KBV Klartext, Dezember 2015

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KBV KLARTEXT KLAR TEXT Das Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dezember 2015 Medizinische Versorgung von Flüchtlingen Die KVen nehmen die Herausforderung an KBV-Repräsentanz bei der EU Auf Besuch in Brüssel Interview mit dem EU-Abgeordneten Dr. Andreas Schwab Der Europäische Transparenzprozess und die Freien Berufe Krankenhausstrukturgesetz Kontroverse Diskussionen um Portalpraxen

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Transcript of KBV Klartext, Dezember 2015

KBV KL A R T E X TKL AR T E X TDas Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dezember 2015

Medizinische Versorgung von FlüchtlingenDie KVen nehmen die Herausforderung an

KBV-Repräsentanz bei der EUAuf Besuch in Brüssel

Interview mit dem EU-Abgeordneten Dr. Andreas SchwabDer Europäische Transparenzprozess und die Freien Berufe

KrankenhausstrukturgesetzKontroverse Diskussionen um Portalpraxen

INHALT

STANDPUNKT

Die derzeitige Flüchtlingslage inDeutschland stellt in vielerlei Hin-sicht sicher eine Ausnahmesituationdar. Die Zahl der Asylsuchendenübersteigt alle anfänglichen Schät-zungen, täglich kommen neue Men-schen in den Aufnahmeeinrichtungenan. Ebenso erreicht aber auch daspersönliche Engagement der Helfen-den, darunter viele niedergelasseneÄrzte, ungeahnte Dimensionen. UnterAufbietung persönlicher Zeit undKraft beteiligen sich seit Monaten un-terschiedliche Akteure am humanitä-ren Einsatz in den Erstaufnahmestel-len. Sie leisten diese Hilfe mit großemSelbstverständnis, egal in welcherFunktion sie stehen. Dank ihnen ge-lingt trotz der ungewöhnlichen Um-stände eine angemessene Erstversor-gung. Die Last darf aber nicht alleinauf ihren Schultern liegen, sondernmuss gesamtgesellschaftlich verteiltwerden. Das darf die Politik nicht ausden Augen verlieren. Kristin Kahl

IMPRESSUM

KBV KLARTEXTDas Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Herausgeber:Kassenärztliche BundesvereinigungDr. Andreas Gassen (Vorstandsvorsitzender der KBV, V.i.S.d.P.)

Redaktion:Meike Ackermann, Sten Beneke, Christian Grothaus, Kristin Kahl, Angélique Herrler, Kristal Davidson, Elisa Hansel

Redaktionsbeirat:Dr. Roland Stahl

Satz: rheinschrift Christel Morische, Bad Herrenalb

Druck: Druckerei Kohlhammer, Augsburger Straße 722,70329 Stuttgart

Erscheinungsweise: vierteljährlich

Redaktionsanschrift:Kassenärztliche BundesvereinigungRedaktion KLARTEXTHerbert-Lewin-Platz 2, 10623 BerlinE-Mail: [email protected]. 030 4005-2210Fax 030 4005-2290

Titelthema

Medizinische Versorgung von Flüchtlingen Seite 4

Politik

X-Ray – die Vorstandskolumne Seite 7

Krankenhausstrukturgesetz Seite 9

E-Health-Gesetz verabschiedet Seite 9

Honorar: Orientierungswert steigt um 1,6 Prozent Seite 10

Weiterbildung: Förderung grundversorgender Fachärzte Seite 10

EU-Repräsentanz: Die KBV in Brüssel Seite 14

Versorgung

Innovationsfonds: Versorgung neu denken Seite 6

Wirtschaftlichkeitsprüfung: Abschaffung der Richtgrößenprüfung Seite 8

Terminservicestellen Seite 8

Interviews

Im Gespräch mit … Dr. Andreas Schwab (MdEP) Seite 12

Zehn Fragen an … Dr. Florian Fuhrmann Seite 19

Service

Kampagne geht in die nächste Runde Seite 16

Neues Webtool zu Gesundheitsdaten Seite 16

Angeklickt und aufgeblättert Seite 18

Meldungen

Bundesnachrichten Seite 11

Aus den Kassenärztlichen Vereinigungen Seite 17

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THEMENAUSWAHL

FlüchtlingsversorgungDer anhaltende Flüchtlingsstrom stelltdas Gesundheitssystem vor neue He-rausforderungen. Die KassenärztlichenVereinigungen begegnen diesen durcheine umfangreiche Informationsarbeitsowie Fortbildungsangebote. Zudemunterstützen sie die Behörden, Ärzteund Therapeuten darin, ihre gemeinsa-me Arbeit zu koordinieren und verhan-

deln mit den Ländern und Kommunenüber Rahmenverträge zur Einführungeiner elektronischen Gesundheitskartefür Asylsuchende. Ergänzt werdendiese Initiativen durch das große En-gagement all der Freiwilligen – unterihnen auch viele Ärzte, die der Ver-sorgung der Flüchtlinge ihre persönli-che Kraft und Zeit widmen. ab Seite 4

Beratung vor RegressDas im Juli in Kraft getretene GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat KBVund GKV-Spitzenverband unter ande-rem vorgegeben, die Wirtschaftlich-keitsprüfungen neu zu strukturieren.Neben der Abschaffung der Richtgrö-ßenprüfung haben sich die Beteiligtenauf neue Rahmenvorgaben für die

Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei derArznei- und Heilmittelverordnung ge-einigt. Dabei gilt der Grundsatz Bera-tung vor Regress für erstmalig auffäl-lige Ärzte. Die neuen Regelungenschaffen mehr Sicherheit sowohl fürNiedergelassene und als auch fürNachwuchsmediziner. Seite 9

Schwab: „Wir wollen nicht einfach nur liberalisieren“Die EU-Kommission setzt mit ihrer Binnenmarktstrategie auf eine weitereHarmonisierung des europäischen Dienstleistungsverkehrs, wovon auch dieFreien Berufe betroffen sind. MdEP Dr. Andreas Schwab wünscht sich im Hin-blick darauf eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten. Dabei ist ihmwichtig, die verbindenden Elemente zwischen den einzelnen Ländern hervor-zuheben. Im Interview erläutert er, warum die Teilhabe der Freien Berufe ampolitischen Prozess ein europäisches Thema ist. ab Seite 12

Die KBV in BrüsselDie EU-Politik gewinnt auch für das deutsche Gesundheitswesen zunehmendan Bedeutung. Deshalb betreibt die KBV ein eigenes Büro in Brüssel, um dieVertragsärzte und -psychotherapeuten auf europäischer Ebene zu vertreten. DasVideo-Team von KV-on hat Dr. Andreas Gassen bei seinen Terminen mit Reprä-sentanten und Abgeordneten in der EU-Hauptstadt begleitet. ab Seite 14 (F

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Grafik: Traumbild/Fotolia)

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Flüchtlingsversorgung in Deutschland

Das Engagement der KVenDer anhaltende Flüchtlingsstrom stellt das Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen. Die Kassen-ärztlichen Vereinigungen begegnen diesen in Zusammenarbeit mit den Ländern, Kommunen sowie Freiwilli-gen durch eine Vielzahl von Initiativen. Kristin Kahl gibt einen Überblick.

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Im September dieses Jahres hat dieKBV klare Position zur Flüchtlings-versorgung bezogen. In einer gemein-samen Stellungnahme mit den 17Kassenärztlichen Vereinigungen(KVen) heißt es: „Die KBV bekenntsich ausdrücklich zum ärztlichenSelbstverständnis und damit zum ärzt-lichen Behandlungsauftrag von er-krankten Flüchtlingen und unterstütztdie Bemühungen um die Verbesserungder gesundheitlichen Versorgungssi-tuation von Flüchtlingen.“

Umfangreiche Informationsarbeit

Es sind vielfältige Herausforderun-gen, denen sich Länder und KVenderzeit in der Flüchtlingsversorgungstellen müssen. Auch nach dem Pro-zedere der Erstaufnahme inklusivemedizinischer Untersuchung und Re-gistrierung treten akute Erkrankungenauf, die einer Behandlung bedürfen.Asylbewerber haben in den ersten 15Monaten ihres Aufenthaltes einennach den Paragrafen 4 und 6 des Asyl- bewerberleistungsgesetzes (AsylbLG)eingeschränkten Leistungsanspruch(Auszug siehe Infokasten). Für dieKonsultation eines Arztes wird in derRegel ein vom Sozialamt ausgestellterBehandlungsschein benötigt. Schwierig ist die Situation vor allemin den Erstaufnahmestellen, bevor dieFlüchtlinge auf die Kommunen ver-teilt werden. Aufgrund der Vielzahlvon Ankömmlingen übersteigt der Be-handlungsbedarf vielerorts die bereit-gestellten Kapazitäten. Darum enga-gieren sich die KVen, um eine Entlas-tung und Vereinfachung der Struktu-ren zu erreichen. Auf ihren Webseiteninformieren sie über den rechtlichenRahmen bei der Behandlung vonFlüchtlingen und Asylbewerbern. Da-rüber hinaus bieten sie Adressen vonAnlaufstellen und Ansprechpartnern

sowie Verlinkungen zu wichtigenPartnern und Services. Die KVen stellen auch eigens produ-zierte Materialien zur Verfügung, et-wa Anamnesebögen in verschiedenenSprachen. Ein Beispiel ist die KVHessen: Sie plant mit anderen Akteu-ren des Gesundheitswesens einenWegweiser, mit dem Ankommende ineinfacher, klarer und eindeutigerSprache und mit Hilfe von Bildernüber das deutsche Gesundheitssystemaufgeklärt werden.

Rahmenverträge zwischen KVenund Ländern

Einige KVen haben mit ihren Landes-regierungen und kommunalen Spit-zenverbänden bereits Rahmenverträgeabgeschlossen, in denen unter ande-rem die Abrechnungsmodalitäten ge-regelt werden. In Nordrhein-Westfa-len beispielsweise gibt es solche Ver-träge mit den KVen Nordrhein undWestfalen-Lippe. Seit dem 1. Oktobersind darin Pauschalvergütungen fürdie Eingangsuntersuchung, Röntgen-

aufnahmen und Impfangebote festge-halten. Auch Nicht-Vertragsärzte er-halten ein Honorar, wenn sie einenTeilnahmeantrag an die zuständigeKV stellen und ihre Approbation undihren Facharztnachweis vorlegen. Diekurative Behandlung von Flüchtlin-gen, welche in Landeseinrichtungenuntergebracht sind, wird über einendurch den Leiter der Aufnahmeein-richtung ausgestellten Krankenbehand-lungsschein gegenüber der KV abge-rechnet. Auch in Sachsen gibt es Ver-träge zwischen der KV, der Landesdi-rektion Sachsen sowie den Kommu-nen Dresden, Leipzig und Chemnitz.In den dortigen drei Ambulanzpraxenwerden zeitweilig bis zu 100 Flücht-linge pro Tag behandelt. Die Kassen-ärztliche Vereinigung rechnet die Kos-ten mit dem Freistaat beziehungswei-se den betreffenden Kommunen ab. Hilfe vor Ort wird immer wieder auchdurch Kooperationen geleistet. So hatdie KV Berlin in Zusammenarbeit mitdem Landesamt für Gesundheit undSoziales eine zentrale Impfstelle für

In der Chemnitzer Bereitschaftspraxis für Asylbewerber behandelt auch der gebürti-ge Syrer Louay Sheikh Alard. (Foto: Ingo Mohn)

sammenhang verweisen die KVenNordrhein und Westfalen-Lippe da-rauf, dass dringend Strukturen zurEntlastung geschaffen werden müs-sen, um ein Ausbrennen der Helfer zuvermeiden.

Die eGK für Flüchtlinge

Teil einer solchen Struktur zur Ver-einfachung von Abläufen könnte diebundesweite Einführung einer elek-tronischen Gesundheitskarte (eGK)für Flüchtlinge schon in den ersten 15Monaten ihres Aufenthalts sein. Vor-bild hierfür ist das „Bremer Modell“– die Freie Hansestadt arbeitet bereitsseit neun Jahren mit dem System.Hamburg folgte 2013. Die AOK Bre-men/Bremerhaven erhält demnachvon der zuständigen Behörde eineVerwaltungspauschale von zehn Europro behandelter Person. Die Patientengehen bei Beschwerden wie andereVersicherte auch zum Arzt und wer-den dort entsprechend des AsylbLGbehandelt. Die Information über ihrenAufenthaltsstatus ist auf dem Chipder Karte gespeichert. Eine Evaluation aus dem Jahr 2014zeigt, dass durch die Entlastung derBehörden Einsparungen in Höhe von1,6 Millionen Euro erreicht werdenkonnten. Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben sich diesem Beispielals erste Flächenländer angeschlos-sen, andere KVen wollen 2016 nach-ziehen. Für die bundesweite Einfüh-rung wünscht sich die KV Thüringenmehr koordinierende Unterstützungvon den Ländern. Denn die Bereit-schaft der Ärzte, sich auf die neuenPatienten einzustellen und mit denkomplizierten Rahmenbedingungenumzugehen, ist groß und sollte nichtins Leere laufen.

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Asylsuchende eingerichtet. Ein weite-res Beispiel ist die fachübergreifendeBereitschaftspraxis auf dem Geländeder ehemaligen Münchner Bayernka-serne, die durch das hartnäckige En-gagement von Ärzten des Vereins Re-fudocs ermöglicht wurde. Auf Grund-lage eines Vertrages mit dem bayri-schen Sozialministerium können dieÄrzte nun über das Land abrechnen.Die KV Bayern hat das Schriftstückgeprüft und den rechtlichen Prozessbegleitet.

Großes ehrenamtliches Engagement

Der personelle und zeitliche Aufwandbleibt dennoch so hoch, dass er nichtohne die Unterstützung Ehrenamtli-cher zu bewältigen ist. Darum habendie KVen Hilfeaufrufe unter den Ärz-ten gestartet. Vielerorts beteiligensich nun Mediziner im Ruhestand ander Versorgung der Flüchtlinge. Nie-dergelassene arbeiten außerhalb ihresBehandlungsalltags im Rahmen vonSondersprechstunden oder in eigensdafür eingerichteten Bereitschaftsam-bulanzen. Auch Psychotherapeutenund Hebammen sind auf ehrenamtli-cher Basis im Einsatz und werdendurch medizinisches Personal sowieDolmetscher unterstützt.Die sprachliche Vermittlung im Rah-men der ärztlichen Untersuchungenstellt eine von zwei Kommunikations-schienen dar. Darauf verweist der

Sprecher der KV Sachsen. Die Men-schen verständigen sich mit ihremArzt nicht nur über ihre Krankheits-symptome, sondern müssen zunächsteinmal eine gemeinsame Sprache fin-den. Darum sind Dolmetscher insbe-sondere mit Englisch- und Arabisch-kenntnissen unersetzlich. Diese Leis-tungen sind allerdings nicht im Ab-rechnungskatalog vorgesehen, ebensowenig wie psychotherapeutische Be-handlungen. Laut Bundespsychotherapeutenkam-mer hat etwa die Hälfte der Ankom-menden mit den psychischen Folgender Flucht zu kämpfen. Die häufigs-ten Krankheitsbilder sind Traumafol-gestörungen wie die PosttraumatischeBelastungsstörung oder aber Depres-sionen. Auch hier fußt die Versorgunghauptsächlich auf dem ehrenamtlichenEngagement der beteiligten Therapeu-ten, das von den KVen koordiniertwird. In Thüringen hat die Selbstver-waltung beispielsweise durch die Ver-netzung unterschiedlicher Akteure eine psychologische Betreuung fürFlüchtlinge organisiert. In diesem Zu-

Titelthema

Medizinische Versorgung nach Paragraf 4 AsylbLG ■ Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände; eingeschlos-

sen sind Arznei- und Verbandmittel und sonstige, zur Genesung, Besse-rung oder Linderung erforderliche Leistungen

■ Gewährung ärztlicher und pflegerischer Betreuung, Hebammenhilfe,Arznei- und Verbandmittel für Schwangere und Wöchnerinnen

■ Amtlich empfohlene Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen

Bereitschaftsambulanzen werden mitunter in Containern nahe der Unterkünfte ein-gerichtet. (Foto: Glaser/Fotolia)

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Versorgung neu denken

Innovationsfonds jetzt startklarDie Einrichtung des neuen Innovationsfonds ist fast abgeschlossen. Der dazugehörende Ausschuss hat sei-ne Arbeit aufgenommen, die Büroräume sind bezogen und die Berufung der Mitglieder des Expertenbeiratssteht kurz bevor. Sten Beneke berichtet.

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300 Millionen Euro pro Jahr hat derInnovationsfonds in den kommendenvier Jahren zu verteilen. Der Gesetz-geber möchte damit innovative Ansät-ze in der Versorgung fördern und eva-luieren – im Versorgungsstärkungsge-setz, das Mitte 2015 in Kraft getretenist, wurden die Weichen dafür gestellt.Die KBV begrüßt die Einrichtung desInnovationsfonds ausdrücklich. Mitihm eröffnet sich die Chance, dass derZugang zu Innovationen in der Versor-gung einer breiteren Bevölkerungs-gruppe und die Aufnahme neuer Ver-sorgungsformen in die Regelversorgungfür alle Versicherten beschleunigtwerden. Bisher waren Innovationen inerster Linie Krankenhäusern und se-lektivvertraglichen Versorgungsfor-men vorbehalten – nun können die Er-probungen breiter angelegt werden.

Gute Lösungen in den Kollektiv-vertrag übernehmen

Für Dr. Andreas Gassen, Vorstands-vorsitzender der KBV, ist die Einfüh-rung des Innovationsfonds deshalbein gutes Signal. Die neuen Projektedürften aber keine reinen Kundenbin-dungsmaßnahmen der Krankenkassensein. „Zehn Jahre Selektivvertrags-wettbewerb haben keinen geeignetenMechanismus generiert, um Versor-gungsinnovationen in den Kollektiv-vertrag zu überführen. Es gab viel-mehr eine Art Wettkampf um gute Ri-siken beziehungsweise um entspre-chende Versicherte“, betonte er. Zieldes Innovationsfonds sollte es dahersein, vor allem Projekte anzustoßen,die ein hohes Potenzial haben, in denKollektivvertrag übernommen zu wer-den. Die Mittel der Versorgungsfor-schung werden aber auch genutzt, umAnsätze von guter Versorgung zu eva-luieren und die Richtlinien des G-BAweiterzuentwickeln.

Verantwortlich für die Umsetzung desFonds ist der Innovationsausschuss,dessen konstituierende Sitzung am15. Oktober 2015 stattgefunden hat.Darin vertreten ist auch die KBV mitDr. Gassen. Das Gremium hat sichauf dieser Sitzung eine Geschäftsord-nung gegeben; eine Verfahrensord-nung wird derzeit erarbeitet, sodassder Fonds pünktlich zum 1. Januar2016 seine Arbeit aufnehmen kann.Bei den Beratungen müssen auch dieVoten des Expertenbeirats berücksich-tigt werden. Dessen Mitglieder wer-den in Kürze vom Bundesministeriumfür Gesundheit benannt.Die KBV erhofft sich, dass der Inno-vationsausschuss positiven Einflussauf die von der Vertragsärzteschaftangestoßenen Versorgungsprojektehat. So wurden in der KBV-Vertrags-werkstatt einige Versorgungsverträgeentwickelt, die die Versorgung vonPatienten mit komplexen Krankheits-bildern verbessern. Krankenkassengreifen diese Themen jedoch nurschleppend auf. Die KBV dringt darauf, dass auchkleinere Projekte als förderungswür-dig eingestuft werden. Förderschwer-punkte sollten Projekte der Telemedi-

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zin und Arzneimitteltherapiesicher-heit sein, aber auch Versorgungsmo-delle in strukturschwachen Regionenund Modellprojekte zur Delegationvon Leistungen.

Fonds könnte auch als Korrektivwirken

Ein mögliches Thema für den Innova-tionsfonds könnte aus Sicht der KBVdie neuropsychiatrische Versorgungsein, zu der es einen KBV-Vertrags-entwurf gibt. Ebenso kämen der Rah-menvertrag Praxisnetze, der Vertragzur Versorgungssituation pflegenderAngehöriger und die palliativmedizi-nische Beratung zum Lebensende in-frage. Für die Versorgungsforschungbefürwortet die KBV eine Evaluationder Richtlinie zur spezialisierten am-bulanten palliativmedizinischen Ver-sorgung. Der Innovationsfonds sollteaber nicht nur dazu dienen, sinnvolleInnovationen schneller in die Versor-gung zu integrieren. Er könnte auchals Korrektiv wirken. So könntenRichtlinien des Gemeinsamen Bun-desausschusses einer Evaluation unterzogen und Regelungen korrigiertwerden, die sich als nicht sinnvoll herausgestellt haben.

Der Vertrag zur Versorgungssituation pflegender Angehöriger könnte Thema für denInnovationsfonds sein. (Foto: BAkBG/iStock/Thinkstock)

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Man kann der Großen Koalition undinsbesondere deren Gesundheitspoliti-kern eines nicht absprechen: Gleicheine ganze Reihe an Gesetzen sind imJahr 2015, das sich so langsam imEndspurt befindet, bereits beschlos-sen worden oder stehen kurz davor,verabschiedet zu werden. Das Versor-gungsstärkungsgesetz, das Kranken-hausstrukturgesetz, das E-Health- so-wie das Antikorruptionsgesetz sindnur einige Beispiele für bevorstehen-de Weichenstellungen, die uns 2016sehr beschäftigen werden. Teilweisebeurteilen wir diese kritisch.

Steuerung der Patienten ist notwendig

Das Versorgungsstärkungsgesetz bei-spielsweise beinhaltet Punkte, die al-les andere als geeignet sind, jungeNachwuchsmediziner von der Nieder-lassung in der Praxis zu überzeugen.Ich erinnere hier an die Diskussionenrund um die Aufkauf regelung vonPraxen in sogenannten „überversorg-ten“ Gebieten. Auch wenn diese Re-gelung sicherlich nicht unmittelbar zueinem Verschwinden von tausendenPraxen führt, ist die Axt doch ange-legt. Was hindert den Gesetzgeber da-ran, eine einmal bestehende Regelungzu verschärfen? Auch die Einrichtungvon Portalpraxen an Kliniken im Rah-men des Krankenhausstrukturgesetzeskritisieren wir. Dass dieses Unterfan-gen zudem aus den Mitteln des ambu-lanten Sektors finanziert werden soll,

verstehen wir eindeutig als Benach-teiligung der niedergelassenen Ärzteund Psychotherapeuten. Viel sinnvol-ler wäre es gewesen, wenn sich diePolitik an das so wichtige Stichworteiner Patientensteuerung herangewagthätte. Diese Aufgabe bleibt aber be-stehen – und wir werden Lösungenfinden müssen, wie wir den vom Prin-zip her richtigen Grundwert einerfreien Wahl des niedergelassenen Arz-tes oder Krankenhauses vernünftigkanalisieren. Eine aktuelle Studie des Zentralinsti-tuts für die kassenärztliche Versor-gung (Zi) hat gezeigt, dass 3,7 Millio-nen Krankenhausfälle im Rahmen derambulanten Versorgung vermeidbarwären. Somit könnte ein Fünftel allerstationär aufgenommenen Patientenauf Risiken wie Infektionen mit Kran-kenhauskeimen verzichten. Für dieKrankenkassen würde dies ein jährli-ches Einsparpotenzial von über siebenMilliarden Euro bedeuten. Mit demKrankenhausstrukturgesetz werdendiese Fakten ignoriert. Die Politikmuss jedoch der Realität ins Auge se-hen und sollte schwach ausgelasteteKliniken eher außer Betrieb nehmen,als sie mit unechten Notfällen zu fül-len. Auch in Bezug auf das E-Health-Gesetz müssen wir realistisch blei-ben: Die KBV hat von Anfang andeutlich gemacht, dass der geforderteZeitplan nicht eingehalten werdenkann, weil die industriellen Voraus-setzungen nicht gegeben sind. Dieerste Anwendung der elektronischen

Gesundheitskarte (eGK), das Versi-chertenstammdatenmanagement, sollschon 2016 Eingang in die Versor-gung finden. Für die Testphase bleibtdamit keine Zeit und es werden Fehl-funktionen im laufenden Betrieb ris-kiert.

Engagement unterstützen, Hürden abbauen

Den vielen engagierten Ärzten, diedie Behandlung der Flüchtlinge erstermöglichen, muss in dieser Angele-genheit so viel Bürokratie wie mög-lich erspart bleiben. Denn obwohlauch das „typisch deutsche“ Regelnund Verwalten von Angelegenheitenwichtig für eine funktionierende Or-ganisation ist, dürfen wir nicht ver-gessen, dass im Mittelpunkt Men-schen stehen. Menschen, die auskriegs- und krisengeschüttelten Län-dern Zuflucht bei uns suchen und inderen Heimat in naher Zukunft wei-terhin keine Stabilität absehbar ist.Bis zum Ende des Jahres werdenschätzungsweise eine Million Flücht-linge zu uns gekommen sein. IhreAufnahme, Versorgung und Integrati-on ist eine gesamtgesellschaftlicheAufgabe, der sich auch wir Ärzte ver-pflichtet fühlen. Das ist nicht immereinfach. Für 2016 werden wir alsowieder viel Kraft und Ausdauer brau-chen, weshalb ich Ihnen auch im Na-men meiner Vorstandskollegin Dipl.-Med. Regina Feldmann alles Gute fürdas kommende Jahr wünsche.

Herausforderungen für Politik und Gesellschaft Das Jahr 2015 hat uns vor große Aufgaben gestellt. So sind einigeweitreichende Gesetze in Kraft getreten, die wir in Teilen durchaus kri-tisch bewerten. Doch in unserer Funktion als Körperschaft müssen wirsie trotzdem umsetzen. Hinzu kommt eine Herausforderung, der sichunsere gesamte Gesellschaft gegenübersieht: der anhaltende Zustromvon Flüchtlingen nach Deutschland. Ein Kommentar von Dr. AndreasGassen, Vorstandsvorsitzender der KBV.

X-RAY – der Durchblick von Dr. Andreas Gassen

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Wirtschaftlichkeitsprüfung

Entlastungen für ÄrzteDie KBV und der GKV-Spitzenverband haben sich auf die Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprü-fungen bei ärztlich verordneten Leistungen geeinigt. Mehr zum Thema von Angélique Herrler.

Als „Paradigmenwechsel in der Wirt-schaftlichkeitsprüfung“ beurteilteKBV-Vorstand Dipl.-Med. ReginaFeldmann die Abschaffung der Richt-größenprüfung als Regelprüfart durchdas GKV-Versorgungsstärkungsgesetz.Dieses war bereits im Juli in Kraft ge-treten und forderte die Neustrukturie-rung der Wirtschaftlichkeitsprüfun-gen. Mittlerweile haben KBV und derSpitzenverband der gesetzlichenKrankenversicherung die Rahmenvor-gaben als Grundlage für die regiona-len Vereinbarungen abgeschlossen.

Regressrisiko sinkt

Bundesweit einheitlich gilt, dass beiVereinbarung von statistischen Auf-fälligkeitsprüfungen diese bei maxi-mal fünf Prozent der Ärzte einerFachgruppe durchgeführt werden sol-

len. Zudem gilt dabei der Grundsatz„Beratung vor weiteren Maßnahmen“,wenn ein Arzt erstmalig in seinemVerordnungsverhalten auffällt. Alsweitere Maßnahmen können in denregionalen Vereinbarungen auch fi-nanzielle Nachforderungen festgelegtwerden. Das Prinzip gilt erneut, wennzuletzt festgesetzte Maßnahmen län-ger als fünf Jahre zurückliegen. „An-ders gesagt: Regresse verjähren künf-tig“, so Feldmann. Damit konnte einerhebliches Niederlassungshemmnisentschärft werden, denn die Regress-gefahr schreckte auch den Nachwuchsab. Neu niedergelassene Medizinerwerden besonders entlastet. Erst abdem dritten Prüfzeitraum sollen fürsie Beratungen als Maßnahme derWirtschaftlichkeitsprüfung festgesetztwerden. So sollen sie mehr Zeit erhal-

ten, sich mit den Regeln des wirt-schaftlichen Verordnens im vertrags-ärztlichen Bereich vertraut zu machen.

Regionale Verhandlungen folgen

Für 2017 werden auf regionaler Ebe-ne von kassenärztlichen Vereinigun-gen und Krankenkassen geeigneteVereinbarungen zur Prüfung ärztlicherverordneter Leistungen getroffen. DieVertragspartner sind grundsätzlichfrei in der Wahl von Prüfungsart und -methode. Dies gilt auch für den Prüf-gegenstand. Möglich sind statt derRichtgrößen unter anderem Wirt-schaftlichkeits- und Versorgungszielezum Beispiel auf Basis des Medikati-onskatalogs der KBV. Zusätzlich be-steht die Option, Geringfügigkeits-grenzen zu vereinbaren und mancheÄrzte von der Prüfung auszunehmen.

Facharzttermine

Terminservicestellen startenAb 23. Januar 2016 müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen Servicestellen zur Vermittlung von Fach-arztterminen bereitstellen – so will es das Versorgungsstärkungsgesetz. Über die Details einigte sich dieKBV mit den Krankenkassen. Angélique Herrler berichtet.

Ab Januar sind sie Realität: die Ter-minservicestellen (TSS). Organisiertvon den Kassenärztlichen Vereinigun-gen (KVen) sollen sie Patienten mitÜberweisung einen Facharzttermininnerhalb von vier Wochen verschaf-fen. Ausgenommen sind Routineter-mine oder Bagatellerkrankungen.Damit führt die KBV einen Auftragdes Gesetzgebers aus, den sie nichtfür sinnvoll hält. Die Frist von vierWochen beispielsweise ist „beliebigund hat keinen medizinischen Hinter-grund“, macht KBV-Vorstandsvorsit-zender Dr. Andreas Gassen klar.Über die Details der Terminvergabedurch die Terminservicestellen einigte

sich die KBV kürzlich mit dem Spit-zenverband der gesetzlichen Kranken-versicherung. Den Patienten wirdgrundsätzlich ein Termin genannt.Der Vereinbarung im Bundesmantel-vertrag zufolge wird dem Patientenein weiterer Termin angeboten, falls

er den ersten Vorschlag aus persönli-chen Gründen nicht wahrnehmenkann. Die Facharztpraxis, für die derPatient einen Termin vermittelt be-kommt, soll sich in angemessenerEntfernung befinden.Mit einem speziellen Angebot der KVTelematik GmbH stellt die KBV eineLösung für die KVen bereit. Einigekönnen aber bereits auf eigene Kon-zepte zurückgreifen, wie die KVSachsen, bei der seit Ende 2014 einModell läuft. Es sieht Honorarzu-schlägen für Ärzte vor, die freie Ter-mine melden. Grundsätzlich vertrauendie KVen zunächst auf die freiwilligeTerminmeldung.

Beratung bei der Terminservicestelle.

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Versorgung

Nicht alle Krankenhäuser sind voll aus-gelastet. (Foto: Udo Kroener/Fotolia)

Krankenhausstrukturgesetz

Neue Portalpraxen heftig umstrittenDer Bundestag hat im November mit dem Krankenhausstrukturgesetz eine Neuordnung des kassenärztli-chen Bereitschaftsdienstes beschlossen. Künftig sollen an vielen Kliniken auf Kosten der Vertragsärzte Be-reitschaftsdienstpraxen unterhalten werden. Es informiert Sten Beneke.

Ablehnung unisono von allen Kassen-ärztlichen Vereinigungen (KVen) undder KBV: Die in der neuen Kranken-hausreform vorgesehenen Portalpra-xen sind eine Fehlentscheidung,machten die KV-Vorstände schon imOktober in einem offenen Brief anBundesgesundheitsminister Gröheklar. Das Krankenhausstrukturgesetz siehtPortalpraxen als erste Anlaufstelle fürNotfallpatienten in den Krankenhäu-sern vor. Nach dem Willen der Bun-desregierung sollen die KVen die Por-talpraxen einrichten und bezahlen. Istdas nicht möglich, sollen sie dieKrankenhausambulanzen in den ver-tragsärztlichen Bereitschaftsdienst

einbinden. Für den KBV-Vorstand istdas ein fatales Signal: „Nicht nur,dass die Niedergelassenen erneut be-nachteiligt und die Krankenhäuser ge-schont werden. Schlimmer noch ist,dass bestehende und gut funktionie-rende Strukturen in ihrem Bestand ge-fährdet werden“, kritisierte KBV-Vor-standsvorsitzender Dr. Andreas Gas-sen.Zunehmend mehr Menschen suchenan Feiertagen und Wochenenden dieNotfallambulanzen auf, obwohl siekeine „echten Notfälle“ sind. Häufigwerden sie dann unnötigerweise sta-tionär aufgenommen – in der Regelverdienen die Krankenhäuser mehrals an ambulanten Behandlungen.

„Wer vermeidbare Krankenhausauf-nahmen reduzieren will, muss die In-anspruchnahme von Krankenhausam-bulanzen minimieren“, stellte Gassenklar. „Das geht nur mit einer sinnvol-len Steuerung der Patienten.“

E-Health-Gesetz

Gesundheit digital: Neue Anwendungen ab 2016Im Dezember hat der Bundestag das E-Health-Gesetz beschlossen. Damit soll die Digitalisierung im Ge-sundheitswesen vorangetrieben werden, unter anderem durch Medikationsplan, eArztbrief und elektronischePatientenakte. Ein Überblick dazu von Angélique Herrler.

Patienten, die drei oder mehr Medika-mente gleichzeitig einnehmen, habenkünftig Anspruch auf einen Medika-tionsplan. Das ist eine der zahlreichenNeuerungen durch das Gesetz für sichere digitale Kommunikation undAnwendungen im Gesundheitswesen(E-Health-Gesetz). Für KBV-VorstandDipl.-Med. Regina Feldmann ist da-bei wichtig, dass allein der Arzt denPlan erstellt, denn „nur er stellt dieIndikation, nur er verfügt über die fürden Patienten notwendigen Informa-tionen zur medikamentösen Therapie“.

Vorab Haftungsfrage klären

Die KBV begrüßt ausdrücklich dievom Gesetzgeber vorgesehenen Zerti-fizierungsverfahren der KBV für die

Funktionalitäten des Medikations-plans. So soll eine einheitliche Um-setzung der Anwendung in dem Pra-xisverwaltungssystem PVS gewähr-leistet werden. Vorab müsse Feld-mann zufolge unbedingt noch dieHaftungsfrage geklärt werden: „EinHausarzt kann beispielsweise nichtfür die Indikationsstellung seinerfachärztlichen Kollegen die Haftungübernehmen und umgekehrt.“ Ausdiesem Grund forderte die KBV dieverpflichtende Einführung einer Soft-ware zum Management der Arznei-mitteltherapiesicherheit in die PVS.Diese prüft alle Verordnungen aufmögliche Wechselwirkungen.Bis zum Jahr 2018 sollen Arztpraxenund Krankenhäuser flächendeckend

an die Telematik-Infrastruktur ange-schlossen werden. Auch die erste On-line-Anwendung der elektronischenGesundheitskarte, das Versicherten-stammdatenmanagement, soll dannetabliert sein. Für 2017 ist die Förde-rung des eArztbriefes vorgesehen, bisEnde 2018 soll die elektronische Pa-tientenakte möglich sein.KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. An-dreas Gassen begrüßt die Bestrebun-gen der Regierung, die Digitalisie-rung im Gesundheitswesen voranzu-treiben. Er übt aber auch Kritik: „Dieim Gesetz vorgeschriebenen Fristenund Sanktionen sind nicht akzepta-bel“. Denn schon jetzt sei absehbar,dass die Industrie nicht fristgerechtwerde liefern können.

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Weiterbildung

Förderung auch für grundversorgende FachärzteDas Programm zur Förderung von Weiterbildungen in der Allgemeinmedizin wird deutlich ausgeweitet. Zukünftig soll aber auch die Weiterbildung in den grundversorgenden Facharztgruppen gestärkt werden. Angélique Herrler gibt einen Überblick.

Das GKV-Versorgungsstärkungsge-setz sieht vor, die Förderung derFacharztweiterbildung auszubauen.Zur Stärkung der hausärztlichen Ver-sorgung wird die Zahl der mindestenszu fördernden Weiterbildungsstellenvon 5.000 auf 7.500 erhöht. Zusätz-lich soll mit 1.000 Stellen nun auchdie Weiterbildung für grundversor-gende Fachärzte in der ambulantenVersorgung gefördert werden. Fürdiese beiden Maßnahmen hatte sichdie KBV besonders eingesetzt. DieAus- und Weiterbildung von angehen-den Ärzten findet mit Ausnahme derAllgemeinmediziner fast ausschließ-lich im Krankenhaus statt. Viele Kennt-

nisse gehören aber mittlerweile über-wiegend in den ambulanten Bereichund können nur dort erlernt werden.

Reformierung der Weiterbildung

In Anbetracht des drohenden Ärzte-mangels in der ambulanten Versor-gung hat deshalb der Gesetzgeber ein-gegriffen. Die Weiterbildung soll imHinblick auf diese Fragestellungenreformiert werden. Über die konkreteAusgestaltung der Förderung werdensich der Spitzenverband der gesetzli-chen Krankenversicherung, die KBVund die Deutsche Krankenhausgesell-schaft zu einigen haben. Ein beson-ders wichtiger Punkt ist die Frage der

Vergütung während der Weiterbildung.Im ambulanten Bereich fällt diesehäufig geringer aus als in der stationä-ren Versorgung. Im Rahmen der För-derprogramme wird dies ausgeglichen.Koordinierungsstellen und Weiterbil-dungsverbünde leisten ebenfalls Un-terstützung, indem sie beispielsweiseKontakte zu Mentoren und anderenÄrzten in Weiterbildung herstellen. Wie genau schließlich die Verteilungder Stellen auf die Regionen der Kas-senärztlichen Vereinigungen organi-siert wird, welche Facharztgruppengefördert werden und wie sich dieHöhe der Förderung zusammensetzt,darüber wird derzeit noch verhandelt.

Honorarverhandlungen

Orientierungswert steigt um 1,6 Prozent Rund 800 Millionen Euro mehr müssen die Krankenkassen im nächsten Jahr für die ambulante Versorgungihrer Versicherten zur Verfügung stellen. Zudem werden psychotherapeutische Leistungen besser honoriert.Kristin Kahl informiert.

Die Honorarverhandlungen zwischenKBV und GKV-Spitzenverband sindbeendet. Das Gros der zusätzlichen800 Millionen Euro entfällt auf denOrientierungswert, der ab 1. Januar2016 von 10,2718 Cent auf 10,4361Cent ansteigt – ein Plus von 1,6 Pro-zent (550 Millionen Euro). Der Be-wertungsausschuss beschloss außer-dem Empfehlungen zu den diagnose-bezogenen und demografischen Ver-änderungsraten des morbiditätsbe-dingten Behandlungsbedarfs. Danachmüssen die Kassen bei einer gewich-teten Zusammenführung der Ratenvon 50:50 weitere rund 250 MillionenEuro mehr bereitstellen. Über die ge-naue Höhe wird derzeit auf regionalerEbene verhandelt.Eine schnelle Einigung konnte bei der

Leistungsmenge erreicht werden.Streit gab es jedoch über die Höhe derPreise. Die Kassen wollten den Orien-tierungswert nur um 0,4 Prozent an-heben. Die KBV forderte ein Plus von2,6 Prozent. Da auf dem Verhand-lungsweg keine Einigung erreichtwerden konnte, musste der ErweiterteBewertungsausschuss entscheiden.Aus Sicht der KBV liegt der Zuwachsvon 1,6 Prozent weit unter dem, wasaufgrund der gestiegenen Investiti-ons- und Betriebskosten erforderlichwäre.

Mehr Geld für Psychotherapeuten

Im September wurden auch die Ver-handlungen zur Anpassung der Psy-chotherapeutenhonorare beendet.KBV und GKV-Spitzenverband hatten

zu prüfen, ob die Bewertung der an-tragspflichtigen psychotherapeuti-schen Leistungen im EinheitlichenBewertungsmaßstab angemessen ist.Beide Seiten einigten sich darauf, diePunktzahl dieser Leistungen rückwir-kend ab 2012 um rund 2,7 Prozent an-zuheben. Außerdem erhalten Psycho-therapeuten ab einer bestimmten An-zahl an Therapiestunden einen Struk-turzuschlag auf diese Leistungen. Da-mit steigt die Vergütung zukünftigjährlich um insgesamt rund 80 Millio-nen Euro. Der Strukturzuschlag solles voll ausgelasteten Praxen ermögli-chen, eine Halbtagskraft zu beschäfti-gen. Die Anpassung der Bewertungpsychotherapeutischer Leistungengeht zurück auf mehrere Urteile desBundessozialgerichts.

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Meldungen

KBV

Spende statt Weihnachtskarten Berlin (cg) – Das fünfte Jahr in Folgeverzichtet die KBV auf das Versendenvon Weihnachtskarten und leistetstattdessen finanzielle Unterstützungan eine Wohltätigkeitsorganisation ih-rer Wahl. In diesem Jahr gehen 1000

Euro an die Stiftung Kinderzukunft.Diese unterstützt seit 1988 Not lei-dende Kinder und hat Kinderdörfer inGuatemala, Rumänien sowie Bosnienund Herzegowina errichtet. Die Ein-richtungen bieten nicht nur ein siche-res Zuhause, sondern auch eine le-bensnotwendige Grundversorgungund eine fundierte Schul- und Berufs-ausbildung als Basis für ein späteresLeben ohne Armut. Außerdem verteiltdie Stiftung zu Weihnachten kleineGeschenke an Kinder in Not. Erst-mals dürfen sich auch Flüchtlingskin-der in Deutschland darüber freuen.

AU-Bescheinigung

Weniger Bürokratie durch neues Formular Berlin (kk) – Zum 1. Januar 2016 fälltder Auszahlschein zum Bezug vonKrankengeld weg. Bisher dominierteeine Vielzahl von Formularen, die je-weils kassenspezifisch waren und zu-sätzlich zum sogenannten „gelbenSchein“ ausgegeben wurden. Ab demneuen Jahr sind diese in das klassi-sche AU-Formular integriert, mit de-

G-BA

Beschwerde abgewiesenKarlsruhe (ah) – Das Bundesverfas-sungsgericht hat eine Beschwerde ge-gen die Regelungsbefugnisse des Ge-meinsamen Bundesausschusses (G-BA) als unzulässig verworfen. DieBeschwerdeführerin hatte zuvor be-reits keinen Erfolg beim Bundessozi-algericht. Grund für ihre Klage wardie Ablehnung eines bestimmten Me-dizinprodukts, dass sie bei ihrer ge-setzlichen Krankenversicherung bean-tragt hatte. Die Kosten wurden nichtübernommen, weil es nicht vom G-BAin die Liste der verordnungsfähigenMedizinprodukte aufgenommen wor-den war. Die betroffene Patientinwollte daraufhin Zweifel an der de-mokratischen Legitimierung des G-BAgeltend machen. Laut Urteil wiesenihre Ausführungen jedoch erheblicheLücken auf und genügten nicht denBegründungsanforderungen.

OECD-Bericht

Wartezeiten sehr kurzBerlin/Paris (cg) – Im internationalenVergleich hat Deutschland äußerstkurze Wartezeiten auf Arzttermine.Dies geht aus einem im Novemberveröffentlichten Bericht der OECDhervor. In Deutschland werde eine„Phantomdebatte“ um die Wartezeitengeführt, so der stellvertretende Gene-ralsekretär der OECD, Stefan Kapfe-rer. Der Zugang zur ärztlichen Versor-gung wird ebenfalls als gut bewertet.Als problematisch sieht Kapferer je-doch die stetig sinkende Anzahl derHausärzte. Dem gegenüber gibt esAnzeichen für eine Überversorgungim stationären Bereich.

nen Ärzte die Arbeitsunfähigkeit so-wohl in den ersten sechs Wochen derErkrankung als auch in der Folgezeitwährend des Krankengeldbezuges be-scheinigen. Die Zusammenführungder beiden Formulartypen soll dieArztpraxen entlasten und den Büro-kratieaufwand verringern. Noch biszum 31. Dezember 2015 können alteVordrucke verwendet werden. Ab demneuen Jahr gelten die neuen Formula-re, welche in die Praxisverwaltungs-software eingepflegt und direkt amComputer ausgefüllt oder als Aus-druck bestellt werden können.

Praxis-Panel

ZiPP bietet neue AnalysemöglichkeitenBerlin (ah) – Mit einer zusätzlichen Online-Option profitieren niedergelasseneÄrzte und Psychotherapeuten künftig noch mehr von der Teilnahme am Praxis-Panel des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZiPP). Diesestandardisierte, regelmäßige Befragung bietet den rund 5.500 aktuell Teilneh-menden die Möglichkeit, ihre eigene Praxis mit denen anderer Niedergelasse-ner derselben Fachgruppe zu vergleichen. Hierfür wird ein persönlicher Praxis-bericht erstellt. Mit der Online-Option können nun auch andere Referenzgrup-pen betrachtet werden. Vergleichswerte bilden beispielsweise die betriebswirt-schaftlichen Kennzahlen der Praxen. Die Gesamtauswertung der Daten ist auchdie Grundlage der jährlich stattfindenden Honorarverhandlungen zwischen derKassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband der gesetzlichenKrankenversicherung.

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➔ weitere InformationenKVon-Video zur neuen AU-Beschei-nigung:www.kbv.de/html/1150_18128.php

Interview mit MdEP Andreas Schwab zu den Deregulierungsvorhaben der Europäischen Union

„Bei der Berufsanerkennung gibt es noch Verbesserungsbedarf“Mit der Transparenzinitiative und der Berufsanerkennungsrichtlinie setzt die EU-Kommission die Weichenfür eine Harmonisierung des Binnenmarktes auch für die Freien Berufe. Die Auswirkungen auf den Gesund-heitsbereich erörterte Sten Beneke mit MdEP Dr. Andreas Schwab (CDU).

Herr Dr. Schwab, die EuropäischeKommission hat gerade ihre neueBinnenmarktstrategie veröffent-licht. Sie sieht vor allem im Dienst-leistungssektor zu viele nicht uner-hebliche wirtschaftliche Hindernis-se. Nach Schätzungen der Kommis-sion könnte das Bruttoinlandspro-dukt der EU durch Wegfall dieserHindernisse um 1,8 Prozent steigen.Teilen Sie diese Auffassung?Wir haben in den MitgliedsstaatenEuropas nach wie vor Strukturen, dienicht so ineinander greifen, dass alleBeteiligten davon wirklich profitie-ren. Wir wollen offene Arbeitsmärkteund wir wollen mehr Dienstleistungs-verkehr in der Europäischen Union.An den Petitionen und Beschwerdensehen wir, dass die Dinge noch nichtvollständig funktionieren. Den Binnen-markt zu verbessern, ist nach wie vorunser Ziel – und darin liegt auch daswirtschaftliche Wachstumspotenzial.

Auch bei den Freien Berufen lässtdie Europäische Union überprüfen,ob nationalstaatliche Regeln zu ho-he Hürden für den Marktzugangaufbauen. Sehen Sie Änderungsbe-darf in Deutschland?

Deutschland hat eine Position in derEU erreicht, die wir so noch nie hat-ten. Wir sind mit Abstand das wirt-schaftlich stärkste Land. Die europäi-sche Kommission möchte natürlichden Binnenmarkt in allen 28 Mit-gliedsstaaten verbessern. Daher suchtman auch in den Ländern mit wenigenProblemen nach Dingen, die noch zuverbessern sind. Gelegentlich sogarmit der Lupe. Davon ist Deutschlandeben auch manchmal betroffen. Da uns der Wunsch verbindet, dassder europäische Binnenmarkt im bes-ten Sinne funktioniert, schauen wiruns die Kritik der Kommission immer

genau an. Aber wir glauben, dass sichdie Dinge in Deutschland in eine guteRichtung entwickeln. Wir wollennicht einfach nur liberalisieren, son-dern wir wollen bewährte Strukturenerhalten, wenn sie gut sind. Wenn sieverbesserungsfähig sind, verschließenwir uns nicht dagegen, über Verbesse-rungen nachzudenken. Das muss mitdem richtigen Maß gemacht werden.Da stehen wir in engem Austauschmit unseren Berliner Kollegen undmit den Bundesministerien, um indiesen Dingen die richtige Balancehinzubekommen.

„Wir wollen nicht einfach

nur liberalisieren.“

Werden auch bei den Heilberufennationalstaatliche Marktzugangs-beschränkungen kritisiert?

Grundsätzlich sind die Regelungender Gesundheitswesen in den Mit-gliedsstaaten aus ihrer Entwicklungund ihren Traditionen her zu betrach-ten. Von außen sind Verbesserungs-vorschläge daher nicht immer ganzeinfach. Gleichzeitig gibt es aber Op-timierungspotenzial. Ich zum Beispielkomme aus einer Grenzregion zwi-schen Deutschland und Frankreich.Dort gibt es je eigene Vorschriften fürdie Heilberufe diesseits und jenseitsder Grenze. Mittelfristig könnten wirgewinnen, wenn Patienten auch in denNachbarländern ärztliche oder heilbe-rufliche Leistungen in Anspruch neh-men könnten. Aber dafür müssten alleSysteme ein Stück weit aufeinanderzugehen. Davon sind wir aber nochweit entfernt. Da muss man mit Klug-heit und Augenmaß vorgehen.

Sie erwähnen die Inanspruchnahmevon grenzüberschreitenden Gesund-heitsdienstleistungen. Sehen Sie da-für eine Tendenz?

Deutsche werden ja auch mal im Ur-laub krank und sammeln so ihre Er-fahrungen im europäischen Ausland.Da werden positive und negative da-bei sein. Nur wenn auch Systeme zurVerfügung stehen, um auftretendeProbleme zu lösen, können solchegrenzüberschreitenden Gesundheits-dienstleistungen gelingen. So weitsind wir aber noch nicht. Dazu kommt,dass die Finanzierung der Gesund-heitssysteme bisher vollkommen na-tionalstaatlich organisiert ist. Da stelltsich die Frage, wie wir europäischeMechanismen schaffen können, dieauch über Grenzen hinweg wirken.Ich glaube, es gibt da eine Chance, dieman aber sehr behutsam und verant-wortungsvoll angehen muss. Weil wires eben nach wie vor mit nationalenRahmen der Finanzierung zu tun haben.

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Schwab thematisierte kürzlich die Stär-kung der Freien Berufe in einer parla-mentarischen Anfrage an die EU-Kom-mission. (Foto: © Schwab)

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Interview

Die Europäische Richtlinie zur Be-rufsanerkennung, die 2014 in Kraftgetreten ist, gilt auch für Heilberu-fe. Die Mitgliedsstaaten müssen sienun umsetzen. Welche Änderungenerwarten Sie hier für die Bundes-republik?

Bei der Berufsanerkennung haben wirimmer noch eine sehr komplizierteSituation, auch in Deutschland. Dakönnte man sehr viel zur Vereinfa-chung beitragen: Dass wir etwa beider Anerkennung einer ärztlichenAusbildung einfache Verfahren schaf-fen, ohne dabei die Qualitätsstandardsüber Bord zu werfen. Es gibt aberauch formale Anforderungen, die esmanchmal etwas schwer machen,Dienstleister oder Heilberufler ausanderen Mitgliedsstaaten in den deut-schen Markt zu integrieren. Da gibt essicherlich Verbesserungsbedarf. Dasist nun eine Aufgabe der zuständigenBehörden in Deutschland.

In Ihrer Arbeit als EU-Parlamenta-rier müssen Sie häufig komplexeThemen in die europäische Debatteeinbringen, die eher einen national-staatlichen Bezug haben. Nehmenwir als Beispiel das System der Ver-tragsärzte in Deutschland. Eine In-stitution wie die KBV ist in Brüsselvermutlich nicht sehr bekannt?

Das ist richtig. Aber alle Mitglieds-staaten haben solche ganz eigenenSysteme. Richtig ist aber auch, dassviele mit großem Interesse nachDeutschland schauen, weil wir ebender größte und wirtschaftlich prospe-rierendste Mitgliedsstaat sind. Dasmacht uns attraktiv für viele. Darummüssen wir uns mit den Fragen, diean unser System gestellt werden, auchsehr genau beschäftigen. Das tun wir.Bisher sind wir bei den Kollegen undauch auf Seiten der Kommission beikomplexen Themen, die wir einbrin-gen, auf offene Ohren gestoßen. Des-wegen bin ich zuversichtlich, dassuns das auch in den kommenden Jah-ren gelingt.

Sie haben kürzlich zum ThemaFreie Berufe eine Anfrage an die

EU-Kommission gestellt, darauffolgte eine Aussprache im Parlamentmit der zuständigen Kommissarin.Welchen Stellenwert haben solcheAnfragen für Ihre politische Arbeit?

Meistens sind diese parlamentari-schen Anfragen der nach außen sicht-bare Nachweis, dass es Gespräche ge-geben hat und dass man in intensivemKontakt steht. Bereits im Vorfeld ha-ben wir durch Gespräche, die wir imParlament organisieren, durch Kon-takte mit der Kommission und aufvielerlei anderen Wegen die Themenvorangebracht. Da wurden schon voreiner Parlamentsaussprache viele Ar-gumente ausgetauscht. Insofern ist ei-ne parlamentarische Anfrage als eineBegleitmaßnahme zu verstehen, umbestimmte Themen einmal schriftlichfestzuhalten. Es ist im Prinzip ein Ar-beitsmittel, wie der Bleistift für denArzt. Die eigentliche Heilbehandlungmuss am Ende aber ohne Bleistiftdurchgeführt werden. Bei uns sinddas die Gespräche auf allen Ebenen.

„Die Freien Berufe müssen

stärker auf eine europäische

Zusammenarbeit achten.“

Koordinieren Sie sich als EU-Parla-mentarier mit den Brüssel-Vertre-tungen von Kassenärztlicher Bun-desvereinigung und Bundesärzte-kammer?

Sehr eng sogar. Sowohl mit den Insti-tutionen aus Deutschland als auch mitdenen aus den anderen Mitgliedsstaa-ten und mit den europäischen Dach-verbänden. Dabei ist wichtig, dass wirall diese Gespräche vor dem Hinter-grund unserer nationalen Systemeführen. Wir wollen die Zusammenar-beit in Europa weiter verbessern, undzwar im Interesse der Heilberufler,der Patienten und der Versicherungen.An solche Fragen muss man ergebnis-offen und auch mit der nötigen ge-danklichen Offenheit herangehen.Bisher haben wir damit gute Erfah-rungen gemacht.

Dr. jur. Andreas Schwab (CDU), Jahr-gang 1973, ist seit 2004 Mitglied desEuropäischen Parlaments. Im Aus-schuss für Binnenmarkt und Verbrau-cherschutz ist er ordentliches Mitgliedsowie binnenmarktpolitischer Sprecherder Fraktion der Europäischen Volks-partei. Im Ausschuss für Wirtschaftund Währung ist er stellvertretendesMitglied. Er gehört dem Bezirksvor-stand der CDU Südbaden an.

Als EU-Abgeordneter sind Sie auchMittler für die deutsche Politik.Wie intensiv nehmen Sie da an Ge-sprächen teil?

Wir haben sehr gute Beziehungen indie Bundesministerien, in die Bundes-tagsfraktion und in die Länder. Vondort bekommen wir wichtige Informa-tionen dazu, wo es Veränderungsbe-reitschaft gibt. Gleichzeitig stoßenwir auf offene Ohren, wenn wir The-men aus Brüssel einspielen wollen.EU-Abgeordneter zu sein, ist in derTat eine vermittelnde Tätigkeit. Manmuss aber mit Klugheit und Bedachtvorgehen. Auf der einen Seite sollteman die Vorteile einer Zusammenar-beit in Europa nicht gering schätzen,auf der anderen Seite muss man dennationalen Systemen, die ja alle ausihrer Geschichte heraus gewachsensind, mit dem notwendigen Respektbegegnen.

Noch einmal zu den Freien Beru-fen: Wie lässt sich die Präsenz undTeilhabe der Freien Berufe auf eu-ropäischer Ebene stärken?

Die Freien Berufe müssen viel stärkerauf eine europäische Zusammenarbeitachten. Es gibt viele horizontale The-men, die alle Freien Berufe in ganzEuropa betreffen. Da könnte die Zu-sammenarbeit gegenüber den europäi-schen Institutionen noch deutlich in-tensiver gestaltet werden. Dabei müs-sen wir viel mehr das Verbindendezwischen den Freien Berufen der Mit-gliedsstaaten hervorheben – nur sonimmt die EU-Kommission diesesThema auch als ein europäischeswahr.

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EU-Repräsentanz der KBV

Trittsicher auf dem Brüsseler ParkettDie EU-Politik gewinnt auch für das deutsche Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung. Deshalb betreibt die KBV ein eigenes Büro in Brüssel, um die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten auf der europäi-schen Ebene zu vertreten. Es berichtet Kristal Davidson.

Ausgerollt für die Stars der europäi-schen Politszene liegt im Foyer desEU-Parlamentsgebäudes in Brüsselein scheinbar endloser Teppich. Keinroter, sondern ein blauer – im EU-Blau. Er ist den Staats- und Regie-rungschefs sowie den Ministern der28 Mitgliedsstaaten vorbehalten. Da-rauf achten dieser Tage schwer be-waffnete Beamte der Brüsseler Poli-zei. In den Wochen im September gilt diezweithöchste Sicherheitsstufe in Bel-gien und damit auch an sämtlichenEingängen des Parlamentsgebäudes.Auch an jenen, zu denen alle anderenBesucher des Parlaments der Europäi-schen Union geschickt werden, damitder blaue Teppich frei bleibt. Für alle,die hier arbeiten, bedeutet dies einentäglichen Umweg über diverse Trep-pen, lange Gänge, Aufzüge und Roll-treppen.

Am Beginn steht ein gründlichesBriefing

KV-on, das Video-Team der KBV, be-gleitet an diesem Herbsttag Dr. An-dreas Gassen bei seinen Terminen inBrüssel. Der Vorstandsvorsitzende derKBV wird sich mit mehreren Abge-ordneten des Europäischen Parla-ments zu Hintergrundgesprächen tref-fen. Vorbereitend stimmt er sich andiesem Morgen, keine halbe Stundenachdem der Flieger auf BrüsselerBoden gelandet ist, im Europabüroder KBV ab. Dort erwarten ihn Cori-na Glorius und Filip Lassahn: Sie ver-treten die Interessen der deutschenVertragsärzte und Vertragspsychothe-rapeuten auf europäischer Ebene.Lassahn ist hier ständiger Repräsen-tant der KBV in Brüssel, Glorius reistregelmäßig aus Berlin an, sodass siegemeinsam große Termine wahrneh-men oder sich auf mehrere Termine

aufteilen können. Nebenan im Bürositzt die Bundesärztekammer.Nach dem Briefinggespräch geht esins nur wenige Straßen entfernte Par-lamentsgebäude. Gassen, KBV-Poli-tikchef Stefan Gräf, Glorius und Las-sahn passieren die flughafenähnlichenSicherheitskontrollen und eilen zumersten Termin mit einem Abgeordne-ten, der zugleich Mitglied des Ge-sundheitsausschusses ist. Es geht umdie Herausforderungen und Chancen,die elektronische und mobile Gesund-heitsdienste mit sich bringen – kurz:E-Health und M-Health. Um einen entspannten und echtenAustausch zu ermöglichen und umvor allem die Vertraulichkeit zu wah-ren, bleibt das Kamerateam dem Ge-spräch fern. Auf dem Drehplan stehenstattdessen der Plenarsaal und diverseAußenaufnahmen des Parlamentsge-bäudes mit den Flaggen der Mit-gliedsstaaten. Wenig später ist dasEU-Team der KBV auf dem Weg zum

nächsten Termin: einem gemeinsamenMittagessen mit zwei Europavertre-tern der Deutschen Sozialversiche-rung. Es sollen mögliche Synergieneiner Zusammenarbeit ausgelotet wer-den.

Die Themenvielfalt bei den Gesprächen ist groß

Beim dritten Termin geht es mit ei-nem weiteren Mitglied des Gesund-heitsausschusses um Antibiotikaresis-tenzen und die umstrittene Transat-lantische Handels- und Investitions-partnerschaft (TTIP) mit ihren mögli-chen Auswirkungen auf das Gesund-heitswesen in Europa und vor allemDeutschland. „Wichtig ist uns hieraber auch, zu erfahren, wie auf unsere

Dr. Andreas Gassen beim Interview mit KV-on. (Foto: F. Lassahn)

Ein Video zum Thema ist auf KV-on zu finden:www.kv-on.de/html/18356.php

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Politik

schriftliche Anfrage an die Kommis-sion reagiert wird“, berichten Gloriusund Lassahn.

Gute Kontakte sind alles

Neben solchen Anfragen besteht derArbeitsalltag der Beiden aus Analysenvon Gesetzesvorhaben und Stellung-nahmen sowie dem Verfassen eigenerStellungnahmen in Abstimmung mitden Fachabteilungen und dem Vor-stand der KBV. Darüber hinaus führensie unzählige informelle und formelleGespräche – telefonisch und persön-lich; und sie veranstalten parlamenta-rische Abende und besuchen Veran-staltungen anderer Organisationen. Sie müssen sich trittsicher auf allenThemenfeldern bewegen und stets in-formiert sein, damit ihnen nichts ent-geht, was sich auf die ambulante Ge-sundheitsversorgung in Deutschlandauswirken kann. „Zugleich müssenwir sehr schnell analysieren und rückkoppeln, um uns ebenso schnellund auch effektiv einmischen zu kön-nen“, schildert Glorius ihren Arbeits-alltag.

„Wir müssen in Europa

Allianzen schmieden.“

Gassen betont abschließend noch ein-mal die Bedeutung der EU-Ebene fürdas deutsche Gesundheitswesen undwie unverzichtbar daher eine eigeneRepräsentanz in Brüssel ist: „Wirmüssen uns hier einbringen und Alli-anzen mit anderen ärztlichen Organi-sationen schmieden, damit die Freibe-ruflichkeit in der Form, wie wir siekennen und schätzen, in Deutschlanderhalten bleibt,“ so der KBV-Vor-standsvorsitzende.In ihrer täglichen Arbeit machen Las-sahn und Glorius immer wieder dieErfahrung, wie aufwendig es ist, sichin Europa Gehör zu verschaffen: „Wirsind hier auf dem Brüsseler Parkettnur eine Organisation von vielen undauch nur eine aus einem von insge-samt 28 EU-Mitgliedstaaten.“ Umsowichtiger ist es, in der EU-Hauptstadtpräsent zu sein.

Vor dem EU-Parlamentsgebäude in Brüssel. (Foto: Kristal Davidson)

Aktuelle Gesetzgebungsvorhaben auf europäischer Ebene im GesundheitsbereichMedizinprodukte- und In-vitro-Diagnostika-VerordnungZiel der Vorschläge ist es, einen einheitlichen Rechtsrahmen zuschaffen, der einerseits die Sicherheit der Produkte gewährleistetund andererseits die Innovation sowie den schnellen Zugang der Patienten zu innovativen Produkten fördert.

Medizinprodukte sollen weiterhin durch die sogenannten BenanntenStellen zugelassen werden. Diese sollen aber schärferer Überwa-chung unterliegen. Hochrisiko-Medizinprodukte sollen darüber hin-aus einem Kontrollverfahren unterzogen werden. Auch soll die Pro-duktrückverfolgbarkeit verbessert werden.

Zeitplan: Nachdem sich EU-Kommission, Europäisches Parlamentund Rat positioniert haben, finden derzeit die Verhandlungen zwi-schen den drei Institutionen statt (sogenannte Trilogverhandlungen).

Datenschutz-GrundverordnungDie Datenschutz-Grundverordnung soll einen einheitlichen Rahmenzur Verarbeitung der personenbezogenen Daten für ganz Europavorgeben. Dadurch soll auf der einen Seite der Schutz personenbe-zogener Daten innerhalb der Europäischen Union sichergestellt undauf der anderen Seite der freie Datenverkehr innerhalb des Europäi-schen Binnenmarktes gewährleistet werden. Auch der gesamte Be-reich der Gesundheitsdaten fällt in den Anwendungsbereich. DieVerordnung wird aber – soweit absehbar – keine gravierenden Än-derungen bei der Verarbeitung von Gesundheitsdaten nach sich ziehen.

Zeitplan: Auch hier laufen gegenwärtig die Trilogverhandlungen, die bis Ende 2015 abgeschlossen werden sollen, sodass die Daten-schutz-Grundverordnung im Jahr 2016 in Kraft treten kann.

Gesundheitsdaten

Interaktiv statt Print: Neues Webtool der KBVMit ihrem neuen Webtool stellt die KBV seit Oktober umfassende Daten rund um das Gesundheitswesen auf ihrer Website bereit. Benutzer können die Daten kostenlos zusammenstellen und weiterverwenden. Angélique Herrler informiert.

Mit den KBV-Gesundheitsdaten stehtallen Interessierten seit Oktober einkostenloses Webtool mit Informatio-nen rund um das Gesundheitswesenzur Verfügung. Wie wichtig die Ver-fügbarkeit solcher Daten ist, betonteKBV-Vorstandsvorsitzender Dr. An-dreas Gassen: „Eine sachliche Dis-kussion über Entwicklungen im Ge-sundheitswesen kann nur auf Basisumfassender Daten stattfinden.“ Deshalb hat die KBV auf rund 100Auswertungsseiten eigene sowie ex-terne Daten mit Bezug zur vertrags-ärztlichen Versorgung zusammenge-stellt und verständlich aufbereitet. In den vier Kapiteln MedizinischeVersorgung, Gesundheitsfachberufe,

Gesellschaft und Krankenversiche-rung können Nutzer die Daten mitHilfe von definierten Filtervariablenselbst zusammenstellen. So könnenbeispielsweise verschiedene Arztgrup-pen, Zeiträume oder Regionen zureinzelnen Betrachtung ausgewählt wer-den. Die anwenderfreundlichen Visua-lisierungen in Form von Grafiken undKarten ermöglichen einen einfachenÜberblick über die komplexen Zu-sammenhänge im Gesundheitswesen.Unter Angabe der KBV als Quellekönnen die Daten auch heruntergela-den und weiterverwendet werden.Mit Hilfe einer Sitemap finden Nutzersich einfach und schnell zurecht. ZuBeginn eines jeden Kapitels sowie zu

jeder einzelnen Auswertungsseite gibtes eine Zusammenfassung der betref-fenden Daten. Auf diese Weise kön-nen sich die Nutzer einen Überblicküber das Themenfeld verschaffen. Zu-sätzlich bieten die AuswertungsseitenInformationskästen mit Hintergrund-informationen zu den Daten oder zurDefinition von Filtervariablen. Wei-terhin verweisen Links am Ende derSeiten auf weitere Informationen zurVertiefung des ausgewählten Themas.Das Webtool wird von der KBV kon-tinuierlich aktualisiert.

➔ weitere Informationenwww.kbv.de/html/gesundheitsdaten.php

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Kampagne

„Wir arbeiten für Ihr Leben gern.“ geht weiterDie Kampagne von KBV und Kassenärztlichen Vereinigungen wird auch im kommenden Jahr fortgesetzt. Neben der Hauptkampagne steht weiterhin der Nachwuchs im Fokus. Auch für 2016 ist eine neue Plakat-kampagne geplant. Angélique Herrler berichtet.

4.500 Großflächenplakate waren imFrühjahr 2015 im Rahmen der Dach-kampagne „Wir arbeiten für Ihr Lebengern.“ in über 80 Städten zu sehen.Bereits zum dritten Mal wurde dieBevölkerung auf diesem Wege auf dieArbeit der niedergelassenen Ärzteund Psychotherapeuten aufmerksamgemacht. Außerdem erhielten die Pra-xen im Frühjahr und Herbst Infopake-te, die unter anderem das Patienten-magazin „Zimmer Eins“ enthielten.Ein Anliegen der Kampagne ist esweiterhin, angehende Mediziner fürden ambulanten Bereich zu interessie-ren. Für die Nachwuchskampagne„Lass dich nieder!“ wurden im Okto-ber und November an den 37 Hoch-schulstandorten mit medizinscher Fa-

kultät insgesamt 600 Groß-flächenplakate geschaltet.Auch auf den persönlichenKontakt wird Wert gelegt: Soinformierten die KBV unddie Kassenärztlichen Vereini-gungen gemeinsam mit am-bulant tätigen Ärzten beimInfotag „Praxis erleben.“ ander Charité in Berlin über dieNiederlassung. Der Schwer-punkt lag dabei auf den Mög-lichkeiten von Aus- und Weiterbil-dung in der ambulanten Versorgung.Auch auf der Website www.lass-dich-nieder.de gibt es hierzu umfangreicheHinweise. Die Nachwuchskampagnewurde übrigens mit dem Econ-Awardin Silber ausgezeichnet, einem re-

nommierten Preis der Kommunikati-onsbranche. Im kommenden Jahr lau-tet das Schwerpunktthema „Nähe“und behandelt das vertrauensvolleVerhältnis von Arzt und Patient. DieFotoaufnahmen für die neuen Plakatefinden im Februar 2016 statt.

Studierende beim Infotag in Berlin. (Foto: Kristin Kahl)

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KV Thüringen

Hausarztvertrag Erfurt/Gotha/Weimar (cg) – Erstmalswurden Evaluationsergebnisse zumThüringer Hausarztvertrag veröffent-licht, an dem sich die AOK PLUS, derHausärzteverband Thüringen und dieKassenärztliche Vereinigung (KV)Thüringen beteiligen. Demnach sindÄrzte und Patienten mit dem Vertragüberwiegend zufrieden. Ein wesentli-ches Ergebnis ist, dass die Patientenihren Hausarzt als ersten Ansprech-partner kontaktieren, der dann bei Be-darf den richtigen Facharzt mit einbe-zieht. Die Vorstandsvorsitzende derKV Thüringen, Dr. Annette Rommel,stellt die Bedeutung der Hausärzte fürdie Patienten heraus: „In vier vonfünf Fällen, in denen Hausärzte inAnspruch genommen werden, könnendiese die Patienten selbst abschlie-ßend versorgen. In den übrigen kön-nen sie die Patienten zur Weiterbe-handlung gezielt zum richtigen Fach-arzt überweisen.“

KV Westfalen-Lippe

Ambulante Paliativversorgung: Studie lobt ModellDüsseldorf (cg) – Das Konzept derambulanten Palliativversorgung inWestfalen-Lippe hat Vorbildcharakter.Mit dem Modell finde die ambulantePalliativversorgung mehr Verbreitungund dem Bedürfnis der Menschen, diezu Hause sterben wollen, werde bes-ser Rechnung getragen. Das geht auseiner Studie der Bertelsmann Stiftunghervor. „Unser Modell beruht auf dem Grund-satz, dass der Hausarzt für seine Pa-tienten auch dann der zentrale An-sprechpartner bleibt, wenn dieser einepalliative Versorgung benötigt. Die

koordinierenden Haus- und Fachärztebleiben deshalb federführend bei derBetreuung ihrer Patienten“, sagt dasVorstandsmitglied der Kassenärzt- lichen Vereinigung (KV) WestfalenLippe, Dr. Gerhard Nordmann.

Meldungen

iert. Gemeinsam mit dem Kultus- undSozialministerium sowie den Kran-kenkassen möchte die KV die Inan-spruchnahme der J1 erhöhen. Vorbildwar die vom Landkreis Ludwigsburgin den Jahren 2013 bis 2014 durchge-führte J1-Initiative, mit der die Teil-nahme 12- bis14-Jähriger von 57 auf73 Prozent gesteigert werden konnte.Daran will die KV Baden-Württem-berg nun anknüpfen. Aktuell nimmtnur jeder zweite der baden-württem-bergischen J1-Berechtigten an derUntersuchung teil.

KV Brandenburg

FortbildungsangebotPotsdam (kk) – Die KassenärztlicheVereinigung Brandenburg hat für Nie-dergelassene im September und No-vember drei Fortbildungen zur ambu-lanten Behandlung von Flüchtlingenangeboten. Rund 250 Ärzte und Psy-chotherapeuten haben die Veranstal-tungen in Blankenfelde-Mahlow,Cottbus und Neuruppin besucht undsich über die Besonderheiten der Ver-sorgung Asylsuchender informiert.Das Themenspektrum umfasste unteranderem die rechtlichen Rahmenbe-dingungen der Behandlung, Fragenzur Untersuchung und Diagnosestel-lung sowie Grundlagen der Abrech-nung. Bestandteil der Weiterbildung warenzudem interkulturelle Kommunikationund Kultursensibilität. Neben dem in-formativen Charakter nutzten dieTeilnehmer die Veranstaltungen auchzum Erfahrungsaustausch. (Foto: Vstock LLC/iStock/Thinkstock)

KV Baden-Württemberg

Kampagne zur J1-Untersuchung gestartet

Stuttgart (kk) – Unter dem Titel„Every hero needs a doctor“ hat dieKassenärztliche Vereinigung (KV)Baden-Württemberg eine landesweiteKampagne zur J1-Untersuchung initi-

(Foto: gbh007/iStock)

KV Niedersachsen

Strukturfonds beschlossen Hannover (kk) – Mit einem mehrstufi-gen Förderprogramm geht die Kas-senärztliche Vereinigung (KV) Nie-dersachsen Versorgungsprobleme an.Ärzte und Psychotherapeuten könnenin bestimmten Regionen zukünftig biszu 60.000 Euro Investitionskostenzu-schüsse erhalten, wenn sie eine Praxisneu gründen oder übernehmen. In un-terversorgten Regionen kann dieserBetrag auf bis zu 75.000 Euro aufge-stockt werden. Die dafür benötigtenMittel werden durch einen Struktur-

fonds bereitgestellt, in den die KVNiedersachsen und die Krankenkas-sen zu gleichen Teilen einzahlen. Unter dem Motto „Niederlassen inNiedersachsen“ hat die KV zudem ei-nen Maßnahmenkatalog erstellt, mitdem Anreize auch für Jungmedizinergeschaffen werden und dem Ärzte-mangel begegnet wird. Der Struktur-fonds mit einem jährlichen Budgetvon über vier Millionen Euro wurdeauf der Vertreterversammlung imHerbst beschlossen.

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Aktualisierung

Die BundesArztsuche 3.0 mit neuen Funktionen

Taschendolmetscher

Übersetzungshilfe

Neue Broschüre

Hygieneleitfaden für Psychotherapeuten KV-on-Video

Weg in die NiederlassungEin neues KV-on-Video zeichnet denWeg des Hausarztes Dr. Werner Plö-rer in seine eigene Niederlassung imthüringischen Gotha nach. Plörer be-richtet darin von seinen Erlebnissenund den damit verbundenen Heraus-forderungen. Der Österreicher begannseine Tätigkeit als angestellter Arzt ineiner Stiftungspraxis des Landes undder Kassenärztlichen VereinigungThüringen. Durch diese Erfahrungkonnte er sich gut auf seine eigeneNiederlassung vorbereiten. Mittler-weile führt er eine Gemeinschaftspra-xis mit seiner Frau und zieht eine po-sitive Bilanz aus dem Schritt in dieSelbstständigkeit. Das Video ist abrufbar unter:www.kv-on.de/html/

In Kürze stellt die KBV nach einemerfolgreichen Relaunch die aktuali-sierte BundesArztsuche-App vor. DerService bietet die Möglichkeit, ein-fach und schnell unter den rund165.000 an der vertragsärztlichenVersorgung in Deutschland teilneh-menden Ärzten und Psychotherapeu-ten den passenden zu finden. Dabeikönnen der Suche unterschiedlicheKriterien wie Standort, Umkreis oderArztgruppe zugrunde gelegt werden.Mit der neuen Version 3.0 kommenneben einem frischen Interface nachApple-Standard auch neue Funktio-nen hinzu. So lassen sich in der Kom-paktsuche die Ergebnisse gleich durchmehrere Kriterien einschränken. Au-ßerdem kann man die Praxen seinerWahl als Favoriten abspeichern undsich zusätzlich eine Terminerinnerungeinrichten. Neu ist auch der Vorsorge-bereich, in dem die KBV über ihrePräventionsprogramme informiert.

Der Taschendolmetscher des Deut-schen Ärzte-Verlags bietet Medizi-nern die Möglichkeit, sich überSprachbarrieren hinweg mit ihren Pa-tienten über Symptome und anamnes-tisch relevante Parameter zu verstän-digen. Auf 297 Seiten finden sich all-gemeine Begriffe und Redewendun-gen, Verhaltensempfehlungen und Be-griffe zu Beschwerden oder Abrech-nungen. Die „Kauder welschlaut schrift“ermöglicht Basiskonversationen in 16Sprachen – in der jetzigen zweitenAuflage auch in Arabisch und mit er-weiterter Wörterliste. Als besonderenService stellt der Deutsche Ärzte-Ver-lag den Kassenärztlichen Vereinigun-

gen ein kosten-loses Kontingentvon insgesamt2.000 Exempla-ren zur Verfü-gung. Darüberhinaus ist derTitel auch alseBook und alsApp fürs iPhoneverfügbar.

Die Broschüre ist abrufbar unterwww.hygiene-medizinprodukte.de/

Das Kompetenzzentrum Hygiene undMedizinprodukte der Kassenärztli-chen Vereinigungen und der Kassen-ärztlichen Bundesvereinigung hat dieBroschüre „Hygiene in der psycho-therapeutischen Praxis – ein Leitfa-den“ herausgebracht. Diese behandeltThemen wie die Hände- und Flächen-desinfektion und gibt Empfehlungen,wie Hygieneanforderungen in derpsychotherapeutischen Praxis umge-setzt werden können. Weiterhin wirddie Desinfektion von Medizinproduk-ten thematisiert. Ein Mustervorschlagzeigt, wie ein praxisspezifischer Hy-gieneplan angefertigt und umgesetztwerden kann. Die Broschüre ist anPsychotherapeuten mit einem norma-len Leistungsumfang gerichtet. Füralle Leistungen, die darüber hinausnoch erbracht werden, sollte ergän-zend der „Hygieneleitfaden für dieArztpraxis“ hinzugezogen werden.

Diese Informationen werden ergänztdurch die Patientennachrichten, in de-nen regelmäßig relevante Themenaufbereitet werden.Die BundesArztsuche ist kostenlos imAppStore oder bei Google Play er-hältlich. Mehr Informationen unter:www.kbv.de

D e z e m b e r 2 0 1 5 | K B V K L A R T E X TInterview

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Zehn Fragen an . . .

Dr. Florian FuhrmannIn jeder Ausgabe unterzieht KBV KLARTEXT Persönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen dem etwas anderen Gesundheits-Check. Dieses Malstand der Geschäftsführer der KV Telematik GmbH Dr. Florian Fuhrmann Rede und Antwort.

Dr. Florian Fuhrmann begannseine akademische Ausbildungan der Universität Erlangen-Nürnberg. Als DAAD-Stipendiatabsolvierte er sein Masterstudi-um der Volkswirtschaftslehre inden USA, zudem erwarb er einDiplom in Betriebswirtschaft inDeutschland. Während seinerTätigkeit als Unternehmensbe-rater schrieb er seine Doktorar-beit. Seit mehr als zwölf Jahrenarbeitet Fuhrmann im Gesund-heitswesen, vor allem im Be-reich von Gesundheitsversor-gung, IT und Managed Care.Unter anderem war er für eineninternationalen IT-Konzern, eineKrankenversicherung sowie füreinen Krankenhausträger tätig.Seit 2014 ist er Geschäftsführerder KV Telematik GmbH – einemTochterunternehmen der KBV,das für die IT-Infrastruktur desverschlüsselten Datenaustau-sches insbesondere in der am-bulanten Versorgung verant-wortlich ist. Bekannte Anwen-dungen der KV Telematik GmbHsind der eArztbrief, der eTer-minservice der KVen und derLabordatentransfer via KV-Con-nect. Fuhrmann lebt mit seinerFrau und drei Kindern in Berlin.

Was betreiben Sie an gesundheitli-cher Prävention?

Mein wichtigster körperlicher undseelischer Ausgleich ist meine Fami-lie. Wir haben drei kleine Kinder, dashält ganz schön auf Trab. Wenn dannnoch Zeit bleibt, spiele ich gerne Pa-del-Tennis oder steige aufs Rad.

Und an politischer Prävention?

Ich versuche mich nicht von Emotio-nen und persönlichen Interessen lei-ten zu lassen. Um gemeinsam eineumsetzbare Linie zu finden, sind Ver-ständnis für das Gegenüber und Sach-lichkeit gute Werkzeuge. Suaviter inmodo, fortiter in re – stark in der Sa-che, mild in der Methode!

Was war Ihre größte Fehldiagnose?

In meiner Jugend glaubte ich, alsSportler mein Glück zu finden. ZweiKreuzbandrisse haben meine sportli-che Laufbahn jäh beendet.

Welchen Gesprächspartnern wür-den Sie gerne in einer Talkshow begegnen?

Papst Franziskus. Seinen Vorvorgän-ger habe ich als Jugendlicher in Romerlebt – ein unvergessliches Erlebnis.Angela Merkel, weil man von ihremdiplomatischen Geschick nur lernenkann. Und Richie McCaw, den beein-druckenden Sportler, sowie den groß-artigen Klavierspieler Lang Lang.

Wenn Sie der nächste Gesundheits-minister wären …

… würde ich mich darum bemühen,dass in Schulen im Sinne der Primär-prävention das Fach „Gesundheit“ an-geboten wird. Weiterhin halte ich die

Einbindung des Patienten in den Ge-nesungsprozess über mobile Gerätefür sinnvoll. Dies wird sich nicht so-fort, aber in den kommenden Jahr-zehnten auszahlen.

Arzt sein in Deutschland ist …?

… eine wichtige Aufgabe zum Wohleder Gesellschaft. Trotz politischer,technischer und finanzieller Zwängewerden Patienten in Deutschland erst-klassig versorgt. Es ist den Menschen,die sich um das Wohl der Patientenkümmern, zu verdanken, dass wir inDeutschland eines der besten Gesund-heitssysteme der Welt haben.

Patient sein in Deutschland ist …?

… mehr als nur eine Diagnose oderVersichertennummer. Hinter jeder Er-krankung steht ein individuellesSchicksal, das sich auch auf den Ge-nesungsprozess auswirkt. Deshalb istder persönliche Arzt-Patienten-Kon-takt unerlässlich. Da hilft kein BigData!

Ihr persönliches Rezept gegen Poli-tikstress?

Stress entsteht durch schwierigeSachverhalte und Zeitdruck. Mir hel-fen eine eingehende Analyse, dierichtige Priorisierung von Themenund der zielgerichtete und offeneAustausch mit den verschiedenen In-teressengruppen.

Worauf reagieren Sie allergisch?

Böswilligkeit … und Pollen.

Ein Slogan für den Gesundheits-standort Deutschland?

Wir gehören zu den Besten …, aberwir können es noch besser!

(Fot

o: S

ten

Ben

eke)

Im kommenden Jahr werden die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die

Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen der bundesweiten Kampagne

»Wir arbeiten für Ihr Leben gern.« das Thema »Nähe« in die Öffentlichkeit

tragen. Und dafür suchen wir Ärzte und Psychotherapeuten wie Sie. Und

jemanden, der Ihnen nahe ist: Sie haben ein besonders vertrauensvolles Ver-

hältnis zu Ihren Patienten? Sie werden Ihre Praxis bald an einen Nachfolger

über geben? Oder Sie arbeiten besonders eng mit Ihren Kollegen zusammen?

Dann geben Sie gemeinsam mit einem Patienten, Nachfolger/Vorgänger oder

Kollegen dem Thema »Nähe« ein Gesicht und bewerben Sie sich für das

Fotoshooting im Februar 2016.

Senden Sie einfach Ihr Foto zusammen mit weiterführenden Angaben (Name,

Berufsbezeichnung inklusive Fachrichtung, KV-Region, Standort, Kontaktdaten,

Alter) und einigen Stichworten zur Geschichte von Ihnen und Ihrem Gegenüber

bis zum 6. Januar 2016 an [email protected].

Fotoshooting 2016:

jetzt mitmachen!