KBV Klartext, März 2015

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KBV KLARTEXT KLAR TEXT Das Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung März 2015 Weichenstellung zur Staatsmedizin? Mit den Vorgaben im geplanten Versorgungsstärkungsgesetz greift der Staat in die Selbstverwaltung ein. Eine Tendenz, die Fragen aufwirft. Reportage zum Fotoshooting Die Nachwuchskampagne startet in die zweite Runde Interview mit dem Gesellschafter-Chef der gematik, Dr. Thomas Kriedel „Die elektronische Gesundheitskarte wird Mehrwerte bringen“ eHealth-Gesetz Was erwartet die Ärzteschaft?

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Kassenärztliche Bundesvereinigung

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KBV KL A R T E X TKL AR T E X TDas Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung März 2015

Weichenstellung zur Staatsmedizin?Mit den Vorgaben im geplanten Versorgungsstärkungsgesetz greift der Staat in die

Selbstverwaltung ein. Eine Tendenz, die Fragen aufwirft.

Reportage zum FotoshootingDie Nachwuchskampagne startet in die zweite Runde

Interview mit dem Gesellschafter-Chef der gematik, Dr. Thomas Kriedel„Die elektronische Gesundheitskarte wird Mehrwerte bringen“

eHealth-GesetzWas erwartet die Ärzteschaft?

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INHALT

STANDPUNKT

Eigentlich liegen die Fakten klar aufdem Tisch: Immer mehr ärztliche Leis-tungen werden im ambulanten Bereicherbracht und nicht mehr im Kranken-haus. So müsste auch die ärztlicheWeiterbildung mehr dorthin verlagertwerden. Doch davon sind wir weit ent-fernt. Nicht, weil es an Weiterbildungs-stellen in den Praxen fehlte. Nein, esfehlt an genügend Jungmedizinern, dieihre Weiterbildung im ambulanten Be-reich absolvieren wollen. Viele von ih-nen haben noch alte Klischees imKopf. Daher die Nachwuchskampagne„Lass Dich nieder!“. Es sind aber auchdie unattraktiven finanziellen Bedin-gungen, die vor einer Weiterbildung inder Praxis zurückschrecken lassen.Die KBV hat mit ihrem Stiftungsmo-dell einen guten Vorschlag auf denTisch gelegt, um das zu ändern. Nunist auch die Politik gefragt. Es istschließlich eine gesamtgesellschaftli-che Aufgabe, für genügend Ärztenach-wuchs zu sorgen. Sten Beneke

IMPRESSUM

KBV KLARTEXTDas Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Herausgeber:Kassenärztliche BundesvereinigungDr. Andreas Gassen (Vorstandsvorsitzender der KBV, V.i.S.d.P.)

Redaktion:Meike Ackermann, Sten Beneke, Alexandra Bukowski, Marscha Edmonds, Corina Glorius,Filip Lassahn, Izabela Kolankowska

Redaktionsbeirat:Dr. Roland Stahl

Satz: rheinschrift Christel Morische, Bad Herrenalb

Druck: Druckerei Humburg, Zimbelstr. 26, 13127 Berlin

Erscheinungsweise: vierteljährlich

Redaktionsanschrift:Kassenärztliche BundesvereinigungRedaktion KLARTEXTHerbert-Lewin-Platz 2, 10623 BerlinE-Mail: [email protected]. 030 4005-2210Fax 030 4005-2290

Titelthema

Wohin steuert das deutsche Gesundheitssystem? Seite 4

Politik

Themen in Brüssel: „Pille danach“ ohne ärztliche Beratung Seite 8

Qualität – Stichproben haben sich bewährt Seite 8

X-Ray – die Vorstandskolumne Seite 9

Aus- und Weiterbildung – Mehr Praxisorientierung Seite 10

Innovationsfonds – Sektorengrenzen überwinden Seite 10

eHealth-Gesetz – Das Gesundheitssystem wird digitaler Seite 11

Versorgung

Behandlung psychisch Kranker verbessern Seite 14

Neues zur ASV Seite 14

Interviews

Im Gespräch mit … Dr. Thomas Kriedel Seite 12

Zehn Fragen an … Dr. Christof Veit Seite 19

Service

Fotoshooting: „Mit frischen Wangen und ein bisschen Gloss“ Seite 16

Angeklickt und aufgeblättert Seite 18

Meldungen

Bundesnachrichten Seite 15

KBV KLARTEXT ist kostenfrei zu abonnieren unter www.kbv.de/mediathek.

Download des KBV KLARTEXT unter: www.kbv.de/klartext

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Foto Titelseite: stockpics/fotolia.com

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THEMENAUSWAHL

Staatsmedizin ante portas?Die parlamentarischen Beratungenzum geplanten Versorgungsstär-kungsgesetz haben im März begon-nen. Doch die Kritik von Ärzten undPsychotherapeuten reißt nicht ab. DasVorhaben schwäche die ambulanteVersorgung, anstatt sie zu stärken – sodie einhellige Meinung. Es greife zu-dem in das Prinzip der Selbstverwal-tung ein, indem es Vorgaben zur Teil-

sektionierung der Vertreterversamm-lungen mache. Dort soll in haus- undfachärztliche Belange unterschiedenund getrennt abgestimmt werden. Meh-ren sich also die staatlichen Vorgaben?Bewegt sich die ambulante flächende-ckende Versorgung weg vom Prinzipder freiberuflichen, selbstständigenPraxen hin zu einem staatlich regulier-ten Gesundheitssystem? ab Seite 4

Digitales GesundheitswesenDer Entwurf für das „Gesetz für si-chere digitale Kommunikation undAnwendungen im Gesundheitswesen“der Bundesregierung sieht vor, die In-teroperabilität der IT-Systeme im Ge-sundheitswesen weiter zu verbessern.Der Entwurf zum sogenannten eHealth-Gesetz macht deutlich, wie die Tele-

matikinfrastruktur in Zukunft ausse-hen soll. Die KBV begrüßt die elek-tronische Vernetzung sowie die tech-nischen Ergänzungen zur Versorgungder Patienten, lehnt aber die im Ge-setzentwurf vorgesehenen Fristen undStrafzahlungen für Praxen und Selbst-verwaltung strikt ab. Seite 11

Hinter den Kulissen der NachwuchskampagneEchte Medizinstudenten standen auch für die Fortsetzung der Nachwuchskam-pagne „Lass dich nieder!“ vor der Kamera. Dieses Mal in Trebur bei Frankfurtam Main. Für die 30 angehenden Ärzte war es das erste Erlebnis dieser Art.Die Klartext-Redaktion hat einen Blick hinter die Kulissen des Fotoshootingsgeworfen. ab Seite 16

Kriedel: „Die eGK wird Mehrwerte bringen“Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) kommt nicht vo-ran. Nun macht die Regierung mit dem geplanten eHealth-Gesetz ordentlichDruck. Ab 2016 soll der Rollout beginnen, dann wird zumindest der Abgleichder Versichertenstammdaten (VSDM) in den Praxen der Ärzte und Psychothe-rapeuten Pflicht sein. Für den Gesellschafter-Chef der gematik, Dr. ThomasKriedel, wird die eGK aber auch echte Mehrwerte für die Niedergelassenen haben. Ein Interview über den Stand der Dinge. ab Seite 12

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Staatsmedizin versus Selbstverwaltung

Wohin steuert das deutsche Gesundheitssystem?Die Gesetzesvorhaben der Bundesregierung lassen eine Tendenz zu mehr staatlicher Einflussnahme in dasGesundheitssystem erkennen. Gleichzeitig bekräftigt die Große Koalition ihr Bekenntnis zur Selbstverwal-tung. Wo geht der Weg hin? Ein Bericht von Marscha Edmonds und Sten Beneke.

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Die Selbstverwaltung ist eine Beson-derheit des deutschen Gesundheits-systems. Sie steht für ein konstrukti-ves Miteinander und ist Beispiel füreine gelungene Subsidiarität. Unddoch mehren sich Eingriffe der Regie-rung in diese Strukturen. Schon mitder Gesundheitsreform von 2007 wur-den Elemente der Versorgung ge-stärkt, die wegführen von der freibe-ruflichen, selbstständigen Praxis einesArztes oder Psychotherapeuten. Erst-mals wurden Krankenhäuser teilweisefür die ambulante Versorgung geöff-net.Nun greift auch die derzeitige Koali-tion aus CDU/CSU und SPD mit demGesetz zur Stärkung der Versorgungin der gesetzlichen Krankenversiche-rung (GKV-VSG) in die Selbstverwal-tung ein. Es sieht eine teilweise Sek-tionierung der Vertreterversammlun-gen (VVen) von KBV und Kassen-ärztlichen Vereinigungen (KVen) vor.Themen mit rein hausärztlichem Be-zug sollen ausschließlich von denHausärzten abgestimmt und die reinfachärztlichen Belange nur von denFachärzten behandelt werden.

Doch kein VV-Ausschuss

Der Plan hat viele Diskussionen pro-voziert, nahezu alle Verbände undKVen haben sich öffentlich gegendieses Vorhaben positioniert. Bundes-gesundheitsminister Hermann Gröhe(CDU) wiederum betonte mehrmals,dass er das Prinzip der Selbstver-waltung für attraktiv und zu-kunftsweisend halte. Das beruhigt die Gemüterjedoch nicht. Die Teilsek-tionierung der VVen wirdvon vielen als staatlicheEinmischung empfunden.Auf der KBV-VV am 27. Feb-ruar 2015 setzten die Delegier-

ten die Wahl eines Ausschusses aufEis, der darüber entscheiden sollte,welche Themen jeweils rein haus-oder fachärztliche Kriterien erfüllen.Die KBV-VV hatte zu diesem Zweckbereits 2014 ihre Satzung entspre-chend geändert. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSUund SPD wird allerdings eindeutigauf die Selbstverwaltung Bezug ge-

nommen. Er enthält ei-nen Passus, wonach sie

generell gestärkt wer-den solle.

Wie lässtsich

dieses Ansinnen mit dem Eingriff indie Abstimmungsverfahren in denVVen vereinbaren? KBV und KVenwollen die Politik davon überzeugen,ihren Gesetzentwurf noch zu verän-dern. Würden die Regierungspläneumgesetzt, hätte das aus Sicht desKBV-Vorstandsvorsitzenden, Dr. An-dreas Gassen, fatale Folgen für dieVertragsärzteschaft. „Durch unsereKritik am VSG und insbesondere ander Sektionierung der Vertreterver-sammlungen sind bereits viele Lan-despolitiker nachdenklich geworden.Wir erwarten nun auch von der Bun-despolitik, noch einmal innezuhal-ten“, erklärte er.

Dann ist da noch die Soll-Regel imGKV-VSG, einen Aufkauf von

Arzt- oder Psychotherapeuten-praxen bei rechnerischerÜberversorgung durchzuset-zen. Ärzteverbände und KVenlaufen dagegen Sturm, mancheiner spricht gar von „Enteig-nung“. Diese Regel sei für dienachwachsende Ärztegenera-tion ein verheerendes Signal.

Zum Start der parlamentarischen Beratung startete die KBV eine Plakatkampagne.

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Würgt das Gesetzesvorhaben die freie Berufsausübung ab?

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suchungen, sondern um die wirklich me-dizinisch-dringlichen Fälle. Und diesewürden sowieso immer als Einzelfallbehandelt. Außerdem lege das Gesetzfest, dass schon bestehende regionaleStrukturen der Terminkoordinationfortgeführt werden können.

Mehr Freiheiten für Kliniken

Das Gesetz sieht aber auch eine stär-kere Einbindung der Krankenhäuserin die ambulante Versorgung vor. Siesollen einspringen, wenn die Vier-Wochen-Frist bei der Terminvergabenicht einzuhalten ist. Den Hochschul-ambulanzen wird ermöglicht, weitausmehr Patientengruppen zu behandelnals bisher. Gleichzeitig soll den Kom-munen ermöglicht werden, eigeneMedizinische Versorgungszentren zuetablieren. Maßnahmen, die von nichtwenigen KVen als eine weitere staat-liche Einflussnahme in die Freiberuf-lichkeit und Selbstverwaltung emp-funden werden.Wo fährt der Zug also hin? Bedeutendie Initiativen der Bundesregierungeine schleichende Förderung von An-gestellten-Strukturen in der medizini-schen Versorgung – weg von der frei-beruflichen und selbstständigen Arzt-praxis? Für KBV und KVen ist klar: DieseVorhaben werden die Niederlassungauf selbstständiger und freiberuflicherBasis nachhaltig unattraktiv machen

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Wer würde sich noch für die Niederlas-sung begeistern, wenn staatliche Vorga-ben sogar verhindern könnten, dass diePraxis nach Erreichen des Rentenaltersfrei veräußert werden kann? Schließlichgehören die Einnahmen aus dem Praxis-verkauf für viele Niedergelassene ele-mentar zu ihrer Alterssicherung.Das Bundesministerium für Gesundheit(BMG) argumentiert dagegen, dass ohnedie Zustimmung der Ärzte in den Zulas-sungsausschüssen keine einzige Praxisaufgekauft werden kann. Außerdem ge-be es zahlreiche Ausnahmeregelungen,die die berechtigten Interessen von An-gehörigen und Kollegen eines ausschei-denden Arztes oder Therapeuten berück-sichtigen. Das Gesetz solle lediglich ei-nen Beitrag dazu leisten, die Verteilungder Arztsitze in der Fläche zu verbessern.

Ende der freien Arztwahl?

Doch es gibt noch mehr Vorgaben imGKV-VSG, die für erheblichen Unmutsorgen. So werden die KVen verpflich-tet, Terminservicestellen einzurichten.Mit ihnen sollen Patienten bei dringli-chen Überweisungen innerhalb von vierWochen einen Facharzttermin angebotenbekommen. Wenn das nicht möglich ist,sollen die Krankenhäuser in diesen Fäl-len die ambulante Behandlung durchfüh-ren dürfen.Dabei sind sich KBV und KVen einig:Eine zentral gesteuerte Terminvergabedurch behördenähnliche Strukturen ist

eine staatliche Einmischung, die völligan den Bedürfnissen der Patienten vor-bei geht. Sie bedeutet faktisch das Endeder freien Arztwahl bei gleichzeitigerEinrichtung von unnötiger Bürokratie.Für KBV-Vorstand Dipl.-Med. ReginaFeldmann ist klar: „Dem Patienten wirdhier Sand in die Augen gestreut. Denn erkann nicht an seinem Wunschtermin zuseinem Wunscharzt gehen, sondern erbekommt irgendeinen Termin bei irgend-einem Arzt zugewiesen.“Auch hier folgt das BMG der Kritik ausder Ärzteschaft nicht. Es verweist aufden sowieso geltenden Sicherstellungs-auftrag der KVen. Außerdem handele essich eben gerade nicht um Bagatellunter-

Titelthema

Die KBV befürchtet den Wegfall tausender Arztpraxen. (Foto: DirKaDirKa/iStock/Thinkstock)

Die Terminservicestellen bei den KVen halten viele für unsinnig.

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und die bereits niedergelassenen Ärz-te und Psychotherapeuten zunehmenddemotivieren – unabhängig davon,wie weit die vorgesehenen Maßnah-men ihre Wirkungen im Einzelnenentfalten. Aber auch hier hält das BMG dage-gen. Das GKV-VSG solle junge Me-diziner ermutigen, eigene Praxen zueröffnen. Es zeigten aber auch zahl-reiche Befragungen, dass lange Ar-beitszeiten und hohe Investitionskos-ten manche abschrecken. Deswegenwürden Gemeinschaftspraxen unter-stützt, ebenso eine Anstellung bei ei-nem Vertragsarzt oder in einem medi-zinischen Versorgungszentrum.

Kampagne neu ausgerichtet

So wirklich überzeugen diese Argu-mente KBV und KVen nicht. Deshalbhaben sie ihre Kampagne „Wir arbei-

ten für Ihr Leben gern.“ auf die Kritikam GKV-VSG zugespitzt. Begleitendzum Gesetzgebungsverfahren wurdenAnzeigen mit Slogans wie „Wir arbei-ten für Ihr Leben gern. Solange diePolitik uns noch lässt.“, „Niederlas-

sungsverhinderungsgesetz verhin-dern!“ oder „Wenn Nähe zum Fremd-wort wird …“ geschaltet. Hinter denTüren wird in vielen Gesprächen ver-sucht, auf das Gesetz noch Einflusszu nehmen.

Prof. Edgar Franke(SPD), Vorsitzenderdes Gesundheits-ausschusses desDeutschen Bundes-tages

Was ist an dem Gesetz positiv?Mit dem Versorgungsstärkungsgesetzgeben wir eine Antwort auf die Frage,wie eine qualitativ hochwertige undflächendeckende medizinische Versor-gung in Deutschland sichergestelltwerden kann. Neben der Stärkung vonmedizinischen Versorgungszentren, diezukünftig auch von Kommunen gegrün-det werden können, ist auch die Förde-rung von Praxisnetzen vorgesehen. Zueiner guten Versorgung gehört auch,dass gesetzlich Versicherte zeitnah überdie neuen Terminservicestellen einenTermin bei einem Facharzt erhalten. Es ist versorgungspolitisch aber nichtmehr vertretbar, eine Überversor-gungssituation fortzuschreiben, wäh-rend in anderen Regionen Ärzte der

gleichen Fachgruppe dringend benötigtwerden. Ob ein Arztsitz vom Markt ge-nommen wird oder nicht, wird vor Ortin Beratungen zwischen KV und Kran-kenkassen entschieden. Es wird alsokein Arztsitz verschwinden, der für dieVersorgung gebraucht wird.Hausärzte brauchen wir auch als Lot-sen im Gesundheitssystem. Um auch inZukunft eine flächendeckende haus-ärztliche Versorgung sicherstellen zukönnen, erhöhen wir die Anzahl dergeförderten Weiterbildungsstellen um50 Prozent auf 7.500 Stellen.Der zweite große Schwerpunkt ist dieVerbesserung der Qualität. Bei be-stimmten planbaren Eingriffen, die be-sonders mengenanfällig sind – etwaKnie-OPs – erhalten Versicherte einengesetzlichen Anspruch auf eine unab-hängige ärztliche Zweitmeinung. NeueMedizinprodukte mit hoher Risiko-klasse werden zukünftig einer Nutzen-bewertung unterzogen. Krankenhäuser,die dieses Produkt nutzen wollen, wer-den zudem zur Teilnahme an Erpro-

bungsstudien verpflichtet. Zukünftigfällt die präventive Vorlagepflicht vonSelektivverträgen weg. Das reduziertBürokratie und erhöht die Anreize,neue Versorgungsmodelle auszuprobie-ren. Um Innovationen mit demSchwerpunkt auf bessere Versorgungbesonders zu fördern, richten wir einenInnovationsfonds ein.

Was könnte ergänzt werden oderwegfallen?Bei der Diskussion um Vergütungsunter-schiede zwischen einzelnen KVen kommtmir die Versichertenperspektive zu kurz.Wenn nach den Vergütungssteigerun-gen der letzten Jahre zusätzliche Bei-tragsgelder eingesetzt werden, muss si-chergestellt sein, dass diese zusätzli-chen Finanzmittel auch die Versorgungder Versicherten verbessern. Außerdemmüssen wir die Regelung für die spezi-alfachärztliche ambulante Versorgungin Paragraf 116 b so ausgestalten, dasskeine etablierten und bewährten Ver-sorgungsstrukturen eingerissen werden.

Stimmen zum VersorgungsstärkungsgesetzDie Klartext-Redaktion hat gefragt, welche Vorteile das GKV-VSG hat und wo es noch verbessert werdenkönnte. Es kommen Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Journalismus zu Wort.

Die KBV-VV wandte sich einmütig gegen das GKV-VSG.

(Foto: dragonimages/iStock/Thinkstock

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Reinhold Schlitt,Fachjournalist fürGesundheitspolitik,verantwortlicherRedakteur des KV-Blattes Berlin

Was ist an dem Gesetz positiv?Der Name des geplanten Gesetzesklingt gut.

Was könnte ergänzt werden oderwegfallen?Ja, viele Punkte, über deren Absichtoder Wirkung man streiten könnte.Wegfallen sollte auf jeden Fall die Ver-schärfung der Aufkaufpflicht statistischüberzähliger Arztsitze, denn es stimmtschon: Die Grundlagen der Bedarfspla-nung sind hoffnungslos überaltert. Dahilft auch keine Anhebung des Über-versorgungsgrades auf 180 oder 200Prozent. Die Versorgungswirklichkeitwird mit der jetzigen Bedarfsplanung

längst nicht mehr abgedeckt. Hinzukommt die sehr realistische Prognose,dass die Zahl der ambulant tätigen Ärz-te altersbedingt in den nächsten Jahrendeutlich abnehmen wird – auch in gro-ßen Städten. So gesehen muss zwar dasThema Bedarfsplanung selbst auf dieAgenda, aber von der jetzt geplantenverschärften Aufkaufpflicht würde icheinstweilen die Finger lassen.Bei der Errichtung von Terminservice-stellen bin ich hingegen nicht ganz soskeptisch wie KVen und Ärzteverbän-de. Es ist zwar richtig, dass das Pro-blem langer Wartezeiten auf einenFacharzttermin in repräsentativen Um-fragen relativiert wird. Aber es ist vor-handen – allzumal in ländlich struktu-rierten Versorgungsräumen. Was alsospricht gegen Terminservicestellen? InSachsen wurde eine solche Einrichtungvor einigen Monaten ins Leben gerufen– und zwar von den Ärzten selbst. EinKompromiss im Streit zwischen Ärzten

und Politik könnte deswegen darin be-stehen, diese KV-Terminservicestelleund zwei oder drei weitere zu schaffen-de Einrichtungen zu testen. Im Lichtedieser Ergebnisse lässt sich dann ent-scheiden, ob die Vorstellungen der Po-litik wirklich praxistauglich sind. Da-mit würde dann auch die Drohkulisseder ambulanten Behandlung im Kran-kenhaus auf Kosten der niedergelasse-nen Ärzte überflüssig.Ein sehr problematischer Punkt ist dieaus meiner Sicht schleichende Ein-schränkung der Freiberuflichkeit. Kran-kenhäuser werden stärker für die ambu-lante Versorgung geöffnet, Kommunensollen eigene Versorgungszentren er-öffnen dürfen und die Position der Me-dizinischen Versorgungszentren wirderheblich gestärkt. Hier haben KBVund Bundesärztekammer Recht, wennsie davor warnen, dass das zulasten derselbstständigen Ärzte geht und damitdie Freiberuflichkeit ausgehöhlt wird.

Prof. Jonas Schrey-ögg, Mitglied desSachverständigenra-tes zur Begutach-tung der Entwick-lung im Gesund-heitswesen

Was ist an dem Gesetz positiv?Die Einführung eines Zweitmeinungs-verfahrens ist ein wichtiger Schritt. Eskonnte im Rahmen des gesetzlichenForschungsauftrags zur Mengenent-wicklung gezeigt werden, dass ein Teilder Zunahme der Fallzahlen zwischen2007 und 2012 durch von den Kran-kenhäusern als Notfälle kodierte Fällezu erklären ist, die nach der von unsvorgenommenen Klassifikation aller-dings keine typischen Notfälle sind. Esist also bei vielen im Krankenhaus alsNotfall kodierten Fällen, die aus einemeher elektiven Leistungsspektrumstammen, unklar, ob sie über einen am-bulanten Arzt in ein Krankenhaus überwiesen wurden, das heißt ob einPatient tatsächlich eine zweite Mei-nung vor einem möglichen Eingriff er-halten hat.

Daher ist es vom Gesetzgeber konse-quent, ein Zweitmeinungsverfahren re-gelhaft einzuführen. Allerdings bleibtabzuwarten, wie viele Patienten tat-sächlich zusätzlich eine zweite Mei-nung einholen werden. Die bisher exis-tierenden Zweitmeinungsprogrammevon zahlreichen Krankenkassen wer-den nur sehr zögerlich von Patientenangenommen. Die Ausgestaltung desVerfahrens erscheint hier sehr wichtig.Patienten dürfen nicht das Gefühl ha-ben, dass die Krankenkasse sie kon-trolliert. Außerdem sollten Anreize fürKrankenhäuser geschaffen werden,großen Wert auf eine Zweitmeinung zulegen, zum Beispiel durch einen ver-pflichtenden Ausweis des Anteils derPatienten, die vor einer Intervention ei-ne Zweitmeinung erhalten haben.

Was könnte ergänzt werden oderwegfallen?Die Einführung einer frühen Nutzen-bewertung für neue Untersuchungs-und Behandlungsmethoden (NUB) mitMedizinprodukten hoher Risikoklasseist zwar grundsätzlich positiv zu be-werten. Der restriktive Anwendungsbe-

reich des Gesetzes führt jedoch dazu,dass das Gesetz in der Praxis nur weni-ge Medizinprodukte erfassen wird.

1. Das Gesetz wird nur auf neue Un-tersuchungs- und Behandlungsme-tho-den (NUB) beschränkt. Verschie-deneStudien haben allerdings ge-zeigt, dassdie NUBs für Innovatio-nen eine nach-rangige Rolle spielen. Die Mehrzahlder Innovationen ge-langt in die statio-näre Versorgung, ohne den NUB-Statusbeantragt zu haben.

2. Die Beschränkung auf Medizinpro-dukte mit hoher Risikoklasse (IIb oderIII) grenzt die überhaupt in Fra-gekommenden Medizinprodukte er-neutdeutlich ein, weil ein großer Teil derProdukte eine Risikoklasse darunteraufweist. Hersteller mit Produkten inIIb oder III werden daher in Zukunfteher andere Einstiege in das Systemwählen als über NUBs.

Eine breitere Definition des Anwen-dungsbereichs wäre für die Zukunftwichtig. Aber ich sehe das Gesetz im-merhin als Einstieg in die Nutzenbe-wertung für Medizinprodukte in derstationären Versorgung.

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Neues aus Brüssel

„Pille danach“ ohne ärztliche BeratungWie groß der Einfluss aus Brüssel sein kann, zeigt die anstehende Herausnahme der „Pille danach“ aus derRezeptpflicht in Deutschland. Dem Beschluss der EU-Kommission muss auch die Bundesregierung folgen.Corina Glorius und Filip Lassahn berichten.

In Zukunft können Frauen die „Pilledanach“ ohne Rezept in der Apothekeerhalten. Die Bundesregierung rea-giert damit auf europäische Vorgaben,denn die EU-Kommission hat be-schlossen, die „Pille danach“ EU-weitaus der Rezeptpflicht zu entlassen.Sie folgte damit einer Empfehlungder europäischen Arzneimittelbehörde(EMA) vom November vergangenenJahres, die das Präparat „ellaone“(Wirkstoff Ulipristalacetat) als rezept-frei einstufte. Die Auswertung der verfügbaren In-formationen zur „Pille danach“ mitUlipristalacetat habe ergeben, dassFrauen sie sicher und effektiv ohneärztliche Verordnung anwenden kön-nen, begründete der zuständige Aus-schuss der EMA. Da die „Pille da-nach“ mit Ulipristal eine zentrale EU-

Zulassung besitzt, ist dieser Beschlussfür alle EU-Mitgliedstaaten grund-sätzlich bindend.Dem folgt nun auch die Bundesregie-rung, die sich lange gegen eine Be-freiung von der Rezeptpflicht ausge-

sprochen hat. Sie entlässt gleichzeitigauch das Notfallkontrazeptiva mitdem Wirkstoff Levonorgestrel aus derVerschreibungspflicht. Die KBV kritisiert diese Entschei-dung. Sie sieht es als absolut erfor-derlich an, dass die bislang durch dieÄrzte geleistete gute Beratung sowohlzu medizinischen Aspekten als auchgenerell zur Empfängnisverhütung beieiner erforderlichen Notfallkontra -zeption weiterhin gewährleistet wird.Nur dann kann im Interesse der be-troffenen Frauen die niedrige Rate anSchwangerschaftsabbrüchen inDeutschland gehalten werden.

➔ weitere InformationenVollständige Stellungnahme derKBV: www.kbv.de/html/13315.php

„Pille danach" wird rezeptfrei.

(Foto: www.muvs.org ©2013 Vienna)

Qualität

Stichprobenprüfungen haben sich bewährtDie Fünf-Jahres-Auswertung der Stichprobenprüfungen zur Qualitätssicherung macht deutlich, dass sich diePrüfungen im ambulanten Bereich etabliert haben. Sie zeigt, in welchen Bereichen die Ergebnisse dauerhaftstimmen. Mehr von Izabela Kolankowska.

Die KBV hat im Auftrag des Gemein-samen Bundesausschusses (G-BA)erstmals eine Fünf-Jahres-Auswer-tung der Stichprobenprüfungen ge-mäß Qualitätsprüfungs-Richtlinie ver-tragsärztliche Versorgung (QP-RL)erstellt. Seit 2008 berichtet die KBVjährlich über die gesetzlich vorge-schriebene Prüftätigkeit der Kassen-ärztlichen Vereinigungen (KVen). ImJanuar 2015 hat der G-BA nun dieerste zusammenfassende Auswertungder Berichte angenommen und im In-ternet veröffentlicht.Die Fünf-Jahres-Auswertung stellt diePrüfergebnisse in Zeitreihen dar, um

Tendenzen und Entwicklungen derStichprobenprüfungen von jährlichüber 6.300 Ärzten zu analysieren undsichtbar zu machen. Im Bericht wur-den vier obligat und zehn fakultativzu prüfende Leistungsbereiche aufge-führt. Er macht deutlich, dass sich dieStichprobenprüfungen als Instrumentder Qualitätssicherung und -förderungim ambulanten Bereich etabliert haben.Außerdem zeigt er, dass bundesweitin zwei Leistungsbereichen – Compu-ter- und Kernspintomographie – stabilgute oder sehr gute Prüfergebnisse er-zielt wurden. In der konventionellenRöntgendiagnostik oder Arthroskopie

hingegen ist ein Verbesserungspoten-zial des Qualitätsniveaus zu erkennen.Der Fünf-Jahres-Blick lässt aber auchWeiterentwicklungsbedarf der QP-RLerkennen. So zeigt sich, dass einigeder im Rahmen der Berichtspflichtvom G-BA geforderten Angaben rela-tiv erkenntnisarm sind und vermeid-baren Dokumentationsaufwand beiden KVen verursachen.

➔ weitere Informationenwww.g-ba.de/downloads/39-261-2157/2015-01-22_QP-RL_5-Jahres-Auswertung-KBV.pdf

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Politik

Aktuell drehen sich die Diskussionenin der Gesundheitspolitik in erster Li-nie um das geplante Versorgungsstär-kungsgesetz. Das ist auch richtig so,denn das Gesetz enthält viele Punkte,denen die KBV äußerst kritisch ge-genübersteht. Dennoch dürfen wir einweiteres wichtiges Ziel nicht aus denAugen verlieren: Die Reformierungder ärztlichen Aus- und Weiterbil-dung. Gerade aufgrund der Unsicher-heiten, die das Gesetz in Sachen Pra-xisaufkäufen mit sich bringt, ist eswichtig, den medizinischen Nach-wuchs so früh wie möglich umfassendüber die Möglichkeiten der Niederlas-sung zu informieren.

Grad an Spezialisierung nimmt zu

Vor allem in ländlichen Regionen feh-len Allgemeinmediziner und grund-versorgende Fachärzte. Aktuell ent-scheiden sich nur zehn Prozent derMedizinstudenten eines Jahrgangs füreine Weiterbildung in der Allgemein-medizin und damit für den Beruf desHausarztes. Das hat 2014 eine bun-desweite Befragung von rund 11.500Medizinstudierenden im Auftrag derKBV ergeben. Nur noch zehn ProzentHausärzte – das ist alarmierend! Frü-her ging man davon aus, dass das Ver-hältnis Haus- zu Fachärzten in derambulanten Versorgung 60:40 seinsollte. Aktuell sind wir bei einem Ver-hältnis von 40:60. Dabei nimmt derGrad an fachlicher Spezialisierungimmer weiter zu.

In die Allgemeinmedizin zu gehen,können sich noch rund 35 Prozent derStudierenden vorstellen. Doch sie ha-ben Angst, für ein so breites Fachnicht gut vorbereitet zu sein. KeinWunder, denn in Deutschland findetdie Aus- und Weiterbildung von Ärz-ten zu großen Teilen in den Kranken-häusern statt. Das geht jedoch an derVersorgungsrealität in unserem Landvorbei. Denn viele Behandlungenwerden mittlerweile fast ausschließ-lich im ambulanten Bereich durchge-führt. Die alleinige Weiterbildung imKrankenhaus kann die Medizinernicht vollumfänglich auf eine Nieder-lassung vorbereiten.Den Schritt in die ambulante Weiter-bildung scheuen junge Ärzte zumeistauch aus finanziellen Gründen. Diesektoralen Ungleichheiten in der Wei-terbildungsfinanzierung sind alarmie-rend. Hier muss die Politik dringendansetzen, um den Ärztenachwuchs fürdie Weitebildung im ambulanten Be-reich und für eine spätere Niederlas-sung zu gewinnen. Wir brauchen eineeigene Finanzierungsgrundlage, dieeine Gleichbehandlung von ambulan-ter und stationärer Weiterbildung ge-währleistet. Möglich wäre diese mitdem Stiftungsmodell Weiterbildung,das die KBV bereits im vergangenenJahr vorgestellt hat. Dass ein solches Modell erfolgreichsein kann, zeigt ein Blick in die be-nachbarten Niederlande. Dort agiertdie Stiftung hausärztliche Berufsaus-bildung (Stichting Beroeps OpleidingHuisartsen) als Arbeitgeber für alleÄrzte in Weiterbildung zum Facharztfür Allgemeinmedizin. Dies geht ausder Studie „Best practice: Medizini-

sche Aus- und Weiterbildung aus in-ternationaler Perspektive“ hervor, diewir in Auftrag gegeben hatten. DieStudie vergleicht die Gesundheitssys-teme in Deutschland, England, Frank-reich und den Niederlanden miteinan-der. Sie kommt zu dem Ergebnis, dasssich die medizinische Aus- und Wei-terbildung in Deutschland in drei zen-tralen Aspekten von der der Ver-gleichsländer unterscheidet. Dies sinddie Planung der Studienplätze, dieSchaffung von Weiterbildungsstellen,die Beteiligung der medizinischen Fa-kultäten an der Weiterbildung sowiedie Finanzierung der Weiterbildungzum Facharzt in der ambulanten Ver-sorgung.

Förderprogramm Allgemeinmedizin

Auf Grundlage der Studie wollen wirbei der Reform der medizinischenAus- und Weiterbildung an die Erfah-rungen mit dem Förderprogramm All-gemeinmedizin anknüpfen. Dieses be-steht seit dem Jahr 1999. Es solldurch das eingangs erwähnte Versor-gungstärkungsgesetz ausgebaut wer-den. Das begrüßen wir natürlich, vorallem weil das Förderprogramm All-gemeinmedizin seit seiner letztenÜberarbeitung im Jahr 2010 mit einerKombination aus strukturellen undqualitativen Elementen sowie einerhöheren finanziellen Förderung einenweiteren Rückgang der Abschlüsse inAllgemeinmedizin verhindert hat.Doch mit der alleinigen Förderungder Weiterbildung im Fach Allge-meinmedizin ist es nicht getan. Auchandere Facharztgebiete brauchen einegezielte Weiterbildungsförderung.

Die Zahlen sind alarmierendNur zehn Prozent der Studenten eines Jahrgangs entscheiden sich füreine Weiterbildung zum Allgemeinmediziner. Das ist viel zu wenig.Dipl.-Med. Regina Feldmann erklärt, wie ein Stiftungsmodell die Situa-tion verbessern und mehr Nachwuchsmediziner zu einer Niederlassungbewegen könnte.

X-RAY – der Durchblick von Dipl.-Med. Regina Feldmann

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Innovationsfonds

Sektorengrenzen überwinden Der Entwurf für das GKV-VSG enthält Vorgaben für die Einrichtung eines millionenschweren Innovations-fonds. Er soll die sektorenübergreifende Versorgungsforschung fördern und durch einen neuen Ausschussbeim G-BA koordiniert werden. Einzelheiten von Sten Beneke.

Auf 300 Millionen Euro veranschlagtder Gesetzgeber die Mittel, die von2016 bis 2019 vorgesehen sind, umneue Versorgungsformen zu testen –und sie gegebenenfalls in die Regel-versorgung zu übernehmen. Von derSumme entfallen 225 Millionen Euroauf die Förderung innovativer sekto-renübergreifender Versorgungsprojek-te, 75 Millionen Euro stehen bereit,um Effizienz und Strukturen – etwavon bestehenden Selektivverträgen –zu verbessern.

Eigener Ausschuss beim G-BA

Dieses Sondervermögen soll über ei-nen neu zu gründenden Innovations-ausschuss verteilt werden. Er ist beimGemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) angesiedelt und soll Anfang 2016seine Arbeit aufnehmen. So sieht esdas Versorgungsstärkungsgesetz(GKV-VSG) vor, das seit Anfang

2015 in der parlamentarischen Bera-tung ist. Darin ist geregelt, wie derAusschuss zusammengesetzt seinmuss: Von den zehn Mitgliedern stel-len die KBV, die Deutsche Kranken-hausgesellschaft (DKG) und die Kas-senzahnärztliche Bundesvereinigungjeweils einen Vertreter, der Spitzen-verband der gesetzlichen Krankenver-sicherung und das Bundesministeriumfür Gesundheit jeweils drei. Stimmbe-rechtig ist außerdem der Unpartei -ische Vorsitzende des G-BA. Für dieAbstimmungsverfahren ist eine Mehr-heit ab sieben Stimmen vorgegeben.Hier kritisiert die KBV den Gesetz-entwurf in ihrer Stellungnahme deut-lich. Die Stimmenverteilung ist so ge-wichtet, dass die üblichen Protagonis-ten der Selbstverwaltung, also KBV,DKG und Krankenkassen, gemeinsamnicht genügend Stimmen aufbringenkönnen, um Entscheidungen durchzu-

setzen. Die Bundesregierung kannsich so mit ihren Stimmen direkt indie Entscheidungsprozesse der Selbst-verwaltung einschalten. Nach Ansichtder KBV ist dies eine neue Qualitätder staatlichen Einflussnahme.

Viel Kritik, aber auch Lob

Bauchschmerzen hat die KBV auchbei der geplanten Einrichtung einereigenen Geschäftsstelle für den Inno-vationsfonds. Hier hätte auch die be-reits existierende Geschäftsstelle desG-BA übernehmen können.Bei allen Bedenken gibt es aber auchLob für den Innovationsfonds. „Esbesteht damit die Chance, möglicheVerbesserungen in der ambulantenVersorgung zu erproben und dieseschnell allen Versicherten zur Verfü-gung zu stellen“, betonen die KBV-Vorstände Dr. Andreas Gassen undDipl.-Med. Regina Feldmann.

Neue Wege in der Aus- und Weiterbildung

Mehr PraxisorientierungDie Aus- und Weiterbildung muss sich konkreter am ambulanten Versorgungsbedarf orientieren. Darüberwaren sich KBV und Bundesärztekammer auf einer Fachtagung in Berlin einig. Außerdem solle die Finanzie-rung reformiert werden. Sten Beneke berichtet.

KBV-Vorstand Dipl.-Med. ReginaFeldmann machte auf der Tagungklar, dass schon in der Ausbildung derjungen Ärzte Verbesserungen erreichtwerden müssen. „Der Erwerb fach-übergreifender Kompetenzen, etwa inder Arzt-Patienten-Kommunikation,sollte stärker im Fokus stehen“, er-klärte sie auf der Veranstaltung am24. Februar 2015. Die Ausbildungmüsse sektorenübergreifend stattfin-den. Auch sollten die Lehrenden mitDidaktik-Seminaren unterstützt wer-den. Zentrale Forderung von Feld-

mann sowie des Vizepräsidenten derBundesärztekammer, Dr. Max Kaplan,

ist die Gewährung mindestensgleicher tariflicher Konditio-nen wie an den stationärenWeiterbildungsstätten. Hierfürsei eine eigene Finanzierungs-grundlage nötig, wie sie dieKBV zum Beispiel mit demStiftungsmodell Weiterbildungvorschlägt. Damit werde eineGleichbehandlung von ambu-lanter und stationärer Weiter-bildung gewährleistet. Insge-

samt müsse die Finanzierung transpa-renter und sachgerechter werden.

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Feldmann wirbt für neues Finanzierungsmodell.

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Politik

eHealth-Gesetz

Das Gesundheitswesen wird digitalerDer Referentenentwurf zum sogenannten eHealth-Gesetz macht deutlich, wie die Telematikinfrastruktur inZukunft aussehen soll. Die KBV begrüßt die elektronische Vernetzung, lehnt aber Fristen und Strafzahlun-gen für Praxen und Selbstverwaltung strikt ab. Alexandra Bukowski berichtet.

Das Gesetz für sichere digitale Kom-munikation und Anwendungen im Ge-sundheitswesen (eHealth-Gesetz) derBundesregierung will die Interopera-bilität der IT-Systeme im Gesund-heitswesen weiter verbessern. Unter-schiedliche Praxissysteme von Ärztenund Psychotherapeuten sollen nahtlosbeim Austausch der Informationenzusammenarbeiten können. Zudemstellt der Entwurf Regelungen und ei-ne bedarfsgerechte Honorierung fürden Versand von elektronischen Arzt-briefen (eArztbriefe) und für den Me-dikationsplan vor. Gleichzeitig machtdie Politik mit Fristen und Androhun-gen von Strafzahlungen bei Nichter-füllung durch die Selbstverwaltungordentlich Druck, insbesondere fürden Online-Abgleich der Versicher-tenstammdaten über die elektronischeGesundheitskarte (eGK), das sogenann-te Versichertenstammdaten-Manage-ment (VSDM). Das Gesetz bedarfkeiner Zustimmung des Bundesratesund soll Anfang 2016 in Kraft treten.

Fristen und Sanktionen

Mit der verpflichtenden Nutzung derneuen eGK zum Jahresbeginn ist einregelmäßiger Online-Abgleich derStammdaten von Patienten möglichgeworden, mit welchem die Gesund-heitskarte immer auf dem neuestenStand gehalten werden kann. Ärzteund Psychotherapeuten sollen nunmindestens einmal pro Quartal diePatientendaten online prüfen und ge-gebenenfalls aktualisieren. Zukünftigsollen Ärzte auch Notfalldatensätzefür ihre Patienten erstellen, die dannauf der eGK abgespeichert werden.Das stellt neben dem Stammdaten-Management einen weiteren Zeitfak-tor dar, der eine entsprechende Hono-rierung verlangt. Die Politik drückt andieser Stelle zusätzlich aufs Tempo.

Für die Realisierung dieser Schrittesieht der Entwurf eine Frist vor, inder die Gesellschaft für Telematikan-wendungen der Gesundheitskarte (ge-matik) erforderliche Maßnahmen fürdie bundesweite Umsetzung desVSDM ergreifen muss. Besondersproblematisch: Vertragsärzten, die inihren Praxen bis zum 30. Juni 2018keinen Stammdatenabgleich vorneh-men, drohen Strafzahlungen. Auch inden Haushalten der Selbstverwaltungkönnen laut Gesetzentwurf Kürzun-gen vorgenommen werden. „DieSelbstverwaltung darf nicht in Haf-tung genommen werden, wenn die In-dustrie die komplexen Sicherheitsvor-gaben des Bundesamtes für Sicherheitin der Informationstechnik nichtschafft“, stellte KBV-Vorstandsvorsit-zender, Dr. Andreas Gassen dagegenklar. Die Überprüfung der Daten aufder Gesundheitskarte sei zudem ein-deutig Aufgabe der Krankenkassen.Doch wenn dieser Punkt im Gesetz„adäquat umgesetzt wird, fordert dieKBV eine Vergütung für den Mehr-aufwand, den die Ärzte damit haben“,kündigte Gassen an. Der Entwurfsieht vor, dass der Datenabgleich inden Abrechnungsunterlagen zu doku-mentieren ist.Die KBV begrüßt das Gesetzesvorha-ben in seiner grundlegenden Intention,zahlreiche nutzbringende Online-An-wendungen zu fördern. Dazu gehören

Leistungen wie telemedizini-sche Kontrolluntersuchungen,elektronischer Arzt- und Ent-lassbrief, die im EinheitlichenBewertungsmaßstab abgebil-det und damit entsprechendhonoriert werden sollen. Be-reits seit September 2014können Ärzte und Psychothe-rapeuten bequem per Maus-klick direkt aus ihrem Praxis-

verwaltungssystem standardisierteeArztbriefe via KV-Connect an Kolle-gen einfach und sicher versenden.

Praxen erhalten Zuschläge

Die dafür im Gesetzentwurf vorgese-hene finanzielle Förderung wird vonder KBV ausdrücklich begrüßt. Diederzeit geplante Vergütung in Formeines Zuschlags sei allerdings weni-ger geeignet, die erforderlichenStrukturen für die sichere Vernetzungzu unterhalten. Das stellte die KBV inihrer Stellungnahme zum Gesetzent-wurf klar und schlägt eine Pauschalevor, die Praxen unabhängig von derAnzahl der elektronischen Briefe er-halten sollen. Ansonsten sei die Be-reitschaft innerhalb der Ärzteschaft,in entsprechende Systeme zu investie-ren, sehr ungleich verteilt.

Medikationsplan

Patienten, die mehr als fünf Medika-mente einnehmen, müssen laut Ent-wurf einen Medikationsplan erhalten.Dieser wird vom Hausarzt in Papier-form ausgestellt. Ein solcher Servicebedeute jedoch eine technische Um-setzung in den Softwaresystemen derPraxen. Dabei ist von höheren Li-zenzgebühren auszugehen. Der Mehr-und Kostenaufwand auf Seiten derÄrzte muss nach Ansicht der KBVmit einer angemessenen Honorierungausgeglichen werden.

Die Zeit der Karteikarten ist vorbei.

(Foto: Andrey Popov/iStock/Thinkstock)

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Interview mit Dr. Thomas Kriedel über eGK zu Telematik-Infrastruktur und eHealth-Gesetz

„Elektronische Gesundheitskarte wird echten Mehrwert bringen!“Das Vorzeigeprojekt elektronische Gesundheitskarte soll den Austausch der Ärzte untereinander und mit an-deren Heilberufen erleichtern. Doch ihre Einführung kommt nur schleppend voran. Über die Gründe dafürsprach Sten Beneke mit dem Vorsitzenden der gematik-Gesellschafterversammlung, Dr. Thomas Kriedel.

Herr Dr. Kriedel, wir lesen, dassHacker sich Zugang zu SIM-Kartenaus Mobiltelefonen verschafft ha-ben. Muss uns das Angst machen inBezug auf die elektronische Ge-sundheitskarte (eGK)?

Nein, das muss es nicht, aber esmahnt uns, vorsichtig zu bleiben. DieStandards, die das Bundesamt für Si-cherheit in der Informationstechnik(BSI) anlegt, liegen weltweit an derSpitze. Das ist übrigens auch einGrund, warum wir bei der eGK nur solangsam vorankommen. Qualität gehtvor Schnelligkeit. Natür-lich zählt auch hier: Hun-dertprozentige Sicherheitgibt es nicht. Auch eineeGK kann geknackt wer-den. Doch nach heutigemtechnischen Stand bestehtfür die Sicherheit der Pa-tientendaten kein Risiko.Datenschutzskandale sindmeistens auf menschlichesVersagen zurückzuführen.

Was sagen Sie zu denUnkenrufen, dass dieTechnik so schnell veral-te, dass wir in ein paar Jahren so-wieso wieder neue Systeme anschaf-fen müssen?

Die Technik entwickelt sich weiter,die Hacker auch. Wir als Gesellschaftfür Telematikanwendungen der Ge-sundheitskarte (gematik) werden unsweiterentwickeln müssen, das giltaber für die gesamte Gesellschaft.Auch für die Anwendungen der Tele-matik. Die hohen Sicherheitsanforde-rungen fordern technische Systeme,die man so auf dem Markt nicht ein-fach kaufen kann. Sie müssen extraentwickelt und ständig angepasst wer-den. Und das tun wir. Kartenlesegerä-te, die 20 Jahre in der Praxis ihren

Dienst tun, wird es wohl zukünftignicht mehr geben.

Die BSI-Anforderungen werden im-mer strenger. Werden die in denkommenden Monaten überhaupt zuerfüllen sein?

Das ist vor allem ein Thema für dieIndustrie. Das BSI gibt die Norm vor,die gematik macht die Spezifikationdaraus, die Industrie entwickelt undbaut. Ich gehe davon aus, dass dasrein technologisch machbar ist. Dashat die Industrie zumindest immer ge-

sagt. Ich bin aber nicht so ganz si-cher, was den Zeitplan betrifft. Essind eben sehr komplexe Abläufe.

Der GKV-Spitzenverband moniertdie sogenannten Bestandsnetze inder Telematik-Infrastruktur (TI).Droht den Anwendungen, die ausder Ärzteschaft heraus entwickeltwurden, das Aus?

Das glaube ich nicht. Wir haben im-mer gesagt, dass angebundene Be-standsnetze den Sicherheitsanforde-rungen des BSI unterliegen wie dieTelematik-Infrastruktur. Unser Be-standsnetz, also das Sichere Netz derKVen (SNK), wurde von den Kassen-

ärztlichen Vereinigungen (KVen) auf-gebaut. Nun haben ja nicht nur wirBestandsnetze, auch die Zahnärztezum Beispiel in Westfalen-Lippe ha-ben so etwas in etwas kleinerem Um-fang. Der Selektivvertragsbereichebenfalls. Die einzelnen Versorgungs-bereiche müssen ihre jeweils spezifi-schen Anwendungen pflegen und ent-wickeln können. Um ein Bild zu bemühen: Die TI istwie das Straßensystem. Das wirdnach einheitlichen Regeln gebaut undbetrieben. Was aber darauf transpor-

tiert wird, das ist für die TIirrelevant. Das sollen dieVersorgungsbereiche, alsoÄrzte, Zahnärzte, Apothe-ker oder Kliniken selbstentscheiden. Für uns alsKVen ist das Wichtigste,dass wir im SNK sichersind. Wenn das BSI neueVorgaben macht, dann müs-sen wir die eben erfüllen.

Die Kassen sprechen vonParallelnetzen. Was ent-gegnen Sie?

Es wäre eine berechtigteKritik, wenn tatsächlich eine Art Pa-rallelnetz entstünde. Diese Befürch-tung äußern die Kassen manchmal.Wir aber sehen diese Entwicklungnicht, denn es gibt definierte Über-gänge zwischen den Netzen bezie-hungsweise Systemen. Wir brauchenunser eigenes Netz, weil wir eigeneAnwendungen machen müssen. Dieeinheitliche Plattform der TI stellt da-gegen sicher, dass am Ende jeder Arztmit jedem anderen Arzt, Apothekeroder Krankenhaus sicher elektronischkommunizieren kann. Das ist undbleibt die Kernaufgabe der TI. Wirk-lich parallele Netze ohne Verbindungzueinander würden in der Tat in eine

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Kriedel ist langjähriges Vorstandsmitglied der KV Westfalen-Lippe.

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Interview

Sackgasse führen. Um es deutlich zusagen: Es gibt kein Parallelnetz, weiles bisher nur ein großes bundesweitesNetz für die Ärzteschaft gibt, nämlichdas SNK. Da machen 56.000 Ärztemit. Die Ärzteschaft hat sich damitetwas aufgebaut, das gut funktioniert.Mit eigenen Mitteln, nebenbei be-merkt, es sind dafür keine Versicher-tengelder geflossen.

Die Politik zeigt mittlerweile einigeUngeduld beim Thema Telematik.Wie ist denn die Gesprächsatmo-sphäre derzeit?

Die Ungeduld kann ich verstehen. Ichhabe aber auch das Gefühl, dass diePolitik erkannt hat, dass wir als KV-System kein „Spalternetz“ betreiben,sondern dass wir für unsere Anwen-dungen die Zusicherung der Erreich-barkeit brauchen. Verstanden wurdemittlerweile auch, dass nach erfolg-reichem Rollout der TI von 2016 bis2018 die KV-SafeNet*-Provider auchumstellen werden auf die Anforderun-gen der TI. Unsere wichtigste Bot-schaft war: Wir akzeptieren die TI alsbundesweite Plattform, an die wir un-sere KV-Anwendungen anschließen –sozusagen als Datendrehscheibe. Dashat die Politik verstanden und akzep-tiert. Zum Ärger der Kassen, aber vorallem der Industrie. Deshalb kann ichnur dafür werben, das SafeNet schonjetzt zu nutzen. Es ist keine Investiti-onsruine, sondern wird weitergeführt.

Warum zum Ärger der Industrie?

Nun, die feuert aus allen Rohren ge-gen das geplante eHealth-Gesetz. Siewehrt sich gegen die einheitlichenStandards, die die KVen für dieSchnittstellen festlegen. Für die In-dustrie wäre es leichter, wenn jederSoftwareanbieter seine eigenen Nor-men entwickeln könnte. Dem Gesetz-geber war aber die Interoperabilitätwichtiger: Alle Anwender und alleAnbieter müssen mit allen zusammen-arbeiten können.

Eine der geplanten Anwendungender eGK ist das Versicherten-stammdatenmanagement (VSDM) –

für viele ein rotes Tuch. WelchenZeitaufwand erwarten Sie für diePraxen?Unsere Kritik ist: Warum muss derArzt Verwaltungsaufgaben der Kassenerfüllen? Das könnte genauso gut inder Apotheke oder in den Geschäfts-stellen der Krankenkassen geschehen.Dazu kommt, dass wir nicht wissen,was die Anwendung des VSDM inden Praxen genau auslöst. Die gema-tik hat zwar eine Evaluation vorgese-hen, die aber vor allem die techni-schen Aspekte berücksichtigt. Von derTechnikseite erwarte ich wenige Pro-bleme. Der Praxisaufwand wird dage-gen überhaupt nicht in den Fokus genommen. Was passiert, wenn dieKarte nicht funktioniert? Wenn sienicht lesbar ist oder korrigiert werdenmuss? Das gibt Verunsicherung beiden Praxismitarbeitern, der Praxisbe-trieb wird aufgehalten. Die Test-KVenüberlegen derzeit, ob wir eine eigeneAnalyse anschieben, die genau dieseDinge berücksichtigt. Wir kritisierenaußerdem, dass wir nicht genug Zeithaben, die QES zu testen, also dieQualifizierte elektronische Signaturfür die eArztbriefe. Die wird es zwarab 2016 geben, sie wird aber ohneausführliche Testverfahren in den Be-trieb gehen, wenn überhaupt.

Wie optimistisch sind Sie, dass dieTestläufe für die TI im Herbst 2015starten können?

Es gibt da leider einige Probleme.Zum einen kommt die Industrie nichthinterher, dort hat man die Komplexi-tät wohl unterschätzt. Gleichzeitigstellt das BSI stetig neue Anforderun-gen, manchmal auch die Gesellschaf-ter der gematik. Das ist gut im Sinneder Patienten und der Datensicherheit.Für die schnelle Einführung der TI istes aber schlecht, auch für die Kosten.Das ist eine schwierige Gemengelage.Ich denke aber, dass wir Ende desJahres mit den Modellversuchen star-ten können. Wir von der KV Westfa-len-Lippe haben als Test-KV aktuelldie erforderliche Anzahl von Ärztengefunden, aber leider gibt es keineClusterbildung. Es macht wenig Sinn,

Thomas Kriedel, Jahrgang 1949, istpromovierter Volkswirt. Seit 1987 ister in der Geschäftsführung, seit 2005im Vorstand der KassenärztlichenVereinigung Westfalen-Lippe tätig.Ende 2014 wurde er zum Vorsitzen-den der Gesellschafterversammlungder Gemeinschaft für Telematikan-wendungen der Gesundheitskarte(gematik) gewählt.

wenn die Test-Praxen über die ganzeRegion verstreut sind, weil sie dannkaum die Notwendigkeit haben, beider Behandlung eines Patienten zu-sammenzuarbeiten. Das brauchen wiraber für das Testen von QES. Wirwollen einen praktischen Datenver-kehr erproben, keinen theoretischen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass wirin naher Zukunft die technischenVoraussetzungen haben, die all diegewünschten Funktionen erfüllt?

Ich glaube, dass das eHealth-Gesetz,so wie es jetzt angelegt ist, einen In-novationsschub geben kann. Es sindfür alle Beteiligten klare Termine vor-gegeben, die zwar sehr eng gesetztsind, die man aber mehr oder wenigereinhalten kann. Besonders wichtig ist,dass damit der Öffentlichkeit signali-siert wird: Mit der eGK gibt es auchsinnvolle Anwendungen. Und es wer-den mehr sein als das ungeliebteVSDM: Es gibt den Arztbrief, das Te-lekonsil, den elektronischen Entlass-brief, den Medikationsplan, alles Din-ge, die die Versorgung verbessernkönnen. Deswegen bin ich optimis-tisch, dass der Weg der richtige ist.

Die Strafzahlungen, die das Gesetzvorsieht, können Sie akzeptieren?

Ich bin eher ein Freund von Anreizenals von Strafandrohungen. Deshalblehne ich besonders die Honorarkür-zungen für Ärzte ab. Offenbar meintdas Ministerium aber, die neuen An-wendungen damit puschen zu können.Das ist so ein bisschen die Politik vonZuckerbrot und Peitsche, die ich ei-gentlich für unnötig halte. Es ist wiebei jedem Gesetz: Es gibt da Lichtund Schatten.

* Bitte beachten Sie, dass KV-SafeNet nicht mit der Firma SafeNet, Inc., USA, in firmenmäßiger oder vertraglicher Verbindung steht.

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Vertragswerkstatt

Behandlung psychisch Kranker verbessernDie KBV-Vertragswerkstatt hat gemeinsam mit ärztlichen und psychotherapeutischen Verbänden ein Kon-zept zur Versorgung von Patienten mit neurologischen und psychischen Erkrankungen entwickelt. Darin wer-den die Kompetenzen aller Beteiligten gebündelt. Mehr dazu von Meike Ackermann.

Die strukturierte Zusammenarbeit vonÄrzten und Psychotherapeuten im am-bulanten Sektor trägt maßgeblich zumBehandlungserfolg bei. Dies gilt fürpsychische Erkrankungen genausowie für somatische. Deshalb hat dieVertragswerkstatt der KBV mit ärztli-chen und psychotherapeutischen Ver-bänden ein Konzept zur Versorgungvon Patienten mit neurologischen undpsychischen Erkrankungen erarbeitet.Darin ist erstmals ein gemeinsamerVersorgungsauftrag definiert. DerVertrag bündelt die Kompetenzen al-ler Beteiligten und schafft die Voraus-setzungen für eine strukturierte, naht-lose Versorgung. Im Mittelpunkt ste-

hen ein verbesserter Austausch unddie intensivere Zusammenarbeit von

Ärzten und Psychotherapeuten. Siekoordinieren die Behandlung abhän-gig von Diagnose und Komplexitäts-grad, um die Patienten schneller undzielgerichtet der am besten geeigne-ten Versorgungsebene zuordnen zukönnen. Auf diese Weise ist einewohnortnahe Versorgung möglich,stationäre Aufenthalte werden redu-ziert. Dies soll die Arbeitsunfähig-keitszeiten der Patienten verringernund die Gefahr chronischer Krank-heitsverläufe vermindern.Nun muss der Vertragsentwurf mitden Krankenkassen verhandelt wer-den – mit dem Ziel, eine kollektivver-tragliche Regelung zu erreichen.

Die Zusammenarbeit aller Beteiligten trägtzum Behandlungserfolg neurologischerund psychischer Erkrankungen bei.

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Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

Neue IndikationenDas Leistungsspektrum der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung wird erweitert. Voraussichtlich abApril können sich auch die Teams bilden, um Erkrankte des Marfan-Syndroms und gynäkologischer Tumorezu behandeln. Meike Ackermann berichtet.

Patienten, die an dem Marfan-Syndromoder an gynäkologischen Tumorenleiden, können demnächst im Rahmender ambulanten spezialfachärztlichenVersorgung (ASV) behandelt werden.Ein Jahr nach dem Start des neuenVersorgungsangebots mit den Indika-tionen Tuberkulose und Mykobakte-riose sowie gastrointestinale Tumoreund Tumore der Bauchhöhle gibt esein weiteres Angebot für Menschenmit „seltenen Erkrankungen“ bezie-hungsweise „onkologischen Erkran-kungen mit schwerer Verlaufsform“.Das Marfan-Syndrom ist eine selteneErkrankung, die mit einer Häufigkeitvon etwa 1-2:10.000 auftritt. Sie istgenetisch bedingt und kann mehrereKörperregionen betreffen, insbeson-dere die Hauptschlagader, das Herz

sowie das Skelettsystem. Die Leitungeines ASV-Teams zum Marfan-Syn-drom können Fachärzte der Herzchi-rurgie oder der Inneren Medizin mitdem Schwerpunkt Kardiologie sowie– wenn Kinder und Jugendliche be-handelt werden – auch Kinderkardio-logen übernehmen. Zum Kernteamgehören zusätzlich noch Orthopädenund Unfallchirurgen. Wie üblich kön-nen auch Ärzte anderer relevanterFachgruppen zur Behandlung hinzu-gezogen werden.

Teilnahme für Brustkrebszentren

Bei gynäkologischen Tumoren greiftdie ASV bei schweren Verlaufsformenbösartiger Krebserkrankungen derweiblichen Unterleibsorgane sowiedes Brustkrebses.

In diesem Bereich bestehen die ASV-Teamleitung und das Kernteam ausFachärzten der Frauenheilkunde undGeburtshilfe mit Schwerpunkt Gynä-kologische Onkologie oder der Inne-ren Medizin, Hämatologie und Onko-logie oder Fachärzten der Strahlen-therapie. Weitere Fachärzte könnenzur Behandlung hinzugezogen wer-den. Um ein ASV-Team zu bilden,muss das Kernteam für das Mamma-karzinom die Behandlung von min-destens 200 Patientinnen vorweisen,für gynäkologische Tumore mindes-tens 50. Durch diese Mindestmengenist auch für Brustkrebszentren dieTeilnahme an der ASV möglich, auchwenn diese keine Behandlung vonweiteren gynäkologischen Tumorendurchführen.

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Meldungen

Verbandseintritt

KBV wieder beim BFBBerlin (med) – Die KBV gehört nachzwischenzeitlichem Ausscheiden seitAnfang 2015 wieder dem Bundesver-band der Freien Berufe (BFB) an. Ei-ne der Voraussetzungen für die Rück-kehr war die von der außerordentli-chen BFB-Mitgliederversammlungam 10. Dezember 2014 beschlosseneneue BFB-Führungsstruktur. Künftigwird zwischen Mitgliederversamm-lung und Präsidium ein 24-köpfigesVorstandsgremium geschaltet. Damitsoll die innerverbandliche Zusam-menarbeit im BFB transparent und ef-fizient gestaltet werden. Roland Stahl,Pressesprecher der KBV, erklärte da-zu: „Der BFB hat interne Veränderun-gen und Reformen vorgenommen. Vordiesem Hintergrund ist der Verbandfür uns als nationale und europaweiteInteressensvertretung der freien Beru-fe sehr wichtig.“ Die Bundesärztekammer tritt voraus-sichtlich am 1. Juli 2015 wieder demBFB bei.

Qualitätsbericht

Ambulante Versorgung qualitativ hochwertig Berlin (med) – Die ambulante Versorgung in Deutschland bewegt sich auf ho-hem Niveau. Das geht aus dem elften Qualitätsbericht der KBV hervor. Aufüber 150 Seiten präsentiert er die Initiativen und Maßnahmen zur Förderungund Sicherstellung von Qualität in der vertragsärztlichen Versorgung im Be-richtsjahr 2013. Ein Themenschwerpunkt ist die Arbeit der über die Grenzender Kassenärztlichen Vereinigungen hinausgehenden Qualitätssicherungskom-missionen. Diese gibt es bisher für 50 Leistungsbereiche. „Die Arbeit der Kol-legen in den Qualitätssicherungskommissionen ist enorm wichtig. Sie leisteneinen großen Beitrag zum interkollegialen Austausch, indem sie die geprüftenÄrzte und Psychotherapeuten beraten“, sagte Dr. Andreas Gassen, Vorstands-vorsitzender der KBV. Der Bericht kann in der Mediathek der KBV auf www.kbv.de als PDF-Doku-ment heruntergeladen werden. Gedruckte Exemplare erhalten Interessierte perE-Mail kostenfrei: [email protected].

Neues Institut

Leiter des IQTiG benanntBerlin (med) – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat bekanntgege-ben, dass Dr. Christof Veit das neue Institut für Qualitätssicherung und Trans-parenz im Gesundheitswesen – kurz IQTiG – leiten wird. Veit war zuvor Ge-schäftsführer des Instituts für Qualität und Patientensicherheit. Ab dem 1. Ja-nuar 2016 soll das IGTiG die Arbeit des Göttinger AQUA-Instituts überneh-men und dem G-BA zuarbeiten.

Qualitätssicherung

Über die Grenzen der Sektoren hinausBerlin (med) – Daserste Verfahren dersektorenübergreifen-den Qualitätssiche-rung steht. Der Ge-meinsame Bundesaus-schuss hat am 19.Februar die Richtliniezur „Perkutanen Koro-narintervention (PCI)und Koronarangiogra-phie“ beschlossen.Das Verfahren soll ei-ne Verbesserung derIndikationsstellungund der Durchführung der Interven-tionen ermöglichen. Außerdem wirdeine Verringerung der Komplikatio-nen und unerwünschten Ereignisseangestrebt. Die verpflichtende Daten-erhebung für die Ärzte beginnt am1. Januar 2016. Die Kassenärztlichen

Studie der KBV

EBM-NeubewertungBerlin (med) – Zur Neubewertung derLeistungen im Einheitlichen Bewer-tungsmaßstab (EBM) hat die KBV ei-ne Studie in Auftrag gegeben. Sie hatzum Ziel, die Kalkulation der ärztli-chen Arbeit zu verbessern, da diesemaßgeblich für die Höhe der Vergü-tung ist. Die Studienteilnehmer wer-den gebeten, Auskünfte über ihre Auf-gaben als Vertragsarzt oder -psycho-therapeut zu geben. Erfasst werdennicht nur ärztliche Tätigkeiten, son-dern auch Managementaufgaben oderdas Qualitätsmanagement in der Pra-xis. Mit der Studie will die KBV he-rausfinden, welcher Zeit- und Kosten-aufwand mit solchen Aufgaben ver-bunden ist. „Wir brauchen valide Da-ten für die Verhandlungen mit demGKV-Spitzenverband“, erklärt Dr.Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzen-der der KBV.

Vereinigungen übernehmen als Daten-annahmestelle einen Teil der Quali-tätssicherung. Bundesweit erbringenim vertragsärztlichen Bereich rund660 Ärzte in etwa 370 Praxen rund90.000 Leistungen wie Herzkatheter-untersuchungen und/oder PCI.

Herzkatheteruntersuchungen sollen besser werden.

(Foto: Catherine Yeulet/iStock/Thinkstock)

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Kampagne

„Mit frischen Wangen und ein bisschen Gloss“Die Nachwuchskampagne „Lass dich nieder!“ wirbt wieder mit neuen Gesichtern für die Niederlassung. EndeFebruar fand das Fotoshooting bei Frankfurt am Main statt. Dreißig Medizinstudenten hatten sichtlich Spaßvor der Kamera. Das Ergebnis: jung, frisch und einfach natürlich. Alexandra Bukowski war dabei.

Auf 460 Quadratmetern Studioflächeist ein kleiner Bereich mit Sichtblen-den abgesteckt. An der Decke befin-den sich Deckenleuchten und ein zehnMeter langes Lichtsegel. Die weißenWände lassen das Studio noch größererscheinen. Normalerweise stehenhier PS-starke Automobile vor derKamera. Doch für zwei Tage gehörtdas Studio in Trebur bei Frankfurt am

Main ganz dem medizinischen Nach-wuchs.

Der Moment im Blitzlicht

Das zweite Fotoshooting für die Nach-wuchskampagne steht an. Ein 14 Mannstarkes Team ist vor Ort. Allen voranFotograf Jens Ihnken. Er setzt an denzwei Tagen die dreißig Medizinstu-denten im Halbstundentakt ins besteLicht – so wie Carlotta Sackmann undOscar Flissakowski. Für beide ist esdas erste Fotoshooting dieser Art.Umso überraschter sind sie, als derFotograf sie schließlich nach ihrenEinzelbildaufnahmen gemeinsam vorder Kamera platziert. „Lehnt euch malaneinander. Ja, genau so!“, animiertIhnken die beiden, die sich erst einpaar Minuten zuvor in der Studio- küche kennengelernt haben und weni-ge Worte wechseln konnten. Die Kamera klickt, der Blitz erhellt den

Raum für einen kurzen Moment zu-sätzlich. Die nächste Aufforderungdes Fotografen folgt: „Jetzt wuschelteuch mal durch die Haare“. Kurze Irritation und schon legen die beidenlos. Das Ergebnis wenige Minutenspäter sind Bilder, die Energie, Ju-gendlichkeit und Frische ausstrahlen.

„Farbig, aber nicht quietschig“

Das Konzept geht auf: Keinem Medi-zinstudenten wird eine Maske aufge-setzt. „Beim Schminken ist es beson-ders wichtig, dass es den Typ Menschunterstreicht. Man soll das Make-upnicht sehen, also frische Wangen, ei-nen schönen Hautton und ein biss-chen Gloss“, sagt Visagistin SteffWilkenloh. Auch für die Stylistin Na-talia Witschke hat das Kriterium Na-türlichkeit höchste Priorität. „Bei denStudenten wollen wir vor allem far-big agieren. Sehr wichtig ist uns, dass

Medizinstudenten stehen vor der Kamera von Fotograf Jens Ihnken. (Fotos: Bukowski)

Die Medizinstudenten Carlotta Sack-mann und Oscar Flissakowski haben sicherst fünf Minuten vor dem Fotoshootingkennengelernt.

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es nicht so quietschig aussieht unddass sich keiner verkleidet vor-kommt“, sagt sie. Mit Markus Ebers-pächer bespricht sie in der Umkleidedas Outfit für sein Shooting. Die Ent-scheidung fällt schließlich auf einblaugraues Oberteil und eine beigeHose. „So eine eigene Visagistin undStylistin ist schon ganz cool. Da kannman sich dran gewöhnen“, sagt der22-Jährige lachend. Er ist auf dieKampagne aufmerksam geworden, alser auf dem Campus seiner Universitätin Gießen Fahrräder mit einem Sattel-schutz und dem Slogan „Lass dichnieder!“ sah. Die Aktion hat gewirkt.„Das war richtig gut, denn so ein Dingkann man wirklich gut gebrauchen.Und den Link zur Kampagne hat wirk-lich fast jeder schnell mal im Netzeingegeben“, erzählt Markus, demsein Sattelschutz auch schnell geklautwurde. Nun muss auch er vor IhnkensKamera. Nicht zum ersten Mal an die-sem Tag ertönt Katie Meluas Song

„Nine Million Bicycles“. Fo-tograf Ihnken greift pfeifendzu seiner Kamera. Seine Hün-din Karabas mit schwarzemFell tappt durch die Kulisseund kuschelt sich an die Beinedes Fotoassistenten.

Gute Stimmung

Eine Wohlfühl-Atmosphäre imStudio ist Ihnken und demTeam wichtig. Nur so könne erden Charakter der Leute her-

vorkitzeln. „Wir schaffen hier einLicht, das es den Models ermöglicht,sich frei zu bewegen und sie nicht nurpunktuell ausleuchtet. Im Grunde ge-nommen versuchen wir hier soeine Art Tageslicht zu simulie-ren und nirgendwo fühlt mansich sicherer und losgelöster alsunter freiem Himmel“, erklärtIhnken. Während Markus nochposiert, sind Carlotta und Oscarmit ihrem Doppel-Shooting fer-tig. Mit einem Strahlen im Ge-sicht gehen die beiden Medizin-studenten zum Studio-Arbeits-platz von Grafikerin JanaBlank. Sie setzt die Fotos un-mittelbar nach den Aufnahmen in dasentsprechende Layout. Schnell be-kommen alle am Set einen Eindruckvon möglichen Plakatmotiven. Oscars Fazit folgt schnell: „Das Fo-toshooting war super und hat vielSpaß bereitet. Auch mit Carlotta wardas ganz spontan. Wir haben fünf Mi-nuten vorher erfahren, dass wir zu-sammen vor der Kamera stehen wer-den, aber da wir uns von Anfang ansehr sympathisch fanden, stellte dasüberhaupt kein Problem dar. Im Ge-genteil.“ Der 26-Jährige studiert imneunten Semester Medizin an derUniversität Mainz. Nach dem Studi-um will er sich niederlassen. Für Car-lotta steht schon jetzt, im ersten Se-mester ihres Medizinstudiums fest,dass sie einmal in der eigenen Praxisarbeiten möchte. „Mir ist einfach be-sonders wichtig, unmittelbar mit demMenschen umzugehen und ihn auchüber einen längeren Zeitraum beglei-ten zu können“, sagt die 19-Jährige.

Ein Argument, das von fast allen Stu-denten an diesem Tag zu hören ist. Der neue Kampagnen-Slogan „Ichwill eine richtige Beziehung. Mit al-len.“ könnte daher nicht treffendersein. „Wir haben in der Uni viel überdie Slogans gesprochen, die ich auchrichtig gut finde. Man bekommt alsStudent jetzt mit, dass da stark wasgetan wird, um Nachwuchs für dieAllgemeinmedizin und vor allem aufdem Land zu finden“, sagt Julia Win-ter. Auch sie nimmt an der Kampag-ne teil und möchte später gerne in ei-ner Gemeinschaftspraxis arbeiten.Auch hier trifft die Kampagne mitdem Spruch „Teilen ist das neue Hei-

len.“ den Ton. Das kollegiale Mitei-nander zeichnete auch die Arbeit amSet dieses Shootings aus.

Zwei Tage kreatives Arbeiten

Kein Wunder: Sie kennen sich bereitsvon Kampagnen-Shootings in denvergangenen Jahren. Es ist das dritteMal, dass sich das Team um FotografIhnken mit dem KBV- und Agentur-Team trifft. „Wir alle sind schon sehrzusammengewachsen und freund-schaftlich“, sagt Make-up-Artist SteffWilkenloh. „Inzwischen sind wir alleschon eingespielt. Es wird gar nichtso viel geredet, sondern man lässtsich gegenseitig einfach machen“, er-gänzt Ihnken. Ein wichtiger Aspektfür das kreative Arbeiten, das allenBeteiligten an den zwei Tagen sicht-lich Spaß gemacht hat. Das Licht im Studio geht aus. DasTeam klatscht in die Hände – es istgeschafft! Die nächste Runde derNachwuchskampagne kann beginnen.

Markus Eberspächer mit Stylistin Natalia Witsch-ke in der Umkleide. (Foto: Michael Zellmer)

Visagistin Steff Wilkenloh schminkt Student Os-car Flissakowski in der Maske.

Julia Winter studiert im achten SemesterMedizin und ist von der Kampagne be-geistert.

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Patienteninformation

Erblicher EierstockkrebsEine neue Patienteninformation derKBV thematisiert die Frage „Erbli-cher Eierstockkrebs – Gentest ja odernein?“. Patienten bekommen Auf-schluss darüber, wann man sich testenlassen kann und ob es überhaupt sinn-voll ist. Zudem bietet die Patientenin-formation praktische Hinweise undnennt Ansprechpartner.Das Dokument steht auf der Internet-seite der KBV zum Download bereitund kann im Sicheren Netz der Kassen-ärztlichen Vereinigungen unterwww.portal.kv-safenet.de ➵ Unterseite„Downloads“ heruntergeladen werden.

Mein PraxisCheck

ImpfmanagementMit einem neuen Online-Test können Praxen ihr Impfmanagement schnell undeinfach überprüfen. Die KBV hat ihr kostenloses Serviceangebot „Mein Pra-xisCheck“ ausgebaut. Der Check richtet sich an alle Praxen, die Impfungen an-bieten. Dazu gehören vor allem Allgemeinmediziner, hausärztliche Internisten,Kinder- und Jugendmediziner sowie Gynäkologen. Informieren Sie Ihre Pa-tienten gezielt über Schutzimpfungen? Sind Sie fit in der Abrechnung vonImpfleistungen? Lagern Sie die Impfstoffe richtig? Insgesamt elf Fragen zumImpfmanagement sind bei „Mein PraxisCheck Impfen“ zu beantworten. DieFragen, Bewertungen und Empfehlungen beruhen auf rechtlichen Anforderun-gen sowie Qualitätszielen aus QEP – Qualität und Entwicklung in Praxen®,dem Qualitätsmanagement-System der Kassenärztlichen Vereinigungen undder KBV. Nach dem Test erhalten die Anwender eine ausführliche Auswertungin PDF-Form. Darin wird das Ergebnis zusammengefasst. Zudem werden prak-tische Tipps und Empfehlungen gegeben. Der Online-Test ist zu finden unter: www.kbv.de/html/mein_praxischeck.php

Kodierungsschlüssel

Neuer ICD-10-BrowserDie KBV hat ihren „ICD-10-Brow -ser“ aktualisiert und mit neuen Funk-tionen ausgestattet. Mit dem Suchin-strument für Kodierungsschlüsselkönnen Vertragsärzte durch die ICD-10-GM nach unterschiedlichen Krite-rien (Freitext, Code, Navigations-baum) navigieren. Seit dem Jahr 2000sind die Ärzte gesetzlich dazu ver-pflichtet, jede Behandlungsdiagnoseso genau wie möglich zu kodieren,zum Beispiel auf Arbeitsunfähigkeits-bescheinigungen. Der neue Browserermöglicht nun auch eine facharztspe-zifische Suche nach Kodes. Auch diePraxisbesonderheiten Heilmittel wur-den eingearbeitet.

Servicebroschüre

Hilfsmittel richtig verordnenIn der Reihe „PraxisWissen“ ist dieneue Broschüre „Hilfsmittel – Hin-weise zur Verordnung“ erschienen. Indieser erfahren Ärzte mehr über wich-tige Regelungen und Besonderheiten,die beispielsweise bei der Verschrei-bung von Rollstühlen, Blutzucker-messgeräten oder Hörhilfen zu beach-ten sind. Zudem werden die Hilfsmit-tel-Richtlinie, das Hilfsmittelver-

zeichnis und Regelungen zur Zuzah-lung durch Patienten näher erläutert.Das Wirtschaftlichkeitsgebot und dieZusammenarbeit mit Hilfsmittelan-bietern sind ebenfalls Thema. DieBroschüre kann in der Mediathek derKBV auf www.kbv.de als PDF-Doku-ment herunterladen werden. Gedruck-te Exemplare erhalten Ärzte auch perE-Mail kostenfrei: [email protected].

Geschäftsbericht 2014

Versorgung mit Weitblick gestalten

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HeadlineG E S C H Ä F T S B E R I C H T 2 0 1 4

Mit Weitblick.

Die KBV veröffentlicht im März ih-ren Geschäftsbericht für den ZeitraumJuli 2013 bis Juni 2014. „Unseren Ge-schäftsbericht haben wir in diesemJahr unter das Thema Weitblick ge-stellt. Dieser ist nötig, um die ambu-lante Versorgung in Deutschland auchin Zukunft zu sichern“, erklärten dieKBV-Vorstände Dr. Andreas Gassenund Dipl.-Med. Regina Feldmann. Der Geschäftsbericht kann in der Mediathek der KBV auf www.kbv.deals PDF-Dokument herunterladenwerden. Gedruckte Exemplare erhalten Inte-ressierte kostenfrei auch per E-Mail-Bestellung: [email protected].

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M ä r z 2 0 1 5 | K B V K L A R T E X TInterview

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Zehn Fragen an . . .

Dr. Christof VeitIn jeder Ausgabe unterzieht KBV KLARTEXT Persönlichkeiten aus demGesundheitswesen dem etwas anderen Gesundheits-Check. DiesesMal stand der Experte für Qualitätssicherung Dr. Christof Veit der Re-daktion Rede und Antwort.

Dr. med. Christof Veit, Jahrgang

1957, studierte Humanmedizin

in Freiburg, London und Boston,

seine berufliche Laufbahn be-

gann er als Arzt in der Chirur-

gie. Von 1992 bis 2007 war er

Leiter der Landesgeschäftsstel-

le der Externen Qualitätssiche-

rung Hamburg (EQS), danach

wechselte er zum Institut für

Qualität und Patientensicherheit

(BQS-Institut), ebenfalls in

Hamburg. Seit Januar 2015 ist

Veit der Leiter des neugegrün-

deten Instituts für Qualität und

Transparenz im Gesundheitswe-

sen (IQTiG) in Berlin. Hier wird

er sich vor allem um die sekto-

renübergreifende Qualitätssi-

cherung kümmern.

1. Was betreiben Sie an gesundheit-licher Prävention?

Eine entspannte, frohe Lebenseinstel-lung, eine gesunde Lebensführungund sich selbst nicht ganz so wichtignehmen.

Und an politischer Prävention?

Zuhören können, geradlinig und zu-verlässig sein. Sich ehrlich bemühen,andere wirklich zu verstehen, führtoft zu den besten Lösungen.

Was war Ihre größte Fehldiagnose?

Natürlich irrte ich mich in meinemLeben schon ein paarmal gründlich.Besonders wenn ich meinte, dass mei-ne eigenen Vorstellungen auch ohneden Dialog mit anderen bereits opti-mal seien. Gutes Qualitätsmanage-ment heißt, dass man sich eingestehenkann, dass man doch nicht ganz soperfekt ist, wie man das gerne glau-ben würde.

Welchen Gesprächspartnern wür-den Sie gerne in einer Talkshow be-gegnen?

Menschen, die durch einfache Ideengezeigt haben, dass man Eingefahre-nes auf neue Weise wirklich verbes-sern kann. Von ihnen kann man viellernen.

Wenn Sie der nächste Gesundheits-minister wären …,

… würde ich mich nach der Arbeit imInstitut zurücksehnen. Das politischeFechten ist nicht so sehr meine Sache.Mir liegt die fachliche Arbeit mehr.

Arzt sein in Deutschland ist …

… komplex. Oft demotivieren dieRahmenbedingungen. Andererseits istes einer der schönsten Berufe, wie ichaus eigener Erfahrung weiß. Diesehohe Motivation müssen wir erhalten.Dazu kann auch eine schlanke, sinn-volle Qualitätssicherung beitragen.Das ist mir ein wichtiges Ziel.

Patient sein in Deutschland ist …

… mit dem Vorteil verbunden, in ei-nem Gesundheitssystem mit hoherQualität und hoher Versorgungsge-rechtigkeit versorgt zu werden, wennman dies mit anderen Ländern ver-gleicht. Gerade weil dies so wichtigist, darf man bestehende oder drohen-de Ungleichheiten nicht einfach hin-nehmen.

Ihr persönliches Rezept gegen Poli-tikstress?

Zu verstehen, dass das konkurrieren-de Kämpfen um politische Gestaltungnatürlich kein Kaffeekränzchen ist,aber dass es wichtiger Teil eines de-mokratisch verankerten Gesundheits-systems ist.

Worauf reagieren Sie allergisch?

Ich reagiere allergisch auf Pollen vonFrühblühern. Ansonsten sind klugeund gewitzte Reaktionen auf Widrig-keiten viel sinnvoller.

Ein Slogan für den Gesundheits-standort Deutschland?

„Engagierte Teamarbeit und einenehrlichen Dialog für das beste Ge-sundheitswesen“.

(Fot

o: V

eit)

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