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Leistungsstörungen 3. Teil der Vorlesung

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Leistungsstörungen 3. Teil der Vorlesung

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Systematische Stellung • Kein Rechtsbegriff• Problembeschreibung• Leistung erfolgt nicht wie geschuldet • Also entweder gar nicht, spät oder schlecht

• Gehört zum 2. Buch, Schuldrecht• Auswirkung der Leistungsstörung auf das Schuldverhältnis • Lies §§ 275 II, 280 I, 314.

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Schuldverhältnis • Begriff wird im Gesetz doppelt verwendet:• Zum einen für den Anspruch (§ 241 I)

• Sog. Schuldverhältnis im engeren Sinne • Zum anderen aber auch für die Rechtsbeziehung zwischen zwei oder mehr

Personen (so § 314) • Sog. Schuldverhältnis im weiteren Sinne

• Unterschied: • Wegfall eines Anspruchs führt nicht ohne weiteres zum Wegfall der übrigen Ansprüche• Nur Wegfall des Schuldverhältnisses iwS lässt die gesamte Rechtsbeziehung enden

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Bedeutung für die Leistungsstörung • Gestört ist meistens nur ein Teil der Leistungspflichten • Also das Schuldverhältnis ieS

• Zwei unterschiedliche Fragen: • Was wird aus der gestörten Pflicht? • Welche Auswirkungen hat die Störung auf das Schuldverhältnis iwS?

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Regelfall ohne Leistungsstörung • Erlöschen durch Erfüllung, § 362• Anspruch erlischt, wenn die Leistung bewirkt wird. • Dazu muss der Gläubiger das bekommen haben, was ihm zusteht• Richtet sich nach dem Vertragsinhalt

• Kann eine bloße Handlung sein (zB Arbeitsleistung) • Aber auch die Herbeiführung eines Erfolges (Übereignung bei Kaufvertrag, Erstellung

eines Werkes) • Bei erfolgsbezogenen Schuldverhältnissen genügt das Bemühen des

Schuldners also nicht • Hier ist Eintritt des Leistungserfolges Voraussetzung

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Erfüllung • Leistung muss also:

• Am rechten Ort • Zur rechten Zeit• Und in der richtigen Art und Weise erbracht worden sein

• Einzelheiten darüber bestimmt in erster Linie der Vertrag • Hilfsweise (bzw. bei gesetzlichen Verbindlichkeiten) das Gesetz • zB Regelungen über Art und Weise der Leistung in §§ 262 ff.

• Spätleistungen, Leistungen am falschen Ort oder inhaltlich mangelhafte Leistungen können angenommen werden (§ 364 I), müssen aber nicht• Dies sind die typischen Fälle der Leistungsstörung

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Systematik • Altes System (bis 2001):

• Unmöglichkeit und Verzug gesetzlich geregelt, Schlechtleistung nur bei Kauf, Miete, Werk (später auch Reise)

• Herausbildung der pVV und der cic als zusätzliche Rechtsbehelfe (Richterrecht)

• Heutiger Ansatz: § 280 I im Mittelpunkt• Pflichtverletzung als Zentralbegriff für Nichtleistung, Spätleistung,

Schlechtleistung • Vom Gesetzgeber so gewollt • Trotzdem nicht unstr.

• §§ 281, 283 als Anspruchsgrundlagen oder als Hilfsnormen?• Str. auch Einordnung von § 311 a

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Rechtsbehelfe bei Pflichtverletzung • Grundtatbestand einheitlich, Rechtsfolgen unterschiedlich: • Hierfür sind die §§ 281 – 284 wichtig

• Als Rechtsfolgen kommen in Betracht: • Erfüllung

• Steht nicht im Gesetz, folgt aber aus dem Grundsatz pacta sunt servanda• Gläubiger hat also die Möglichkeit, schlicht auf Erfüllung zu bestehen• zT muss er das sogar, bevor er weitere Ansprüche geltend machen kann, zB bei § 439.

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Rechtsfolgen der Pflichtverletzung • Schadensersatz

• Hier ist zu unterscheiden:

• SE statt der Leistung: • Gläubiger verzichtet auf den betroffenen Teil der Leistung und liquidiert den Ausfall als SE

• SE statt der ganzen Leistung: • Teilaspekt der Leistung ist pflichtwidrig• Gläubiger erklärt den ganzen Vertrag für erledigt und verlangt statt dessen SE

• SE neben der Leistung: • Gläubiger setzt Erfüllung durch und liquidiert seine Begleitschäden, zB Mangelfolgeschaden;

Verzögerungsschaden (§ 286), Schaden aus Verletzung von Schutz- und Beratungspflichten • Vssgen sind jeweils unterschiedlich

• Genaue Festlegung des Anspruchsziels erforderlich• Abgrenzung zT schwierig

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Weitere Rechtsfolgen • Erfüllung und SE sind bei jedem Schuldverhältnis als Rechtsfolge

möglich• Also auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen

• Bei Verträgen zusätzlich möglich: • Rücktritt, § 323 • Kündigung, § 314

• Nur bei bestimmten Verträgen oder in bestimmten Konstellationen: • Aufwendungsersatz, § 284 • Minderung der eigenen Leistung (Kauf, Werk, Miete, Reise)

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Verhältnis der Rechtsbehelfe • Häufig Vorrang des Erfüllungsanspruchs• §§ 281 I 1, 323 I, 637 I, 651c III, 651e II • Hier muss Nachfrist zur ordentlichen Erfüllung gesetzt werden

• „Chance der zweiten Andienung“ • Erst dann kann Gläubiger zurücktreten, kündigen oder SE statt der Leistung

verlangen

• Aber kein allgemeines Rechtsprinzip, Gegenbeispiele: • Kündigung aus wichtigem Grund im Dienst/Arbeitsvertrag §§ 626, 628.• SE neben der Leistung nach § 280 I.

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Weiterer Rechtsbehelf: Zurückbehaltungsrecht

• Zurückbehaltungsrechte: • Allgemeines nach § 273• Besonderes für gegenseitige Verträge nach § 320

• Recht, bei pflichtwidrigem Verhalten des anderen Teils eigene Leistung zu verweigern • Näheres dazu in der Vorlesung Schuldrecht

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Erfüllungsanspruch • Folgt aus § 241 I: • Recht, die Leistung so zu fordern, wie sie geschuldet ist • Häufig primärer Rechtsbehelf, s.o. • „Rückgrad der Obligation“

• Durchsetzbar sind also auf jeden Fall die Rechte nach § 241 I • Sog. Leistungspflichten

• Was ist mit § 241 II? (Schutzpflichten) • SE bei Verletzung ist kein Problem• Auch vorbeugende Durchsetzung möglich?

• Jedenfalls bei drohender Verletzung EV möglich, § 935 ZPO

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Leistungshindernisse • Erfüllung kann nicht absolut verlangt werden • Sinnwidrig vor allem dort, wo Leistungssubstrat weggefallen • Problem der Unmöglichkeit!

• Geregelt in §§ 275 I – III • Objektive Unmöglichkeit (=Unmöglichkeit für jedermann) und subjektive

Unmöglichkeit (=Unmöglichkeit für den Schuldner) werden gleichbehandelt • Gleichgültig, ob nach Vertragsschluss eingetreten oder vorher schon

unmöglich (§ 311a) • Ohne Rücksicht auf Verschulden

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Leistungshindernisse • Folge ist Befreiung von der betroffenen Leistungspflicht• Nicht Untergang des Schuldverhältnisses iwS! • § 275 sagt nur, dass unmögliches nicht geleistet werden muss • Keine Aussage über die weiteren Rechtsfolgen• In Betracht kommen insbesondere:

• Wegfall der Gegenleistung, § 326 I (Do-ut-Des-Prinzip) • Rücktritt der anderen Partei, § 323 • Schadensersatz statt der Leistung, §§ 281, 283 (Bei Verschulden)

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Fälle der Unmöglichkeit • Klar unter Abs. I fallen die naturgesetzliche und die juristische

Unmöglichkeit • Die Kaufsache ist irreparabel zerstört• Sie weist einen unbehebbaren Mangel auf • Abergläubische Verträge (hM) • Die Übereignung ist gesetzlich verboten (§ 134)• Die Übereignung ist nicht möglich, weil der Verkäufer nicht Eigentümer und

die Sache dem Eigentümer abhandengekommen ist (§ 935).

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Fälle der Unmöglichkeit • Ebenso gehören hierher die Fälle der Sinnlosigkeit der Leistung wegen:

• Zweckerreichung: • Der zu behandelnde Patient wird von allein gesund, das freizuschleppende Schiff wird von

allein wieder flott • Käufer beseitigt den Mangel selbst, ohne Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben

• Zweckverfehlung: • Der Patient stirbt, das Schiff sinkt, bevor die Handlung vorgenommen werden kann. • Hier wäre die Handlung zwar rein technisch möglich, aber sinnlos und auch von Interesse des

Gläubigers her nicht geboten • Nicht ausreichend hingegen sog. Zweckstörung:

• Gläubiger kann die Leistung nicht mehr wie vorgesehen gebrauchen • Hier gilt die Regel, dass Besteller das Verwendungsrisiko trägt • In Extremfällen WGG (§ 313) möglich, dazu später

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Keine Unmöglichkeit• Geldmangel• Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung • Verwirklicht sich durch Insolvenz- und Vollstreckungsrecht (einschließlich

Schuldnerschutz) • Außerdem Befreiung sinnwidrig: Rechtfolge wäre häufig SE, und der ginge

wieder auf Geld • Ausnahmen:

• Herausgabeanspruch hinsichtlich bestimmter (Sammler-) Münzen oder Geldscheine (zB aus § 985)

• Annahmeverzug des Gläubigers (§ 300 II) • Hier Konkretisierung der Schuld auf bestimmte Scheine

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Besonderheit bei Gattungsschuld • Gattungsschuld:

• Bei einer nur der Gattung nach bestimmten Leistung (§ 243) ist idR Beschaffung möglich • Also auch Leistung • Allerdings muss geprüft werden, wie weit die Gattung bestimmt ist

• Fälle der Vorratsschuld, Selbstbelieferungsklauseln • Ansonsten Unmöglichkeit nach Abs. I nur dann, wenn ganze Gattung untergeht

• Außerdem: Konkretisierung nach § 243 II beachten• Gattungsschuld mutiert zur Stückschuld, wenn der Schuldner die Leistungshandlung

vorgenommen („das seinerseits erforderliche getan“) hat • Anforderungen: Vertrag, hilfsweise §§ 266 ff.

• Unterschiedlich je nachdem, ob Hol-, Bring- oder Schickschuld vorliegt. • Geld kann wegen § 270 I nicht nach § 243 II konkretisiert werden, nur nach § 300 II

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Teilunmöglichkeit • Zu unterscheiden ist teilbare und nicht teilbare Leistung

• Bei nicht teilbarer Leistung (Reparatur eines Anzugs) führt Unmöglichkeit bezüglich eines Teils (Zerstörung der Jacke) zur Gesamtunmöglichkeit

• Bei teilbaren Leistungen im Zweifel Befreiung nur hinsichtlich des unmöglichen Teils („soweit“) • Bei teilbaren Leistungen:

• Ausgreifen der Störung auf das gesamte Schuldverhältnis, wenn Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse hat

• Rücktritt oder SE statt der ganzen Leistung möglich (§§ 281 I 2, 323 V 1) • Interessefortfall an sich subjektiv, aber Gründe müssen nachvollziehbar sein (wie bei § 119)

• Beachte: • Hierher gehört auch die unbehebbar mangelhafte Kaufsache oder Werkleistung • An sich geschuldete Nacherfüllung scheidet nach § 275 I aus • Käufer kann direkt zu Rücktritt/SE statt der ganzen Leistung übergehen • Keine automatische Minderung, § 326 I 2, aber Minderungsverlangen möglich

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Zeitweilige Unmöglichkeit • Unmöglichkeit liegt gegenwärtig vor, Dauer steht nicht fest• Sache gestohlen, Leistung gegenwärtig verboten

• Wenn Dauer des Hindernisses überhaupt nicht absehbar, Unmöglichkeit • Ansonsten als zeitweilige Nichtleistung zu behandeln:• Gläubiger ist zunächst leistungsfrei nach § 320 • Kann angemessene Nachfrist setzen, §§ 281, 323• Nach Ablauf in jedem Fall zurücktreten • Bei Verschulden der anderen Partei auch SE statt der Leistung fordern

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Fixgeschäft • Zeit kann bei der Leistungserbringung besonders wichtig sein • 2 Lösungen:

• Unmöglichkeit (Leistung nach Zeitablauf sinnlos, ähnl. Zweckverfehlung) -> absolutes Fixgeschäft • Rücktritt unter erleichterten Voraussetzungen (§ 323 II 2) -> relatives Fixgeschäft

• Abgrenzung: • Absolutes Fixgeschäft -> Sinnlosigkeit folgt aus objektiven Umständen

• Anmietung von Saal für Hochzeitsfeier • Arbeitsleistung des AN • Konzertveranstaltung

• Relatives Fixgeschäft -> Hohe Zeitbedeutung kraft Parteiabrede • Just-in-Time-Belieferung • Transportverträge, wenn so vereinbart• Lieferung von Saisonware

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Wirtschaftliche Unmöglichkeit und übermäßiger Aufwand

• Fälle liegen ähnlich: • Leistung ist noch möglich, Aufwand des Schuldners wäre aber übermäßig

• Verknappungsfälle bei Gattungsschulden (Mühlenfall, RGZ 57, 116)• „Wirtschaftliche Totalschäden“ -> Ring auf dem Meeresboden

• Vorhersehbare Schwierigkeiten idR mit der Gegenleistung abgegolten • Bei unvorhergesehenen Leistungserschwerungen kommen sowohl § 275 II als auch § 313 in Betracht

• Wegfall der Geschäftsgrundlage bei nachträglicher Änderung der Verhältnisse, die nicht allein im Risikobereich einer Partei liegt

• Abgrenzung: • Bei § 275 II: Mehraufwand des Schuldners im groben Missverhältnis zum Interesse des Gläubigers am Erhalt der

Leistung in Natur. • Es erscheint daher sinnvoller, ihn auf Rücktritt und (bei Verschulden) SE statt der Leistung zu verweisen (§ 275 IV), als den

Anspruch in Natur durchzusetzen. • § 313: Missverhältnis von Aufwand und Gegenleistung (Verknappungsfälle)

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Voraussetzungen § 275 II • Grobes Missverhältnis zwischen• Leistungsinteresse des Gläubigers• Und Aufwendungen des Schuldners

• Ergänzt durch Risikobetrachtung: • Vertreten- müssen des Schuldners• Übernahme eines Beschaffungsrisikos oder einer Garantie

• Grds. zurückhaltende Anwendung• Pacta-sunt-Servanda- Grundsatz • Keine Aushöhlung des Leistungsversprechens

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Bei persönlicher Verpflichtung • Bei persönlichen Leistungen (vor allem Dienst-, Arbeitsverträge)

zusätzlich Abs. 3• Nur soweit nicht schon Abs. 1 einschlägig • Versäumte Arbeit kann häufig nicht nachgeholt werden, dann gilt Abs. 1

• Ansonsten Voraussetzungen wie bei Abs. 2 • Beispiel: Erkrankung naher Angehöriger, Wetterverhältnisse, uU auch

politische bzw. Gewissensgründe (Drucker-Fall)

• Bei nicht-persönlichen Leistungen (Kauf, Werk, Miete) § 275 III nicht anwendbar • Lösung nur über § 242 oder § 313 möglich

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Unterschiede in den Rechtsfolgen • Abs. 1 führt zur Befreiung von Gesetzes wegen (Einwendung)• Abs. 2 und 3 müssen (wie die Verjährung) von Schuldner geltend

gemacht werden (Einrede) • Leistungsanspruch des Gläubigers entfällt erst mit Erhebung der Einrede • Erst damit enden auch Fälligkeit und uU Verzug etc.

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Anspruch auf das Surrogat, § 285 • Bei Befreiung von der Leistungspflicht nach § 275 I-III kann es sein, dass der

befreite Schuldner einen Ausgleich erhält• Hauptfall: Sachversicherung, Anspruch aus § 823 gegen den Schädiger

• Voraussetzungen: • Leistung eines Gegenstandes (nicht Handlung oder Unterlassung) • Befreiung nach § 275 I – III • Erlangung eines Surrogats als Ersatz für die untergegangene Leistung

• Problematisch bei Verkaufserlösen (commodum ex negotii) • Kann im Wert über der ursprünglich geschuldeten Sache liegen

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Gegenleistung bei Unmöglichkeit • Grundsatz bei gegenseitigen Verträgen: • Bei Befreiung nach § 275 I – III kein Anspruch auf die Gegenleistung, § 326 I

• Betrifft nur Leistungen im Austauschverhältnis (Synallagma)• Überlassung der Mietsache gegen Mietzahlung, ja • Überlassung der Mietsache gegen Rückgabe, nein

• Gilt bei 275 Abs. 2 und 3 erst nach Erhebung der Einrede• Verschuldensunabhängig

• Gefahrtragungsregel bei unverschuldetem Unmöglichwerden: • Gläubiger der unmöglichen Leistung trägt die Leistungsgefahr (=Gefahr, die Leistung nicht zu erhalten) • Schuldner die Gegenleistungsgefahr (=Gefahr, die Gegenleistung nicht zu erhalten)

• Bereits erbrachte Gegenleistungen können nach Rücktrittsrecht (Nicht § 812!) zurückgefordert werden, § 326 IV

• Bei Teilunmöglichkeit teilweiser Wegfall der Gegenleistung, § 326 I 1, 2. Halbsatz.

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Ausnahmen von § 326 I • Gläubiger verlangt die Ersatzsache, § 285 iVm § 326 III• Irreparable Schlechtleistung, § 326 I 2 -> Minderungserklärung erforderlich • Fälle des Abs. 2:

• Weit überwiegende Verantwortung des Gläubigers hinsichtlich der Unmöglichkeit• Annahmeverzug

• Abweichende Parteivereinbarung • Wille, auch leisten zu wollen, auch wenn die Bemühung der anderen Partei erfolglos bleibt

• Esoterische Verträge, siehe BGH NJW 2011, 756

• In diesen Fällen behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung, obwohl er selbst nicht zu leisten braucht• Gläubiger trägt sowohl Leistungsgefahr als auch Gegenleistungsgefahr

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Im Einzelnen: • Weit überwiegende Verantwortung• Gläubiger hat den Umstand zu vertreten, der die Unmöglichkeit herbeigeführt hat,

Beispiele: • Untergang der Mietsache durch vom Mieter gelegten Brand• Nichteinholung erforderlicher Visa oder Impfungen durch den Reisenden bei einer Reiseleistung • Unberechtigte Selbstvornahme der Nachbesserung durch den Käufer (BGH NJW 05, 1348).

• Str.: Verschulden erforderlich? • Wortlaut spricht von „Verantwortlichkeit“, nicht von Vertreten-müssen• Teil der Lit: Sphärentheorie, Gläubiger ist für alle Umstände verantwortlich, die in seiner Sphäre

auftreten, insbesondere für Vorhandensein des Leistungssubstrats • aA: Individuell nach Risikolage des Vertrages zu prüfen, uU analog § 645 Teilvergütung in Höhe des

negativen Interesses • Verantwortung des Gläubigers muss weit (80-90% Verursachungsanteil) überwiegen

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Problem: Beiderseitiges Vertreten-Müssen? • Unklar: Mitverantwortungsanteil des Gläubigers vorhanden, aber kleiner als 80%

• Beispiel: K erwirbt von V eine Spezialmaschine zum Preis von 500.000 €. Es soll eine Erprobung stattfinden, für die K das Produktionsmaterial stellen soll. K kommt damit in Verzug, der Probelauf kann nicht stattfinden, die Maschine steht fertig, aber nutzlos, in der Halle des V. Kurzerhand und ohne Warnung verkauft er sie für 430.000 € an D. K verlangt SE, da er für eine andere, gleichwertige Maschine 580.000 € zahlen müsste.

• Lösung einfach: Anspruch des K aus §§ 280 I, 281, 283 (+), Übereignung ist unmöglich, V hat schuldhaft gehandelt, da er sich nicht ohne Fristsetzung vom Vertrag mit K lösen durfte (Arg. § 323 I). Anspruch des K ist aber nach § 254 um seinen Verursachungsanteil zu mindern.

• Problematisch ist V -> K auf KP-Zahlung: An sich nach § 326 I untergegangen, § 326 II liegt nicht vor, da Verursachung durch K nicht „weit überwiegend“. Was nun? • Eine Lösung: § 254 analog auf der Erfüllungsanspruch anwenden – Ergebnis stimmt, passt aber dogmatisch

nicht so ganz • Andere Lösung: § 326 II zunächst anwenden, damit V -> K zunächst (-). Aber V -> K aus § 280 I, 241 II wegen

Verletzung seiner Mitwirkungspflicht (+). SE ist um Mitverursachungsanteil nach § 254 zu kürzen. Die beiden SE-Ansprüche werden aufgerechnet (§ 387).

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Weitere Ausnahme: Annahmeverzug• Annahmeverzug:

• Geregelt in §§ 293 ff. • Kein Verzug im technischen Sinne, da keine Abnahmepflicht (anders nur Kauf- und

Werkvertragvertrag) • Obliegenheit, an der Erfüllung mitzuwirken • IdR Angebot der Leistung in korrekter Form (wie für § 362) erforderlich, § 294 – 295.

• Rechtsnachteile bei Verletzung: • Insbesondere Übergang der Gegenleistungsgefahr nach § 326 II • Zufälliger Untergang des Leistungssubstrats während des Annahmeverzugs wird dem Risiko

des säumigen Empfängers zugeordnet. • Sofern kein Vertreten-müssen des Schuldners • Insofern aber außerdem: Haftungserleichterung für den Schuldner, nur grobe Fahrlässigkeit

schadet, § 300.

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Übungsfall • Prof. A aus P. hat sich bei T eine Sonnenbank, Modell Knackebraun

2000, bestellt. Für die Lieferung ist Montag, der 22.4., zwischen 15 und 17 Uhr vereinbart. A vergisst den Termin, die von T beauftragten Monteure stehen erfolglos vor der Haustür des A. Sie fahren mit dem Gerät zurück auf das Betriebsgelände der T. Dort stellen sie den Transporter mitsamt der darauf verladenen Sonnenbank ordnungsgemäß verschlossen ab. In der Nacht stiehlt den Wagen der Autodieb D. Für die Sonnenbank auf der Ladefläche hat er keine Verwendung und er entsorgt sie in den nächstgelegenen See. Dadurch entsteht an dem Gerät Totalschaden. • T verlangt von A Zahlung des Kaufpreises in Höhe von € 8.600. Mit

Recht?

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Weitere Ausnahmen zu § 326 I • Befinden sich im BT, insbesondere • Versendungskauf, § 446, 447 -> dazu sogleich • Dienst- und Arbeitsvertrag, § 615 S. 2

• Verpflichteter behält den Anspruch auf Vergütung, wenn Dienstberechtigter im Annahmeverzug war, ohne Nachleistungspflicht.

• Werkvertrag, §§ 644, 645: • Gefahrübergang bei Annahmeverzug, § 644 I 2 (in Bezug auf die Abnahme des Werkes) • Sonderregelung der vom Besteller (mit-) verursachten Unmöglichkeit in § 645:

• Anspruch auf Teilvergütung, wenn Werk durch Anweisungen des Bestellers oder Mängel des von ihm gestellten Materials untergeht, verschlechtert oder unausführbar wird

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Gefahrübergang nach § 446 • Regelt die Gegenleistungsgefahr

• Also Gefahr, Sache trotz Untergang zahlen zu müssen • Die Leistungsgefahr kann § 446 nicht regeln, die trägt der Käufer immer schon nach § 275 I

• Voraussetzungen: • Verkäufer hat dem Käufer die Sache übergeben• Unmittelbarer Besitz (§ 854), mittelbarer Besitz (§ 868) nur dann, wenn nach dem Vertrag

erfüllungstauglich (zB §§ 930, 931).

• Relevant vor allem bei Kauf unter EV • Hat Verkäufer außer Besitz auch Eigentum verschafft, liegt ja schon Erfüllung vor • Käufer trägt die Gefahr der Verschlechterung oder Untergans der Kaufsache, weil sie sich in

seiner Sphäre befindet und nur er einwirken und die Risiken steuern kann • Untergang befreit nicht von der Ratenzahlungspflicht

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Weitere wichtige Ausnahme: § 447 • Voraussetzungen:

• Versendung der Sache • Auf Verlangen des Käufers, d.h. mit seinem Einverständnis (Vereinbarung) • Anderer Ort als der Erfüllungsort

• Gemeint ist der Ort der Handlung, nicht des Erfolgs• Ansonsten wäre die Norm weitgehend funktionslos • § 447 regelt einen besonderen Fall der Schickschuld

• Bei Hol- oder Bringschuld auf keinen Fall 447 annehmen!

• Mit Transportperson oder eigenen Leuten• Letzteres str.,

• Arg.: Kein Ausscheiden aus der Verantwortungssphäre des Verk., eigene Leute immer Erfüllungsgehilfen

• Gegenarg.: Zufallsergebnis

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§ 447 • Rechtsfolge: • Gefahr des zufälligen Untergangs geht auf Käufer über • Dieser trägt das Transportrisiko (andere Risiken str.) • Bei vom Verkäufer zu vertretenden Untergang hingegen kein § 326 II, statt

dessen §§ 323, 281. • Vertreten- Müssen der Transportperson und § 278? • Ansprüche gegen Transportperson?

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§ 447• Ansprüche gegen Transportperson: • Fall: V übergibt Kaufsache an Spedition S, deren Wagen unsicher ist, was S auch

weiß. Daraufhin Zerstörung der Kaufsache bei Unfall vor Erreichen des K. • V -> K auf Zahlung wegen § 326 I, 447 (+) • K -> S auf SE aus Vertrag (-), nicht Vertragspartner • K –> S auf SE aus § 823 (-), idR noch nicht Eigentümer! • V -> S aus Vertrag und Delikt an sich (+), aber kein Schaden, da V von K Zahlung verlangen

kann.

• Ergebnis: Die fahrlässige S muss den Schaden nicht ersetzen? • Oder fällt Ihnen etwas ein?

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Anwendungsbereich• Bei Kaufvertrag mit Verbraucher nur eingeschränkt anwendbar, § 474

IV • Nur, wenn Verbraucher den Transporteur selbst ausgewählt und beauftragt

hat

• Ansonsten Gefahrübergang nur nach § 446 • Besitzerlangung durch den Käufer erforderlich • Auch Besitzdiener oder Erlangung von mittelbarem Besitz