Moment 43: 2014

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72 Süddeutsche Zeitung Magazin Süddeutsche Zeitung Magazin 73 SZ-Magazin: Frau Hegemann, Frau Decker, woher kennen Sie beide sich? Anika Decker: Au, wir hätten uns da mal eine gute Geschichte überlegen sollen … Helene Hegemann: Stimmt. Wir könnten was erzählen über unsere Landgüter auf Mauritius und unsere gemeinsamen eng- lischen Adelsvorfahren. Decker: Oder vom Esperanto-Kurs. Hegemann: Tatsache ist, wir haben uns nachts um vier im »King Size« kennenge- lernt, das ist eine Bar in Berlin. Dann sind wir spontan zur Tankstelle gefahren und ha- ben für 600 Euro eingekauft. Bonbons, Chips, palettenweise Cornetto-Eis. Für 600 Euro? Decker: Alkohol auch ein bisschen. Wann war das? Hegemann: Sommer 2010. Also genau in dem Sommer, in dem Ihr ers- tes Buch, Frau Hegemann, stark in der Kritik stand, weil Sie darin Passagen von einem Berliner Blogger übernommen hatten. Und Sie, Frau Decker, waren da gerade als Dreh- buchautorin der Til-Schweiger-Filme Kein- ohrhasen und Zweiohrküken bekannt ge- worden. Zwei Frauen der Stunde. Stellt man sich da einander vor oder geht man davon aus, dass einen eh ganz Deutschland kennt? Hegemann: Denk dir was Gutes aus! Decker: Nein, jetzt mal real. Ich habe zu dem Zeitpunkt mit Detlev Buck an einem Film gearbeitet, Buck kannte Helene, hat ab und zu von ihr erzählt. Und als ich sie dann ge- troffen habe, habe ich einfach reflexartig gesagt: »Hey, Helene.« Hegemann: Und los ging’s. Decker: Plötzlich tanzten wir nebeneinander. Hegemann: Es war sofort eine große hippie- hafte Euphorie, die sich da breitmachte. Wie wurde daraus eine Freundschaft? Decker: Ich glaube, Schreiben ist ein sehr merkwürdiger Beruf, da hat man komische Pro- bleme mit sich und dem Leben, die sind für Außenstehende nicht so nachvollziehbar. >> Mädchenabend. Die eine schreibt die erfolg- reichsten Dialoge des deutschen Kinos, die an- dere verstört Literaturkritiker im ganzen Land. Und abends gucken sie zusammen Reality-TV. Anika Decker und Helene Hegemann über ihre ungewöhnliche Freundschaft Pyjamaparty: Decker (l.) und Hegemann fotografieren sich selbst – in Fernsehabendkleidung. INTERVIEW: MAX FELLMANN UND LARA FRITZSCHE FOTOS: DANIEL JOSEFSOHN PALINA ROJINSKI: »FRüHER HIESS DAS ›PFERDE STEHLEN‹, HEUTE HEISST DAS ›AUF DER TORSTRASSE TANZEN‹. MIT DEN BEIDEN GEHT BEIDES. DIE ZWEI ZUSAMMEN SIND EIN EINZIGER SPASS.«

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Die Drehbuchautorin Anika Decker und die Schriftstellerin Helene Hegemann treffen sich zum Gespräch unter Freundinnen. Über den Fototermin schüttelt Anika Decker heute noch den Kopf.

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  • 72 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 73

    SZ-Magazin: Frau Hegemann, Frau Decker, woher kennen Sie beide sich?Anika Decker: Au, wir htten uns da mal eine gute Geschichte berlegen sollen Helene Hegemann: Stimmt. Wir knnten was erzhlen ber unsere Landgter auf Mauritius und unsere gemeinsamen eng-lischen Adelsvorfahren.Decker: Oder vom Esperanto-Kurs.Hegemann: Tatsache ist, wir haben uns nachts um vier im King Size kennenge-lernt, das ist eine Bar in Berlin. Dann sind wir spontan zur Tankstelle gefahren und ha-ben fr 600 Euro eingekauft. Bonbons, Chips, palettenweise Cornetto-Eis.

    Fr 600 Euro?Decker: Alkohol auch ein bisschen.Wann war das?Hegemann: Sommer 2010.Also genau in dem Sommer, in dem Ihr ers-tes Buch, Frau Hegemann, stark in der Kritik stand, weil Sie darin Passagen von einem Berliner Blogger bernommen hatten. Und Sie, Frau Decker, waren da gerade als Dreh-buchautorin der Til-Schweiger-Filme Kein-ohrhasen und Zweiohrkken bekannt ge-worden. Zwei Frauen der Stunde. Stellt man sich da einander vor oder geht man davon aus, dass einen eh ganz Deutschland kennt? Hegemann: Denk dir was Gutes aus!

    Decker: Nein, jetzt mal real. Ich habe zu dem Zeitpunkt mit Detlev Buck an einem Film gearbeitet, Buck kannte Helene, hat ab und zu von ihr erzhlt. Und als ich sie dann ge-troffen habe, habe ich einfach reflexartig gesagt: Hey, Helene.Hegemann: Und los gings.Decker: Pltzlich tanzten wir nebeneinander.Hegemann: Es war sofort eine groe hippie-hafte Euphorie, die sich da breitmachte.Wie wurde daraus eine Freundschaft?Decker: Ich glaube, Schreiben ist ein sehr merkwrdiger Beruf, da hat man komische Pro-bleme mit sich und dem Leben, die sind fr Auenstehende nicht so nachvollziehbar. >>

    Mdchenabend. Die eine schreibt die erfolg-reichsten Dialoge des deutschen Kinos, die an-dere verstrt Literaturkritiker im ganzen Land. Und abends gucken sie zusammen Reality-TV. Anika Decker und Helene Hegemann ber ihre

    ungewhnliche Freundschaft

    Pyjamaparty: Decker (l.) und Hegemann fotografieren sich selbst in Fernsehabendkleidung.

    I n t e r v I e w :

    M a x F e l l M a n n u n D l a r a F r I t z s c H e

    F o to s : D a n I e l j o s e F s o H n

    Pa l I n a ro j I n s k I : F r H e r H I e s s Da s P F e r D e s t e H l e n , H e u t e H e I s s t Da s a u F D e r to r s t r a s s e

    ta n z e n . M I t D e n B e I D e n g eH t B e I D e s . D I e zw e I z u s aMM en s I n D e I n e I n z I g e r s Pa s s .

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    Hegemann: Und die kannst du auch nicht unbe-dingt mit Martin Walser teilen. Decker: Wir haben schnell gemerkt, dass wir uns in dem Punkt gut verstehen, dass wir uns gegensei-tig inspirieren. Aber wir konnten sofort auch Tage auf dem Sofa verbringen und Fernsehschrott an-schauen.Hegemann: Wir bestellen dabei gern Essen und bekommen immer sechs Bestecke mitgeliefert, weil sich niemand vorstellen kann, dass diese Men-ge fr nur zwei Menschen gedacht sein kann.Was schauen Sie dann am liebsten an?Decker: Stumpfes amerikanisches Reality-TV.Hegemann: Bis zum Exzess! Das ist auch eine groe sogenannte Inspirationsquelle. Wir lieben zum Beispiel Gallery Girls, da geht es um reiche Mdels, die in New Yorker Galerien arbeiten, aber nebenher noch in Asien fr Werbekampagnen mo-deln. Unglaublich, noch abgehobener und brutaler als Gossip Girl.Decker: Wir haben dazu noch nicht mal ironischen Abstand. Und ich kann ja da aus meinen frheren Erfahrungen als Redakteurin bei Big Brother schp-fen, wir diskutieren dann, wie das wohl gedreht wurde. Aber ich mag das grundstzlich nicht, wenn man sein Leben in so ironischer Distanz ver-bringt.Hegemann: Unangreifbar.Decker: Sich cool ber Leute erheben zu wollen, das find ich abstoend.Hegemann: Wer sich nackt macht, hat mehr vom Leben. Das gilt fr alles, von menschlichen Bezie-hungen bis zur Inneneinrichtung. Coolness ist gefhrlich.Inwiefern?Hegemann: Alles hflich zu bewerten, aber sich nichts auszusetzen, das ist feige und langweilig. Spielen absurde Fernsehformate fr Ihre Arbeit eine Rolle?Hegemann: Was uns verbindet, ist die Fhigkeit, Mainstream in Frage zu stellen, ohne ihn zu verab-scheuen.Decker: Was ich mache, ist ja purer Mainstream! Und eben auch nicht mit Distanz. Ich schreibe ein-fach das, was ich mir als Zuschauer gern anschauen wrde. Da ist keine Berechnung dabei. Mich inte-ressiert alles, was authentisch, ehrlich ist. Ich finde ja deine Bcher auch ehrlich und direkt, Helene. Genau das Gegenteil von Ich mach mal das, was im Feuilleton funktioniert.Frau Hegemann, wie wichtig ist Ihnen Authenti-zitt?Hegemann: Das Wort ist problematisch! Authenti-zitt ist ein Wort, das konstruierte Dinge als natr-liches Ultimatum verkaufen will. Man hlt etwas fr authentisch, weil man es zehnmal in einer Fernsehserie gesehen hat. Und wenn jemand im realen Leben differenzierter funktioniert und da-raus keinen Hehl macht, gilt das als verlogen. Man muss nach Echtheit suchen.

    Decker: Dialogstze, die authentisch klingen, sind ja oft genau die, an denen man endlos geschraubt und gedreht hat.Schrauben Sie auch an Passagen lange herum, oder schreiben Sie anders, Frau Hegemann?Hegemann: Kann man schwer vergleichen. Mir sind von vornherein Grundstimmungen klar, und die verdichten sich dann zu etwas. ber Monate hinweg. Das kann zu totalen Blockaden fhren. Solange man keinen Grund hat, etwas zu schrei-ben, sollte man das auch wirklich nicht tun. Decker: Ich hab grundstzlich schon mal enormen Respekt vor jedem, der ein Buch nicht nur anfngt, sondern auch fertigschreibt. Man wird ja so durch-bewertet von allen, dass es ganz angenehm ist, das selbst nicht zu tun.Hegemann: Allein die Parameter, anhand derer man bewertet wird! Irre! Ich wrde nie auf die Idee kommen, Anika oder irgendwen sonst anhand meiner eigenen Mastbe zu bewerten oder zu entkrften. Das wre ja eine riesige Anmaung. In der Bewertungsfalle stecken Sie beide. ber Sie, Frau Hegemann, hie es anfangs stndig, Sie wrden Ihre Generation irgendwie reprsentieren. Hegemann: Obwohl ich das selbst immer und im-mer wieder bestritten habe. Das ist absurd Leute schreiben ungern was anderes als das Nahelie-gendste, das hat dann nichts mehr mit Tatsachen zu tun, sondern mit Faulheit.Sie, Frau Decker, stehen dagegen immer fr die lustigen jungen Frauen.Decker: Hab ich gar nicht so ein Problem damit, muss ich sagen. Ich lese Kritiken nur, wenn ich echt oft drauf angesprochen werde. Dann will ich halt mal wissen, was genau da drin steht.Da steht drin: Wer wissen will, wie die junge deut-sche Frau tickt, der muss die Filme von Anika Decker anschauen.Hegemann: Interessant. Wrde man das ber einen mnnlichen Autor auch sagen? Wrde man sagen, Bora Dagtekin wei sehr genau, wie junge deutsche Mnner ticken? Eher nicht. Mnner wrden sich lobenswerterweise nicht so verallgemeinern lassen. Sie befassen sich durchaus mit hnlichen The-men, gehen dann aber in unterschiedliche Rich-tungen. Sie, Frau Decker, suchen eher die Pointe.Hegemann: Die suche ich doch auch! Klappt nur nicht so gut wie bei ihr.Decker: Ich finde, der Unterschied ist gar nicht so gro. Man muss ja den gleichen Schmerz finden. Auch bei lustigen Sachen braucht es etwas, was berhrt, sonst ist der Gag nicht gut. Deine Ge-schichten, Helene, sind komplexer als meine, das ist vielleicht der Hauptunterschied.Frau Decker, die Filme, an denen Sie mitgeschrie-ben haben, besttigen viele Klischees, das ms-sen sie ja auch, um viele Leute zu erreichen. Was halten Sie davon, Frau Hegemann?Hegemann: Ich sehe das absolut nicht als Bestti-gung von Klischees.

    Na ja, allein die Hauptfiguren von Keinohrhasen: ein gewiefter Klatschjournalist, eine schusselige Kindergrtnerin Hegemann: Da werden Klischees verhandelt, das macht den Erfolg aus. Aber sehen Sie sich die Er-ffnungssequenz von Keinohrhasen an, in der Jr-gen Vogel sich selbst parodiert so was finden Sie in keinem Arthouse-Film! Das ist total radikal. Nur eben in einen Kontext gesetzt, in dem das niemand merkt. Decker: In so einer Frauen-figur wie der Kindergrtne- rin sind verschiedene Eigen-schaften, Szenen oder Sprche gesammelt, die ich auch schon fr Soap Operas und Fernseh-filme geschrieben hatte, aber die alle beim Mainstream-Fernsehen abgelehnt wurden.Was denn?Decker: In viele Kpfe passt es schon nicht rein, dass die Figur ko ist und trotzdem schlagfertig. Schlagfertig ist die heie Karrierefrau. ko ist die feministische Psychologie-studentin. Noch ein Beispiel?Decker: Bei Frauenfiguren wird oft gewnscht, dass sie sehr eindimensional sind. Ich versuche da einen Schritt wei-terzugehen. Bei Keinohrhasen wurde mir oft gesagt, dass die weibliche Hauptfigur zu un-sympathisch sei. Gott sei Dank hat Til gesagt, nein, die lassen wir genau so. Und bei Rubbeldiekatz hat die Frau Bindungsprobleme, das ist normalerweise immer Thema der mnnlichen Hauptfiguren. War auch nicht einfach durchzukriegen. Hegemann: Probier mal, bei einer deutschen Fern-sehredaktion ein Filmprojekt ber einen Mars-menschen durchzukriegen. Geht nicht. Wird nur erlaubt, wenn sich der Marsmensch am Ende als richtiger Mensch herausstellt, der eine Psychose hat. Es wird alles auf so eine komische angebliche Plausibilitt runtergebrochen, die eigentlich vllig bekloppt ist.Diskutieren Sie Ihre Arbeit viel oder spielt sich Ihre Freundschaft eher jenseits des Schreibtisches ab?Decker: Wir besprechen schon fter Dinge, wenn eine mal hngt. Aber inhaltlich wissen wir beide immer relativ genau, was wir schreiben wollen. Hegemann: Schreiben kann eine ganz komische autistische Form von Inhalt-Rausdonnern sein. Man liefert sich dann gegenseitig Besttigung, die einem ein leeres Blatt nicht geben kann.Decker: Es gibt nur ganz bestimmte Menschen, und da gehrt Helene auf jeden Fall dazu, denen

    ich berhaupt was zeige, bevor es fertig ist, bevor es den geschtzten Raum verlsst.Gibt es so etwas wie Schamgrenzen?Hegemann: Wir haben ja beide noch keine dreiig-seitige Sexszene geschrieben. Aber erzhl doch mal die Story mit Thomas Gottschalk.Decker: Ich war auf Tils Geburtstag und da war auch Thomas Gottschalk. Ich habe vor tausend Jah-ren mal ein Praktikum bei ihm gemacht, in der

    Redaktion von Gottschalks Hausparty, und weil ich leider schon ein bisschen angetrunken war, habe ich jemandem erzhlt, dass ich da mal gear-beitet habe. Und der fing dann an, Gottschalk furchtbar aufgeregt herzuwinken. Und rief dabei, auf mich zeigend: Hier Praktikum! Oralsex! Sie Oralsex!Weil Sie die sehr prgnante Oralsex-Szene fr Keinohrhasen geschrieben haben. Unangenehm?Decker: Die Situation schon. Ansonsten freut es mich natrlich, wenn ich in meinem Leben schon eine Szene erschaffen habe, die sich so einprgt. Hegemann: Mit der Szene hattest du dich bei Til Schweiger als Drehbuchautorin beworben, oder?Decker: Beworben trifft es nicht ganz. Er sa zufl-lig bei einem Essen neben mir und wir haben uns gut unterhalten, viel gelacht. Und dann hat er mich gebeten, ihm eine Textprobe zu geben. Ich hatte einen USB-Stick dabei, da waren Steuerunterlagen drauf, Briefentwrfe und eben auch eine Probeko-lumne fr ein Magazin, in der es um Mnner beim Oralsex ging. Til hat die gelesen, fand sie witzig und hatte die Idee, sie zu einer Szene zu machen. >>

    Helene Hegemann: So etwas wie die Erff-nungsszene von Keinohr-hasen finden Sie in keinem Arthouse-Film. Total radikal

    Klassiker Du siehst gut aus. ach, echt? Ich finde, du siehst gut aus.

    An iK ADecKeR

    hat schon viele Jobs im Film und Fernsehen hinter sich, die 38-Jh-rige war unter anderem als Redakteurin fr Big Brother zustn-dig, bevor sie von Til Schweiger als Dreh-buchautorin entdeckt wurde. Sie schrieb mit ihm die Bcher fr

    Keinohrhasen, Zwei-ohrkken, auerdem fr Detlev Buck Rub-

    beldiekatz das heit, zusammengerech-net hat sie mit ihren Dialogen mehr als zwlf Millionen Zu-schauer erreicht. Anika Decker ist in Marburg aufgewachsen und lebt

    heute in Berlin.

    HeLene HegeMAnnist 22 Jahre alt und

    bei ihrer Mutter, einer Kulissenmalerin, in

    Bochum aufgewachsen. Die Mutter starb, als Helene 13 war, darauf-hin zog sie zu ihrem Vater, dem Theater-

    dramaturgen Carl Hege-mann, nach Berlin. Mit 14 schrieb und

    drehte sie den Spielfilm Torpedo. Bekannt wurde sie durch ihren ersten Roman Axolotl Roadkill, der erst von der Kritik gefeiert und dann fr die darin enthaltenen Plagiate heftig kritisiert wurde. Vor Kurzem erschien

    ihr zweiter Roman Jage zwei Tiger.

  • Hegemann: Das kann man so nicht sagen. Ich glaube aber, dass man immer eine Form von Be-schrnkung braucht. Das ist ein normales mensch-liches Phnomen. Ich glaube, die freiesten Men-schen sind die unglcklichsten und die gefhr-detsten. So wie Justin Bieber. O Gott, das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt?Decker: Aber weit du, was noch ein Unterschied ist: Beim Roman bist du der alleinige Erschaffer. Und beim Film bist du das nicht. Ich habe ja sehr viele Auenbeschrnkungen durch das Medium und bin von daher gar nicht so frei. Gibt es Eigenschaften, um die Sie einander be-neiden?Decker: Ich finde wahnsinnig beeindruckend, wie belesen du bist, und dass jedes Buch, das du mir jemals empfohlen hast, mittlerweile zu meinen Lieblingsbchern gehrt. Glass Castle zum Bei-spiel. Und Die Wohlgesinnten von Jonathan Littell.Hegemann: Das macht mich immer stolz, wenn sie das sagt.Decker: Und mit welcher Affengeschwindigkeit du Bandwurmstze zusammensetzt, whrend ich keinen Satz zu Ende spreche!Hegemann: Dafr macht das, was du sagst, we-nigstens Sinn.Decker: Ja, weil ich immer nur Subjekt, Prdikat, Objekt benutze. Das mache ich, weil ich schon nach der Hlfte vergesse, wie ich angefangen hatte. Und worum beneiden Sie Frau Decker?Hegemann: Ihre Wohnung, ihre Katze, ihre Lam-borghinis! Decker: Ha, ha.Hegemann: Ihre antike Flippersammlung! Und die Farbe in ihrem Arbeitszimmer. Und die Vor-hnge, die neuen. Und um den Herms-Mantel.Decker: Den wollte ich dir eigentlich schenken. Ich sehe in vielen Sachen nmlich aus wie eine 45-jhrige Zahnarztgattin, die sich aufge-fhnt hat.Hegemann: Und ich sehe in jedem Herms-Teil aus, als wrde ich gerade vom Joggen kommen. Aber ich nehm ihn trotzdem.

    Testen Sie Gags auch mal vorher, zum Beispiel bei Twitter?Decker: Oh ja, Twitter. Das ist fr mich eine totale Befriedigung, weil es so schnell fertig ist, im Gegensatz zum Buch. Ein Tweet, 140 Zeichen, fertig. Hegemann: Das ist der Grund, warum Kippenberger so selten detailliert ge-malt hat weil er schnelle Effekte wollte. Ich finde Twitter immer ein biss-chen zu unverschlsselt. Ich fhle mich bld dabei, permanent alle mit meinem langweiligen Innenleben zu konfron-tieren. Decker: Du bist da viel privater. Mich befriedigt das. Ich glaube, ich habe ein ganz groes Bedrfnis in mir, etwas zu teilen. Und Twitter ist fr mich faszinie-rend, weil ich noch aus der Generation komme, wo man nur ein Haustelefon hatte. Hegemann: Ich erinnere mich da an die-sen irren Moment, als Ashton Kutcher ein Foto seiner damaligen Frau Demi Moore halbnackt beim Bgeln twitterte. Das hat mich schwer irritiert. Gotthafter Starkult ist dadurch nicht mehr mg-lich. Schade eigentlich. Werden Sie beide als Personen des f-fentlichen Lebens oft erkannt?Decker: Ich nicht. Hchstens auf einer Filmpremiere.Hegemann: Ich schon gar nicht auf ei-ner Filmpremiere!Decker: Ist das deine Tochter? Ha, ha.Hegemann: Ihr wird immer der Mantel abgenommen, die Fotografen schreien ihren Namen und zu mir dann: Die in der ranzigen Jacke mal weg da! Spielt in Ihrer Freundschaft der Alters-unterschied eine Rolle?Decker: Nur, wenn es um die Liebe geht. Da erreicht man halt nach vielen Jahren und vielen Erfahrungen doch irgend-wann eine gewisse Entspannung.Hegemann: Whrend ich stndig an der Dachkante stehe und heulend bei ihr anrufe.Decker: Ha, ha!Hegemann: Doch! Und ich mir von ihr sagen lassen muss, es wird wieder gut, in zwei Jahren sieht die Welt wieder anders aus. Das hat sie oft gemacht und sie hatte ausnahmslos immer recht. Auf so einem irrationalen Feld wie Liebe trifft sie Prognosen, die exakt zutreffen. Das finde ich unglaublich. Es ist nie nur Trost, es stimmt auch noch immer.Decker: Tja, in solchen Dingen habe ich offenbar die Erfahrung einer 80-Jh-

    rigen. Ich habe mich oft genug in vllig irrsinnige Liebesgeschichten gestrzt.Hegemann: Davon leben ja auch die Filme. Dein Schreiben.Frau Hegemann, Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass Erfolg fr Sie nicht zwingend Glck und Zufrie-denheit bedeutet.Hegemann: Ja, definitiv. Es ist nicht selbstverstndlich, dass du durch beruf-lichen oder Liebeserfolg in irgendeiner Form eine Stufe von Zufriedenheit er-reichst. Das ist Quatsch.Wodurch erreicht man denn dann Zu-friedenheit?Hegemann: Ich wrde sagen, dadurch, dass du auf der Autobahn mal zehn km/h zu schnell fhrst und es dir in dem Moment ziemlich groen Spa macht. Oder dass du auf den Bus wartest und dir eine Zigarette anzndest, weil dir gerade wieder eingefallen ist, dass du ja eine Sucht hast. Sie beide wollen mit dem, was Sie schreiben, viele Menschen erreichen. Wenn das klappt, empfinden Sie es doch als Erfolg. Hegemann: Ja, aber das ist nur so eine Art langer Wille zur kurzen Perfektion, mehr nicht.Wie ist das bei Ihnen, Frau Decker? Decker: ber den Erfolgsdruck, die Zu-schauerzahlen denke ich nicht nach. Ich war mal an Weihnachten im Kino und habe mir Keinohrhasen angesehen. Die vielen Gesichter, als ich mich umgesehen habe, haben mich glcklich gemacht. Das ist was sehr Direktes und sehr Menschliches. Der Erfolg macht es mir aber auch mglich, dass ich mir Pippi-Langstrumpf-mig meine Welt basteln kann. Fr jeden Kreativen ist es wohl-tuend, mal keine Existenznte zu haben.Hegemann: Da geb ich dir Recht. Aber genug Geld zu haben kann mrderisch sein. Zumal man doch in irgendeiner Form darauf angewiesen ist, auf Zuflle zu vertrauen, sich in was reinzuarbeiten. Ich mache ganz gern Sachen von u-eren Zwngen abhngig, egal wie schmerzhaft die sind. Ich entscheide un-gern selbst alles. Decker: Ich geniee es, dass ich nicht mehr so in der Beweispflicht bin. Ich muss nicht mehr erklren, wieso etwas witzig ist. Wenn ich heute sage: Ich ver-sprech dir, das funktioniert auf jeden Fall, dann glauben mir die Leute. Sie, Frau Hegemann, spornt dagegen eher Widerspruch an?

    Die Redakteure M a x F e l l M a n n und l a r a F r I t z s c H e haben nach diesem Gesprch beschlossen: Wenn sie ir-gendwann mal einen Roman oder einen Film schreiben, zeigen sie sich im SZ-Magazin auch in Schlafanzgen. Aus unerfindlichen Grnden hielten ihre Redaktionskollegen das bisher fr eher nicht ntig.

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