Kulturexpress 01 14
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Je Woche 10. Jahrgang ISSN 1862 - 1996
Kulturexpress unabhängiges Magazin
Ausgabe 01
29. Dezember- 04. Januar 2014
Zeitschrift für Kunst, Kultur, Philosophie, Wissenschaft und Wirtschaft Kulturexpress verpflichtet sich unabhängig über wirtschaftliche, politische und kulturelle Ereignisse zu berichten.
Kulturexpress ist deshalb ein unabhängiges Magazin, das sich mit Themen zwischen den Welten aus Wirtschaft und Kultur aber auch aus anderen Bereichen auseinandersetzt. Das Magazin bemüht sich darin um eine aktive und
aktuelle Berichterstattung, lehnt jedoch gleichzeitig jeden Anspruch auf Vollständigkeit ab.
Inhalt
Verlängert bis 02. Februar 2014
Retrospektive 'Das große Labyrinth' des brasilianischen
Künstlers Hélio Oiticica im MMK vom 04. Januar 2014
Skizze: Rolf E. Maass
Impressum
Herausgeber und Redaktion
Rolf E.Maass
Adresse
Postfach 90 06 08
60446 Frankfurt am Main
mobil +49 (0)179 8767690
Voice-Mail +49 (0)3221 134725
www.kulturexpress.de www.kulturexpress.info www.svenska.kulturexpress.info
Kulturexpress in gedruckter Form
erscheint wöchentlich
ISSN 1862-1996
Finanzamt IV Frankfurt a/M
St-Nr.: 148404880
USt-idNr.: DE249774430
E-Mail: [email protected]
von links nach rechts: César Oiticica Filho, Kurator; Fernando
Cocciarale, Kurator; Peter Gorschlüter, Kurator der Ausstellung;Susanne Gaensheimer, Direktorin im MMK, am 26. Sept. 2013
anlässlich einer Presseführung durch die Oiticica-Ausstellung.
Dazu ist ein zweisprachiger Katalog, Englisch-Deutsch, bei
Hatje und Cantz erschienen, der neben zahlreichen
Abbildungen auch Texte und Schriften, 1954-1980, Oiticicas
enthält.
Verlängert bis 02. Februar 2014
Retrospektive 'Das große Labyrinth' des brasilianischen
Künstlers Hélio Oiticica (1937-1980) im MMK in FrankfurtFoto: © Kulturexpress
Eine künstlerische Leistung die Oiticica im Laufe
seines Lebens hervorbrachte, war die Erweiterung
der Malerei, die von der Fläche befreit ist. Form
und Farbe wurden in einen dreidimensionalen
Raum hinein übertragen. In den 1950er Jahren im
Kreis der Grupo Frente in Rio de Janeiro
entwickelte er seine Ideen zu einer neo-konkreten
Kunst. Diese sollte sich von den schematischen und nach Meinung Oiticicas
festgefahrenen Formen der Abstraktion abwenden. Sein Werk reicht dabei von
frühen abstrakten Malereien über frei im Raum schwebenden Reliefs, den
"Relevos Espaciais" und "Bilaterals", bis hin zu labyrinthartigen Räumen, wovon
im MMK wie schon zur Ausstellung zuvor im Frankfurter Palmengarten mehrere
Räume nach Originalplänen aufgebaut waren und noch sind.
Konkrete Kunst war durch ein Manifest der holländischen Konstruktivisten der 1930er Jahre
vorgegeben worden. Diese Kunstform bezieht sich zum Teil auf mathematisch-
geometrische Grundlagen, womit sie nicht mehr nur abstrakt ist, sondern mehr oder weniger
durch geometrische Konstruktion erzeugt wird.
Mit seiner konkreten Kunst in
Brasilien ist Oiticica einer der
künstlerischen Vorreiter, der mit
Künstlern wie Joseph Beuys oder
einigen nordamerikanischen
Vertretern zeitlich später angesiedelt
in einer Reihe steht. Die versuchten
sich von tradierten Ausdrucksformen
in der Kunst zu lösen. Oiticica blieb
bisher weitgehend unbekannt im
europäischen Kulturraum. Das hängt
zum einen mit den enormen
politischen Veränderungen
zusammen, die das große Land seit
seiner Militärregierung in den 1960er
Jahren bis hin zu einer Demokratie
durchstanden hat. Verbunden damit ist die unentwegte Aufholarbeit, die Brasilien als eigner
Wirtschaftsmotor seither an den Tag legte. Trotz aller Widrigkeiten aufgrund der
Geographie und der Vielfalt der Völker mit der Brasilien als "Gesundheitslunge der Erde"
das Leben bewältigt, hat sich das lateinamerikanische Land in vielen Dingen zu einer
konkurrenzfähigen Industrienation entwickelt. Reiche Ölfunde vor der Atlantikküste
beweisen das.
Lebendiges künstlerisches Schaffen in einer
farbenfrohen Welt aus der Natur und Zivilisation hat
sich seither entfaltet. Wenn die Kriminalitätsrate
bekanntermaßen hoch ist in Südamerika im
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Gegensatz vielleicht zu den asiatischen Ländern,
so ist das Kreativbewußtsein stets unerschrocken
und von je her sehr ausgeprägt bei den
Brasilianern. Das ist schon daran erkennbar, dass
mit der Ausstellung im MMK versucht wird, im Dialog das Publikum einzubeziehen. Das
geschieht durch eine Reihe an Happenings. Tänzerische
Einlagen, Verkleidungszeremonien, Disco und andere
Veranstaltungen zählen dazu. Kunst ist ein Erlebnisball an dem
viele beteiligt sein sollen. Das zeigt sich jetzt an der
umfassenden Retrospektive von Hélio Oiticica. Im Unterschied
zu europäischen Vertretern der konkreten Kunst, die immer
wieder eine Neigung zu strengen klassizistischen Elementen
beinhalten, gestaltet sich die Kunst Oiticicas wie eine
farbenfrohe Messe, die unter freiem Himmel gelebt und
zelebriert wird. Ganz nebenbei werden dabei auch funktionale
Dinge beachtet. Wenn es darum geht, einen Filmvorführraum
für Publikum zu kreieren oder die steilen Treppen zu einer der
vielen Favelas zu erklimmen, in denen ein Großteil der
Bevölkerung ihr zu Hause hat. Oder mit geringsten Mitteln aus Zeltplane und Bodenmatte
veranschaulichte Behausungen mit Schlafplatz einzurichten, was aus jeder anderen Sicht
vermutlich sofort die Bauaufsicht und das Gesundheitsamt auf den Plan rufen würde. Im
Kontext der Hütten und Favelas erhalten die Bauten einen konstruktiven Zug, weil sich
unvermittelt neue Lösungswege aus beengten Lebensverhältnissen eröffnen. Besonders
stabil erweist sich dabei eine sternförmige Achse aus Holz, die das Dach einer Behausung
bildet, womit zugleich reichhaltiger Aufenthaltsraum im Inneren geboten wird. Die Form
erinnert an einen Schirm oder an ein Wagenrad mit Speichen.
Natürlich stellt sich die Frage, inwieweit solche
Behausungen vor Schlangen und anderen
Kriechtieren eigentlich sicher sind? Von denen
es in Brasilien viele gibt. Vermutlich überhaupt
nicht! Was zählt, ist die Kunst. Weitere
Überlegungen schließen sich daran an.
Schon 1964 waren mit "Parangolés" – textile
Werke entstanden, die aus farbigen Stoffschichten bestehen und zum Überziehen und
Agieren gedacht sind. Zu dieser Zeit begann das Interesse Oiticicas für die organischen
Strukturen der brasilianischen Favelas zuzunehmen. Die Straßenkultur ihrer Bewohner, den
Samba sowie das Außenseiter-Dasein beeinflusste sein Werk grundlegend und führte ihn zu
einem umfassenderen Verständnis der Einheit von Kunst und Leben. Sein bekanntestes
Werk "Tropicália", eine begehbare Installation aus Sand, Pflanzen, lebenden Papageien und
zeltartigen Behausungen, ist inspiriert von den Favelas in Rio de Janeiro.
Der Dokumentarfilm „Hélio Oiticica“ (Brasilien 2012) von César Oiticica
Filho, hatte auf der Berlinale 2013 den Preis der FIPRESCI Jury sowie
den Caligari Preis erhalten. Im Dokumentarfilm verzichtet der
Filmemacher und Neffe des Künstlers Cesar Oiticica Filho auf
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Videos zum FilmKommentar und Interviews. Stattdessen gelangt in Film- und
Tonarchivaufnahmen sein Onkel selbst zu Wort. Aus den Zeugnissen des Künstlers erfährt
der Zuschauer etwas über Oiticicas künstlerische Entwicklung und seine umfassenden
politischen und ästhetischen Interessen. Seine modernistischen Gemälde und Skulpturen
der 1960er Jahre, die Quasi-cinemas und Dia-Environments der 1970er Jahre, über die
Favelas und das urbane Leben von Rio, New York und London, über Samba-Schulen und
die Tropicália-Bewegung, die Oiticica mit ins Leben gerufen hat. Mit Musikern wie Caetano
Veloso und Gilberto Gil wird diese Bewegung jetzt in Verbindung gebracht. Die rhythmisch
montierten Bilder illustrieren die Erzählungen des Künstlers und stellen sie in neue
Zusammenhänge. Entstanden ist ein Porträt Hélio Oiticicas und seiner Arbeit.
Hélio Oiticica Ausstellung im MMK (44 Bilder)
Siehe auch: Ausstellungen zur Buchmesse zu Ehren des Gastlandes Brasilien in der Stadt
Siehe auch. Hélio Oiticica im Palmengarten Frankfurt
Siehe auch: German Art in São Paulo. Gespräch und Buchpräsentation im MMK
Als Beispiel für konkrete Kunst aus jüngerer Zeit kann auch eine vergangene Ausstellung im
Mathematikum in Gießen dienen. Siehe: Goldenen Schnitt - Moderne mathematische Kunst:
Jo Niemeyer
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