abgrenzbare Einheiten sein. Für die ERK2 wurden Feld-

blöcke verwendet. Ein Feldblock ist eine zusammen-

hängende landwirtschaftlich genutzte Fläche, die von

relativ stabilen, in der Natur erkennbaren Aussengren-

zen (zum Beispiel Wald, Strassen, Siedlungsflächen,

Gewässer) umgeben ist. Ein Feldblock kann durch einen

oder mehrere Landwirte bewirtschaftet werden. Er kann

also mehrere Anbauparzellen oder auch Grundbuchpar-

zellen beinhalten sowie unterschiedliche Nutzungsarten

(Ackerland/Dauergrünland/Reben oder verschiedene

Ackerkulturen) kombinieren. Ein Feldblock stellt eine

Art  geschlossenes hydrologisches Einzugsgebiet dar, in

dem alle Rasterzellen innerhalb des Feldblockes hydrolo-

gisch verbunden sein können (sofern das Gefälle dies

ermöglicht) und sich somit bezüglich Erosion beeinflus-

sen können. Andere Feldblöcke oder Flächen ausserhalb

eines Feldblockes können die Wasserflüsse und Erosion

innerhalb des Feldblockes nicht beeinflussen. Ein Fremd-

wasserzufluss ist im Modell also nicht möglich. Als Min-

destgrösse für einen Feldblock wurden 25 Aren fest-

gelegt (Ausnahme: Reben). Flächen, welche dieses

Mindestmass unterschritten, wurden eliminiert und

somit von der Berechnung ausgeschlossen.

Die Feldblöcke wurden für die ganze Schweiz ein-

heitlich aus der Vector25-Karte erstellt. Der Datensatz

Vector25 ist das digitale Landschaftsmodell der Schweiz

und wird aus der Pixelkarte der 1:25 000er Landeskarte

und hinzugezogenen fotogrammetrisch ausgewerteten

Daten erstellt. Es gibt neun thematische Ebenen, wobei

Abb. 1 | Beispielhafte Darstellung der Faktoren S (Hangneigung), L (Einzugsgebietsgrösse und Hanglänge), K (Bodenerodierbarkeit) und R (Niederschlagserosivität). Die Multiplikation der Faktoren ergibt das potentielle Erosionsrisiko (siehe Abb. 2 und 3).

Massstab KantonFläche

(ha)Fläche (%) von

LN ERK2

1:5000 AG 1428

1:5000 BL/BS 17 890

1:5000 GL 990

1:5000 LU 4011

1:5000 SO 9020

1:5000 ZG 8782

1:5000 ZH 64 080

Total 1:5000 106 203 12,0

1:10 000 LU 3925

1:10 000 SG 35 469

Total 1:10 000 39 395 4,4

1:25 000 LU 17 307

Total 1:25 000 17 307 2,0

1:50 000 TG 44 396

1:50 000 GE 11 261

Total 1:50 000 55 658 6,3

Total Bodenkarten 218 564 24,7

Gesamte LN ERK2 886 661

Tab. 1 | Detaillierte digitale Bodenkarten, welche für die Berech-nung des Erosionsrisikos genutzt werden konnten.

Niedrig Hoch

Einzugsgebietsgrösse

Niedrig Hoch

Hangneigung

Niedrig Hoch

NiederschlagserosivitätBodenerodierbarkeit

Niedrig Hoch

Hangneigung Einzugsgebietsgrösse

Bodenerodierbarkeit Niederschlagserosivität

Niedrig hoch Niedrig hoch

Niedrig hoch Niedrig hoch

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Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2) | Umwelt

151Agrarforschung Schweiz 2 (4): 148–155, 2011

ten abgedeckt werden (Tab. 1). Für die restliche Fläche

wurden die aus der Bodeneignungskarte 1:200 000 abge-

leiteten K-Faktoren verwendet (Prasuhn et al. 2010).

Berechnungsgebiet der ERK2

Das berechnete Gebiet umfasst alle Flächen in der Tal-

und Hügelzone (zusammengefasst als Talgebiet bezeich-

net) gemäss den landwirtschaftlichen Zonengrenzen. In

einem erweiterten Datensatz sind die Bergzonen I und II

zusätzlich enthalten. Die Bergzonen III und IV sowie

das  Sömmerungsgebiet wurden grundsätzlich von den

Berechnungen ausgeklammert. Aus dem Datensatz

Vector25 wurden im verbleibenden Gebiet anschliessend

alle nicht landwirtschaftlichen Nutzungen wie Wald,

Siedlungsflächen, Gewässer, Strassen, Hecken etc. ausge-

schnitten, zusätzlich wurden auch Obstanlagen und gar-

tenbaulich genutzte Flächen eliminiert. Um Strassen,

Gewässer, Hecken und Wald wurden Pufferstreifen

gelegt und ebenfalls eliminiert. Das erweiterte Berech-

nungsgebiet umfasst mit einer Fläche von 886 661 ha

rund 84 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzflä-

che der Schweiz.

Klassengrenzen der ERK2

In Deutschland bestehen durch die Direktzahlungen-

Verpflichtungenverordnung (DirektZahlVerpflV) im Rah-

men von Cross-Compliance Bestimmungen zum Schutz

der Böden vor Wassererosion. Bis zum 01.07.2010 muss-

ten die Bundesländer alle Ackerflächen nach dem Grad

der Erosionsgefährdung einteilen und dies den Bewirt-

schaftern mitteilen. In der Anlage 1 dieser Verordnung

sind die Gefährdungsklassen beschrieben. Die Bestim-

mung der Faktoren S, L, R und K soll dabei in Anlehnung

an DIN19708 (2005) erfolgen. Für die ERK2 wurde die

deutsche Klassierung übernommen (Tab. 2).

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Die Resultate der Erosionsrisikoberechnungen werden in

zwei Varianten angeboten. Die erste Karte liefert die

Einteilung in die drei Gefährdungsstufen gemäss

Tabelle 2. Diese Karte soll einen raschen Überblick über

die sogenannten Primärflächen die landwirtschaftlich

genutzten Flächen beinhalten. Eine Trennung von

Ackerland und Dauergrünland ist mit den derzeit ver-

fügbaren digitalen Datensätzen nicht möglich. Insge-

samt wurden 180  920 Feldblöcke ausgeschieden. Der

Mittelwert der Feldblockgrösse beträgt 5,0 ha, der

Median 2,4 ha.

Digitales Höhenmodell DTM-AV

Das verwendete DTM-AV ist das Digitale Terrainmodell

der amtlichen Vermessung (swisstopo). Es wurde zwi-

schen 2000 und 2007 mittels »Airborne Laser Scanning»

erhoben. Aus den Rohdaten (Punktdaten) wurde ein Git-

termodell mit 2 × 2-m-Raster interpoliert. Die Genauig-

keit liegt im offenen Gelände bei ± 50 cm. Das DTM-AV

deckt die ganze Schweiz bis zu einer Höhe von 2000 m. ü.

M. ab. Das Höhenmodell bildet die Grundlage für die

Berechnung der Relieffaktoren L und S des Erosionsmo-

dells und gibt die Rasterzellengrösse vor (Abb. 1). Durch

die hohe Auflösung ermöglicht es eine sehr gute Abbil-

dung erosionsrelevanter, kleinräumiger Strukturen wie

Geländemulden oder -stufen.

Raster mit R-, K- und C-Faktoren

Das R-Faktorraster gibt die Niederschlagserosivität, also

die Verteilung erosionswirksamer Niederschlagsenergie

der Schweiz wieder und wurde von Friedli (2006) ohne

Änderungen übernommen (Abb. 1).

Das K-Faktorraster beinhaltet Informationen zur

Bodenerodierbarkeit. Es wurde aus der K-Faktorkarte

von Friedli (2006) und ergänzend aus detaillierten kan-

tonalen Bodenkarten erstellt (Abb. 1). Dazu wurden die

Kantone nach digitalen Bodenkarten angefragt. Aus

den Angaben zu Körnung, Humus- und Skelettgehalt

wurde die Erodierbarkeit für die verschiedenen Boden-

karten berechnet. Nur rund ein Viertel der von uns

berechneten Fläche konnte durch detaillierte Bodenda-

Klasse BeschreibungWert (S x L x K x R)

Darstellung

1 Keine Erosionsgefährdung 0–30 grün

2 Erosionsgefährdung 30–55 gelb

3 Hohe Erosionsgefährdung >55 rot

Tab. 2 | Wassererosionsgefährdungsklassen der ERK2 in Anlehnung an die gesetzlichen Vorgaben der deutschen Direktzahlungen-Ver-pflichtungenverordnung.

Abb. 2 | Ausschnitt der ERK2 mit einer Klassierung in drei Gefähr-dungsstufen (gleicher Ausschnitt wie Abb. 1 und 3).

Gefährdungsstufen

1 keine Gefährdung

2 Gefährdung

3 hohe Gefährdung0 250 500

Meter

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Umwelt | Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2)

152 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 148–155, 2011

die Erosionsdisposition des gewählten Ausschnittes bie-

ten (Abb. 2). Der hinterlegte Datensatz enthält keine

absoluten Zahlenwerte für den potenziellen Bodenab-

trag, sondern nur die drei Klassenwerte für das Erosions-

risiko. Dies ermöglicht einfache statistische Auswertun-

gen für beliebige Ausschnitte. So kann zum Beispiel für

eine Parzelle, einen Feldblock oder eine Gemeinde der

relative Flächenanteil der drei Klassen im GIS leicht

berechnet werden.

Die zweite Karte beinhaltet den Originaldatensatz

mit absoluten Werten für den potenziellen Bodenabtrag

pro Rasterzelle. Die vorgegebene Klassierung in neun

Klassen orientiert sich sowohl bei den Werten als auch

bei der Farbgebung an den Vorgaben von Tabelle 2.

Die  stärkere Unterteilung ergibt eine detaillierte Dar-

stellung und ist deshalb für die Ursachenanalyse einer

einzelnen gefährdeten Parzelle gut geeignet (siehe

Abb. 3 und 5).

Überblick über die ERK2

Einen schweizweiten Überblick über das modellierte

potenzielle Erosionsrisiko der landwirtschaftlichen Nutz-

fläche des Talgebiets zeigt die Karte in Abb. 4. Das Ero-

sionsrisiko wurde in neun Klassen dargestellt, eingeteilt

nach dem berechneten langjährigen mittleren poten-

ziellen Bodenabtrag in t/(ha*a). Die Einteilung und Farb-

gebung wurde dabei an die oben definierten Klassen

(Tab. 2) angepasst. Die aktuelle Flächenangabe zur

Ackerfläche der Schweiz (inklusive Kunstwiesen) beläuft

sich auf 405 214 ha sowie 13 084 ha Reben. Davon befin-

den sich 90 % (377 567 ha) im Talgebiet (SBV 2009). Daher

wurden in Abbildung 4 die Bergzonen I und II, welche

zwar auch berechnet wurden, nicht abgebildet. Die dar-

Abb. 3 | Ausschnitt der ERK2 mit einer Klassierung in neun Klassen für den potenziellen Bodenabtrag (gleicher Ausschnitt wie Abb. 1 und 2).

0 250 500Meter

Erosionsrisikoin t/(ha*a)

< 20

20 – 30

30 – 40

40 – 55

55 – 100

100 – 150

150 – 250

250 – 500

> 500

Abb. 4 | Die Erosionsrisikokarte (ERK2) für die landwirtschaftlich genutzten Flächen im Talgebiet der Schweiz. Die Karte zeigt das poten-zielle Erosionsrisiko ohne Berücksichtigung von Nutzung und Bewirtschaftung.

Erosionskarte der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz (ERK2)ohne Bergzonen und Sömmerungsgebiete

Erosionsrisiko in t/(ha*a)

< 20

20 – 30

30 – 40

40 – 55

55 – 100

100 – 150

150 – 250

250 – 500

< 500

0 40 80km

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Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2) | Umwelt

153Agrarforschung Schweiz 2 (4): 148–155, 2011

gestellte Fläche im Talgebiet umfasst 606 233 ha. 38 %

der abgebildeten Flächen sind Dauergrünland und 62 %

Ackerland oder Reben. Dies ist bei der Interpretation der

Resultate unbedingt zu berücksichtigen. 56 % der Fläche

wurden als nicht erosionsgefährdet klassiert, 12 % als

potentiell erosionsgefährdet und 32 % als stark poten-

ziell erosionsgefährdet. Viele der als stark potenziell ero-

sionsgefährdet klassierten Flächen befinden sich am

Übergang der Tal- zur Bergzone. Hier dürften viele Flä-

chen als Dauergrünland genutzt werden, was deren

aktuelles Erosionsrisiko praktisch unerheblich macht.

Validierung der ERK2

Die Validierung des Modells AVErosion erfolgte mit den

zehnjährigen Messdaten der Erosionsschadenskartierun-

gen vom Frienisberg für 203 Parzellen (Prasuhn 2011). Es

konnte eine befriedigende Übereinstimmung vor allem

für die hoch erosionsgefährdeten Parzellen gefunden

werden. Weiterhin wurde das Modell in diversen Gebie-

ten auf Plausibilität geprüft. In den Gebieten Estavayer

le Lac und Oberaargau, in denen von Ledermann et al.

(2010) zweijährige Erosionsschadenskartierungen durch-

Abb. 5 | Ausschnitt aus der ERK2 für einen Feldblock mit einer Geländemulde in Ge-fällsrichtung (schwarze Linien = Feldblock grenzen). Längs- und Querprofil charakteri-sieren die Mulde. Die Muldenstruktur ist durch das erhöhte Erosionsrisiko in der ERK2 gut erkennbar.

geführt wurden, stimmten die kartierten Erosionsschä-

den – vor allem Talwege – ebenfalls gut mit den Modell-

vorhersagen überein. Der Vergleich der ERK2 mit den

bestehenden Hinweiskarten 1:25 000 für die erosionsbe-

dingte Bodengefährdung in den Kantonen Solothurn,

Luzern und Genf ergab gute bis sehr gute visuelle Über-

einstimmungen. Von Frey et al. (2010) wurde AVErosion

auf vier sehr unterschiedlichen Betrieben eingesetzt.

Alle Betriebsleiter haben die Resultate akzeptiert bezie-

hungsweise für richtig befunden. Zusätzlich wurden die

mit einem anderen Ansatz (Noll et al. 2010) gemachten

Erosionsrisikoabschätzungen für die Gebiete Avenches

(VD) und Boiron de Morges (VD) mit den Vorhersagen

der ERK2 verglichen. In Avenches lagen dabei ebenfalls

Feldbeobachtungen zur Bodenerosion vor, um die ERK2

auf Plausibilität zu prüfen. Auch hier wurden weitge-

hende Übereinstimmungen festgestellt.

Interpretationsmöglichkeiten der ERK2

Da das Erosionsrisiko in hohem Masse von der Geländeto-

pologie bestimmt wird, kann man aus der Erosionsrisiko-

karte auch annähernd das vorliegende Relief abschätzen

Erosionsrisiko in t/(ha*a) Hillshade aus DTM-AV (swisstopo)

< 20

20 – 30

30 – 40

40 – 55

55 – 100

100 – 150

150 – 250

250 – 500

< 500

Profil Blau Profil Schwarz

569,5569

568,5568

567,5567

566,5

595590585580575570565560

0 10 20 30 40 50 60 70 200 150 100 50 0Skalen in Meter Skalen in Meter

Page 10: Heft 4 April 2011

154

Umwelt | Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2)

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 148–155, 2011

Hinweise für den Anwender

Auch in einem weltweit vielfach verwendeten und vali-

dierten Modell wie der ABAG wird die Realität immer

abstrahiert und vereinfacht. Das heisst, das prognosti-

zierte potentielle Erosionsrisiko in der ERK2 kann in eini-

gen Fällen nicht richtig beurteilt worden sein. So kann es

vorkommen, dass es in Gebieten, die auf der Karte als

nicht erosionsgefährdet eingestuft sind, in der Realität

trotzdem zu Erosionsereignissen kommt, oder dass

Gebiete noch stärker von Erosion betroffen sind, als dies

in der Karte dargestellt wird. Mögliche Ursachen dafür

sind zum Beispiel Fremdwasserzufluss von Strassen,

defekte Drainagen, Hangwasseraustritte. Andererseits

werden viele der als potentiell erosionsgefährdet klas-

sierten Flächen in der ERK2 vom Landwirt bereits ange-

passt bewirtschaftet (Dauergrünland oder konservie-

rende Bodenbearbeitung usw.), so dass dort nicht mit

realen Erosionsschäden zu rechnen ist. Eine Überprü-

fung der jeweiligen Situation im Feld wird in jedem Fall

angeraten.

AusblickWeiterführende Arbeiten zur Verbesserung der ERK2

wären die Ausscheidung von Dauergrünland und effektiv

ackerbaulich genutzten Parzellen. Eine Differenzierung

der jeweiligen Fruchtfolgen und Bodenbearbeitungsver-

fahren aufgrund genauerer Kenntnisse der Bewirtschaf-

tung würde es erlauben, den C-Faktor in die Bodenerosi-

onsgleichung einzubeziehen und damit die effektiv

gefährdeten Parzellen auf Grund der heutigen Nutzung

zu ermitteln. Weiterhin könnte der Anschluss an das

Gewässernetz modelliert werden, um mögliche Gewässer-

belastungen durch Bodenerosion abschätzen zu können. n

beziehungsweise den Grund dafür erkennen, ob oder

warum eine Erosionsgefährdung vorliegt. Dies hilft bei

der Interpretation der Darstellung des potenziellen Erosi-

onsrisikos in der ERK2. Wo sind Geländemulden? Wie ist

die grobe Form des Geländes? Wo befinden sich konkave

oder konvexe Hänge? In welche Richtung fliesst das Was-

ser? Wo liegen beispielsweise Hecken, Böschungen? Sol-

che Strukturen lassen sich aus der ERK2 oft sehr detailliert

abschätzen und erlauben eine erste Ursachenanalyse.

Beispiel Geländemulde

Geländemulden sind Vertiefungen im Gelände, welche

den Wasserfluss kanalisieren und ableiten (sogenannte

Talwege). Die zusammenfliessenden Wassermassen er-

höhen die Abflussenergie und den L-Faktor; deshalb

drücken sich solche Geländeformen in einem stark

erhöhten Erosionsrisiko aus (siehe Abb. 5, links). Die

Muldenstruktur (blaues Profil) mit dem entsprechenden

Längsgefälle (schwarzes Profil) führt zu diesem Effekt.

Bei solchen in der ERK2 gut erkennbaren und typischen

Strukturen wird eine detaillierte Überprüfung der Situa-

tion im Feld dringend angeraten, da solche Strukturen

häufig zu hohen Bodenabträgen (Talwegerosion) füh-

ren. Weitere Beispiele für gut erkennbare Geländestruk-

turen finden sich in Gisler et al. (2010).

Vergleich mit realen Erosionsereignissen

Der Vergleich zwischen Foto und Karte soll zeigen, wie man

sich einen Kartenausschnitt der ERK2 in der Realität vorstel-

len muss. Das Beispiel in Abbildung 6 zeigt einen stark ero-

sionsgefährdeten Hangabschnitt mit typischen Erosionsfor-

men und den entsprechenden Ausschnitt aus der ERK2.

Weitere Beispiele finden sich in Gisler et al. (2010).

Abb. 6 | Vergleich von fotografisch festgehaltenen Erosionsschäden mit ERK2-modelliertem Ero-sionsrisiko. Die Mulde mit Talwegerosion wird vom Modell gut abgebildet. (Foto: Thomas Leder-mann, CDE Uni Bern)

Erosionsrisikoin t/(ha*a)

< 2020 – 3030 – 4040 – 5555 – 100100 – 150150 – 250250 – 500> 500

Page 11: Heft 4 April 2011

155

Erosionsrisikokarte im 2x2-Meter-Raster (ERK2) | Umwelt

Ria

ssu

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Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 148–155, 2011

Carta ad alta risoluzione del rischio di erosione

con reticolo a celle di 2×2 m (CRE2)

La carta ad alta risoluzione del rischio di erosione

(CRE2) della superficie agricola utile della Svizzera

mostra il potenziale rischio di erosione, basandosi

su fattori locali quali rilievo, suolo e precipitazioni,

indipendentemente dalla forma di utilizzazione

(superficie campicola, prato permanente o

vigneto) e di gestione. Sulla carta possono essere

identificate distintamente le zone fortemente a

rischio di erosione all'interno di una parcella o su

un pendio, come per esempio i thalweg. La

pertinenza della CRE2 è stata confermata dalla

cartografia sul campo dei danni provocati dall'ero-

sione, dai confronti con altre carte sul rischio di

erosione e dai colloqui intrattenuti con gli

agricoltori. Sulla base di un reticolo a quadrati di

2×2 metri è stato classificato come potenzial-

mente a rischio d'erosione, il 44 % della superficie

agricola utile in zona di pianura. Tuttavia, il 38 %

di tutte le superfici in pianura è sfruttato come

superficie permanentemente inerbita e non è,

pertanto, a rischio reale di erosione. La CRE2

rappresenta una base unificata, valida per tutta la

Svizzera per individuare potenziali rischi di

erosione a livello di parcellare. Essa consente ad

agricoltori e consulenti cantonali di intervenire

tempestivamente in caso di rischio di erosione, di

condurre una valutazione comune sul campo e di

prendere eventuali misure. Una verifica sul campo

del rischio di erosione rilevato sulla base di

modelli resta, tuttavia, indispensabile.

Literatur b Bischoff R. & Gullich P., 2009. Erosionsschutz in der Thüringer Landwirt-schaft. 3. Sächsisch-Thüringische Bodenschutztage Erfurt, 106–112.

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b Frey M., Stamm C., Konz N. & Prasuhn V., 2010. Machbarkeitsstudie Kar-tierung beitragender Flächen. Studie im Auftrag des BAFU. EAWAG und ART Zürich-Reckenholz.

b Friedli S., 2006. Digitale Bodenerosionsgefährdungskarte der Schweiz im Hektarraster – Unter besonderer Berücksichtigung des Ackerlandes. Dip-lomarbeit CDE Universität Bern.

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b Schäuble H., 1999. Erosionsprognosen mit GIS und EDV – Ein Vergleich verschiedener Bewertungskonzepte am Beispiel einer Gäulandschaft. Dip-lomarbeit, Geographisches Institut Eberhard-Karls-Universität, Tübingen.

Erosion risk map in a 2×2-meter grid (ERM2)

The high-resolution erosion risk map (ERM2) of

Switzerland’s utilised agricultural area shows

potential erosion risk based on the locational

factors of relief, soil and precipitation – irrespective

of particular land use (arable land, permanent

grassland or vines) or crop management. Areas at

high risk of erosion within a plot or on a hillside,

such as talwegs for example, are easy to identify on

the map. Erosion damage mapping in the field,

comparisons with other erosion risk maps and

discussions with farmers have confirmed the

validity of the map. Altogether, 44 % of the utilised

agricultural area in the valley region was classified

as a potential erosion risk on the basis of a

2×2-meter grid. 38 % of all the land in the valley

region is used as permanent grassland, however,

and to this extent poses no real erosion risk. A

digital map of arable land is not currently available,

so the land could not be broken down into arable

and permanent grassland. ERM2 now provides a

standard basis for assessing the potential erosion

risk on plot scale for the whole of Switzerland. It

enables farmers and cantonal advisors to identify in

advance the land at risk of potential erosion, assess

it jointly in situ and plan the requisite action. It

remains essential, however, to carry out a field

inspection of the erosion risk modelled.

Key words: soil erosion, erosion risk map,

modeling.

Page 12: Heft 4 April 2011

156 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 156–161, 2011

Oberflächenabfluss von intensiv genutzten Graslandflächen führt zu hohen Phosphorabschwemmungen. (Foto: Volker Prasuhn, ART)

E i n l e i t u n g

In der Landwirtschaft eingesetzte Pflanzenschutzmittel

(PSM) und Nährstoffe – insbesondere Phosphor (P) und

Stickstoff (N) – können vom Boden abgeschwemmt oder

ausgewaschen werden und Gewässer verschmutzen.

PSM können empfindliche Organismen in den Gewäs-

sern beeinträchtigen und ein übermässiger Nährstoff-

eintrag führt zu Eutrophierung in Seen. Sedimentein-

trag aus Bodenerosion kann zur Kolmation der

Gewässersohle führen, das heisst zur Verstopfung der

Poren, wodurch Laichplätze für Fische zerstört werden.

Aus Sicht der Landwirtschaft werden Massnahmen

zur Verminderung der Gewässerbelastungen gesucht,

die eine grosse positive Wirkung im Gewässer bei mög-

lichst geringen Kosten und Einschränkungen der land-

wirtschaftlichen Produktion haben. Aus dieser Perspek-

tive ist die Erkenntnis aus der Hydrologie bedeutsam, die

besagt, dass nur ein kleiner Teil eines Einzugsgebietes

während eines Regenereignisses zum Abfluss beiträgt

(Hewlett und Hibbert 1967). Da die Gewässer belasten-

den Stoffe hauptsächlich mit dem Wasser transportiert

werden, liegt es nahe, dass auch zur stofflichen Gewäs-

serbelastung nur ein Teil eines Einzugsgebietes beiträgt.

Damit bietet sich die Möglichkeit, mit gezielten Mass-

nahmen auf wenigen, ausgewählten Teilflächen eine

wesentliche Verbesserung der Gewässerbelastung her-

beizuführen, ohne Landwirtschaftsflächen grossflächig

mit zusätzlichen Auflagen zu belegen.

In der wissenschaftlichen Literatur ist dieses Konzept

bereits verbreitet. Flächen mit grossem Verlustpotenzial

werden als beitragende Flächen (engl. critical source

areas, contributing areas oder hydrologically sensitive

areas) bezeichnet. Flächen sind dann beitragende Flä-

chen, wenn sie hydrologisch aktiv und mit dem Gewäs-

sernetz verbunden sind und zusätzlich eine Stoffquelle

vorhanden ist. Da das Verlustrisiko von Stoffen stark von der aktuellen

Bewirtschaftung abhängt, wird zwischen dem aktuellen –

von der Fruchtfolge, Düngung, Bodenbearbeitung und

ähnlichem abhängigen – und dem potenziellen, stand-

ortspezifischen Risiko unterschieden. Letzteres ist nur von

den zeitlich weitgehend konstanten Standorteigenschaf-

ten (Boden, Relief, Klima, Gewässernetz) abhängig.

Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU

haben wir untersucht, wieweit es der heutige Wissens-

stand erlaubt, das Konzept der beitragenden Flächen für

Nährstoffe, PSM und Erosion flächenhaft in der Schwei-

Martin Frey1, Nadine Konz2, Christian Stamm1, Volker Prasuhn2

1Eawag, 8600 Dübendorf2Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich

Auskünfte: Christian Stamm, E-Mail: [email protected], Tel. +41 58 765 55 65

Identifizierung von Flächen, die über-proportional zur Gewässerbelastung beitragen

U m w e l t

Page 13: Heft 4 April 2011

Identifizierung von Flächen, die über proportional zur Gewässerbelastung beitragen | Umwelt

157

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 156–161, 2011

Sedimenteinträge durch Erosion sowie

Abschwemmungen von Pflanzenschutzmit-

teln und Nährstoffen aus der Landwirtschaft

belasten unsere Gewässer. Verschiedene

Feldstudien weisen darauf hin, dass die

Flächen, von denen diese Einträge stammen,

räumlich begrenzt sind. Insbesondere

Phosphor, Pflanzenschutzmittel und Sedi-

mente gelangen vorwiegend durch schnelle

Abflussprozesse auf einem geringen Anteil

der landwirtschaftlichen Fläche in die

Gewässer. Diese sogenannten beitragenden

Flächen betragen im Schnitt etwa 20 % der

Gesamtfläche. Am besten abgesichert ist das

Konzept der beitragenden Flächen bei der

Erosion, bei der die Verluste nach Regener-

eignissen noch gut zu erkennen sind. Bei

Phosphor ist dieses Konzept vor allem im

Ausland weit verbreitet, wird jedoch nur

durch wenige Messdaten bestätigt. Weit

weniger Daten liegen für Pflanzenschutzmit-

tel vor. Nicht geeignet ist das Konzept für

Stickstoff. Um beitragende Flächen zu

identifizieren, stehen verschiedene Werk-

zeuge zur Verfügung. Wir haben einige

davon auf vier Betrieben getestet. Insbeson-

dere die Identifikation von Flächen, die zur

Erosion beitragen, wurde von den Landwir-

ten als realistisch eingeschätzt. Beitragende

Flächen für Erosion und Abschwemmung

sind oft nicht deckungsgleich. Die Identifika-

tion von beitragenden Flächen wird limitiert

durch die begrenzten räumlichen Informatio-

nen. In der Schweiz stehen nur für wenige

Gebiete Bodeninformationen mit genügend

hoher Auflösung zur Verfügung.

zer Landwirtschaft zur Verminderung der diffusen

Gewässerbelastung einzusetzen. Um das Konzept in der

landwirtschaftlichen Beratung und Kontrolle umsetzen

zu können, müssen beitragende Flächen mit verfüg-

baren Daten verlässlich ausgeschieden werden können.

Wir zeigen deshalb auf, mit welchen Werkzeugen bei-

tragende Flächen identifiziert werden können und wel-

che Grundlagen dazu benötigt werden. Beispielhaft

wurden diese Werkzeuge bei vier Testbetrieben ange-

wendet. Diese Erfahrungen lassen wir in Empfehlungen

für das weitere Vorgehen einfliessen.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Werkzeuge zur Kartierung beitragender Flächen

Erosionsmodell AVErosion

Im Bereich der Erosion sind Vorhersagemodelle am wei-

testen entwickelt. Es gibt eine Vielzahl von Studien zur

Evaluation dieser Werkzeuge. Einfache Ansätze zur Vor-

hersage beitragender Flächen basieren auf der Allge-

meinen Bodenabtragsgleichung (ABAG, engl. Universal

Soil Loss Equation USLE). Eine Abwandlung davon ist das

Modell AVErosion, das aktuell in der Schweiz verwendet

wurde, um eine flächendeckende, hoch aufgelöste Erosi-

onsgefährdungskarte zu erstellen (Gisler et al. 2010).

P-Index

Auch für beitragende Flächen für P-Verluste stehen ver-

schiedene Werkzeuge zur Verfügung. Weitverbreitet ist

der sogenannte P-Index, der in den USA entwickelt

wurde und heute in vielen Ländern in angepasster Form

verwendet wird (Gburek und Sharpley 1998). Dabei wer-

den räumliche Eigenschaften zu Transportrisiko und

P-Quellen in Risikokategorien eingeteilt, gewichtet und

aggregiert. Der resultierende Index kann benutzt wer-

den, um die Risikoanfälligkeit verschiedener Felder zu

vergleichen.

Pflanzenschutzmittel

Dem P-Index analoge Indices für PSM-Verluste gibt es

bisher nicht. Da die Transportprozesse für P und PSM

sehr ähnlich sind, kann aber auf die Erfahrung im

P-Bereich zurückgegriffen werden. Potenzielle Risikoflä-

chen für die Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln

sind hydrologisch aktive Flächen. Zur Identifizierung sol-

cher Flächen gibt es verschiedene Ansätze (Agnew et al.

2006 oder Srinivasan und McDowell 2009). Vielverspre-

chend ist der Ansatz, das Transportrisiko in ein Risiko für

sättigungsbedingten Abfluss und ein Risiko für Abfluss

aufgrund einer Infiltrationshemmung aufzuteilen. Das

sättigungsbedingte Risiko wird dabei mit dem Topoin-

dex (Beven und Kirkby 1979) abgebildet, der die Lage im

Relief widerspiegelt und das Infiltrationsrisiko durch die

Bodenkarte. In einem ähnlichen Ansatz werden anhand

von Boden- und Reliefinformationen ermittelt, wo wel-

che Abflussprozesse zu erwarten sind (engl. dominant

runoff processes, DRP; z.  B. Schmocker-Fackel et al.

2007). Risikoflächen für PSM-Abschwemmungen sind

Flächen, die schnell reagieren und Oberflächen- oder

Drainagenabfluss auslösen. In der Schweiz gibt es für

den Kanton Zürich schon eine komplette DRP-Karte.

Page 14: Heft 4 April 2011

Umwelt | Identifizierung von Flächen, die über proportional zur Gewässerbelastung beitragen

158 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 156–161, 2011

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Überlegungen zu Frachtdynamik und Massenbilanz

Feldmessungen zeigen, dass P, PSM und Sedimente vor-

wiegend während grossen Abflussereignissen in Gewäs-

ser gelangen. Dabei sind vor allem schnelle Abflusspro-

zesse wie Oberflächenabfluss oder Transport durch

Grobporen in Drainagen aktiv. Diese Prozesse treten

räumlich begrenzt auf. Im Unterschied dazu gelangt N

hauptsächlich mit dem Basisabfluss, der sich aus dem

Grundwasser speist, in Oberflächengewässer.

Eine grobe Abschätzung der minimalen Ausdehnung

der beitragenden Flächen für die verschiedenen Stoffe

kann aus einfachen Massenbilanzüberlegungen gewon-

nen werden. Messungen im Ausfluss von Einzugsgebie-

ten zeigen, dass häufig grosse Mengen – teilweise über

30 % der im Einzugsgebiet eingesetzten N-Menge – im

Ausfluss gefunden werden können. Beim P betragen die

Verluste hingegen meist nur 3 bis 5 % und bei den PSM

liegen sie sogar häufig unter 1 % der ausgebrachten

Menge. Abschwemmungen von P und PSM können sich

also auf einen kleinen Teil des Einzugsgebietes beschrän-

ken. Beim N hingegen muss eine relativ grosse Fläche

beitragend sein. Bei der N-Belastung handelt es sich des-

halb um ein flächenhaftes Problem, das mit angepass-

tem Management auf einem kleinen Teil des Gebietes

meist nicht gelöst werden kann.

Analyse bestehender Felduntersuchungen

Erosion

Es ist nicht einfach, die im Abfluss gemessenen Stoffver-

luste beitragenden Flächen im Einzugsgebiet zuzuord-

nen. Bei der Erosion gelingt die Identifikation am besten,

da Erosionsspuren auch nach einem Niederschlagsereig-

nis noch gut erkennbar sind (Abb. 1). Die langjährige

Erosionsstudie in der Region Frienisberg zeigt, dass der

von Erosion betroffene Flächenanteil im Mittel pro Jahr

ungefähr 16 % betrug (Prasuhn et al. 2007). Bei einzel-

nen Abtragsereignissen lag der Anteil häufig erheblich

niedriger. Weltweit liefern Erosionsuntersuchungen

ähnliche oder tiefere Werte. Wird der Anschluss an ein

Gewässer einbezogen, verringert sich der Flächenanteil

beitragender Flächen noch einmal stark, da schon kleine

topographische Barrieren den Sedimenteintrag ins

Gewässer aufhalten können.

Phosphor

Im Gegensatz zur Erosion können die Verluste bei gelös-

ten Stoffen nachträglich kaum zurückverfolgt werden,

da keine Spuren des Transportvorgangs erhalten blei-

ben. Es existieren deshalb nur wenige Feldstudien, die

das Konzept der beitragenden Flächen empirisch bestä-

tigen. Aufschlussreich sind verschiedene Studien zur

P-Abschwemmung in Pennsylvania (USA), wo die P-Ver-

luste wie bei uns während wenigen starken Regenereig-

nissen stattfinden. Dabei wird der Abfluss hauptsächlich

durch Oberflächenabfluss auf gesättigten Flächen ent-

lang des Gewässers gebildet (Gburek und Sharpley 1998).

Grosse Niederschlagsereignisse bei bereits hohen Boden-

wassergehalten führen zu einer grossen Ausdehnung.

Für durchschnittlich grosse Abflussereignisse, die alljähr-

lich vorkommen, betrug der Anteil beitragender Flächen

zirka 20 %. Sie waren für rund die Hälfte der totalen

P-Verluste während einer zehnjährigen Messreihe ver-

antwortlich. Bei zwei Extremereignissen trug praktisch

das ganze Gebiet zum Abfluss bei.

Die räumliche Variation der Verluste von PSM wurde

im Greifenseegebiet intensiv analysiert. Messungen

zeigten, dass aus den Maisfeldern eines Untereinzugsge-

bietes, die 44 % der Maisfläche des gesamten Einzugsge-

bietes ausmachen, 76 % der Verluste stammen (Leu et al.

2004). Dank einer weiteren Studie im gleichen Gebiet

konnten die beitragenden Flächen weiter eingeschränkt

werden (Gomides Freitas et al. 2008). Dabei wurde

gezeigt, dass auf wenigen Aren eines Feldes die Verlust-

rate bis zu 30-mal höher sein kann als auf dem Rest des

Feldes. Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass hyd-

Abb. 1 | Die über Bodenerosion zur Gewässerbelastung beitragen-den Flächen lassen sich im Feld gut kartieren. Erosionsrille, die in einen Einlaufschacht und über diesen ins Gewässer mündet. (Foto: Thomas Ledermann, CDE Uni Bern)

Page 15: Heft 4 April 2011

Identifizierung von Flächen, die über proportional zur Gewässerbelastung beitragen | Umwelt

159Agrarforschung Schweiz 2 (4): 156–161, 2011

Arbeiten deuten darauf hin, dass hier erhebliche Unsi-

cherheiten bestehen. Die Konnektivität zum Gewässer

wird oft ganz vernachlässigt. Messungen auf Feldskala

mit Anschluss ans Gewässer liegen kaum vor und die

Anzahl Messungen ist meist gering.

Bei den P-Verlusten muss zudem zwischen partikulä-

rem und gelöstem P unterschieden werden. Partikulärer P

wird als Bestandteil des Bodens erodiert, gelöster P in der

Wasserphase abgeschwemmt und ist für die Eutrophie-

rung von Gewässern massgebend. Da die Erosionsvorher-

sagen weit fortgeschritten sind können, Risikoflächen für

den partikulären P-Transport identifiziert werden.

Pflanzenschutzmittel

Für PSM haben wir im Rahmen dieser Studie Risikovor-

hersagen mittels Topoindex und DRP durchgeführt. Die

mit diesen Verfahren ermittelten beitragenden Flächen

sind plausibel. Die verfügbaren Daten zu PSM-Verlusten

lassen aber nur eine qualitative Evaluation der Ansätze

zu. Die Risikovorhersagen der beiden Ansätze (Topoin-

dex und DRP) sind in der Abbildung 4 beispielhaft für ein

Gebiet im Zürcher Weinland abgebildet.

Anwendung auf Testbetrieben

Die Werkzeuge wurden auf vier Testbetrieben in der

Schweiz getestet. Für die Erosionsvorhersagen wurde

das Modell AVErosion verwendet, für P der P-Index aus

Pennsylvania und für PSM der Topographische Index und

der DRP-Ansatz. Um die Vorhersagen zu plausibilisieren,

wurde auf die Erfahrungen der Landwirte zurückgegrif-

fen, da diese ihre Parzellen bezüglich Vernässung und

Erosion in der Regel sehr genau kennen.

rologische Verbindungen zwischen Feldteilen und

Gewässersystem entscheidend sind (Frey et al. 2009).

Kleinräumige topographische Barrieren können verhin-

dern, dass abgeschwemmte PSM ins Gewässer gelangen.

Im untersuchten Gebiet war insgesamt lediglich ein Drit-

tel der Fläche mit dem Gewässer verbunden (Abb. 2).

Das zurückgehaltene Wasser reinfiltrierte in den Boden.

Bei drainierten Böden kann so ein Teil davon über Mak-

roporen und die Drainage ins Gewässer gelangen.

Insgesamt zeigt die durchgeführte Literaturrecher-

che, dass das Konzept der beitragenden Flächen für Ero-

sion, P- und PSM-Verluste empirisch erhärtet ist. Die vor-

handenen Daten zeigen, dass in vielen Fällen zirka 80 %

der Verluste von rund 20 % der Fläche stammen. Beim

Stickstoff hingegen ist meist von einem flächenhaften

Problem auszugehen.

Evaluation bestehender Werkzeuge

Erosion Um die Genauigkeit des Erosionsmodells AVErosion abzu-

schätzen, wurden die Modellvorhersagen mit den zehn-

jährigen Erosionsmessreihen auf 203 Flächen in der Region

Frienisberg verglichen. Risikoflächen mit hohen Erosions-

verlusten konnten dabei gut vorher gesagt werden.

Phosphor

Zur Evaluation der verschiedenen P-Indices ist die Daten-

lage deutlich schlechter als für Erosion. Dies geht aus

unserer Analyse von veröffentlichten Studien hervor, die

wir in Abbildung 3 zusammengefasst haben. Die Abbil-

dung zeigt, wie gut die jeweiligen P-Indices beitragende

Flächen – hier als die 20 % der Flächen mit den grössten

Verlustraten definiert – vorhersagen konnten. Studien

auf Testparzellen betrachten meist nur den Einfluss des

P-Gehaltes des Bodens und der Düngung, jedoch nicht,

wie gut das Transportrisiko vorhergesagt wird. Einzelne

Abb. 2 | Der Fahrweg bildet eine topographische Barriere, die ver-hindert, dass Oberflächenabfluss vom Feld links in den Bach auf der rechten Seite der Strasse fliessen kann. (Foto: Martin Frey, Eawag)

Gesamt-P P gelöst

AUC

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

NA NA NA NA NA NA

PerfektesModell

Modell ohneInformations-gehalt

*

**Unterschiede im

Transportrisikovorhergesagt

Abb. 3 | Evaluation verschiedener P-Indices für Gesamt-P und gelösten P anhand von publizierten Studien in der Literatur. NA: keine Werte verfügbar. AUC: ein Gütemass der Vorhersage («Area under the curve»).

Page 16: Heft 4 April 2011

160

Umwelt | Identifizierung von Flächen, die über proportional zur Gewässerbelastung beitragen

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 156–161, 2011

Die Qualität der Vorhersagen von beitragenden Flä-

chen ist stark von den verwendeten Inputdaten abhän-

gig. Die Schweiz verfügt über ein flächendeckendes digi-

tales Höhenmodell im 2×2-Meter-Raster. Daten zur

Landnutzung sind ebenfalls von guter Qualität (Vector25,

Arealstatistik). Bodendaten sind dagegen sehr heterogen

(z.  B. Massstab 1:  5000 bis 1:200 000). In allen Gebieten

wurde die beste verfügbare Bodeninformation verwendet.

Die räumlichen Erosionsvorhersagen wurden von

den Landwirten durchwegs als realistisch beurteilt. Die

Risikovorhersagen mit dem verwendeten P-Index sind

stark mit der Erosion gekoppelt. Gute Erosionsvorher-

sagen führen so zu realistischen Risikoflächen für den

partikulären P-Transport. Felder mit Abschwemmung

von gelöstem P werden im verwendeten P-Index aber

zu  wenig berücksichtigt. Bei den Risikoflächen für Ab-

schwemmungen von PSM gab es keine offensichtlichen

Fehlklassifizierungen, wenn sich die Landwirtinnen und

Landwirte auf ihre lokale Kenntnisse bezüglich Vernäs-

sung von Feldern und allenfalls beobachtete Abschwem-

mungen während Niederschlagsereignissen abstützen.

Bei hochaufgelösten Bodendaten liefern der Topoin-

dex- und der DRP-Ansatz für PSM-Verluste ähnliche Risi-

koflächen (Abbildung 4). Bei unzureichenden Bodenda-

ten ist die räumliche Differenzierung beim DRP-Ansatz

stark eingeschränkt. Mit der topographischen Informa-

tion allein kann die räumliche Verteilung von Oberflä-

chenabfluss auf gesättigten Flächen identifiziert werden,

infiltrationslimitierter Oberflächenabfluss wird aber

nicht erfasst. Die Vorhersage solcher Flächen ist nur mit

guten Bodendaten möglich und beinhaltet auch dann

noch grosse Unsicherheiten, da sie stark von der Bewirt-

schaftung abhängen.

Beim Vergleich der beitragenden Flächen für Erosion,

P und PSM fällt auf, dass sie häufig nicht deckungsgleich

sind. Erosion und partikulärer Transport finden meist in

steilen Hanglagen statt, während Abschwemmung vor

allem am Hangfuss auftritt, wo es oft flach ist.

Praktische UmsetzungBeitragende Flächen können für Erosion, P- und PSM-

Verluste empirisch nachgewiesen werden. Bei der

Bewirtschaftung der Flächen sollte deshalb darauf

geachtet werden, dass spezifische Massnahmen zur

Verminderung der diffusen Gewässerbelastung getrof-

fen werden.

Einen wichtigen Schritt stellt hierbei die Fertigstel-

lung der hoch aufgelösten Erosionsgefährdungskarte

dar, die seit Kurzem für die landwirtschaftlich genutzte

Fläche der Schweiz zur Verfügung steht (Gisler et al.

2010). Sie liefert zuverlässige Resultate für die relative

Einstufung des Erosionsrisikos.

Auch beim P und bei den PSM können vorhandene

Methoden zur Vorhersage von beitragenden Flächen die

Beratung unterstützen. Risikokarten eignen sich sehr

gut als Visualisierungsmittel. Anpassungen an die

Schweizer Verhältnisse sind jedoch noch notwendig.

Parallel zur Weiterentwicklung dieser Methoden ist

die Datenlage zur Charakterisierung der Bodeneigen-

schaften zu verbessern. Alle Methoden zur Vorhersage

der beitragenden Flächen benötigen parzellenscharfe

Bodeninformationen, die bislang nur für wenige Flä-

chen in der Schweiz in ausreichender Qualität zur Verfü-

gung stehen: Für über die Hälfte der landwirtschaftli-

chen Nutzfläche der Schweiz gibt es derzeit keine

geeignete Bodenkarte, nur für 12 % liegt eine detail-

lierte digitale Karte im Massstab 1:5000 vor, für weitere

4 % existieren digitale Karten im Massstab 1:10 000. Die Untersuchungen auf vier Testbetrieben haben

gezeigt, dass beitragende Flächen für Erosion und

Abschwemmung nicht unbedingt deckungsgleich sind.

Dies erschwert die spezifische Bewirtschaftung beitragen-

der Flächen. Für die Berücksichtigung beitragender Flä-

chen in der landwirtschaftlichen Praxis könnte deshalb

eine Anpassung der Schlagstruktur im Rahmen überbe-

trieblicher Zusammenarbeit eine Chance bieten. n

Abb. 4 | Risikovorhersagen für den Gewässereintrag von Pflanzenschutzmitteln mit dem Topo-index-Ansatz (links) und dem DRP-Ansatz (rechts).

Topoindex-Ansatz DRP-AnsatzRisikosehr geringgeringmittelhochsehr hoch

500 m

Page 17: Heft 4 April 2011

161

Identifizierung von Flächen, die über proportional zur Gewässerbelastung beitragen | Umwelt

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Identification of critical source areas for diffuse

water pollution

Input into streams due to erosion and runoff of

pesticides and nutrients from agricultural fields

pose a threat to our water bodies. Field studies

indicate that these losses originate from limited

parts of a given catchment. This holds especially

for fine sediments, pesticides and phosphorus,

which are mainly transported by fast flow

processes that are generated only on certain

locations. These critical source areas (CSAs) seem

to cover in many cases about 20 % of the total

area. The best empirical evidence for CSAs exists

for erosion, where losses can be observed after

an erosive event. For P losses, the concept is also

used fairly wide-spread in many countries

outside Switzerland. However, the empirical data

base supporting the concept is rather limited.

Even less data exist for pesticides. For nitrogen,

the CSA concept is not appropriate. For identify-

ing CSA in space, several tools are available. We

have tested some of them on four different test

farms. The risk areas for erosion agreed well

with the field experience of the local farmers.

The risk areas for runoff and erosion did not

overlap in many situations. Identifying risk areas

in Switzerland is in many situations severely

hampered by the coarse soil maps that are

available.

Key words: critical source area, water pollution,

phosphorus, pesticides, soil erosion.

Identificazione di aree che contribuiscono in

modo sproporzionato all'inquinamento delle

acque

Le immissioni di sedimenti dovute all'erosione

e al convogliamento di prodotti fitosanitari e

sostanze nutritive provenienti dall'agricoltura

inquinano i nostri corsi d'acqua. Diversi studi

sul campo evidenziano che queste immissioni

provengono da aree circoscritte. In particolare

il fosforo, i prodotti fitosanitari e i sedimenti

giungono nei corsi d'acqua principalmente a

causa del rapido ruscellamento che interessa

aree ristrette delle superfici agricole. Queste

aree a rischio, le cosiddette critical source areas

(CSA), rappresentano mediamente il 20 per

cento circa della superficie totale. La migliore

prova empirica delle CSA esiste in relazione

all'erosione, dove le perdite possono essere

osservate in seguito a precipitazioni. Per il

fosforo questo concetto è ampiamente diffuso

soprattutto all'estero, ma è confermato solo da

poche misurazioni Ancor meno dati sono

disponibili per i prodotti fitosanitari. Il con-

cetto non è adatto per quanto concerne

l'azoto. Per identificare le CSA si può ricorrere

a diversi strumenti. Ne abbiamo testati alcuni

in quattro aziende. Gli agricoltori hanno

valutato realistica soprattutto l'identificazione

di aree che contribuiscono all'erosione. Le CSA

per l'erosione e quelle per il convogliamento

spesso non coincidono. L'identificazione di

queste aree è limitata dalle scarse informazioni

territoriali. Cartine dei suoli con una risolu-

zione sufficientemente elevata in Svizzera

sono disponibili solo per poche regioni.

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 156–161, 2011

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Page 18: Heft 4 April 2011

162 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

E i n l e i t u n g

Das Angebot an Stickstoff (N) ist ein limitierender Faktor

bei der Ertragsbildung landwirtschaftlicher Kulturen.

Folglich bestimmt die N-Zufuhr auf landwirtschaftlichen

Böden massgeblich die Höhe des Pflanzenertrages. Ein

Teil des in der Landwirtschaft eingesetzten Stickstoffs

gelangt in die organische Substanz von pflanzlichen und

tierischen Produkten oder des Bodens. Ein anderer Teil

geht aus Sicht der Landwirtschaft unproduktiv verloren

– entweder in der Form von ökologisch unproblemati-

schem elementarem Stickstoff (N2) oder aber in der Form

von umweltschädlichem Ammoniak (NH3), Nitrat (NO3),

Lachgas (N2O) oder Stichoxid (NOx) (BLW 2008). Bei drei

der vier umweltrelevanten N-Formen – Ammoniak, Nit-

rat und Lachgas – ist die Landwirtschaft gesamtschwei-

zerisch gesehen die Hauptemittentin. Folglich kommt

der Landwirtschaft eine spezielle Verantwortung zur

Minderung der umweltschädlichen N-Emissionen zu,

wobei Ammoniak und Nitrat rein mengenmässig gese-

hen die bedeutsamsten landwirtschaftlichen N-Fraktio-

nen sind (Abb. 1).

Umweltschutz, Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und Reduktion des Arbeitsanfalls. Leider gibt es keine Stickstoffminderungsmassnahmen, die sich auf alle Zielebenen positiv auswirken. Der Einsatz einer Massnahme erfordert deshalb stets ein Abwägen aller Wirkungen.

Simon Peter, Institute for Environmental Decisions IED, ETH Zürich

Auskünfte: Simon Peter, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 632 48 28

Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020

U m w e l t

Page 19: Heft 4 April 2011

Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020 | Umwelt

163

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

Bestehende Ziellücken

Die Bundesämter für Umwelt (BAFU) und für Landwirt-

schaft (BLW) haben für die Landwirtschaft in diversen

ökologisch relevanten Bereichen Umweltziele formu-

liert, welche aus Gesetzen, Verordnungen, internationa-

len Abkommen und Bundesratsbeschlüssen hergeleitet

worden sind. Die im Bericht Umweltziele Landwirtschaft

(BAFU/BLW 2008) festgelegten Ziele zeigten auf, dass

gerade im Bereich der landwirtschaftlichen Stickstoffe-

missionen teilweise beträchtliche Lücken zwischen den

gesetzlich festgehaltenen Umweltzielen und der Ist-Situ-

ation bestehen. Beim Ammoniak beispielsweise, müss-

ten die Emissionen aus der Landwirtschaft von gegen-

wärtig rund 48 kt N (Kupper et al. 2009) auf 25 kt N

(BAFU/BLW 2008) annähernd halbiert werden, damit

eine substanziell schädigende Wirkung in sensiblen Öko-

systemen verhindert werden kann. Auch bei den Zielset-

zungen für die nationale Nitratfraktion ist die Lücke

beträchtlich.

Vor diesem Hintergrund hat das BLW die Gruppe

Agrar-, Lebensmittel- und Umweltökonomie der ETH

Zürich mit der Durchführung einer quantitativen Studie

beauftragt (Peter et al. 2010). Die Arbeit soll Entschei-

dungsgrundlagen zur Beantwortung der Frage liefern,

welche agrarökologischen Etappenziele im N-Bereich bis

im Jahr 2020 realistischerweise angepeilt werden könn-

ten. Dies mit Blick auf die langfristigen Umweltziele

Landwirtschaft (UZL) aber auch unter Berücksichtigung

der dabei anfallenden Kosten und der zu erwartenden

Auswirkungen auf die Agrarproduktion.

Die Landwirtschaft ist Hauptemittentin der

drei reaktiven Stickstoffverbindungen

Ammoniak, Nitrat und Lachgas. Deshalb

kommt ihr eine spezielle Verantwortung zur

Minderung der umweltschädlichen Stickstoff-

emissionen zu. Dies umso mehr, weil in

diesem Bereich teilweise beträchtliche

Lücken zwischen den gesetzlich festge-

haltenen Umweltzielen und der Ist-Situation

bestehen. Im vorliegenden Artikel geht es

deshalb um die Frage, welche agraröko-

logischen Etappenziele im N-Bereich bis im

Jahr 2020 angepeilt werden könnten. In der

durchgeführten Studie wurden ausgewählte

technisch-organisatorische Minderungsmass-

nahmen in ein bestehendes agrarwirtschaft-

liches Allokationsmodell implementiert.

Damit konnte das Potenzial einer landwirt-

schaftlichen Emissionsreduktion und deren

sektorspezifischen Kosten berechnet werden.

Die Modellergebnisse zeigen, dass mit den

untersuchten Massnahmen im Rahmen des

Ressourcenprogramms der «AP2011» eine

maximale Emissionsreduktion von rund 10 %

beim Ammoniak, Nitrat und den anderen

umweltrelevanten N-Emissionen erwartet

werden darf. Darüber hinausgehende

Emissionsreduktionen scheinen ohne weitere

Massnahmen lediglich über eine Extensivie-

rung bzw. über einen Produktionsrückgang

erreichbar. Dies würde jedoch mit uner-

wünscht starken Auswirkungen auf das

landwirtschaftliche Einkommen einhergehen.

Deshalb spielt das realisierbare Zusatzpoten-

zial von bisher unberücksichtigten Minde-

rungsmassnahmen eine zentrale Rolle, wenn

es darum geht, Etappenziele für das Jahr

2020 festzulegen. Das Erreichen der formu-

lierten Langfristziele dürfte noch längere Zeit

eine Herausforderung für Forschung, Politik

und Praxis bleiben.

47,5 (52%) 37,7 (41%)

3,2 (4 %) 2,5 (3 %)

Ammoniak

Nitrat

Lachgas

Stickoxide

Abb. 1 | Umweltrelevante N-Verluste [kt] der Schweizer Landwirt-schaft im Jahr 2007. Quelle: Kupper et al. (2009 und eigene Berech-nungen (Peter et al. 2010)

Page 20: Heft 4 April 2011

Umwelt | Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020

164 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

M e t h o d e n u n d A n n a h m e n

Modell

Für die quantitativen Betrachtungen im Rahmen der

Studie wurde das agrarwirtschaftliche Allokations -

modell S_INTAGRAL verwendet (Peter 2008). S_INTAG-

RAL berücksichtigt die wichtigsten tierischen und

pflanzenbaulichen Aktivitäten und die landwirtschafts-

spezifischen Systemdynamiken (z.B. Entwicklung der

Stallkapazitäten oder der Tierbestände, Futter- und

Nähr stoffbilanzen). Ergänzt wird der Modellansatz mit

ausgewählten technisch-organisatorischen Minderungs-

massnahmen, um deren Reduktionspotential auf natio-

naler Ebene abzuschätzen (z.B. Schleppschlaucheinsatz).

Die Emissionsberechnung selbst basiert im Ammoniak-

Bereich auf der von der Schweizerischen Hochschule für

Landwirtschaft (SHL) entwickelten Methodik Agrammon

(Kupper et al. 2009). Im Nitrat-Bereich kommt ein kultur-

spezifischer Ansatz der ART zum Einsatz (Braun et al.

1994), welcher diverse Korrekturfaktoren für zusätzliche

Einflussgrössen wie z.B. den Zwischenfutteranbau oder

die Weidehaltung mitberücksichtigt (Spiess und Prasuhn

2006).

Massnahme Indikator

Verbreitungsgrad

2000 2007 2020

Worst Referenz Best

Schleppschlauch Anteil Schleppschlauch [% der Gülle] 9% 13% 25% 38% 58%

Stickstoff (N) und Phosphor (P) reduziertes Futter (NPr-Futter)

Anteil NPr bei Mastschwein [% des Tierbestandes] 0% 47% 70% 80% 95%

Güllelagerabdeckung

Anteil abgedeckt (fest/perf.) [% der Gülle] 84% 82% 83% 84% 88%

Anteil offen [% der Gülle] 16% 18% 16% 13% 7%

Anteil Schwimmfolie [% der Gülle] 0% 0% 1% 3% 5%

Gülleverdünnung1 zu 1 verdünnt [% der Gülle] 100% 100% 100% 100% 100%

1 zu 2 od. 1:3 verdünnt [% der Gülle] 0% 0% 0% 0% 0%

NH3-arme StallsystemeNH3-armer Laufstall für KüheNH3-armer Stall für Schweine

[% der Laufställe] 0% 0% 5% 10% 15%

[% der Schweineställe] 0% 0% 10% 15% 20%

Gülleausbringung am Tagam Abend (nach 18.00 Uhr)

[% der Gülle] 84% 81% 90% 85% 80%

[% der Gülle] 16% 19% 10% 15% 20%

Misteinarbeitungbis 1 Tag nach Ausbringungspäter als 1 Tag n. Ausbringung

[% des Mists] 21% 24% 21% 29% 40%

[% des Mists] 79% 76% 79% 71% 60%

Stallsystem Milchvieh Anteil Lauf- und Anbindeställe

modellendogene Entwicklung, in Abhängigkeit der wirtschaftlichen

Rahmenbedingungen

Weidemanagement Anteil keine Weide, Halbtagesweide oder Ganztagesweide

Kraftfuttereinsatz Anteil 6 %, 20 % oder 30 % des Energiebedarfs (Milchvieh)

Milchleistung Anteil 5000kg, 7000kg oder 9000kg Jahresleistung

Zwischenkulturen Anbaufläche

Tab. 1 | Berücksichtigte Massnahmen zur Ammoniakreduktion und ihre geschätzten Verbreitungsgrade. Quelle: Peter et al. (2010)

Preise und Direktzahlungen

Die Modellresultate basieren auf einem Szenario wel-

ches gegenüber heute von gleich bleibenden Agrarprei-

sen ausgeht. Die Direktzahlungen orientieren sich an

den Beitragsansätzen der «AP2011». Folglich sind in der

vorliegenden Analyse noch keine aktuellen Überlegun-

gen zur Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems

(WDZ) mit eingeflossen.

Massnahmenauswahl

Die für die Modellrechnungen berücksichtigten tech-

nisch-organisatorischen Minderungsmassnahmen (Tab. 1)

entsprechen in etwa dem Massnahmenkatalog des Res-

sourcenprogramms der «AP2011» zur Reduktion der

Ammoniakemissionen. Das bedeutet, dass nicht alle in

der Literatur (z.B. Keck et. al 2006) diskutierten Mass-

nahmen berücksichtigt werden, entweder aus Gründen

fehlender Praxisreife oder infolge unvollständiger

Datenbasis.

Bei den Nitratemissionen gibt es keine einfach

anwendbaren technischen Minderungsmassnahmen wie

beispielsweise der Schleppschlaucheinsatz beim Ammo-

niak. Hier besteht der effektivste Weg darin, das land-

Page 21: Heft 4 April 2011

Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020 | Umwelt

165Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Emissionsentwicklung

Die Berechnungen für das Jahr 2020 ergaben gegenüber

dem Jahr 2007 einen Rückgang der Ammoniakemissio-

nen um 11 % respektive 5,3 kt N im Best-Case-Szenario

(Abb. 3). Davon werden allerdings lediglich 3,9 kt NH3-N

durch die ausgewählten Massnahmen reduziert. Die

übrigen 1,4 kt (bzw. 25% der Emissionsminderung) erge-

ben sich aus einem geringen Rückgang des Rindviehbe-

standes bis 2020, welcher infolge des Zuchtfortschritts

bei der Milchleistung stattfindet. Die Nitratemissionen

werden durch die berücksichtigten Minderungsmassnah-

men kaum beeinflusst, da sich Letztere hauptsächlich auf

die Ammoniakemissionen auswirken. Die Nitratfracht

liegt deshalb in allen drei Szenarien auf etwa demselben

Niveau von rund 33,5 kt NO3-N (ca. -4 kt bzw. -10 % gg.

2007). Die Begründung für den Rückgang beim Nitrat

liegt erstens in der abnehmenden Futtergetreide- und

Körnermaisanbaufläche, zweitens in einer Zunahme der

Ökoausgleichsflächen sowie drittens in einem Rückgang

beim Mineraldüngereinsatz infolge der abnehmenden

Ackerfläche. Die gesamten umweltrelevanten N-Verluste

gehen in der Summe ebenfalls um rund 11 % zurück (-9,5

kt N). Insgesamt unterscheiden sich die umweltrelevan-

ten N-Emissionen zwischen den drei Szenarien nur

geringfügig. Dies liegt daran, dass sich die Worst- und

Best-Case-Annahmen bezüglich der zu erwartenden

Massnahmenverbreitung nur unwesentlich von denjeni-

gen im Referenz-Szenario unterscheiden (Tab. 1).

wirtschaftliche Portfolio entsprechend anzupassen (z.B.

weniger Ackerbau, mehr Zwischenfutteranbau, extensi-

vere Wiesenbewirtschaftung).

Massnahmenverbreitung

Um die Unsicherheit bei der Verbreitung der ausge-

wählten Massnahmen bis im Jahr 2020 zu berücksichti-

gen, wurden durch Fachexperten des BLW’s und der

SHL drei Szenarien mit unterschiedlichen Verbreitungs-

graden definiert (Tab 1). Im Referenz-Szenario wird für

jede berücksichtigte Massnahme eine – der Einfachheit

halber – lineare, zeitliche Entwicklung angenommen,

welche aus heutiger Optik und unter Berücksichtigung

der Förderanreize im Rahmen des Ressourcenpro-

gramms am wahrscheinlichsten ist. Neben diesem Refe-

renz-Szenario werden zusätzlich ein Worst-Case Szena-

rio mit einer pessimistischen Zunahme der ausgewähl-

ten Minderungsmassnahmen und ein Best-Case Szena-

rio mit einer optimistischen Verbreitung bis im Jahr

2020 definiert (Abb. 2, Beispiel Schleppschlauch).

In Abbildung 2 wird die Verbreitung des Schlepp-

schlaucheinsatzes schematisch dargestellt. Daraus

geht hervor, dass es sich beim Best-Case Szenario nicht

um das technisch gesehen maximal mögliche Umset-

zungspotential (‹maximum technical feasible reduc-

tion›, mtfr) handelt, sondern um die bestmöglich

anzunehmende Verbreitung der berücksichtigten

Massnahmen bis im Jahr 2020. Dies gilt es bei der

Interpretation der Modellergebnisse entsprechend zu

berücksichtigen.

Abb. 2 | Verbreitungsgrad des Schleppschlauchverteilers im Referenz-, Best- und Worst-Case Szenario. Quelle: Peter et al. (2010)

20202000 2007

Zeit

50%

100%

75%

25%

Best-Case

Referenz

Worst-Case

maximum technicalfeasible reduction (mtfr = 100 %)

Mas

snah

men

verb

reitu

ng

Page 22: Heft 4 April 2011

Umwelt | Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020

166 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

Der Grund für die mit rund 10% relativ geringe Emissi-

onsminderung bis im Jahr 2020 liegt darin, dass

•• gewisse praxisfähige und kostengünstige Massnah-

men heute schon zu einem teilweise beträchtlichen

Anteil umgesetzt sind (z.B. Güllelagerabdeckung zu

83 %, NPr-Einsatz zu 50 %, Schleppschlaucheinsatz zu

13 %),

•• das Verbreitungspotenzial aufgrund topographischer,

agronomischer oder organisatorischer Einschränkun-

gen nicht bei 100% liegt, sondern tiefer (z.B. Schlepp-

schlauch, Gülleausbringung am Abend, sofortige

Misteinarbeitung, Weidegang wegen fehlender

Arrondierung),

•• sich der aus N-Sicht unerwünschte Trend zu mehr

Laufställen und weniger Anbindeställen auch künftig

fortsetzten dürfte und weil

•• gewisse Massnahmen nicht schlagartig, sondern

lediglich im Laufe der Erneuerung von Produktionska-

pazitäten mit vernünftiger Kostenfolge umsetzbar

sind (z.B. Bau emissionsarmer Laufställe)

Vermeidungskosten

Da die längerfristigen Zielsetzungen bezüglich Emissi-

onsminderungen gemäss BAFU/BLW (2008) deutlich über

eine 10 %-ige Reduktion hinausgehen, wurde mittels

einer Sensitivitätsanalyse zudem eruiert, zu welchen

Kosten eine solche Reduktion im Jahr 2020 erreichbar

wäre. Hierzu wurden die marginalen Vermeidungskos-

ten – ausgedrückt als sektorale Einkommenseinbusse je

reduzierte N-Einheit – berechnet.

Der Verlauf der Vermeidungskosten in Abbildung 4

zeigt, dass die Ammoniakemissionen bis zu einer rund

10 %igen Reduktion mit 3 – 12 CHF/kg N günstiger

re duziert werden können, als die Nitratemissionen

(10 – 12 CHF/kg N). Dies kommt daher, dass die Ammoni-

akemissionen dank dem Einsatz der berücksichtigten

Minderungsmassnahmen billiger reduzierbar sind, als

die Nitratemissionen, bei denen praktisch keine techno-

logischen Minderungsmassnahmen zur Verfügung ste-

hen. Sobald aber im Ammoniakbereich das Minderungs-

potenzial der berücksichtigten Massnahmen von rund

10% ausgeschöpft ist, steigen die Vermeidungskosten

46,5 44,6 43,3 41,2

37,7 33,4 33,6

33,8

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

2007 2020: Worst-Case

2020: Referenz

2020: Best-Case

umw

eltr

elev

ante

N-V

erlu

ste

[kt N

]

dir. Lachgas und Nox Nitrat (NO3) Ammoniak (NH

3)

Abb. 3 | Emissionsentwicklung im Referenz-, Worst- und Best-Case Szenario. Quelle: Peter et al. (2010)

Page 23: Heft 4 April 2011

Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020 | Umwelt

167Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

vermehrt extensiven, nitratarmen Grünlandbewirt-

schaftung vollzogen wird. Diese Grünlandbewirtschaf-

tung zeichnet sich durch einen kleineren Arbeits- und

Kapitaleinsatz aus als im Ackerbau und teilweise auch

durch höhere Direktzahlungen. Damit ist die gewählte

Strategie zur Nitratreduktion mit deutlich geringeren

Einkommenseinbussen beziehungsweise Vermeidungs-

kosten verbunden, als eine entsprechende Ammoniak-

reduktion.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Substanzielle Emissionsreduktionen von mehr als 10 %

gegenüber 2007 scheinen ohne weitere technische Mass-

nahmen lediglich über eine Extensivierung beziehungs-

weise einen Produktionsrückgang erreichbar. Vor die-

sem Hintergrund ist die Frage nach weiteren

Minderungstechnologien und -ansätzen, welche in der

Literatur zusätzlich diskutiert werden, von zentraler

Bedeutung. Denn der starke Anstieg der Vermeidungs-

kosten im Ammoniakbereich könnte durch weitere Mass-

viel stärker an als beim Nitrat. Sie betragen bei einer

40 %igen Emissionsreduktion fast 80 CHF/kg N, was mit

einer sektoralen Einkommenseinbusse von gut 600 Mio

CHF pro Jahr einhergehen würde. Demgegenüber liegen

die Vermeidungskosten einer 40 %igen Nitratreduktion

bei lediglich 20 CHF/kg N beziehungsweise rund 200 Mio

CHF jährlich.

Sobald die berücksichtigten Minderungsmassnah-

men im Ammoniakbereich ausgeschöpft sind, wird eine

zusätzliche Reduktion der Ammoniakemissionen

wesentlich teurer als eine Reduktion der Nitratemissio-

nen. Der Grund dafür liegt darin, dass für weiterge-

hende Ammoniakreduktionen ein Abbau der wert-

schöpfungsstarken tierischen Aktivitäten erforderlich

würde (Rindvieh- und/oder Schweinebestand). Dies

hätte grosse Einkommenseinbussen zur Folge, was wie-

derum den starken Anstieg der Vermeidungskosten

beim Ammoniak erklärt. Demgegenüber kann Nitrat

relativ kostengünstig reduziert werden. Dies geschieht

im Modell, indem ein Wechsel von einer emissionsin-

tensiven, ackerbaulichen Bodennutzung hin zu einer

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100%

98%

96%

94%

92%

90%

88%

86%

84%

82%

80%

78%

76%

74%

72%

70%

68%

66%

64%

62%

60%

47 46 45 44 43 42 41 40 39 38 38 37 36 35 34 33 32 31 30 29 28,6

35 35 34 33 33 32 31 31 30 29 29 28 27 27 26 25 25 24 23 23 22

Mar

gina

le V

erm

eidu

ngsk

oste

n

[CHF

/kg

N]

Emissionsniveau [in % und in kt N/a]

(100% = Stand im Jahr 2020 ohne Technologieeinsatz)

Ammoniak Nitrat

Abb. 4 | Marginale sektorale Vermeidungskosten einer Ammoniak- und Nitratreduktion. Quelle: Peter et al. (2010)

Page 24: Heft 4 April 2011

168

Umwelt | Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

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b BLW 2008, Agrarbericht, Bundesamt für Landwirtschaft, Bern. b Keck M., Schrade S. & M. Zähner (2006): Minderungsmaßnahmen in der Milchviehhaltung. In: KTBL (Hrsg.): Emissionen der Tierhaltung. Mes-sung, Beurteilung und Minderung von Gasen, Stäuben und Keimen. KTBL-Schrift 449, S.211–227.

b Kupper T., Bonjour C., Achermann B., Zaucker F., Rihm B., Nyfeler-Brun-ner A., Leuenberger C. & Menzi H., 2009. Ammoniakemissionen in der Schweiz: Neuberechnung 1990–2007. Prognose bis 2020. Im Auftrag des

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b Peter S., 2008. Modellierung agrarökologischer Fragestellungen unter Berücksichtigung struktureller Veränderungen in der Schweizer Land-wirtschaft. Dissertation ETH-Nr. 17820. ETH Zürich. Veröffentlichung gegen Ende 2008.

b Peter S., Valsangiacomo A. & Weber M., 2010. «Stickstoff 2020» – Mög-lichkeiten und Einschränkungen zur Vermeidung landwirtschaftlicher Stickstoffemissionen in der Schweiz. IAW-Schriftenreihe 2010/4 der Gruppe Agrar-, Lebensmittel- und Umweltökonomie, ETH Zürich.

b Spiess E. & Prasuhn V., 2006. Einfluss der Ökologisierung in der Landwirt-schaft auf den Nitratgehalt des Grundwassers. Bulletin BGS Nr. 29, 21–26

nahmen umso mehr hinausgezögert werden, je kosten-

günstiger zusätzliche beziehungsweise in dieser Studie

unberücksichtigte Massnahmen sind und je grösser deren

technisches Verbreitungspotential wäre. Zur Abschät-

zung dieses Zusatzpotentials wäre als nächster Schritt die

Erarbeitung einer vollständigen und von allen Seiten

anerkannten Datengrundlage bezüglich Minderungspo-

tenzial und Minderungskosten solcher zusätzlichen Mass-

nahmen angezeigt (Forschungsbedarf).

Potenzial zusätzlicher Massnahmen ist entscheidend

Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführun-

gen wird klar, dass die für das Jahr 2020 anzustrebenden

Etappenziele in hohem Masse davon abhängen, wie

gross das Zusatzpotenzial von bisher unberücksichtigten

Minderungsmassnahmen eingeschätzt wird.

Ohne ein derartiges Zusatzpotential, wäre eine Emis-

sionsreduktion lediglich durch die in dieser Studie

berücksichtigten technisch-organisatorischen Massnah-

men und durch ‹automatisch› stattfindende Portfolio-

Veränderungen bei Weiterführung der aktuellen Agrar-

politik erreichbar (weniger Futterbau, mehr extensive

Wiesen). In diesem Fall fielen die formulierbaren Etap-

penziele gegenüber dem Jahr 2007 eher defensiv aus (je

ca. 10 % gegenüber 2007 bei Ammoniak, Nitrat und den

totalen umweltrelevanten N-Verlusten, i.A. an die Ent-

wicklung gemäss Best-Case Szenario).

Demgegenüber können die Etappenziele für das Jahr

2020 umso offensiver ausfallen, a) je grösser das ange-

sprochene Potenzial zusätzlicher Minderungsmassnah-

men ist, welche im Rahmen dieser Arbeit nicht berück-

sichtigt werden konnten und b) je grösser ein allfälliger

Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion sein darf

(z.B. Anreize für Produktionssenkungen in tierintensiven

Regionen).

Langfristziel bleibt Herausforderung

Auch wenn man davon ausgeht, dass beim Ammoniak

mit zusätzlichen Minderungsmassnahmen eine mehr als

10 %ige Reduktion realisierbar wäre, wird voraus sichtlich

eine beträchtliche Ziellücke zum UZL-Langfristziel von

25 kt NH3-N verbleiben. Es kann deshalb nicht ausge-

schlossen werden, dass das UZL-Ziel – selbst längerfristig

betrachtet – mit einer Aufrechterhaltung des gegenwär-

tigen landwirtschaftlichen Portfolios nicht erreichbar ist.

Gleiches gilt für die Reduktion der Nitratemissionen, wo

es kaum einfache beziehungsweise ohne Zielkonflikte

anwendbare technische Minderungsmassnahmen gibt.

In diesem Bereich wäre eine substanzielle Emissionsre-

duktion deshalb hauptsächlich durch eine starke Verla-

gerung von Acker- und Kunstwiesenflächen in Natur-

wiese und damit mit einer empfindlichen Reduktion des

Selbstversorgungsgrades bei den Ackerkulturen erreich-

bar.

Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen wird

deutlich, dass es keine eindeutige Antwort auf die Frage

nach den ‹richtigen› Etappenzielen für das Jahr 2020

gibt. Denn die zu veranschlagenden Etappenziele hän-

gen neben der Frage nach dem Minderungspotenzial

zusätzlicher Ansätze auch stark davon ab, wie ökologi-

sche, landwirtschaftliche und volkswirtschaftliche Inter-

essen gewichtet und bewertet werden. Das Festlegen

von konkreten Etappenzielen im N-Bereich wird deshalb

Gegenstand der Weiterentwicklung der Agrarpolitik

bleiben und sollte unter Beteiligung aller darin invol-

vierten Institutionen erfolgen. n

Page 25: Heft 4 April 2011

169

Entwicklung der landwirtschaftlichen Stickstoff-Emissionen bis im Jahr 2020 | Umwelt

Ria

ssu

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Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 162–169, 2011

Development of agricultural nitrogen

emission until 2020

Agriculture is the main emitter of three

reactive nitrogen (N) compounds: ammo-

nia, nitrate and nitrous oxide. Therefore,

the agricultural sector is especially in

charge for contributing to the mitigation

of environmentally harmful N emissions.

This is even accentuated by the fact that

considerable gaps can be observed

between the long term goals stated by

law and the current situation. In this

article, we investigate which interim

emission targets could be aimed for in the

year 2020. To this end, we implemented

selected mitigation practices into an

already existing agricultural allocation

model. We applied the model in order to

assess the mitigation potential of an

agricultural nitrogen reduction and the

corresponding sector related abatement

cost. Model runs show that only a 10 %

reduction of ammonia, nitrate and the

further N compounds can be expected

until 2020, given the selected measures

within the «Resources program» of the

current agricultural policy regime. Without

any additional mitigation measures,

further emission reductions seem only to

be attainable via an extensification or via

a decline in agricultural production. But

this would go along with undesired impli-

cations on sectoral income. The interim

emission targets to be set for 2020 are

therefore highly depending on the

realizable potential of mitigation practices

that have not been taken into account so

far. However, the achievement of the

stated long-term goals will remain a

challenge for research, policy and praxis.

Key words: nitrogen emissions, mitigation

practices, agriculture, abatement cost.

Previsioni di sviluppo delle emissioni

d’azoto in agricoltura fino al 2020

L‘agricoltura è la principale emittente dei

tre composti azotati reattivi: ammoniaca,

nitrato e protossido d’azoto. Per questo

motivo l’agricoltura ha una responsabilità

particolare e deve preoccuparsi che queste

emissioni siano ridotte, tanto più che in

questo settore vi sono a volte notevoli

lacune tra gli obiettivi imposti dalla legge e

la situazione attuale. Nel presente articolo

è posta la domanda, a quali obiettivi

agroecologici intermedi, nell’ambito delle

emissioni di azoto, sia possibile mirare

entro il 2020. Questo studio ha implemen-

tato in un modello d’allocazione d’econo-

mia agraria, delle misure selezionate di

riduzione nel campo tecnico-organizzativo.

In questo modo è stato possibile calcolare il

potenziale di una riduzione delle emissioni

agricole e i suoi costi conseguenti settoriali-

specifici. I risultati del modello mostrano

che con le misure di riduzione esaminate

nel contesto dei programmi delle risorse

«PA2011», ci si può attendere una riduzione

massima del 10 % d’ammoniaca, nitrato ed

altre importanti emissioni con azoto. Senza

misure aggiuntive, maggiori riduzioni

sembrano essere raggiungibili unicamente

attraverso produzioni meno intensive,

rispettivamente diminuendo la produzione.

Purtroppo, la conseguenza di questa

riduzione provocherebbe un impatto

indesiderato sul reddito dell’agricoltura. Per

questa ragione, la valutazione del poten-

ziale addizionale di misure non ancora

considerate è di grande importanza quando

si definiscono gli obiettivi intermedi per

l’anno 2020. Il raggiungimento degli

obiettivi a lungo termine rimarrà ancora

per molto tempo una sfida per la ricerca, la

politica e la pratica.

Page 26: Heft 4 April 2011

170 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 170–175, 2011

Die häufigste Situation der Laufstallhaltung von Milchvieh in der Schweiz: Liegeboxenlaufstall mit planbefestigten Laufflächen und Laufhof am Rand. (Foto: ART)

U m w e l t

E i n l e i t u n g

Sowohl aus landwirtschaftlicher als auch aus umweltpo-

litischer Sicht besteht ein vordring licher Bedarf an aktu-

ellen Emissionsdaten von Ammoniak (NH3) aus der

Milchviehhaltung. Diese die nen für den Vergleich, die

Bewer tung und die Optimierung von Haltungssystemen

sowie als Bei trag für Emissions inven tare. Zur Ableitung

von Emissionsfaktoren und zur Hochrechnung der NH3-

Emissionen sind einerseits aktuelle Angaben zur Verbrei-

tung der Haltungssysteme und andererseits aussagekräf-

tige Emissionswerte notwendig. Um die Datengrundlage

für NH3-Emissionen zu verbessern, sind Messanordnung

und Messmethoden auf künftig in der Schweiz relevante

Haltungssysteme abzustimmen. Weiter muss für eine

belastbare Datenqualität das Messkonzept die Anforde-

rungen zur Ableitung von Emissionsfaktoren erfüllen.

H a l t u n g s s y s t e m e f ü r R i n d v i e h

Die bestehenden Informationen zur Verbreitung von

Haltungssystemen sind ungenügend. Verschiedene

Quellen liefern zwar punktuelle Angaben, welche

jedoch zu wenig differenziert und teilweise wider-

sprüchlich sind. Solche Widersprüche entstehen zum Bei-

spiel, weil die Tierzahlen nicht den gebauten Tierplätzen

entsprechen. Zunächst wurde eine externe Ex perten-

befragung bei kantonalen Ämtern, Beratungsorganisa-

tionen, Firmen und Verbänden durchgeführt. Ergänzend

dazu wurden Expertinnen und Experten der Forschungs-

anstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART befragt und

darauf basierend die Entwicklung von Anbinde- und

Laufstallhaltung bei den einzelnen Rindviehkategorien

bestimmt.

In der Milchviehhaltung dominieren bisher noch

An bindeställe. Der Trend geht jedoch bei allen Rindvieh-

kategorien hin zu Laufställen (Abb. 1). Steigende

Be standesgrössen, arbeitswirtschaftliche und ergonomi-

sche Vorteile sowie die ver mehrte Teilnahme an den

beiden Tierhaltungsprogrammen «Besonders tierfreund-

liche Stallhaltungssysteme (BTS)» und «Regelmässiger

Aus lauf von Nutztieren im Freien (RAUS)» verstärken

diese Ent wicklung. Bei Milchvieh betrug 2009 die

Be teiligung am BTS-Programm rund 34 %, und am RAUS-

Programm rund 80 % der Grossvieheinheiten (Bundes-

amt für Landwirtschaft 2010). Ausgehend von der

Anzahl Grossvieheinheiten im RAUS-Programm sind

jedoch keine detaillierten Rückschlüsse auf die Verbrei-

tung einzelner Haltungssysteme, das Flächenangebot,

die Ausführung oder die zeitliche Nutzung von Laufhö-

fen möglich.

Häufigste Situation Laufstall für Milchvieh

Die folgende Charakteri sierung relevanter Laufstall-

systeme betrifft die Haltung von Milchkühen, da diese in

den letzten Jahren mit 64 bis 73 % der Grossvieheinhei-

ten den Rindvieh bestand dominierten. Differenzierte

Angaben zur Ver breitung von bau lichen und ver fahrens-

technischen Details sowie von Management aspekten lie-

Sabine Schrade1, Margret Keck1, Kerstin Zeyer2 und Lukas Emmenegger2 1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen 2Empa, 8600 Dübendorf

Auskünfte: Sabine Schrade, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 33 33

Haltungssysteme und Messkonzept für Ammoniakemissionen bei freier Lüftung

Page 27: Heft 4 April 2011

Haltungssysteme und Messkonzept für Ammoniakemissionen bei freier Lüftung | Umwelt

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Zusa

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Agrarforschung Schweiz 2 (4): 170–175, 2011

Um die Datengrundlage für Ammoniakemissionen

(NH3) aus der Rindviehhaltung zu verbessern,

müssen die relevanten Haltungssysteme und ein

geeignetes Messkonzept definiert werden.

Statistiken und eine Expertenumfrage zeigten,

dass der Anteil von Laufställen und Laufhöfen in

der Schweiz von 5 % im Jahr 1990 auf rund 40 %

im Jahr gestiegen ist. Als häufigste Situation bei

Laufstallhaltung für Milchvieh benannten

Expertinnen und Experten einen freigelüfteten

Eingebäudestall mit Liegeboxen, plan befestigen

Laufflächen und einem am Rand angeordneten

Laufhof. Ein Messkonzept zur Quantifizierung

von Emissionen muss so gestaltet sein, dass

Emissionen von freibelüfteten Ställen und

Laufhöfen erfasst werden, ohne die Tieraktivität

oder das Stallklima zu beeinflussen. Die Tracer-

Ratio-Methode ist für Messungen in freigelüfte-

ten Ställen etabliert. Sie ermöglicht Echt-Zeit-

Messungen unter Praxisbedingungen. Zur

Ableitung von Emissionsfaktoren sind Messungen

auf mehreren Praxisbetrieben notwendig. Die

grosse klimatische Variation von Aussen-

klimaställen im Jahresverlauf kann durch syste-

matisch übers Jahr verteilte Messungen erfasst

werden. Messungen über jeweils 24 Stunden

sowie eine hohe zeitliche Auflösung bilden

Tagesverläufe oder kurz zeitige Ereignisse ab. Die

Interpretation dieser Emissionsdaten bedingt

schliesslich die Erfassung relevanter Begleitpara-

meter mit Informationen zu den Tieren, zur

Fütterung, Haltung und Laufflächenverschmut-

zung sowie zu Management und Klima.

ferte eine Experten schätzung im Jahr 2006. Diese wurde

in mehreren Schritten durchgeführt. Zunächst wurden

für wichtige Parameter grobe Schätzwerte bestimmt.

Diese Werte wurden dann Expertinnen und Experten der

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

und des Bundesamtes für Veterinär wesen (BVET) zur

Bestätigung oder Korrektur vorgelegt. In einem weite-

ren Schritt validierten Fachpersonen aus Stallbaufirmen

und Beratungsorganisationen diese überarbeiteten

Schätzwerte.

Gemäss der differenzierten Schätzung von Expertin-

nen und Experten sind Laufställe überwiegend als Ein ge-

bäude ställe konzipiert, nicht wärmegedämmt und frei-

gelüftet (Abb. 2). Während bisher die Trauf-First-Lüftung

(60  %) domi nierte, gewinnen in Zukunft offenere Sys-

teme mit First-, Quer- und Längslüftung an Be deutung.

Damit ein her geht der Trend zu einem höheren Anteil

von durchlässigen Wandausführungen (Windschutz-

netze, Space boards, Curtains) sowie offenen Fassaden.

Etwa 85 % der Milchkühe im Laufstall werden in Liege-

boxen gehalten, und etwa 90 % haben ständig oder zeit-

weise Zugang zu einem Laufhof. Integrierte Laufhöfe,

angeordnet zwischen Liege- und Fress bereich, kommen

seltener vor als Laufhöfe am Rand. Planbefestigte Lauf-

flächen dominieren sowohl im Fress- und Liege bereich

als auch im Laufhof. Die plan befestigten Laufflächen im

Fress- respektive Liegebereich werden vorwiegend mit

Schieber ent mistungs an lagen (70 bzw. 60 %) mehrmals

täglich entmistet. Wesentlich seltener erfolgt die Ent-

mistung von plan befestigten Lauf höfen am Rand, meist

mit manuellen oder mobilen Verfahren. Da die Ställe

häufig nicht voll belegt sind, stehen 60 % aller Milch-

0

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Milchvieh Jungvieh Zucht & Nutzung

Ammen- & Mutterühe

Tiere Grossviehmast

Mastkälber

Ante

il Ti

ere

[%]

Laufstall Anbindestall

Tierkategorie

Abb. 1 | Verlauf der Anteile von Rindvieh in Anbinde- und Lauf ställen basierend auf Statistiken (Schwei-zerischer Bauernverband 1991 – 2008) und einer Expertenschätzung.

Page 28: Heft 4 April 2011

Umwelt | Haltungssysteme und Messkonzept für Ammoniakemissionen bei freier Lüftung

172 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 170–175, 2011

kühe mehr als ein Kuhplatz zur Verfügung. Die Gesamt-

fläche entspricht bei 90 % der Betriebe mindestens den

Anforderungen des RAUS-Programms.

M e s s k o n z e p t

NH3-Emissionsdaten für Milchviehhaltung

Die Literatur für NH3-Emissionen weist bei Laufställen

ohne Laufhof eine grosse Streubreite auf und deckt die

Jahreszeiten nicht systematisch ab. Häufig schmälern

unterschiedliche Mess konzepte und Mess methoden

sowie eine unzureichende Beschreibung der Mess-

situation die Datenqualität und erschweren die Ver-

gleichbarkeit der Werte. Stallsysteme mit freier Lüftung

und Laufhof waren bisher nicht untersucht. Die fehlen-

den Emissions daten bei freier Lüftung und von Flächen-

quellen sind im Wesentlichen auf Schwierig keiten bei

der Ermittlung der Luftwechselrate zurückzuführen.

Methodenübersicht für freie Lüftung

Für die Quantifizierung von Emissionen aus Ställen sind

verschiedene Ansätze aus der Literatur bekannt. Die

Druckdifferenz-Methode und die Bestimmung des Luft-

volumenstroms mit Messventilato ren in Abluft schächten

eignen sich nur für Ställe mit Zwangs lüftung (Mosquera

et al. 2005). Methoden zur Quanti fi zierung von Emissio-

nen oder des Luftvolumenstroms aus Haltungssystemen

mit freier Lüftung unterscheiden sich im Messprinzip

sowie in der Abgrenzung des erfassten Bereichs (Tab. 1).

Kammertechniken sind kostengünstig, relativ einfach zu

handhaben und eignen sich für ver gleichende Kurzzeit-

messungen (Hensen et al. 2006). Eine direkte Übertrag-

barkeit der Werte auf den Praxis massstab ist nicht mög-

lich, da lediglich Teilflächen beprobt werden können

und mit dem Aufsetzen der Kammer in das System ein-

gegriffen sowie die Tieraktivität ausgeschaltet wird

(Greatorex 2000).

Die Kalkulation der Luftrate in freigelüfteten Ställen mit

Bilanz methoden (Wärme, Wasserdampf) ist nach Peder-

sen et al. (1998) lediglich bei wärme ge dämmten Ställen

in Situationen mit grossen Temperaturgradienten zwi-

schen innen und aussen möglich. Für nicht wärmege-

dämmte Ställe kommt allenfalls die CO2-Bilanzierung in

Frage. Hauptschwierigkeit dabei ist jedoch, die vielfälti-

gen Quellen (Tiere, verschmutzte Laufflächen, Liege-

flächen, Futter usw.) und Senken zuverlässig zu erfassen

(Scholtens und Van't Ooster 1994). Mit der Grösse der

0% 25% 50% 75% 100%

Anordnung

Anordnung Laufhof

Lüftung

Liegebereich

Liegeboxen

Lauffläche Fressgang

Lauffläche Liegegang

Lauffläche Laufhof

Wärme-dämmung

Güllelager getrennt vom Stall, im Stall und unterm Laufhof

beides

Eingebäudestall Mehrgebäudestall

am Rand

keine

freie Lüftung

Liegeboxen

Stroh-Mist-Matratze

planbefestigt

planbefestigt

planbefestigt

getrennt vom Stall

integriert

Komfortmatte

perforiert

perforiert

perforiert

nicht strukturiert

vorhanden

zwangsbelüftet

nur Dach

beides

planbefestigt und perforiert

im Stall und unterm Laufhof

Abb. 2 | Verbreitung und Ausführung von Laufställen für Milchvieh in der Schweiz; Ergebnisse einer Experten-schätzung, angegeben als Median des relativen Anteils der Milchkühe [%].

Messkonzept • Messungen für ein Haltungssystem auf mehreren Praxisbetrieben • Untersuchungen in mehreren Jahreszeiten bzw. klimatischen Situationen • Einzelmessungen über 24 Stunden, zeitlich hoch aufgelöst • Erhebung relevanter Begleitparameter zeitlich abgestimmt auf Zielparameter

Messmethoden • Tracer-Ratio-Methode • Grosser dynamischer Messbereich

(5 ppb bis 20 ppm Ammoniak) • Online (Quasi-kontinuierlich) • Robuste Messtechnik, stalltauglich • Schutz der Messeinrichtungen

vor Tieren, Witterung und Schmutz

Messanordnung • Repräsentative Probenahme:

hohe räumliche Auflösung, hohe Zeitanteile pro Messort

• Gaskonzentration und Luftvolumen- strom gleichzeitig erfassen

• Differenzierung von Stallbereich und Laufhof

Abb. 3 | Anforderungen an das Messkonzept, die Messanordnung

und Messmethoden bei freigelüfteten Ställen mit Laufhof.

Page 29: Heft 4 April 2011

Haltungssysteme und Messkonzept für Ammoniakemissionen bei freier Lüftung | Umwelt

173Agrarforschung Schweiz 2 (4): 170–175, 2011

Berry et al. 2005). Ein bekannter Massenstrom eines Tra-

cergases wird im Gebäude bzw. an der emittierenden

Quelle injiziert. Die Emission wird indirekt über den

bekannten Massen strom des zudosierten Tracergases

und mit dem Konzentrations verhältnis der Tracergase

zum emittierenden Gas NH3 über das Massenerhal-

tungsgesetz berechnet. Grund voraus setzung ist eine

gute Abbildung der Emissionsquelle durch das Tracergas

und ein vergleichbarer Transport von Tracergas und NH3

von der Emissionsquelle bis zum Probenahmeort.

Messkonzept und Messanordnung

Für aussagekräftige Emissionswerte bei Haltungssyste-

men mit freier Lüftung zur Modellierung von Emissions-

faktoren gelten folgende konzeptionelle Anforderun-

gen (verändert nach Schrade, 2009):

•• Zur Ableitung von Emissionsfaktoren sind Messungen

auf Praxisbetrieben notwendig. Ergebnisse aus

Versuchen im Labor, im halbtechnischen Massstab, von

Teilflächen sowie aus sauberen neuen Ställen oder

Versuchs ställen sind nicht auf das absolute Emissions-

niveau unter Praxisbedingungen übertragbar.

Stall öffnungen und somit der Luftaus tausch rate nimmt

auch die Ungenauigkeit zu. Für Haltungs systeme mit

Laufhof sowie für Situationen ohne Tierbelegung eig-

nen sich Bilanz methoden nicht.

Mit mikrometeorologischen Methoden (Eddy-Kor-

relation, Eddy-Akkumulation, Gradientenmethode),

Fencing und Rück wärts modellierung können Emissio-

nen eines Gesamtsystems wie Stall mit Laufhof, Gülle-

und Festmistlager bestimmt werden. Eine Differenzie-

rung der Emissionen nach den einzelnen Bereichen ist

jedoch nicht möglich. Bei einer Studie in den Nieder-

landen war insbesondere bei kleineren Betrieben zwis-

chen modellierten und gemessenen Werten die Diffe-

renz mit bis zu einem Faktor drei enorm hoch (Hensen

et al. 2006). Weiter schränken instabile Wetterlagen,

geringe Windgeschwindigkeiten sowie die gegliederte

Topographie die Anwendung dieser Methoden in der

Schweiz stark ein (Flesch et al. 2005; Mosquera et al.

2005).

Die Tracer-Ratio-Methode ist ein etabliertes Verfa-

hren zur Quantifizierung von Emissionen aus freigelüf-

teten Ställen sowie von Flächenquellen (Greatorex 2000;

Methode Abgrenzung, Prinzip Bewertung

Kammertechnik Statische Kammer(Haube, Closed Chamber)

Dynamische Kammer (Windtunnel, Flux Chamber, Open Dynamic Chamber)

Teilflächen Kammer steht luftdicht auf emittierender Fläche; berechnen der Emission über Anstieg der Gaskon-zentration bezogen auf Fläche

Luft wird mit definiertem Volumenstrom durch Kammer gesaugt; Emissionsberechnung aus Kon-zentrationsdifferenz zwischen eintretender und austretender Luft in Verbindung mit dem Luft-durchsatz

+ Kostengünstig + Einfache Handhabung - Eingriff in System - Beeinflussung der Tieraktivität - Nur Teilflächen ➡ Keine Übertragung auf Praxis und absolutes Emissionsniveau➡ Nur kurzzeitige Vergleichsmessungen

BilanzierungCO2-Bilanz Wasserdampfbilanz Wärmebilanz

Stallgebäude Berechnung des Luftvolumenstroms anhand des Konzentrationsgradienten von CO2, Wasserdampf oder Wärme in und ausserhalb des Stalls sowie deren theoretische Abgabe durch die Tiere unter Berücksichtigung klimatischer Bedingungen

+ Schnell einsetzbar + Kostengünstig - Wärmebilanz nur bei grosser Temperaturdifferenz zwischen innen und

aussen möglich - Vollständige Erfassung aller Quellen und Senken erforderlich - Unzuverlässig ➡ Für Ställe mit grossen Öffnungen und Laufhof nicht geeignet

Tracer-Ratio-Methode Abklingmethode Konstante Konzentration Konstante Zudosierung

Flächenquellen: Stall, Laufhof, Hofdüngerlager Abbildung der Emissionsquelle anhand eines zu-dosierten Tracergases; Berechnung der Emission aus dem zudosierten Tracergas-Massenstrom und dem Konzentrationsverhältnis von Tracergas zu emittierendem Gas

+ Praxisbedingungen + Echt-Zeit-Messung + Nachvollziehbarkeit + Etabliert bei freier Lüftung - Kosten und Arbeitsaufwand hoch ➡ Geeignet für freigelüftete Stallsysteme mit Laufhof

Rückwärtsmodellierung

Fencing

Mikrometeorologie (Eddy-Korrelation,Eddy-Akku-mulation, Gradientenmethode)

Gesamtsystem: Stall, Laufhof, Hofdünger lager Messung der Konzentrationen bzw. Gradienten in definierten Distanzen bzw. der Abluftfahne; Berechnung der Quellstärke unter Berücksichti-gung der meteorologischen Bedingungen

+ Praxismassstab + Rückwärtsmodellierung: kostengünstig - Fencing: teuer - Für gegliederte Topographie nicht geeignet - Stabile Wetterlagen und hohe Windgeschwindigkeiten nötig - Rückwärtsmodellierung erfordert Validierung - Keine Differenzierung der Bereiche Stall, Laufhof und Lagerung ➡••Nur bei hoher Quellstärke, stabiler Wetterlage, hohen

Windgeschwindigkeiten und klarer Topographie möglich

Tab. 1 | Methodenübersicht zur Bestimmung der Emissionen bzw. des Luftvolumenstroms bei freier Lüftung und von Flächenquellen (verändert nach Schrade (2009))

Page 30: Heft 4 April 2011

174

Umwelt | Haltungssysteme und Messkonzept für Ammoniakemissionen bei freier Lüftung

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 170–175, 2011

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•• Von Messungen nur auf einem einzelnen Betrieb ist

keine Übertragung der Emissionsdaten auf ein

gesamtes Stallsystem möglich. Erst Messungen eines

Stall systems auf mehreren Betrieben ermöglichen

belastbare Werte. Damit kann der Betriebseffekt

zumindest aufgezeigt werden.

•• Um die klimatische Variation in vom Aussenklima

beeinflussten Ställen zu berück sichtigen, sind mehrere

Messungen übers Jahr verteilt zwingend.

•• Aufgrund tages zeitlicher Schwankungen der Emissio-

nen durch Klima, Nutzung und Manage ment aktivi-

täten sollten Einzel messungen stets mindestens

24 Stunden abdecken. Um Tages ver läufe, relevante

Einflussgrössen oder die Wirkung von kurzzeitigen

Ereignissen zu er fassen, ist eine hohe zeitliche

Auflösung erwünscht.

•• Für eine repräsentative Probenahme in Praxisställen

mit grossen Flächen und Volumina ist eine hohe

räumliche Auflösung der Probenahme er forder lich.

•• Um Emissionen aus freigelüfteten Ställen mit dynami-

scher Luftströmung repräsentativ abzubilden, sind an

jedem Probenahmeort möglichst hohe Zeitanteile zu

erfassen. Dabei müssen Gaskonzentration und

Luftvolumenstrom zeitgleich erfasst werden.

•• Um einerseits tiefe NH3-Konzentrationen bei beispiels-

weise tiefen Temperaturen oder starker Verdünnung

und andererseits Ereignisse mit hohen Konzentratio-

nen wie Entmistungsvorgänge zu erfassen, ist ein

grosser dynamischer Messbereich notwendig.

•• Da sich die Stallbereiche Stall und Laufhof deutlich

hinsichtlich der Nutzung, der Ver schmutzung, der

klimatischen Bedingungen sowie des Emissionspoten-

zials unter scheiden, sich jedoch auch gegen seitig

beeinflussen, ist eine Zuordnung der Emissionen zu

Stallbereichen erwünscht.

•• Weiter muss die Hintergrundkonzentration der

Messparameter bestimmt werden.

•• Zur Einordnung der Emissionswerte, als Bezugsgrössen

und mit Blick auf Einflussgrössen auf die NH3-Emission

müssen relevante Begleitparameter wie Tierzahl,

Fütterung, Management, Fläche, Klima, Nährstoffge-

halte der Exkremente etc. erfasst werden.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Ausschlaggebend bei der Wahl der Messmethoden, des

Messkonzepts und der Messanordnung ist unter ande-

rem das zu unter suchende Haltungssystem sowie die

Verwendung der Messergebnisse (Abb. 3). Zur Quantifi-

zierung von NH3-Emissionen beim derzeit meist gebau-

ten Haltungssystem Laufstall mit freier Lüftung und

Laufhof eignet sich die Tracer-Ratio-Methode. Mit

Online-Analytik können zeitlich hochaufgelöst kurzzei-

tige Ereignisse und Tagesverläufe abgebildet werden.

Messungen unter Stallbedingungen erfordern robuste

und zuverlässige Messmethoden. Die Messeinrichtungen

müssen vor Tieren und Schmutz geschützt werden. Eine

repräsentative Erfassung der Emissionen in offenen Stäl-

len erfordert aufgrund der Dynamik der Luftströmung

eine geeignete räumliche Auflösung der Probe-

nahmeorte mit jeweils hoher Messdauer. Zur Ableitung

von NH3-Emissionsfaktoren für ein Haltungssystem sind

Untersuchungen auf mehreren Praxisbetrieben systema-

tisch übers Jahr verteilt nötig. Zur Beschreibung und

Interpretation der jeweiligen Messsituation müssen rele-

vante Begleitparameter erhoben werden. Für eine bes-

sere Vergleichbarkeit und Absicherung von Emissionsda-

ten ist es zudem wünschenswert, Messkonzepte und

Messmethoden international abzustimmen. n

Dieses Projekt wurde finanziell vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützt.

Page 31: Heft 4 April 2011

175

Haltungssysteme und Messkonzept für Ammoniakemissionen bei freier Lüftung | Umwelt

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 170–175, 2011

Housing systems and a concept to measure

ammonia emissions in case of natural ventilation

The relevant housing systems and a suitable

measuring concept have to be defined in order to

improve the data base for ammonia emissions (NH3)

from cattle farming. Statistics and an expert survey

show that the proportion of loose housing facilities

and outdoor exercise areas in Switzerland increased

from 5 % in 1990 to around 40 % in 2010. Experts

identified the most common situation in dairy

cattle loose housing as a naturally ventilated

single-building stable with cubicles, solid floors and

an outdoor exercise yard alongside. The design of a

measuring concept to quantify emissions should

represent emissions from naturally ventilated

stables and outdoor exercise areas without

influencing livestock activity or the stable climate.

The tracer ratio method is established for measure-

ments in naturally ventilated stables. This enables

real-time measurements under practical conditions.

To derive emission factors, measurements on

several commercial farms are required. The great

climatic variation in outdoor climate housing

systems over the course of the year can be recorded

by means of measurements spread systematically

throughout the year. Measurements were taken

over 24 hour periods as well as high temporal

resolution map daily patterns and short-term

events. The interpretation of these emission data

requires to record relevant accompanying param-

eters with information on the animals, feeding,

housing and traffic area soiling as well as on

management and climate.

Key words: ammonia emissions, dairy cattle,

natural ventilation, measuring concept, measuring

methods.

Sistemi di detenzione e concetto di misurazione

delle emissioni di ammoniaca in caso di ventila-

zione naturale

Per migliorare i dati di base sulle emissioni di

ammoniaca (NH3) riconducibili alla detenzione di

bovini, è necessario definire i sistemi di deten-

zione rilevanti e un adeguato concetto di

misurazione. Le statistiche e un sondaggio

condotto tra gli esperti hanno dimostrato che in

Svizzera la quota di aree di camminamento e di

stalle a stabulazione libera è aumentata, dal 1990

ad oggi, dal 5 al 40 per cento. Quale situazione

più frequente di detenzione a stabulazione libera

per bestiame da latte, gli esperti hanno indicato

la stalla, costituita da un unico edificio con

ventilazione naturale, dotata di lettiera, di

superfici di camminamento con rivestimento e di

una corte limitrofa. Un concetto di misurazione

per quantificare le emissioni va impostato in

maniera da registrare le emissioni delle aree di

camminamento e delle stalle a ventilazione

naturale, senza interferire sull'attività degli

animali o sul clima della stalla. Il tracer-ratio è il

metodo che si è affermato per le misurazioni

nelle stalle a ventilazione naturale. Esso consente

di effettuare misurazioni in tempo reale e in

condizioni analoghe a quelle che si riscontrano

nella pratica. Per la definizione di coefficienti di

emissione sono necessarie misurazioni in diverse

aziende. La grande variazione climatica delle

stalle con clima esterno nel corso dell'anno può

essere rilevata attraverso misurazioni sistemati-

che. Delle misurazioni 24 ore su 24, nonché

un'alta risoluzione temporale permettono di

rappresentare sia l'andamento giornaliero, sia gli

avvenimenti di breve durata. L'interpretazione di

questi dati sulle emissioni richiede, in definitiva,

la registrazione di parametri secondari rilevanti,

con informazioni sugli animali, sul foraggia-

mento, sulla detenzione, sul grado di sporcizia

delle superfici di camminamento nonché sulla

gestione e sul clima.

b Scholtens R. & Van't Ooster A., 1994. Performance and accuracy of me-thods for measuring natural ventilation rates and ammonia emissions from naturally ventilated livestock houses. In: European Society of Agri-cultural Engineers (EurAgEng). International Conference on Agricultural Engineering, 29 August to 01 September 1994.

b Schrade S., 2009. Ammoniak- und PM10-Emissionen im Laufstall für Milchvieh mit freier Lüftung und Laufhof anhand einer Tracer-Ratio- Methode. Dissertation, Christian-Albrechts-Universität, Kiel, 131 S.

b Schweizerischer Bauernverband 1991 – 2008: Statistische Erhebungen und Schätzungen über Landwirtschaft und Ernährung. Diverse Jahrgänge. Brugg.

Page 32: Heft 4 April 2011

176 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

E i n l e i t u n g

Die potenzielle Verdunstung ist ein wichtiger Term des

terrestrischen Wasserkreislaufes. Sie bezeichnet die maxi-

mal mögliche Verdunstung, unabhängig von der Wasser-

menge, die den Pflanzen tatsächlich zur Verfügung steht.

Sie gilt als Indikator einer optimalen Pflanzenentwick-

lung und spielt für die Bewertung der Klimaeignung eine

zentrale Rolle (Calanca und Holzkämper 2010). Speziell

wird sie für die Einschätzung des Bewässerungsbedarfs in

der Landwirtschaft benötigt (Fuhrer und Jasper 2009).

Eine genaue Definition der potenziellen Verduns-

tung ist nicht unproblematisch (Brutsaert 1982), denn

das Verdunstungspotenzial hängt nicht nur von den

Bedingungen in der Atmosphäre und im Boden, sondern

auch von den Vegetationseigenschaften ab. Aus diesem

Grund führte die Food and Agriculture Organisation of

the United Nations (FAO) in ihrem Bewässerungs- und

Pierluigi Calanca, Pascalle Smith, Annelie Holzkämper und Christof Ammann,

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich

Auskünfte: Pierluigi Calanca, E-Mail: [email protected], Tel.+41 44 377 75 12

Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie

P f l a n z e n b a u

Blick von Norden auf das Versuchsfeld in Oensingen (gemähte Wiese mit Traktor), wo mehrjährige Verdunstungsmessungen durchgeführt wurden. (Foto: ART)

Page 33: Heft 4 April 2011

Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie | Pflanzenbau

177

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft

vor neue Herausforderungen. Für die

Planung von Anpassungsmassnahmen

spielt die Beurteilung des Wasserbedarfs von

Wiesen, Weiden und Ackerflächen – auf

Grund des Verdunstungspotenzials – eine

zentrale Rolle. Die Referenzverdunstung,

ein Konzept, das von der Food and Agri-

culture Organization (FAO) in den 1990er

Jahren eingeführt wurde und in dieser Arbeit

vorgestellt wird, definiert das Verduns-

tungspotenzial einer reichlich mit Wasser

versorgten Standardvegetation. Sie wird

auf der Basis der so genannten Penman-

Monteith-Gleichung bestimmt und kann, wie

hier gezeigt, den Verlauf der unter nahezu

optimalen Bedingungen beobachteten

Verdunstung einer Wiese im Schweizer

Mittelland sehr genau abbilden.

Entwässerungsbericht 56 (Allen et al. 1998)1 das Konzept

der Referenzverdunstung (ET0) ein, das heisst der Ver-

dunstung eines idealisierten Grasbestands (Kasten 1),

dem uneingeschränkt Wasser zur Verfügung steht.

Aus der Referenzverdunstung ET0 werden in der

FAO-Methode in zwei weiteren Schritten die tatsächli-

chen Verdunstungsverluste von Wiesen und Ackerkultu-

ren abgeleitet. Im ersten Schritt werden Kenntnisse der

Vegetationsverhältnisse (Höhe des Bestandes und Blatt-

flächenindex) benötigt, um den sogenannten Vegetati-

onskoeffizienten KC zu bestimmen, und damit die Ver-

dunstung des jeweiligen Bestands bei gut bewässerten

Bedingungen. Im zweiten Schritt wird auf der Basis einer

vereinfachten Wasserbilanz der Wurzelzone eine allfäl-

lige Limitierung der Verdunstung durch Trockenheit ein-

bezogen.

Die Berechnung von ET0 erfolgt mit Hilfe der Pen-

man-Monteith-Gleichung (PM-Gleichung), welche in vie-

lerlei Hinsicht als Standard gilt und von der FAO (Allen et

al. 1998) als einzige Bestimmungsformel empfohlen

wird. Dennoch bleiben empirische Ansätze in der Praxis

sehr beliebt, so auch in der Schweiz, wo die Formeln von

Primault (1962 u. 1981), beziehungsweise Turc (1961),

von MeteoSchweiz, respektive AGROMETEO2, der inter-

netbasierten Beratungsplattform von Agroscope, noch

heute eingesetzt werden.

Empirische Bestimmungsmethoden sind bezüglich

Eingangsvariablen weniger anspruchsvoll als die PM-

Gleichung (siehe Kasten 2) und können durchaus gute

Kasten 1 | Eigenschaften der Referenzoberfläche

nach Allen et al. (1998)

Höhe des Bestandes, h: 12 cm ≡ 0,12 m

Blattflächenindex, LAI: 24 h, mit h in m ≡ 2,88 m2 m–2

Albedo, α: 0,23 ≡ 23 %

Stomatärer Widerstand rl: 100 s m–1

Oberflächenwiderstand rs: 2rl / LAI ≡ 70 s m–1

Aerodynamischer Widerstand ra: 208 / u2 s m–1

1 Der Bericht ist auch im Internet unter http://www.fao.org/docrep/x0490e/

x0490e00.htm oder www.kimberly.uidaho.edu/ref-et/fao56.pdf verfügbar.2 http://www.agrometeo.ch

Page 34: Heft 4 April 2011

Pflanzenbau | Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie

178 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

Resultate liefern, vorausgesetzt, dass eine Anpassung der

Parameterwerte an die lokalen Gegebenheiten stattge-

funden hat. Problematisch ist aber ihre Anwendung aus-

serhalb des parametrisierten Gültigkeitsbereichs.

In dieser Arbeit möchten wir die Berechnung der

Referenzverdunstung kurz erläutern und die Anwen-

dungsmöglichkeiten darlegen. Wir zeigen, wie gut ET0

die unter nahezu optimalen Bedingungen gemessene

Verdunstung abbilden kann. Weiter diskutieren wir,

inwiefern dies mit den vereinfachten Ansätzen von

Priestley und Taylor (1972), Primault (1962 u. 1981) und

Turc (1961) gelingt. Zum Vergleich verwenden wir Mes-

sungen der Verdunstung und der bestimmenden Varia-

blen, die in Oensingen (Mähwiese, 47°17’N, 07°44’E,

450 m über Meer, mittlere Jahrestemperatur 9 °C, mitt-

lerer Jahresniederschlag 1100 mm) im Rahmen unseres

mehrjährigen Feldexperimentes erhoben wurden

(Ammann et al. 2009).

Es ist nicht unsere Absicht, eine ausführliche Abhand-

lung der Theorie und eine vollständige Zusammenstel-

lung von empirischen Formeln zu präsentieren. Dafür sei

auf die Publikationen von Brutsaert (1982), Schrödter

(1985) und Jensen et al. (1990) verwiesen.

Historischer Abriss

Der Begriff der potenziellen Verdunstung wurde ver-

mutlich von Thornthwaite (1948) eingeführt (Brutsaert

1982). Unter Berücksichtigung der damaligen Datenver-

fügbarkeit, entwickelte er eine rein empirische Formel,

die noch heute in den USA bei der Überwachung von

Dürreereignissen im Einsatz ist.3

Es waren aber Penman (1948) und später Monteith

(1965), die die theoretischen Grundlangen für die Ent-

wicklung einer physikalischen Berechnungsmethode lie-

ferten. Die nach ihnen benannte PM-Gleichung (Kas-

ten 2) stellt noch heute die Basis für die modellmässige

Behandlung des Verdunstungsprozesses dar, so auch für

die von der FAO entwickelte Methode (Allen et al. 1998).

Sie berücksichtigt sowohl die durch die Energiebilanz

vorgegebenen Bedingungen an der Erdoberfläche als

auch die Austauschprozesse, die den Wasserdampfstrom

zwischen Vegetation und Atmosphäre bestimmen.

Etwa zur gleichen Zeit publizierten Slatyer and McIl-

roy (1961) eine Monographie, in welcher sie den Begriff

Penman-Monteith:

Priestley-Taylor (1972):

Turc (1961):

Primault (1962 und 1981):

In diesen Gleichungen ist λ = 2,5 MJ kg–1

die latente Wärme der Verdunstung, Cp = 1,004x10–3 MJ

kg–1 °C–1 die spezifische Wärme bei konstantem Druck,

Δ  (kPa °C–1) die Steigung der Sättigungsdampfdruck-

kurve als Funktion der Temperatur T (°C) (Gleichung 3),

γ (kPa °C–1) die psychrometrische Konstante (Glei-

chung 2), RN (MJ m–2 d–1) die Nettostrahlung, G (MJ m–2

d–1) der Bodenwärmefluss, ρa (kg m–3) die Luftdichte, ra

(s m–1) der aerodynamische und rc (s m–1) der Bestandes-

widerstand, es (kPa) der Sättigungs- und ea (kPa) der

aktuelle Dampfdruck, RS (MJ m–2 d–1) die Globalstrah-

lung, RH (%) die relative Feuchte, SSD (h d–1) die Son-

nenscheindauer, j (–) ein Saisonalitätsfaktor und C (–)

eine Höhenkorrektur. Die numerischen Werte sind in al-

len Formeln so gewählt, dass für die Verdunstung Ein-

heiten von (mm d–1) resultieren. Die Gleichung von Pri-

mault (1962 und 1981) wurde ebenso für Berechnungen

auf Tagesbasis umgeschrieben.

Kasten 2 | Ausgewählte Formeln zur Berechnung der potenziellen Verdunstung

3 http://drought.unl.edu/dm/monitor.html

Page 35: Heft 4 April 2011

Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie | Pflanzenbau

179Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

Formel von Turc (1961) im Gebrauch (Kasten 2). Obwohl

sie als empirische Gleichung gilt, kann gezeigt werden,

dass sie im Prinzip eine Form der Gleichgewichtsverduns-

tung darstellt und somit äquivalent zur Gleichung von

Priestley und Taylor (1972) ist.

Die FAO56-Gleichung

Die PM-Gleichung (Kasten 2) kann unter Berücksichti-

gung der Eigenschaften der Referenzoberfläche (Kasten

1), in folgende Form (FAO56) gebracht werden:

wobei RN die Strahlungsbilanz oder Nettostrahlung (MJ

m–2 d–1) bezeichnet, G den Bodenwärmefluss (MJ m–2 d–1),

T die Lufttemperatur (°C), es und ea den Sättigungs- res-

pektive den aktuellen Dampfdruck (kPa) und u2 die

Windgeschwindigkeit (m s–1). Weiter sind

die psychrometrische Konstante (kPa °C–1) als Funktion

des atmosphärischen Druckes p (kPa) mit Parametern

Cp = 1,004x10–3 MJ °C–1 kg–1 (spezifische Wärme bei kon-

stantem Druck), ε = 0,622 (Verhältnis der Molmassen

von Wasserdampf und trockener Luft) und

λ = 2,5 MJ kg–1 (latente Wärme der Verdampfung), sowie

die Steigung der Sättigungsdampfdruckkurve als Funk-

tion der Temperatur (kPa °C–1).

Für die Auswertung von Gleichung (1) werden Stunden-

oder Tageswerte der Eingangsvariablen benötigt. Wäh-

rend Messungen von T (und folglich es), ea, u2 und p in

Rahmen der Messnetze von MeteoSchweiz und AGRO-

METEO standardmässig erhoben werden, werden Strah-

lungsbilanz und Bodenwärmefluss nur selten direkt

beobachtet. Dementsprechend müssen sie möglichst

genau geschätzt werden, da sie typischerweise etwa

zwei Drittel des Verdunstungspotenzials bestimmen.

Eine Formelsammlung für die Berechnung von RN und G

aus Wetterstationsdaten findet man ebenfalls in Allen et

al. (1998). Aus der Perspektive der Praxis wären aber ein-

fachere Verfahren wünschenswert. Für die Bestimmung

von RN bietet sich in erster Linie der Ansatz von Davies

(1967) an, der – beschränkt auf die Vegetationszeit –

einen vom Klima unabhängigen linearen Zusammen-

hang zwischen Globalstrahlung RS und Nettostrahlung

RN postulierte. Der Grund für die Linearität ist darin zu

suchen, dass die langwelligen Strahlungsflüsse (als Funk-

der Gleichgewichtsverdunstung einführten. Es handelt

sich um die bei konstanter Energiezufuhr mögliche Was-

serabgabe an eine Atmosphäre, die im Gleichgewicht

mit ihrem Untergrund steht. Dieses Konzept lieferte

eine theoretische Basis für weitere Entwicklungen, ins-

besondere die Untersuchungen zur Verdunstung bei

minimaler Advektion von Priestley und Taylor (1972). Die

von ihnen vorgeschlagene Formel (Kasten 2) hat sich

sowohl in der Praxis als auch in der Forschung bewährt.

Die ersten systematischen Studien zur potenziellen Ver-

dunstung in der Schweiz gehen auf Primault (1962)

zurück. Überzeugt, dass weder der Ansatz von

Thornthwaite (1948) noch derjenige von Penman (1948)

unter Schweizer Verhältnissen zu brauchbaren Resulta-

ten führen4, entwickelte er eine eigene Berechnungsfor-

mel, die noch heute in leicht angepasster Form (Primault

1981), von MeteoSchweiz operationell eingesetzt wird

(Kasten 2). In der Schweiz ist desweiteren auch noch die

Abb. 1 | Beziehung zwischen a) Netto- (RN) und Globalstrahlung (RS), und b) Bodenwärmefluss (G) und Nettostrahlung in Oensingen. Beobachtete Tagesmittelwerte der Monate April bis Oktober für die Jahre 2005 bis 2009. Die durchgezogenen Linien stellen die Regressionsgeraden dar: a) RN = 0,529 RS – 0,466, r2 = 0,89;b) G = 0,159 RN – 0,987, r2 = 0,48. Zudem ist in a) die Beziehung von Davies (1976, Gl. 4) als strichpunktierte Linie eingetragen.

4 Primault war sich vielleicht nicht bewusst, dass die schlechten Resultate mit der

Gleichung von Penman (1948) vor allem auf eine ungenügende Parametrisie-

rung zurückzuführen waren. In der Tat aktualisierte Penman zu jener Zeit mehr-

mals die Parameterwerte (siehe z. B. Brutsaert, 1982)

R N [M

J m-2 d

-1]

20

15

10

5

0

0 10 20 30

0 5 10 15 20

G [M

J m-2 d

-1]

3

2

1

0

-1

-2

-3

RN [MJ m-2 d-1] (2)

(3)

(1)

RS [MJ m-2 d-1]

Page 36: Heft 4 April 2011

Pflanzenbau | Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie

180 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

M e t h o d e

Evaluation

Wir haben Gleichung (1) getestet, indem wir die berech-

neten ET0-Werte mit Messungen der aktuellen Verduns-

tung am Standort Oensingen verglichen haben (Abb. 2).

Es handelt sich um Daten für das Jahr 2006, die mit Hilfe

der sogenannten Eddy-Kovarianz-Technik (Neftel et al.

2005) erhoben wurden, und mit einem relativen Fehler

von zirka 15 % behaftet sind.

Die Wahl des Jahres 2006 lässt sich zum einen

dadurch begründen, dass in diesem Jahr praktisch über

die gesamte Vegetationsperiode hinweg nahezu opti-

male Bodenfeuchteverhältnisse herrschten und die

Umweltbedingungen somit jenen der Definition der

Referenzverdunstung entsprachen. Ausserdem war der

Blattflächenindex selten höher als 3 m² m–2, das heisst

häufig im Bereich der in der Definition der Referen-

zoberfläche festgelegten 2,88 m² m–2 (Kasten 1).

Die Resultate in Abbildung 2 zeigen, dass für die Zeit

von April bis Oktober die gemessene Verdunstung durch

ET0 gut reproduziert wird. In diesem Sinn kann die Refe-

renzverdunstung vorbehaltlos für die Praxis empfohlen

werden. Dennoch stellt sich die Frage, ob einfachere

(z.B. Priestley und Taylor 1972) oder empirische (Turc 1961;

Primault 1962 und 1981) Berechnungsverfahren ebenso

gute Ergebnisse liefern könnten. Abbildung 3 zeigt in

Form von Streudiagrammen einen direkten Vergleich der

tion der vierten Potenz der absoluten Temperatur) zeit-

lich viel weniger stark variieren als die kurzwellige Ein-

strahlung. Auch kann die Albedo einer grasbedeckten

Oberfläche unter schneefreien Bedingungen als relativ

konstant betrachtet werden.

Basierend auf Daten von 14 Stationen weltweit und

umgerechnet in Einheiten von (MJ m–2 d–1) schlug Davies

(1967) folgende Gleichung vor:

RN = 0,617 RS – 1,004

welche in dieser Form die im Schweizer Mittelland beob-

achtete Beziehung am Standort Oensingen recht gut wie-

dergibt (Abb. 1a). Eine bessere Übereinstimmung kann

durch Anpassung der Regressionsparameter an lokale

oder regionale Messdaten erreicht werden (RN = 0,529 RS

– 0,466, r2 = 0,89), was ebenfalls in Abb. 1a zu sehen ist.

Bezüglich des Bodenwärmeflusses empfehlen Allen

et al. (1998) bei Bestimmung von ET0 auf Tagesbasis G

gleich Null zu setzen, was sich dadurch begründen lässt,

dass der Wärmestrom zwischen Tag und Nacht in entge-

gengesetzte Richtungen fliesst und es so zu einem Aus-

gleich kommt. Die Daten von Oensingen zeigen jedoch,

dass es sinnvoller ist, G als lineare Funktion von RN auszu-

drücken (Abb. 1b). Die entsprechende Regressionsge-

rade (G = 0,159 RN – 0,987, r2 = 0,48) ist mit der in der

Mikroklimatologie oft benutzten Faustregel G ≈ 0,1 RN

weitgehend konsistent.

Abb. 2 | Verlauf der täglichen Verdunstung am Standort Oensingen in der Zeit von April bis Oktober 2006. Grau: Beobachtungsbereich unter Annahme einer relativen Unsicherheit der Messungen von ± 15 %; rot: Referenzverdunstung.

ET [m

m d

-1]

6

5

4

3

2

1

0

100 150 200 250 300

Tag des Jahres

Messungen

ETo

(4)

Page 37: Heft 4 April 2011

Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie | Pflanzenbau

181Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

dunstungsmessungen, die Primault ursprünglich für die

empirische Anpassung seiner Formel zur Verfügung

standen, wahrscheinlich mit relativ grossen Unsicherhei-

ten behaftet. Eine neue Evaluation der Parameterwerte

wäre aus diesem Grund opportun.

Für die Beurteilung einer allfälligen Bewässerungs-

bedürftigkeit (Fuhrer und Jasper 2009) ist ein Vergleich

der verschiedenen Ansätze bezüglich der kumulierten

Verdunstungsverluste während der Vegetationsperiode

von Interesse. Für die Zeit von April bis Oktober 2006

ergaben die Messungen in Oensingen eine Summe von

501 mm. Entsprechende Summen der Referenzverduns-

tung nach FAO56, einerseits mit lokaler Parametrisie-

rung für RN und G, andererseits mit RN nach Davies (1967)

und G = 0, belaufen sich auf 483 und 566 mm. Analoge

Berechnungen mit den Formeln von Priestley-Taylor

(1972), Turc (1961) und Primault (1962 u. 1981) ergeben

jeweils Werte von 574, 596 und 337 mm. Dies zeigt, dass

die Referenzverdunstung auch im Bezug auf die Gesamt-

verluste die kleinste Abweichung von den Messungen

aufweist.

verschiedenen Bestimmungsformeln mit den Messungen

in Oensingen. Es lassen sich einige Tendenzen erkennen.

Die Formel von Priestley und Taylor (1972) weist ein

recht ähnliches Verhalten wie die FAO56-Gleichung auf.

Dies ist nicht erstaunlich, da der Strahlungsterm in Glei-

chung (1) etwa zwei Drittel zum Verdunstungspotential

beiträgt, was indirekt mit dem Faktor 1,26 in der Formel

von Priestley und Taylor (1972) berücksichtigt wird. Auch

die Formel von Turc (1961) liefert recht ähnliche Resul-

tate. Wir haben aber im historischen Abriss bereits dar-

auf aufmerksam gemacht, dass Turc (1961) und Priestley

und Taylor (1972) im Prinzip äquivalent sind. Insofern, ist

auch dieses Ergebnis nicht überraschend.

Es bleibt der Ansatz von Primault (1962 u. 1981), wel-

cher die beobachtete Verdunstung am wenigsten gut zu

reproduzieren vermag. Die Gründe dafür können unter-

schiedlicher Natur sein. Einerseits spielt die Wahl der

bestimmenden Variablen eine Rolle. Die Sonnenschein-

dauer, früher die einzige operationell gemessene Strah-

lungsgrösse, hat einen weniger direkten Einfluss auf die

Verdunstung als RS oder RN. Anderseits waren die Ver-

Abb. 3 | Vergleich der Resultate von vier Bestimmungsformeln mit der gemessenen Verdunstung am Standort Oensingen. Tagesmittelwerte für die Zeit zwischen April und Oktober 2006. a) Referenzverdunstung (r2 = 0,88); b) Priestley-Taylor (r2 = 0,91); c) Turc (r2 = 0,87); und, d) Primault (r2 = 0,67). Die Evaluation der Referenzverdunstung und von Priestley-Taylor erfolgte auf der Basis der Parametrisierungen für RN und G aus Abb. 1.

ETTu

[mm

d-1]

ET0 [

mm

d-1]

ETPT

[mm

d-1]

ETPr [m

m d

-1]

6

5

4

3

2

1

0

6

5

4

3

2

1

0

0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 6

6

5

4

3

2

1

0

6

5

4

3

2

1

0

gemessene ET [mm d-1] gemessene ET [mm d-1]

Page 38: Heft 4 April 2011

182

Pflanzenbau | Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Wir haben das Konzept der Referenzverdunstung erläu-

tert und die Anwendung der FAO56-Gleichung disku-

tiert. Wir haben gezeigt, dass dieser Ansatz die unter

nahezu optimalen Bedingungen gemessene Verduns-

tung einer Wiese (Abb. 4) im Schweizer Mittelland gut

abzubilden vermag.

Für praktische Anwendungen können empirische

Formeln durchaus zu brauchbaren Ergebnissen führen,

wie am Beispiel von Oensingen gezeigt wurde. Sogar

die Formel von Primault, die hier am schlechtesten

abschnitt, könnte durch eine neue Evaluation der Para-

meter und Korrekturfaktoren (jahreszeitliche und

Höhenabhängigkeit der Verdunstung, siehe Kasten 2)

zu deutlich besseren Resultaten führen. Schwierigkeiten

mit solchen Ansätzen sind aber absehbar, wenn es

darum geht, das zukünftige Verdunstungspotenzial auf

der Basis von Klimaszenarien zu beurteilen, denn die

Gültigkeit der heutigen Parametrisierungen ist in die-

sem Fall nicht gewährleistet.

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt es vier

Aspekte, die zu beachten sind: (i) die Erhöhung der Tem-

peratur; (ii) die damit einhergehende mögliche Abnahme

der Luftfeuchte tagsüber; (iii) eine mögliche Änderung

des Strahlungsregimes; (iv) die Effekte der zunehmen-

den CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre, welche

eine effizientere Wassernutzung der Pflanzen ermögli-

chen. Die PM-Gleichung kann alle diese Faktoren ohne

weiteres berücksichtigen. Dasselbe gilt für die daraus

abgeleitete FAO56-Gleichung, sofern eine Anpassung

der numerischen Parameter im Hinblick auf eine CO2-

bedingte Reduktion des stomatären Widerstandes (Kas-

ten 1) vorgenommen wird5.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Empirische Ansätze hatten früher, angesichts der

beschränkten Datenverfügbarkeit, durchaus ihre Berech-

tigung. Eine Umstellung auf physikalischen Bestim-

mungsmethoden sollte aber heute kein Thema mehr

sein, denn die nötigen Inputdaten sind entweder direkt

verfügbar oder können mit hinreichender Genauigkeit

aus operationellen Messgrössen abgeleitet werden, wie

wir hier zeigen konnten.

Im Kontext dieser Arbeit war eine erweiterte Evalua-

tion der Verdunstung nach Allen et al. (1998) unter Ein-

bezug eines Vegetationskoeffizienten KC nicht nötig, da

während der ausgewählten Periode die Vegetationsei-

genschaften in etwa denjenigen der Referenzoberfläche

entsprachen. Dies muss aber von Fall zu Fall beurteilt

werden. Auch bleibt zu untersuchen, ob sich die FAO-

Methode standardmässig für die Bewertung des Wasser-

bedarfs im Obst- und Rebbau eignet, in Situationen also,

in denen die Anordnung der Pflanzen sowohl die Ober-

flächen- als auch die aerodynamischen Eigenschaften

der verdunstenden Fläche beeinflussen. n

Unsere Untersuchungen zum Verdunstungsregime von Grün- und Ackerland fin-

den teilweise im Rahmen der folgenden Projekte statt: ACQWA (7. EU-Rahmen-

programm), AGWAM (Nationales Forschungsprogramm NFP61, Nachhaltige Was-

sernutzung) und AGRISK (Nationaler Forschungsschwerpunkt Klima, NCCR

Climate). Wir danken dem Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (Meteo-

Schweiz) für die Bereitstellung von operationellen Wetterdaten.

Abb. 4 | Eddy-Kovarianz-System zur Messung der Verdunstung im Feld, bestehend aus einem Ultraschall-Windmesser und einem Inf-rarot-Sensor für Wasserdampf und CO2 (weiss). (Foto: ART)

5 Für die Abschätzung der tatsächlichen Verdunstung nach FAO (Allen et al. 1998)

ist auf Grund der verbesserte Wassernutzungseffizienz zudem eine Anpassung

des Vegetationskoeffizienten Kc erforderlich.

Page 39: Heft 4 April 2011

183

Die Referenzverdunstung und ihre Anwendung in der Agrarmeteorologie | Pflanzenbau

Ria

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Sum

mar

y

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 176–183, 2011

Literatur b Allen R.G., Pereira L.S., Raes D. & Smith M., 1998. Crop Evapotranspi-ration. Guidelines for Computing Crop Water Requirements. FAO Irrigati-on and Drainage Paper 56. Food and Agriculture Organization (FAO) of the United Nations, Rome, 300 S.

b Ammann C., Neftel A., Spirig C., Leifeld J., & Fuhrer J., 2009. Stickstoff-Bilanz von Mähwiesen mit und ohne Düngung. Agrarforschung 16 (9), 348–353.

b Brutsaert W., 1982. Evaporation into the Atmosphere. D. Reidel Publi-shing Company, Dodrecht, 299 S.

b Calanca P. & Holzkämper A., 2010. Agrarmeteorologische Bedingungen im Schweizer Mittelland von 1864 bis 2050. Agrarforschung Schweiz 1 (9), 320–325.

b Davies J.A., 1967. A note on the relationship between net radiation and solar radiation. Quart. J. Roy. Meteor. Soc. 93, 109–115.

b Fuhrer J. & Jasper K., 2009. Bewässerungsbedürfigkeit von Acker- und Grasland im heutigen Klima. Agrarforschung 16, 396–401.

b Jensen M.E., Burman R.D. & Allen R.G. (eds), 1990. Evapotranspiration and Irrigation Water Requirements. ASCE Manuals and Reports on Engineering Practice No. 70. American Society of Civil Engineers, New York, 332 S.

b Monteith J.L. 1965. Evaporation and environment. pp. 205–234. In G. E. Fogg (ed.) Symposium of the Society for Experimental Biology, The State and Movement of Water in Living Organisms, Vol. 19, Academic Press, Inc., NY.

b Neftel A., Ammann C., Calanca P., Flechard C., Fuhrer J., Leifeld J. & Jocher M., 2005. Treibhausgasquellen und -senken: Die «Kyoto-Wiese» Agrarforschung 12 (8), 356–361.

b Priestley C.H.B & Taylor R.J., 1972. On the assessment of surface heat flux and evaporation using large-scale parameters. Monthly Weather Review 100, 81–92

b Primault B., 1962. Du calcul de l'évapotranspiration. Arch. Met. Geoph. Biocl. Series B 12, 124–150.

b Primault B., 1981. Extension de la validité de la formule suisse de calcul de l’évapotranspiration. Bericht der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt (Meteo-Schweiz) 103, 1–8.

b Schrödter H., 1985. Verdunstung. Anwendungsorientierte Messverfahren und Bestimmungsmethoden. Springer-Verlag, Berlin, 186 S.

b Slatyer R.O. & McIlroy I.C., 1961. Practical Microclimatology. Common-wealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO), Mel-bourne, Australia, 310 S.

b Thornthwaite C.W., 1948. An approach toward a rational classification of climate. Geograp. Rev. 38, 55–94.

b Turc L., 1961. Evaluation des besoins en eau d’irrigation, évapotranspira-tion potentielle, formule simplifiée et mise à jour. Ann. Agron. 12, 13–49

L'evapotraspirazione di riferimento e

la sua applicazione nella me-teorologia

agricola

Il cambiamento climatico pone

l'agricoltura di fronte a nuove sfide.

Considerato il potenziale di eva-

porazione, nel programmare le misure

d'adeguamento è particolarmente

importante valutare il fabbisogno

idrico di prati, pascoli e superfici

campicole. L'evapotraspirazione di

riferimento, un concetto introdotto

negli anni novanta dall'Organizzazione

delle Nazioni Unite per l'alimentazione

e l'agricoltura (FAO) e presentato nella

presente pubblicazione, definisce il

potenziale di evaporazione da una

vegetazione standard abbondante-

mente approvvigionata d’acqua. Essa

viene calcolata sulla base della cosid-

detta formula di Penman-Monteith e,

come mostrato in questo lavoro,

riproduce fedelmente l’evapotra-

spirazione osservata in condizioni

pressoché ottimali in un prato dell'Alti-

piano svizzero.

Reference evaporation and its applica-

tion in agrometeorology

Climate change places the agriculture

in front of new challenges. An assess-

ment of the water requirement of

grassland, pasture and arable land on

the basis of the evapotranspiration

potential plays a central role in the

planning of adaptation measures. The

reference evaporation, a concept

introduced in the 1990’s by the Food

and Agriculture Organization (FAO)

and presented in this paper, defines

the evaporation potential of standard

vegetation with an abundant water

supply. It is determined on the basis of

the so-called Penman-Monteith

equation and, as demonstrated here, is

able to accurately reproduce the

evolution of the evaporative flux from

grassland as observed on the Swiss

Plateau under virtually optimum

conditions.

Key words: reference evapotranspira-

tion, evapotranspiration potential,

Penman-Monteith equation, crop

water requirements, climate change.

Page 40: Heft 4 April 2011

184

E i n l e i t u n g

Wie es zum Weiterbildungsangebot kam

Angeregt durch einen Vorschlag am Eggiwiler Sympo-

sium 1998 treffen sich im Mai 1999 im Emmental an

einem Kurs der AGRIDEA (früher LBL) gut zwei Dutzend

Frauen und Männer. Ihr gemeinsames Thema heisst

«Betreuung auf dem Bauernhof». An dieser Tagung wird

ersichtlich, dass einerseits eine steigende Nachfrage

nach Betreuungsplätzen besteht und anderseits viele

Bäuerinnen und Bauern sich eine Weiterbildung wün-

schen, in der sie sich notwendiges Wissen aneignen und

ihre Erfahrungen reflektieren können.

Nach Projekt-Vorarbeiten durch die AGRIDEA im Ver-

bund mit weiteren Akteuren aus dem sozialen Umfeld

bietet das Inforama Emmental zusammen mit der Berufs-

Fach- und Fortbildungsschule BFF 2001 einen Pilotkurs

«Ausbildung Betreuungsleistungen» an.

Dieser Pilotkurs orientiert sich grundsätzlich am

Modell der von der Schweizer Pflegekinderaktion und

des VHPG (Verein heilpädagogischer Grossfamilien)

angebotenen Weiterbildung.

Ein Jahr später folgen zwei weitere Weiterbildungs-

angebote in der Ostschweiz und im Aargau, beide als

Partnerschaft zwischen Organisationen der landwirt-

schaftlichen Weiterbildung und der sozialen Ausbildung.

Landwirtschaftliche Beraterinnen beim jährlichen Erfa-Treffen.

Ernst Bolliger, AGRIDEA Lindau, 8315 Lindau

Auskünfte: Ernst Bolliger, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 354 97 23

Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft

G e s e l l s c h a f t

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 184–189, 2011

Page 41: Heft 4 April 2011

Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft

185

Zusa

mm

enfa

ssu

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Seit mehr als zehn Jahren bieten regionale

landwirtschaftliche Bildungszentren jeweils im

Verbund mit einer sozialen Fach(hoch)schule

die «Weiterbildung Betreuungsleistungen» an.

Die regionalen Angebote unterscheiden sich in

der Dauer und in der Ausrichtung auf einzelne

oder mehrere Betreuungsgruppen – entspre-

chend den regionalen Gegebenheiten. Alle

Angebote streben ein gemeinsames Ziel an:

Befähigung zur kompetenten Betreuung von

«Gastpersonen» in der eigenen Familie unter

fachkundiger Begleitung einer ausgewiesenen

Organisation. Die regionalen Angebote

orientieren sich an Werten und Qualitätskrite-

rien, die in einer gemeinsam formulierten

Charta festgehalten sind.

In den meisten Regionen sind unter den

Absolventinnen und Absolventen Arbeits-

kreise entstanden, in denen sie ihre Erfahrun-

gen austauschen und reflektieren. Gesamt-

schweizerisch treffen sich die in diesem

Weiterbildungsangebot engagierten landwirt-

schaftlichen Beraterinnen jährlich einmal zur

Koordination, Reflexion und Weiterentwick-

lung des Angebots.

Betreuungsleistungen sind in einigen Regio-

nen der Schweiz für viele Landwirtschaftsbe-

triebe zu einem bedeutenden Element

geworden. Betreuungsleistungen sind nicht

nur wirtschaftlich von Bedeutung, sie wirken

sich auch auf den Tagesablauf und die Präsenz

des Betriebsleiterpaares aus.

Dieser Bericht basiert auf Erfahrungswissen

und Erfahrungslernen – Praxisreflexion als

spezielle Form der Forschung verstanden.

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 184–189, 2011

Damit ist einerseits die Nähe zur Landwirtschaft / dem

ländlichen Raum und anderseits die Professionalität im

sozialen Bereich sichergestellt. Regionale Begleitgrup-

pen sichern die Vernetzung des Weiterbildungsangebots

mit kantonalen Behörden, Platzierungsorganisationen

und weiteren Interessengruppen.

Die AGRIDEA unterstützt den Wissens- und Erfah-

rungsaustausch unter den regionalen Anbietern: In jähr-

lichen Treffen feilen die Anbieter an der Qualität ihrer

Lehrgänge. Die Charta «Weiterbildungsangebote

Betreuungsleistungen» ist die nach aussen sichtbare und

nach innen wirkende Qualitätsrichtlinie (siehe Kasten 1).

Schwerpunkte in den regionalen Weiterbildungs-Angeboten

Regionale Angebote bestehen im Kanton Bern, in der

Ostschweiz und im Aargau. In der Romandie sind Bestre-

bungen im Gang, eine entsprechende Weiterbildung

anzubieten. Die regionalen Angebote unterscheiden

sich in ihrer Ausrichtung auf verschiedene Zielgruppen

und in ihrer Dauer. Zielgruppen können Kinder und

Jugendliche, betagte Menschen, Menschen mit einer

Behinderung oder psychischen Problemen, ehemals

suchtabhängige oder straffällige Menschen oder Men-

schen aus anderen Kulturen umfassen. Die Dauer der

Weiterbildungen variiert im Bereich zwischen 30 und

40 Kurstagen entsprechend der in der Charta festgehal-

tenen Empfehlungen.

Fokussiert auf Kinder und Jugendliche gibt es zwei

weitere Angebote: Curaviva (Luzern) bietet in Zusam-

menarbeit mit den landwirtschaftlichen Beratungs-

diensten der Zentralschweiz einen 15-tägigen praxisbe-

gleitenden Lehrgang an. Der Verein «tipiti» zusammen

mit der Schweizer Pflegekinderaktion und zwei weite-

ren Vereinen bietet eine Ausbildung an verschiedenen

Orten der Schweiz in einer etwa 45 Tage dauernden

Version an.

Neben der Vermittlung und Erarbeitung von Theorie

und Fachwissen bauen die Weiterbildungen auf den

Erfahrungen und Fragen der Teilnehmenden auf.

Kosten der Weiterbildung und Vergütung der Betreu-

ungsleistungen

Die regionalen Weiterbildungsangebote finanzieren sich

aus Teilnehmergebühren, Sponsoring und Leistungsauf-

trägen der Kantone. Die TeilnehmerInnen bezahlen je

nach Region zwischen Fr. 1500.– und 6000.– für die ganze

Weiterbildung, also Fr. 50.– bis 150.– pro Weiterbildungs-

tag. Einzelne TeilnehmerInnen haben Weiterbildungssti-

pendien von Stiftungen in Anspruch nehmen können.

Die Vergütungsansätze für erbrachte Betreuungsleis-

tungen sind je nach Kanton und betreuten Personen

sehr unterschiedlich; sie bewegen sich in der Grössen-

ordnung von Fr. 60.– bis 130.– pro Tag. Es gibt eine Viel-

zahl von Platzierungsorganisationen; verbindliche Richt-

linien für die Vergütung fehlen. AbsolventInnen der

Weiterbildung können tendenziell höhere Vergütungen

aushandeln, verglichen mit Anbieterinnen ohne eine

entsprechende Qualifizierung.

Page 42: Heft 4 April 2011

Gesellschaft | Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft

186 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 184–189, 2011

Kasten 2 | Weiterbildung im Überblick

(Beispiel Kanton Bern)

Die Weiterbildung umfasst 40 Kurstage auf vier Semester

(2 Jahre) verteilt.

• Im ersten Semester stehen Rolle und Auftragsklärung,

Aufenthaltsplanung, Alltagsgestaltung, Vernetzung,

Kommunikation und Zusammenarbeit mit Fachstellen

und Behörden im Zentrum.

• Im zweiten Semester treten die Themen Lebenszyklus,

pädagogische Grundannahmen und das System Familie

in den Vordergrund.

• Das dritte Semester geht auf die spezifischen Bedürfnis-

se der einzelnen Betreuungsgruppen ein; der Alltagsge-

Kasten 3 | Das Weiterbildungsziel

(Beispiel Kanton Bern)

Die Kursabsolventinnen können Menschen

mit besonderen Bedürfnissen in der eigenen

Familie unter Anleitung einer professionellen

Platzierungsstelle fach- und situationsgerech-

te Betreuung, Begleitung und Unterstützung

anbieten. Sie sind vorbereitet auf die Verän-

derungen, die das Zusammenleben mit einer

familienfremden Person in der eigenen Fami-

lie auslösen kann.

Kasten 1 | Charta «Weiterbildungsangebote Betreu-

ungsleistungen»

Die Charta umfasst einleitende Bemerkungen zum Zweck

der Charta und der Bedeutung der Betreuung in (Bauern-)

Familien auf dem Land. Sie unterscheidet anschliessend die

verschiedenen bei einer Betreuung beteiligten Akteure mit

ihren spezifischen Rollen und trägt damit zu einem Ver-

ständnis des vernetzten Systems bei.

Bezüglich der Weiterbildung hält sie Ziele und angestrebte

Kompetenzen der Teilnehmenden fest und formuliert vier

Werte, die für das Weiterbildungsangebot im Zentrum ste-

hen. Ein abschliessendes Kapitel widmet sich den Qualitäts-

merkmalen der Weiterbildungsan gebote. Die Weitebil-

dungsanbieter haben die Charta diskutiert und inhaltlich

gutgeheissen; verbindliche Unterschriften stehen noch aus.

Inhaltsverzeichnis der Charta «Weiterbildungsange-

bote Betreuungsleistungen»

1. Zweck der Charta

2. Bedeutung der Betreuung in (Bauern-) Familien auf

dem Land

3. Die Beteiligten: Klärung der Rollen und

Verantwortlichkeiten:

Die Betreuten/Herkunftsfamilie/Betreuungsfami-

lie/Vermittlungsstelle (Platzierungs-Organisation)/

Weiterbildungs anbieter/Öffentliche Stelle (einwei-

sende Stelle, Sozialamt, etc)/Bewilligungs- und

Kontrollinstanz

4. Das Weiterbildungsangebot Betreuungsleistungen

4.1 Ziele und angestrebte Kompetenzen

4.2 Werte, auf denen das Weiterbildungsan gebot auf-

baut:

Praxisnah, fundiert, unabhängig, verbindlich

4.3 Qualitätsmerkmale des Weiterbildungs angebots:

Kursleitung/ReferentInnen/Teilnehmende/ Begleit-

gruppe & Aufsichtsgremium: Transparenz/Umgang

mit Konflikten/Evaluation & Kontrolle/Weiterbil-

dung & Erfahrungsaustausch nach dem Abschluss/

Vernetzung auf nationaler Ebene

5. Verpflichtung der Weiterbildungsanbieter

staltung kommt vor allem als Reflexion des eigenen

Handelns eine grosse Bedeutung zu.

• Das vierte Semester schliesslich wendet sich der Quali-

tätssicherung und dem Umgang mit schwierigen Situa-

tionen (Konflikte, Gewalt) zu, beinhaltet eine Ab-

schlussarbeit und bietet Raum für Vertiefungsthemen.

Eine Vorsaussetzung für das Weiterbildungszertifikat

sind eine mindestens sechs Monate dauernde Betreuung

während der Weiter bildung, eine Präsenz von 85 %, posi-

tiv bewertete Zwischen- und Abschlussarbeiten sowie

eine positive Gesamtbeurteilung.

Page 43: Heft 4 April 2011

Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft

187Agrarforschung Schweiz 2 (4): 184–189, 2011

Kurs Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 Total = 15

Dauer

Emmental 40 Tage 21 18 19 22 16 12 12 10 130

Aargau 30 Tage 13 15 10 11 49

Ostschweiz 40 Tage 25 21 13 59

Tab. 1 | KursabsolventInnen nach Regionen

Ruth und Werner Kobel-Hofer und Stefan

Kasten 4 | Was hat uns die Ausbildung gebracht?

Ruth und Werner Kobel-Hofer leben mit ihren drei Kin-

dern und der Grossmutter (Werner's Mutter) auf einem

Bauernhof im Emmental. Stefan lebt seit drei Jahren bei

ihnen. Stefan hat eine Behinderung; er kam über die

OGG, eine Berner Organisation im sozialen Bereich, zu

ihnen. Stefan interessiert sich ausschliesslich für den

Landwirtschaftsbetrieb, nicht für den Haushalt.

«Damit müssen wir uns arrangieren. Gerade Behinderte

haben ebenfalls das Recht mitzuentscheiden. Nichts be-

rechtigt uns, über sie zu verfügen und ihnen unseren

Willen aufzudrängen. Klar müssen genaue Strukturen

und Regeln eingehalten werden. Die tägliche Körper-

pflege, die Manieren, der Anstand sind alles Punkte,

über die bei uns jeden Tag gesprochen wird. Das be-

trifft aber alle Familienmitglieder und nicht nur unsere

betreute Person.»

«In der Betreuungsarbeit und im Alltag gab und gibt

es immer wieder Momente, wo mir das nötige «know-

how» fehlte, um im Affekt an gemessen zu agieren

und zu reagieren. Unter anderem deshalb habe ich

mich entschlossen, die Aus bildung zur Betreuungsleis-

tung im ländlichen Raum (ABL) in Angriff zu nehmen.»

«Die ABL hat mir viel gebracht. Das erarbeitete Wissen in

den Bereichen Sozial- und Heilpädagogik, Psychologie

und Soziologie, aber auch der Austausch mit anderen

Betreuenden hat mir sehr viel gebracht. Deshalb habe

ich mich entschieden, im Arbeitskreis Betreuungsarbeit

mitzumachen. Wir vertiefen bereits Vorhandenes, erar-

beiten Neues, festigen uns mit gegen-seitigem Erfah-

rungsaustausch. Im AK stellen wir mit unserer Leiterin,

Marlies Budmiger, ein Jahresprogramm zusammen, das

auf unsere Bedürfnisse und Interessen abgestimmt ist.»

Page 44: Heft 4 April 2011

188

Gesellschaft | Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft

R e s u l t a t e

Alle Weiterbildungen stellen Zertifikate aufgrund einer

Beurteilung der TeilnehmerInnen aus. Die Weiterbil-

dungsziele umfassen sowohl für die Betreuungsarbeit

unentbehrliches Wissen und Fähigkeiten wie auch

Aspekte der persönlichen Eignung.

Bisher haben über 200 Personen (ca. 80 % Frauen) in

insgesamt 15 Kursen eine regionale Ausbildung abge-

schlossen. Nach anfänglichen Klassengrössen von ca.

20 Personen ist die durchschnittliche Teilnehmerzahl auf

unter 15 gesunken, was sich auf den Kostendeckungs-

grad der Weiterbildungen negativ auswirkt.

Fokus Qualitätssicherung

Die verschiedenen Anbieterinnen der «Weiterbildung

Betreuungsleistungen» haben sich zur Qualitätssiche-

rung immer wieder Gedanken gemacht. Dazu hat jede

Region Vertreter von Behörden, Platzierungsorganisati-

onen und weiteren Interessengruppen in eine Begleit-

gruppe eingeladen. Als wichtigste Fragen der Qualitäts-

sicherung traten wiederholt Rollenklarheit und

Transparenz in den Fokus der Aufmerksamkeit. Rollen-

klarheit heisst in diesem Zusammenhang: Die verschie-

denen Akteure konzentrieren sich auf ihre Aufgabe:

Behörden auf die Entscheide und den rechtlichen Rah-

men, die Platzierungsorganisationen auf die Auswahl

geeigneter Familien und deren Begleitung, die Weiter-

bildungsanbieter auf die Weiterbildung und die Betreuer

auf die Betreuung.

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 184–189, 2011

Hinweis zur Methode

Die in diesem Artikel dargestellten Erfahrungen basieren auf den Erfahrungen

und Erkenntnissen, die landwirtschaftliche Beraterinnen in ihrer Funktion als

Anbieterinnen der Weiterbildung Betreuungsleistungen an ihren jährlichen Tref-

fen zusammentragen und reflektieren, um daraus Schlussfolgerungen für ihre

weitere Arbeit zu ziehen. Bei den Treffen geht es um eine Reflexion der Weiterbil-

dung, vom pädagogischen Konzept über die Vernetzung mit wichtigen Partneror-

ganisationen, finanziellen und rechtlichen Aspekten der Weiterbildung bis hin zu

Fragen der Qualitätssicherung. Kooperation und Konkurrenz sind Themen, die

dabei nicht ausgeschlossen sind.

Zur Weiterbildung gehören dann auch Arbeitskreise,

in denen die Betreuungsanbieterinnen ihre Erfahrungen

austauschen können; die Begleitung am Wohnort der

Familie ist jedoch Aufgabe der Platzierungsorganisation.

Jede Qualitätsnorm kommt nur dann zum Tragen, wenn

erbrachte Leistungen (Weiterbildung, Betreuung, Be-

gleitung) für Dritte transparent sind.

Als wesentliches Instrument zur Qualitätssicherung

der Weiterbildungen haben die Anbieterinnen der Wei-

terbildung eine Charta «Weiterbildungsangebote Be-

treuungsleistungen» erarbeitet. Sie basiert auf eigenen

Erfahrungen und jener von andern Weiterbildungsan-

bietern und dient als Richtschnur. Sie hat einen empfeh-

lenden, keinen verbindlichen Charakter.

Die Charta steht in einer Analogie zu den Richtlinien

der INTEGRAS («Anforderungen an Familienplatzie-

rungs-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugend-

hilfe» sowie «Label FPO – Sicherheit in der Platzierung in

Familien»). Die Aufsichtsfunktion über die regionalen

Weiterbildungen fällt den kantonalen Sozialämtern zu.

n

Bild 1:Beziehung

Betreuung oder Arbeitskraft? Arbeitsbeziehung oder Beziehungsarbeit?

Bild 2:Kundengruppen

Betreuung: Betagte und Behinderte Erziehung: Jugendliche und Pflegekinder Re-Integration: Ex-Drögeler und Strafentlassene

Bild 3:Phänomen Entwurzelung (eine Analogie)

Bei Pflanzen haben beschädigte Wurzeln einen Einfluss auf das Wachstum, auf die Blühkraft und auf die Krankheitsanfälligkeit.Beim Umtopfen von Pflanzen braucht es besondere Aufmerksamkeit in der Anwachsphase, am Wochenende und in den Ferien (Giessen), beim Überwintern und beim späteren Auspflanzen ins Freie.

Bild 4:Betreuung auf dem Bauern-hof – Besonderheiten

Soziales Engagement und Zusatzeinkommen sind beide wichtig.Bauernfamilien nutzen ihr «soziales Kapital» (Familienstruktur, soziale Fähigkeiten, Raum-Reserven, aktive Integration im Dorf/Gemeinde).Arbeit mit Menschen erlaubt kein wildes Experimentieren.Betreuung verlangt Dauer-Präsenz (Weekend, Ferien, Abend, ...).Erfolg misst sich in besonderen Einheiten und stellt sich oft erst spät ein.Betreuungsarbeit hat Auswirkungen auf das soziale Netz (Nachbarn, Dorf, Gemeinde).

Bild 5:Betreuung = Arbeit in einem Netzwerk

Die Bauernfamilie und die betreute Person stehen im Zentrum einer Netzwerkbeziehung mit der Herkunftsfamilie, Platzie-rungsorganisationen, Fürsorgestelle, Sozialamt, Jugendamt, Ausbildungsinstitution, Erfa-Gruppe, Schule, AHV/IV, Weekend-Ablöser, etc. Das verlangt von der Bauernfamilie eine offene Kommunikationsfähigkeit.

Bild 6:Drum prüfe gut ...

UVP Die «Umweltverträglichkeitsprüfung» in drei Stufen:• PEP Persönliche Eignungs Prüfung• FIT Familien Integrations Test• SACH Sozialer Auswirkungs Check

Tab. 2 | Sechs Bilder zum Thema "Soziales Engagement als Nebenerwerb"

Page 45: Heft 4 April 2011

189

Weiterbildung Betreuungsleistungen: Kompetenzen stärken für soziale Leistungen in der Landwirtschaft | Gesellschaft

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Sum

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y

Formazione continua nei servizi di assistenza:

rafforzare le competenze per le prestazioni

sociali in agricoltura

Da più di dieci anni, i centri regionali per la

formazione agricola, in collaborazione con le

scuole pedagogiche superiori, offrono una

formazione mirata a fornire conoscenze e

competenze per l’accoglienza di persone con

bisogni specifici. I corsi di formazione dei

centri regionali si distinguono nella durata e

si rivolgono a uno o più gruppi, in funzione

delle necessità regionali. Tutte le offerte

hanno un unico obbiettivo: acquisire la

capacità per prendersi cura in modo compe-

tente di un «ospite» nella propria famiglia,

accompagnati da esperti di un’organizzazione

designata. Le offerte regionali si basano su

valori e criteri di qualità che devono essere

definiti congiuntamente in una Charta. Nella

maggior parte delle regioni della Svizzera, i

partecipanti hanno creato dei gruppi di lavoro

per condividere e le proprie esperienze. Le

consulenti agrarie di tutta la Svizzera,

impegnate in questi progetti di formazione

continua, si incontrano ogni anno per

coordinare, discutere ed ampliare l'offerta

formativa. Questi servizi di accoglienza sono

diventate in alcune regioni della Svizzera una

risorsa importante per molte aziende agri-

cole. Il loro impatto non è confinato solo alla

sfera economica ma va a toccare anche lo

svolgimento della giornata lavorativa ed

influisce sulla presenza dei gestori. Questo

rapporto si basa su esperienze applicative e

conoscitive e riflessioni pratiche intese come

forma di ricerca particolare.

Literatur b Wirz Handbuch, Band 2 Betrieb und Familie, 2010. "Betreuung auf dem Bauernhof" (Seite 386 bis 390). Wirz Verlag Basel, 2009.

b Integras: Anforderungen an Familienplatzierungs-Organisationen im Be-reich der Kinder- und Jugendhilfe http://www.integras.ch/pdf/20060628AnforderungenJuni2006.PDF

b Integras: Label FPO – Sicherheit in der Platzierung in Familienhttp://www.integras.ch/pdf/20100316LabelFPO_Kriterien.pdf

b Inforama: Konzept der Ausbildung Betreuung im ländlichen Raum (ABL)http://www.vol.be.ch/site/kurskonzept_11 – 12.pdf

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 184–189, 2011

Advanced training for caring services at the

farm

For more than ten years some regional

agricultural training and extension centers in

cooperation with a college of social studies

offer an advanced training on «green care»

(caring services at the farm).

The regional trainings differ in their duration

and in the orientation to one or several focus

groups of people to be taken care of –

according to the regional context. All offers

are striving for the same goal: competency

development for a high quality care of

«guest persons» in the own family under

professional coaching of a recognized

organisation. The regional trainings are

based on the same values and quality

criteria that are stipulated in a commonly

formulated Charta.

In most of the regions, the graduates started

to form quality circles to share and reflect

their own experience. From all over Switzer-

land, the agricultural extension staffs

(women) engaged in this training meet

annually to coordinate, reflect and further

develop the training concept.

In several regions of Switzerland, caring

services at the farm have evolved into an

important element in the puzzle of the

farming system. Not only is caring at the

farm financially important, it also has a

major impact on the daily rhythm and the

presence at home of the farming family.

Knowledge and learning from experience

are the source of this report – reflecting

practical experience understood as a special

form of research.

Key words: caring services at farm, training,

coaching, quality standards,

out-of-home child and youth care.

Page 46: Heft 4 April 2011

190

«Völlig genervt schnitt ich der Kuh die verdreckte

Schwanzquaste ab», erinnert sich Sabine Schrade. «Dies

war an der Gesellenprüfung in Ostfriesland.» Das Blut

steigt Sabine Schrade noch heute leicht ins Gesicht: «Die

Kuh war auktionsfertig zu machen und hielt einfach

nicht still», erklärt sie ihr Vorgehen. Dennoch ist sie froh,

dass sie nach dem Abitur zuerst eine Ausbildung zur

Landwirtin absolvierte. So kennt sie die Betriebsabläufe

und weiss, wie es in der landwirtschaftlichen Praxis

zugeht. «Auf meinem Lehrbetrieb wurde viel getüftelt

und improvisiert. Diese Erfahrung hilft mir auch im

Versuchs wesen, wenn stalltaugliche Lösungen für

Versuchs einrichtungen gefragt sind», insofern bereue

sie den Umweg über die Lehre und damit auch die Erfah-

rung mit der Schwanzquaste nicht.

Nach der Lehre begann Sabine Schrade das Studium

der Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim.

Ihre Masterarbeit über Arbeitszeitbedarf in der Mutter-

kuhhaltung führte sie 2004 in die Schweiz an die For-

schungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. Die

praxisnahe Forschung in Tänikon hatte es ihr angetan:

Diverse Nachdiplompraktika im Bereich Verfahrenstech-

nik Tierhaltung und schliesslich die Dissertation zum

Thema «Ammoniak- und PM10-Emissionen im Laufstall

für Milchvieh mit freier Lüftung und Laufhof anhand

einer Tracer-Ratio-Methode» folgten. Diese schloss sie

2009 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ab.

Die Emissionsmessungen, die in Zusammen arbeit mit der

Empa auf sechs Milchviehbetrieben durchgeführt wur-

den, erforderten ihren Einsatz im Stall und Labor pha-

senweise fast rund um die Uhr. Die enge Verknüpfung

zwischen Wissenschaft und Praxis gefiel Sabine Schrade.

Bessere Luft dank verbesserter Entmistungstechnik

Zurzeit bearbeitet Sabine Schrade als Wissenschaft liche

Mitarbeiterin an ART das Projekt Emissionsminderung

im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU. Ziel ist,

Ammoniakverluste aus Ställen so stark wie möglich zu

senken. Dazu ist ein Modellversuchsstall für Rindvieh zur

Messung von Emissionen in Planung, erzählt die junge

Frau. Dieser soll es ART in Zusammenarbeit mit Firmen

erlauben, technische und bauliche Massnahmen zur

Emissionsminderung zu entwickeln und zu untersuchen.

«Konkret könnte man hier zum Beispiel tierfreundliche

automatische Entmistungsschieber nennen, die auf das

Material der Stallböden abgestimmt sind und die Lauf-

flächen häufiger und besser reinigen», nennt die 32-Jäh-

rige Entwicklungsideen beim Namen. Diese Forschung

stützt sich auf die vom BAFU und dem Bundesamt für

Landwirtschaft BLW 2008 formulierten Umweltziele,

die unter anderem eine Senkung der Ammoniakemissi-

onen um 40 Prozent festgelegt haben. Ergänzt werden

diese Bestrebungen durch die Ressourcenprogramme

der Kantone.1 «Ammoniak kommt überwiegend aus

der Nutztierhaltung. Neben der Ausbringung und

Lagerung trägt der Stall wesentlich zu den Ammoniak-

emissionen bei», erklärt die Wissenschaftlerin.

Sabine Schrade ist in einem kleinen Dorf auf der

Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg aufgewach-

sen. Die Mitarbeit auf dem Betrieb der Grosseltern

gehörte von Kindesbeinen zum Alltag. Noch heute hilft

sie dort bei Bedarf gerne im Stall oder bei Feldarbeiten

aus. Obwohl sie regelmässig in Richtung Schwäbische

Alb fährt, gefällt es Sabine Schrade im Thurgau sehr gut.

Die Nähe zu den Bergen kommt der begeisterten Skifah-

rerin und Klettersteiggeherin entgegen. Bei ihren Berg-

touren sind Kühe auf der Alp ihr häufigstes Fotomotiv,

erzählt Sabine Schrade und ergänzt, dass sie trotz der

Sache mit der abgeschnittenen Schwanzquaste diese

eigentlich sehr möge.

Etel Keller-Doroszlai, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-

Tänikon ART, 8356 Ettenhausen

Wissenschaft nah am Stallgeruch

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 190, 2011

P o r t r ä t

1Weitergehende Informationen unter www.blw.admin.ch > Themen >

Nachhaltige Ressourcennutzung (Ressourcenprogramm)

Page 47: Heft 4 April 2011

Aktuell

191

Im Editorial der «Agrarforschung Schweiz» vom Februar 2011 habe ich mich auf das Buch «SystemInnovation – die

Welt neu entwerfen» von Bruno Weisshaupt abgestützt. Leider habe ich im Editorial versehentlich nicht darauf

Bezug genommen. Dafür entschuldige ich mich. Der Autor ist Geschäftsführer der Firma origo AG und plädiert in

seinem lesenswerten Buch für eine neue Denkweise und Systemsicht, die sich konsequent an den Bedürfnissen des

Marktes und der Benutzer orientiert – und so innovatives Potenzial tatsächlich freilegt. Das 2006 publizierte Buch ist

erhältlich beim Verlag Orell Füssli.

Urs Gantner, BLW

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 191–195, 2011

Unterlassener Buchhinweis – Entschuldigung

Aktuell

A k t u e l l

Aktuelle Forschungsergebnisse

für Beratung und Praxis:

Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal

im Jahr Forschungsergebnisse über

Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft,

Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und

Gesellschaft.

Agrarforschung ist auch online verfügbar

unter: www.agrarforschungschweiz.ch

Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe!

AGrArForSchUNG Schweiz

rechercheAGroNomiqUeSUiSSe

Talon einsenden an:Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 PosieuxTel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00E-Mail: [email protected] | www.agrarforschungschweiz.ch

NEU

Name/Firma

Vorname

Strasse/Nr

PLZ/Ort

Beruf

E-Mail

Datum

Unterschrift

Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die zeitschrift

der landwirtschaft lichen Forschung von

Agroscope und ihren Partnern. Partner der

zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirt-

schaft, die Schweizerische hochschule für

Landwirtschaft ShL, die Beratungszentralen

AGriDeA, die eidgenössische Technische

hochschule eTh zürich, Departement Agrar-

und Lebensmittelwissenschaften und Agro-

scope, die gleichzeitig herausgeberin der

zeitschrift ist.

Die zeitschrift erscheint auf Deutsch und

Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen

aus Forschung, industrie, Lehre, Beratung

und Politik, an kantonale und eidgenössische

Ämter und an weitere Fachinteressierte.

Page 48: Heft 4 April 2011

192 Agrarforschung Schweiz 2 (4): 191–195, 2011

A k t u e l l

ART-Bericht 737

Die Anzahl der Betriebe mit Direktvermarktung ist unter

den Betrieben der Zentralen Auswertung seit den

1990er-Jahren stark angestiegen. Seit dem Jahr 2003 ist

die Entwicklung jedoch nicht mehr so dynamisch ver-

laufen. Direktverkauf wird aufgrund der Nähe zu Agglo-

merationen oder Tourismus vor allem in der Tal- und

Bergregion betrieben. Biobetriebe verkaufen ihre Pro-

dukte mehr über die Direktvermarktung denn Nichtbio-

betriebe, und bei den Betriebstypen heben sich speziali-

sierte Betriebe mit Obst und Gemüse sowie Betriebe mit

Schwerpunkt Fleischproduktion hervor. Auf Verkehrs-

milch oder Mutterkuhhaltung spezialisierte Betriebe mit

Direktverkauf erreichen keinen Einkommensvorteil

gegenüber ihren Berufskolleginnen oder -kollegen.

Betriebe mit Direktvermarktung unterscheiden sich in

erster Linie in ihrer Kosten- und Leistungsstruktur von

den übrigen Betrieben, und sie erzielen meist eine

höhere Rohleistung, wobei sie aber auch höhere Fremd-

kosten bei höherem Arbeitskostenanteil haben.

Dierk Schmid, ART,

Peter Lenggenhager, Bischofszell Nahrungsmittel AG,

Emil Steingruber, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL

ART-Bericht 737

Wirtschaftlichkeit der Paralandwirtschaftam Beispiel der Direktvermarktung

Impressum

Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller, ART

Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch

ISSN 1661-7568

Autoren

Schmid Dierk, ART,[email protected],Peter Lenggenhager, BischofszellNahrungsmittel AG, CH-9220Bischofszell,Emil Steingruber, SchweizerischeHochschule für LandwirtschaftSHL, CH-3052 Zollikofen

Oktober 2010

Die Anzahl der Betriebe mit Direktver-marktung ist unter den Betrieben der Zen-tralen Auswertung seit den 1990er-Jahrenstark angestiegen. Seit dem Jahr 2003 istdie Entwicklung jedoch nicht mehr sodynamisch verlaufen. Direktverkauf wirdaufgrund der Nähe zu Agglomerationenoder Tourismus vor allem in der Tal- undBergregion betrieben. Biobetriebe verkau-fen ihre Produkte mehr über die Direktver-marktung denn Nichtbiobetriebe, und beiden Betriebstypen heben sich speziali-sierte Betriebe mit Obst und Gemüse sowie

Betriebe mit Schwerpunkt Fleischproduk-tion hervor. Auf Verkehrsmilch oder Mut-terkuhhaltung spezialisierte Betriebe mitDirektverkauf erreichen keinen Einkom-mensvorteil gegenüber ihren Berufskolle-ginnen oder -kollegen. Betriebe mit Direkt-vermarktung unterscheiden sich in ersterLinie in ihrer Kosten- und Leistungsstruk-tur von den übrigen Betrieben, und sieerzielen meist eine höhere Rohleistung,wobei sie aber auch höhere Fremdkostenbei höherem Arbeitskostenanteil haben.

Der Umsatz des Direktverkaufs hat bei vielen Betrieben eine sehr kleine Bedeutung.Foto: Dierk Schmid, ART

Wirtschaftlichkeit der Paralandwirtschaftam Beispiel der Direktvermarktung

ART-Bericht 736

Bäume sind weit mehr als nur Holz- und Fruchtliefe-

ranten. Sie prägen die Landschaft und erbringen wich-

tige Umweltleistungen. In den letzten Jahrzehnten

jedoch sind viele Bäume, insbesondere Hochstamm-

Obstbäume, aus der Landschaft verschwunden. Um

die landwirtschaftlich genutzte Fläche wieder mit

Bäumen zu bereichern, werden moderne Agroforst-

systeme entwickelt. In diesen stehen die Bäume meist

in Reihen im Acker oder auf Grünland und dienen der

Wertholz- oder Fruchtproduktion. ModerneAgroforst-

systeme er-bringen teilweise ähnliche Umweltleistun-

gen wie traditionelle Hochstamm- Obstgärten. Bäume

speichern Kohlenstoff, schützen vor Bodenerosion und

verringern Nährstoffund Pestizideinträge in Grund-

wasser und Oberflächengewässer. Die Zielregionen, in

welchen Agroforstwirtschaft ökologisch von Nutzen

sein kann, liegen vor allem in den Ackerbaugebieten

des Mittellands. Bäume im Kulturland können die

Artenvielfalt erhöhen. Eine Gestaltungshilfe in Form

einer Checkliste zeigt, wie Agroforstsysteme für Vögel

der Obstgärten und Waldränder sowie für den Natur-

schutz wertvoll gestaltet werden können. Bäume und

eine ansprechende Gestaltung des Systems werten die

Landschaft auf.

Alexandra Kaeser,

João Palma (ISA-UTL, Lissabon),

Firesenai Sereke, Felix Herzog, ART

Impressum

Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller, ART

Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 736

Umweltleistungen von Agroforstwirtschaft

Die Bedeutung von Bäumen in der Landwirtschaft für Gewässer- und Bodenschutz, Klima,

Biodiversität und Landschaftsbild

Autoren

Alexandra Kaeser, João Palma(ISA-UTL, Lissabon), FiresenaiSereke, Felix Herzog, [email protected]

November 2010

Bäume sind weit mehr als nur Holz- undFruchtlieferanten. Sie prägen die Land-schaft und erbringen wichtige Umwelt-leistungen. In den letzten Jahrzehntenjedoch sind viele Bäume, insbesondereHochstamm-Obstbäume, aus der Land-schaft verschwunden.Um die landwirtschaftlich genutzte Flächewieder mit Bäumen zu bereichern, werdenmoderne Agroforstsysteme entwickelt(siehe Abbildung 1 ). In diesen stehen dieBäume meist in Reihen im Acker oder aufGrünland und dienen der Wertholz- oderFruchtproduktion. ModerneAgroforstsys-teme erbringen teilweise ähnliche Um-weltleistungen wie traditionelle Hoch-stamm-Obstgärten.

Bäume speichern Kohlenstoff, schützen vorBodenerosion und verringern Nährstoff-und Pestizideinträge in Grundwasser undOberflächengewässer. Die Zielregionen, inwelchen Agroforstwirtschaft ökologischvon Nutzen sein kann, liegen vor allem inden Ackerbaugebieten des Mittellands.Bäume im Kulturland können die Arten-vielfalt erhöhen. Eine Gestaltungshilfe inForm einer Checkliste zeigt, wie Agroforst-systeme für Vögel der Obstgärten undWaldränder sowie für den Naturschutzwertvoll gestaltet werden können. Bäumeund eine ansprechende Gestaltung desSystems werten die Landschaft auf.

Abb. 1: Im Acker in Reihen auf Blühstreifen gepflanzte Vogelkirschen zur Wertholzproduk-tion in Deutschland (Foto: Alexander Möndel, Landratsamt Konstanz).

Umweltleistungen von Agroforstwirt-schaft

N e u e P u b l i k a t i o n e n

Page 49: Heft 4 April 2011

Aktuell

193

UntertitelLauftext

A k t u e l l

Untertitel Lauftext

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 191–195, 2011

ART-Schriftenreihe 15

Der Tagungsband zur dritten Tänikoner Melktechnikta-

gung zeigt Möglichkeiten einer optimierten Milchge-

winnung unter schweizerischen Bedingungen auf. Für

das Monitoring in der Milchgewinnung steht eine Viel-

zahl technischer, elektronischer und organisatorischer

Möglichkeiten zur Verfügung. Hierzu zählen neben den

bekannten Sensoren zur Messung von Milchfluss und

Milchmenge mittlerweile auch komplexere Verfahren

zur Steuerung des gesamten Melkprozesses und zur

Qualitätssicherung.

Die Diagnostik dient in der Milchgewinnung dazu,

bestehende Fehler in der gesamten Milchproduktion

eines Landwirtschaftsbetriebes zu erkennen und zu

beheben. Diese Fehler können einerseits bauseits vor-

liegen. Andererseits können es technisch verursachte

Fehler sein. Letztlich kann aber auch die Betriebslei-

tung selbst aufgrund einer falschen Arbeitsorganisa-

tion die Fehlerursache darstellen. Die Grundlage der

Diagnostik ist immer eine Prozesserfassung bei der

eigentlichen Melktechnik, am Tier, oder bei der Arbeits-

erledigung durch den Menschen.

Zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Milch-

produktion unter schweizerischen Bedingungen ist die

Effizienz ein wesentliches Kriterium. Hierbei geht es

darum, aus der Kombination von Monitoring und Diag-

ART-Schriftenreihe 15

3. Tänikoner Melktechniktagung

Der Tagungsband zur dritten Tänikoner Melktechniktagung zeigt Möglichkeiten einer optimierten Milchgewinnung unter schweizerischen Bedingungen auf.

Für das Monitoring in der Milchgewinnung stehen eine Vielzahl technischer, elektron-ischer und organisatorischer Möglichkeiten zur Verfügung. Hierzu zählen neben den bekannten Sensoren zur Messung von Milchfluss und Milchmenge mittlerweile auch komplexere Verfahren zur Steuerung des gesamten Melkprozesses und zur Qualitätssi-cherung.

Die Diagnostik dient in der Milchgewinnung dazu, bestehende Fehler in der gesa-mten Milchproduktion eines Landwirtschaftsbetriebes zu erkennen und zu beheben. Diese Fehler können einerseits bauseits vorliegen. Andererseits können es technisch verursachte Fehler sein. Letztlich kann aber auch die Betriebsleitung selbst aufgrund einer falschen Arbeitsorganisation die Fehlerursache darstellen. Die Grundlage der Diag-nostik ist immer eine Prozesserfassung bei der eigentlichen Melktechnik, am Tier, oder bei der Arbeitserledigung durch den Menschen.

Zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Milchproduktion unter schweizerischen Bedingungen ist die Effizienz ein wesentliches Kriterium. Hierbei geht es darum, aus der Kombination von Monitoring und Diagnostik einzelbetriebliche Schwachstellen aufzu-decken, Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten. Bei dieser Prozessoptimierung ist eine standardisierte Vorgehensweise anzus-treben um den Effekt der einzelnen Optimierungsschritte gesichert zu erkennen. Hierzu bieten sich Versuchsmelkstände und bedingt auch Praxismelkstände an. Im Versuchs-melkstand können vorwiegend physikalische und technische Parameter exakt analysiert und optimiert werden. Dagegen können im Praxismelkstand die physiologischen Param-eter an der Kuh und die menschliche Arbeit optimal untersucht werden.

Ausgehend vom Ziel einer optimierten Milchgewinnung versteht sich die Tagung als aktiver Beitrag zur Wissensentwicklung und Wissensvermittlung in der Melktechnik.

ISSN 1661-7584 ART-SchriftenreiheISBN 978-3-905 733-19-8Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 [email protected], www.agroscope.ch

AR

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hn

ikta

gu

ng

3. Tänikoner MelktechniktagungOptimierte Milchgewinnung

Redaktion: Pascal Savary und Matthias Schick, ART

ART-Schriftenreihe 15 | März 2011

3. Tänikoner Melktechniktagung

nostik einzelbetriebliche Schwachstellen aufzudecken,

Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Handlungs-

empfehlungen daraus abzuleiten. Bei dieser Prozessopti-

mierung ist eine standardisierte Vorgehensweise anzu-

streben um den Effekt der einzelnen Optimierungsschritte

gesichert zu erkennen. Hierzu bieten sich Versuchsmelks-

tände und bedingt auch Praxismelkstände an. Im Ver-

suchsmelkstand können vorwiegend physikalische und

technische Parameter exakt analysiert und optimiert wer-

den. Dagegen können im Praxismelkstand die physiologi-

schen Parameter an der Kuh und die menschliche Arbeit

optimal untersucht werden.

Ausgehend vom Ziel einer optimierten Milchgewin-

nung versteht sich die Tagung als aktiver Beitrag zur

Wissensentwicklung und Wissensvermittlung in der

Melktechnik.

Diese Schriftenreihe ist nur in Deutsch mit Zusammen-

fassungen in Französisch und Englisch verfügbar.

Pascal Savary und Matthias Schick, ART

Page 50: Heft 4 April 2011

194

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen

Aktuell

M e d i e n m i t t e i l u n g e n

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 191–195, 2011

28.03.2011 / ACW Hefepilze beeinflussen Edelbrand-Aroma Hefepilze sind der Motor der alkoholischen Gärung.

Unbestritten ist, dass es die richtigen Hefepilze braucht,

damit dieser Prozess einwandfrei abläuft. Ob aber eine

Hefe das Edelbrand-Aroma beeinflusst oder nicht, war

bisher unklar. Experten der Forschungsanstalt Agroscope

Changins-Wädenswil ACW konnten nun beweisen, das

Hefepilze tatsächlich auch einen wichtigen Beitrag zu

einem vortrefflichen Edelbrand-Aroma leisten.

08.03.2011 / ACW Gen-Analysen sollen die Züchtung neuer Obst-sorten beschleunigen Neue Obstsorten sollen in Zukunft schneller gezüchtet

werden als heute. Dazu wird das Erbgut der Pflanzen

analysiert. Bei der Apfelzüchtung an vorderster Front

mit dabei ist die Forschungsanstalt Agroscope Changins-

Wädenswil ACW, zusammen mit internationalen Part-

nern im Rahmen des jetzt gestarteten EU-Forschungs-

projekts Fruit Breedomics. Das Ziel: erwünschte

genetische Eigenschaften bezüglich Krankheitsresistenz

und Fruchtqualität bereits im Sämlings-Stadium erken-

nen. So sparen die Züchter Jahre – die Obst-Produzenten

verfügen schneller über resistente Pflanzen und die Kon-

sumenten kommen rascher in den Genuss von neuen

Apfelsorten.

03.03.2011 / ARTQualitäts-Saatgut für die Schweiz Saatgut bildet eine wichtige Grundlage für unsere

Ernährung. Wie seine Qualität und Produktion sicherge-

stellt werden kann, behandelt die Tagung «Unsere Saat-

gutproduktion – fit auch in der Zukunft» bei Agroscope

Reckenholz-Tänikon ART.

28.02.2011 / ACWNavigationssysteme für den Gemüsebau Im schweizerischen Feldgemüsebau haben einige grös-

sere Betriebe Traktoren mit GPS-Empfängern ausge-

rüstet. Diese Technik funktioniert ähnlich wie Navigati-

onssysteme im Auto, benutzt aber zusätzlich

Korrektursignale einer Bodenstation, um genauer zu

sein. Damit ist es möglich, Gemüsebeete präziser anzu-

legen, zu bepflanzen und zu bearbeiten. So können Zeit

und Geld gespart werden. Die Forschungsanstalten

Agroscope Changins-Wädenswil ACW und Reckenholz-

Tänikon ART stellen Informationen zur GPS-Technologie

im Gemüsebau den Produzenten und kantonalen Bera-

tern zur Verfügung.

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen

Page 51: Heft 4 April 2011

Aktuell

195

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 2 (4): 191–195, 2011

V e r a n s t a l t u n g e n

April 2011

15.04.2011Sechste Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung SchweizSchweizerisches Nationalgestüt SNGAvenches

Mai 2011

05.05.2011Fachtagung: Zukunftsträchtige Futtermittel und ZusatzstoffeGemeinsame Veranstaltung der ETH Zürich, der Vetsuissefakultäten Universität Zürich und Bern und Agroscope Liebefeld-Posieux ALPETH Zentrum, Zürich

11.05.20112nd Swiss FoodTech DaySwiss Food ResearchSisseln

Juni 2011

15. – 16.06.2011Agrartechniktage Tänikon Agroscope Reckenholz-Tänikon ARTTänikon

17. – 19.06.2011Nutri11Gemeinsame Veranstaltung des Landwirtschaftlichen Instituts Grangeneuve (LIG), der Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Vetsuisse Bern und der Schweiz. Hochschule für Landwirtschaft (SHL)Posieux

Juli 2011

06. – 09. 07.2011International Symposium on Medicinal, Aromatic and Nutraceutical Plants from Mountainous AreasInternational Society for Horticultural Science (ISHS) und Agroscope Changins-Wädenswil ACWSaas-Fee

I n t e r n e t l i n k s

Karte zum potenziellen Erosionsrisiko landwirtschaftlicher Böden in der Schweiz

www.agri-gis.admin.ch

Die Karte steht Landwirtinnen und Landwirten, Kantonen und

weiteren interessierten Kreisen zur Verfügung und soll dazu

anregen, sich schweizweit mit dem Thema Bodenerosion aus-

einanderzusetzen. Landwirtinnen und Landwirte können

damit die Bodenbewirtschaftung noch besser auf die Gefähr-

dung der Äcker durch Erosion abstimmen. Die Karte zeigt auf-

grund von Standortfaktoren eine Gesamtbeurteilung der

potenziell erosionsgefährdeten Gebiete in der Landwirtschaft,

ohne dabei die Nutzung oder die Bewirtschaftungsweise des

Bodens zu berücksichtigten. Um das tatsächliche Erosions-

risiko abschätzen zu können, muss zusätzlich die Bewirtschaf-

tung der gefährdeten Flächen mit einbezogen werden.

Mai 2011 / Heft 5

•• Projekt «Weidekuh-Genetik»: Problemstellung und

Beschreibung des Versuchs, Valérie Piccand et al. SHL,

ALP, Veterinärmedizinische Universitat Wien und

Universität Zürich

•• Stichprobeneffekt – Wie aussagekräftig ist der Ver-

gleich mit dem Vorjahr? Andreas Roesch ART

•• Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Sorte und Fungizidschutz

in der Getreideproduktion, Raphaël Charles et al. ACW

•• Feuchtglutengehalt der Weizensorten im Extenso-

und ÖLN-Anbau, Geert Kleijer et al. ACW, Fachschule

Richemont, JOWA , Swissmill und swissgranum

•• Phänologischer Rückblick ins Jahr 2010, Claudio Defila

Meteoschweiz

•• Erfassung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln:

Entwicklungen in der EU und in der Schweiz, Simon

Spycher et al. ACW und BLW

•• Liste der empfohlenen Winterrapssorten für die Ernte 2012

Im Projekt Weidekuh-Genetik auf Vollweidebetrieben mit saisonaler Abkalbung Ende Winter wurde die Gesamtleistung der drei Schweizer Hauptrassen (Fleckvieh, Braunvieh und Holstein) mit derjenigen neusee-ländischer Holstein-Friesian vergli-chen.

V o r s c h a u

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Page 52: Heft 4 April 2011

Donnerstag, 5. Mai 2011

Zukunftsträchtige Futtermittel und Zusatzstoffe

Themen:

• Die neuen Rahmenbedingungen

• Highlights aus der Forschung

• Zukunftsträchtige Futtermittel und Zusatzstoffe

Ort:

Zürich, ETH Zentrum, Hauptgebäude, Rämistrasse 101Auditorium Maximum (HG F 30)

Anmeldung:

Bis spätestens Dienstag, 26. April 2011an die folgende Adresse:

ETH ZürichInstitut für AgrarwissenschaftenSekretariat / LFW B 58.18092 ZürichSchweiz

E-Mail: [email protected]

EidgenössischesVolkswirtschaftsdepartement EVDForschungsanstaltAgroscope Liebefeld-Posieux ALP

ALP gehört zur Einheit ALP-Haras

Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizraUniversität

ZürichUZH

17 |18 |192011Posieux FR

juinJuni

www.nutri11.ch

Öffnungszeiten: 9 - 17 Uhr

Erleben Sie das Thema Ernährung in all seinen Facetten!

Demonstrationen

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Vorträge

Rahmenprogramm für Kinder

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Ouverture: 9h00 - 17h00

Découvrez toutes les facettes de la nutrition!

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