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MAGAZIN FÜR ARCHITEKTUR NO 1 MÄRZ 2016

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Magazin für Architektur

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MAGAZIN FÜR ARCHITEKTUR NO 1 MÄRZ 2016

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Impressum

QuerMagazin für Architektur 1. Jahrgang 2016

Herausgeberin Fachkom GmbHSpinnereistrasse 12Postfach 175 8135 Langnau a.A.Tel. 043 377 89 [email protected] quer-architektur.ch Geschäftsleitung Renato [email protected] Bettina [email protected]

Chefredaktor Beat [email protected]

Autoren Matthias MächlerStephan BoppartFritz SchaapBeat Matter

Grafik Design Olivia Zwyssig Werbezoo Zürich

Inseratebuchungen Tel. 043 377 89 04 [email protected]

AbonnementeTel. 043 377 89 [email protected]

Abopreis Inland: 85.– CHF (inkl. MwSt.)Ausland: 95.– €

Erscheinung 4-mal jährlich

Auflage5000 Exemplare

DruckDruckerei galledia ag Flawil

ISSN 2297-7678

Querformat für quere IdeenEin Querdenker ist nach Duden jemand, der originell denkt,

dessen Ideen aber oft nicht verstanden werden. Ein Quer-schläger ist nach demselben Duden entweder ein

Geschoss, das aufgrund von Mängeln oder nach einem Aufprall in unkontrollierbarer Richtung fliegt. Oder jemand,

der sich widersetzt. Im ausladenden Panorama-Format liegt die erste Ausgabe von «Quer» vor Ihnen.

Welcher Duden‘schen Variante unser neues Magazin für Architektur entspricht, wollen wir gar nicht festlegen.

Je nach Beitrag darf das durchaus variieren.

Was wir aber wollen, ist viermal jährlich ausser-gewöhnlichen Projekten, Ideen, Ansätzen und vor allem

Köpfen aus der nationalen und internationalen Architektur- und Bauwelt viel Raum geben. Um zu inspirieren

und anzuregen, um zu provozieren und vielleicht auch mal aufzuregen.

Zu diesem Zweck haben sich in dieser ersten Ausgabe ein paar bilderbuchartige Querköpfe zusammengefunden:

Vincent Callebaut etwa, der mit seinen Gedanken ein paar Jahrzehnte voraus ist. Oder Michael Reynolds, der mit dem,

was andere nicht mehr brauchen, nachhaltige Gebäude baut. Das Team von Daluz Gonzalez & Cajos

Architekten mit seinen eigenständigen Kreationen. Und die jungen Leute von Archilogic, die mit viel digitalem

Know-how aus wenigen Planinformationen begehbare virtuelle Realitäten bauen.

Ich freue mich, wenn Sie sich ein Weilchen dazusetzen.

Beat Matter, Chefredaktor

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open your mind

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4 – 5SZENE – TOP & FLOPWer brilliert und wer verliert

6 – 11ARCHITEKTUR – GLASHAUSAmazing Grace Farms

12 –14ARCHITEKTUR – PLUG & PLAYHaus to go

16 – 20ARCHITEKTUR – INSEL-UTOPIEDer Zeit voraus: Vincents Visionen

22 – 24ENTWICKLUNG – SMART CITYSieben städtebauliche Kernthemen

26 – 30GELD – WOLKENKRATZERHoch hinaus

32 – 39QUERKOPF – MICHAEL REYNOLDSDer Herr der Müllhäuser

40 – 42QUERKÖPFE – ARCHILOGIC3D Virtual Tours

44 – 48QUERKÖPFE – DALUZ GONZALEZ & CAJOSSpiel mit dem Risiko

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Alejandro AravenaÜberraschend, aber nicht minder verdient, wird dem Chilenen im April die Pritzker-Auszeichnung überreicht. Der 48-Jährige fokussiert nicht auf Prestige-Objekte, sondern will mit seinen Bauten helfen, soziale Probleme, etwa in südamerikanischen Metropolen, zu entschärfen. Der Jury gefällt das. Uns auch. www.elementalchile.cl

FlüchtlingsarchitekturIn München entsteht in diesen Tagen eine Mustersiedlung für Flüchtlinge von Yes Architecture. Derweil wird erfrischende architektonische Willkommenskultur hart kritisiert. Gute Architektur sei auf Konstanz ausgelegt, heisst es etwa. Und wenn schon. Die Flüchtlingsbewegung ist wohl nicht als temporäres Phänomen zu werten. www.yes-architecture.com

Bjarke IngelsDer dänische Architekt surft mit seinem Büro BIG auf einer Popularitätswelle. Das machte sich Etienne Duval im Januar zunutze, indem er seine Bewerbung an BIG als Rap-Video auf YouTube veröffentlichte. Darin zu sehen: Ingels mit Bling-Bling-Kette und schrägem Cap. Der Chef zum Video: «Duval made my day!». www.big.dk

Architektur-Noten1500 Leser des «Tages-Anzeigers» benoteten prominente Neubauten in der Stadt Zürich. Mit einem Durchschnitt von 5,0 schwang das Schul-haus Leutschenbach obenaus, die Europaalleekassierte eine 3,5. Mit 3,9 fiel der Gesamt-schnitt ernüchternd aus. Dass das Volk seine Architektur öffentlich beurteilt, ist hingegen top.

Christian MennIm Abstimmungskampf über die Sanierung des Gotthardtunnels meldete sich Ingenieur-Legende Christian Menn mit der Alternative einer ausge-bauten Passstrasse mit Scheiteltunnel zu Wort. Menn kritisierte zudem, dass für ein Projekt dieses Volumens kein Wettbe-werb ausgeschrieben wor-den sei. Behördenschreck mit 89 Jahren, Chapeau! www.christian-menn.ch

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Herzog & de MeuronDass aus der Arbeit des Basler Büros nebst Bauten auch Möbelstücke hervorgehen, ist nicht neu. Neu ist aber, dass Herzog & de Meuron ihre Hocker, Kleiderhaken und Lampen in einem eigenen Online-Shop anbieten. Macht das Sinn? Unsere Einschätzung: Wir stehen auf die Basler. Drauf sitzen tun wir nicht. www.objects.herzogdemeuron.com

DezeenSo geschätzt Dezeen, das preisgekrönte UK-Magazin für Architektur und Design, als Fundgrube für Neues und bisweilen auch für Klatsch und Tratsch ist, so penetrant nervig und effektheischend ist die Social-Media-Präsenz der Briten. Höhepunkt der letzten Tage auf Twitter: «Competition! Win a pasta and sauce set». Die Nachfrage «Seriously?» blieb unbeantwortet. www.dezeen.com

Neubau-Sanierung Am Schulhaus Falletsche in Zürich waren inden letzten Jahren Sanierungsarbeiten nötig. Für rund 2 Millionen Franken wurden zunächst Lüftungsschächte neu verlegt, da Wasser ein-getreten war. Für 1,2 Millionen Franken wurden weiter neue Storen montiert. Kein Problem, wäre der Erweiterungsbau nicht erst vor 7 Jahren für etwa 30 Millionen Franken gebaut worden. www.stadt-zuerich.ch

Michael MüllerAls Aufsichtsratschef des Projekts Flughafen Berlin Brandenburg ist er nicht zu beneiden. Seit 2006 wird am Flughafen gebaut. Statt einer werden gegen sechs Milliarden Euro eingeschossen, zahllose Termine wurden verschoben. Immerhin liest man auf der Projekt-Homepage: «Klare Ziele – klare Übersicht». www.berlin-airport.de

Zaha HadidDer Superstar erlebt bewegte Tage: Im Herbst marschierte sie aus einem Interview mit der BBC, als das Gespräch auf Probleme auf ihrer Baustelle in Katar kam. Ende Jahr trompetete sie, Kengo Kumas Siegerprojekt für das Olympia-Stadion in Tokio weise bemerkenswerte Ähnlich-keiten mit ihrem abgeschossenen Projekt auf. Wir wünschen uns: Mehr Projekte, weniger Wind. www.zaha-hadid.com

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Nicht, dass es in New Canaan an Orten gefehlt hätte, die Menschen erstellten, um die Natur zu geniessen. Aus der Vogelperspektive erscheint die amerikanische Kleinstadt mit rund 20 000 Ein-wohnern wie eine einzige Wald- und Grünfläche. Die Bewohner des Städtchens mögen das Gefühl, so zu leben, wie sie sich vorstellen, dass es sich früher einmal lebte auf dem Land. Mit dem Zusatz, dass es sich um überaus reiche Bewohner handelt. Als vor 150 Jahren eine direkte Bahnverbindung zwischen New Canaan und der nur 50 Meilen entfernten New York City eröffnet wurde, wandelte sich der idyllisch gelegene Ort zusehends zum Weiler, in dem reiche New Yorker «ihre Wochenendhäuser bauten und in einer Luxusversion das einfache Leben der ersten Siedler nachspielten, das ihnen in der Millionenmetropole New York mehr und mehr abhanden kam», las man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Heute ist New Canaan die neuntreichste Gemeinde der USA, beim Einkommen pro Familie rangiert die Gemeinde landesweit auf Platz eins.Auf diesem Nährboden aus Natur und Geld gedieh in den letzten Jahrzehnten so etwas wie ein Freiluftmuseum für modernistische Architek-tur. Philip Johnson baute hier sein berühmtes Glashaus. Mit ihm verwirklichte sich die «Harvard Five» im Ort, eine Gruppe, zu denen in den 1940er-Jahren auch Marcel Breuer, John Johansen, Landis Gores und Eliot Noyes zählten.

Amazing Grace Farms

Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa

THE RIVER VON SANAA:

TEXT: BEAT MATTER FOTOS: IWAN BAAN, DEAN KAUFMAN, LISA BERG

In New Canaan ist für fast 70 Millionen Dollar ein Gebäude entstanden, das nichts wirklich ist: Es gibt kein drinnen und kein draussen. Es ist nicht so nach-haltig, wie es tut. Und unter keinen Umständen ist es keine Kirche, obwohl sie eine sein sollte.

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1 Modellansichten der Bibliothek (rechts) sowie des Betriebsbüros, das zwar zum Konzept gehört, aber nicht so transparent verkleidet ist wie der Rest des Raumprogramms.

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Ja keine KircheAm Nordrand dieses «Mekkas der avantgardisti-schen Architektur», wie es die NZZ jüngst nann-te, entstand nun auf einem 32 Hektaren grossen wildnatürlichen Grundstück das Zentrum Grace Farms mit einem aussergewöhnlichen Haupt-gebäude: «The River». Im vergangenen Herbst eröffnet, ist es das jüngste Werk des Pritzker- Preis-Duos Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa (Sanaa). Bauherrin ist die Grace Farms Foundation. Die Stiftung ist das Kind von Stiftungsratspräsi-dentin Sharon Prince und Gatte Robert, einem Spitzenkader bei Bridgewater, dem grössten Hedgefonds der Welt. Gemeinsam mit anderen Familien aus New Canaan gründeten die Princes nach der Jahrtausendwende die «Grace Com-munity Church». Ein protestantischer Kirchenbau sollte folgen, das Grundstück war schon gekauft, aus der gemischtgläubigen Gemeinde gab es

allerdings Widerstand dagegen. Nach Rechts-streitigkeiten wurde das Vorhaben zurückgezo-gen und neu aufgegleist. Aus der Grace Church ging im Jahr 2009 die Grace Farms Foundation als karitative (und des-halb steuerbefreite) Stiftung hervor. Sie vertrat eine neue, betont religionsübergreifende Vision für das Grundstück und machte sich sogleich auf die Suche nach einem Architekturbüro.Die Direktiven für die Anlage waren weit gefasst: Gefragt war «a venue of cultural interest and curiosity via open space, architecture, art and design in order to provide people with an opportunity to: 1. Experience Nature 2. Foster Community 3. Persue Justice», und ganz zuletzt: «Explore Faith». Im Sanaa-Büro in Tokio wusste man damit etwas anzufangen. Was Präsidentin Prince erstaunte: «Die Architekten sassen auf der anderen Seite der Weltkugel, verstanden aber sofort, was

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2 Wildromantische, aber durchaus gestaltete Waldlichtung von Grace Farms.

3 Künstlerische Gebetsteppiche von Olafur Eliasson im Kultraum.

4 Die Bibliothek mit Möbeln von Sanaa und Fotos aus derKonzeptphase von «The River».

wir meinten.» Im März 2010 bekam Sanaa den Zuschlag, nur wenige Tage, bevor dem Büro der Pritzker Preis zugesprochen wurde. 67 Millionen Dollar liess es sich die Foundation schliesslich kosten, um einen Komplex zu bauen für ganz unterschiedliche Nutzungen, der aber auch ein klein wenig Kirche ist, selbst wenn man das Wort in den Projektunterlagen tunlichst vermeidet.

Fünf Teiche im FlussAus den vagen Vorgaben entstanden ist zur Hauptsache ein 420 Meter langes Dach. Ein Dach auf schmalen Stahlstützen, das wie ein Fluss eine kleine Kuppe hinunter mäandriert.

Ein Hauch von lichtem Nichts. The River erlaubt Aus-, Ein- und Durchsicht.

Unterwegs bilden sich darunter fünf teich-ähnliche, komplett verglaste Räume mit unter-schiedlichen Grössen und Nutzungen. Zuoberst auf der Kuppe, nun also wieder an erster Stelle, thront der Kultraum für bis zu 700 Gäste. Er ist mit fast 2000 Quadratmetern der grösste Teich des Rivers. Und er ist, was «The River» eigentlich nicht sein darf: eine Kirche. Jeden Sonntag wird ein schlichtes Holzkreuz in den Raum gestellt und Gottesdienst gefeiert. Aber auch Vorlesungen finden hier statt.Über Fusswege und Treppen geht es unter dem Baldachin hinunter zur kleinen Bibliothek, weiter zum stattlichen Ess- und Wohnpavillon

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6 Grace Farms1. The River2. Scheunen3. Sportplätze4. Naturbelassene Feuchtgebiete5. Teich

7 The River1. Kultraum 2. Bibliothek3. Betriebsraum4. Gemeinschaftsraum mit Restauration5. Teepavillon6. Sporthalle

Überhaupt reiht sich «The River» nahtlos in die bisherige Arbeit des Architektenduos ein, die geprägt ist von Reduktion. Ihr Beton-Kubus in Essen ist so schnörkellos wie genial. Das New Museum of Contemporary Art in New York ist ein Paukenschlag, gerade weil es sich mit einem zurückhaltenden Auftritt in einem wenigschönen Quartier begnügt. Betonschwer und doch federleicht schliesslich das Rolex Learning Center für die ETH Lausanne, mit dem Sanaa auch in der Schweiz ein fixer Begriff wurde. Aus heutiger Sicht besonders interessant war der Serpentine Gallery Pavillon, den das Tokioter Büro 2009 in London präsentierte: Mit ganz schmalen Metallstützen und einem schlanken, metallisch spiegelnden Dach wirkt der Pavillon wie ein Ultraleicht-Modell für «The River».

mit Platz für 300 Personen, zum kleinen Tee-pavillon und ganz am Ende zum teilweise versenkten Sport- und Fitnessraum. Im Gebäude sollen Geist und Körper gefordert – und Aus-tausch, Soziales sowie Kunst gefördert werden. «Die Möglichkeiten sind so offen wie Gebäude und Anwesen selbst», sagt Präsidentin Prince.Der Bau schmiegt sich in die wilde, aber von Sanaa und Landschaftsarchitekt Olin durchaus gestaltete Umgebung, als wäre er gar nicht da. Dafür sorgt die schlanke Konstruktions-weise mit runden Stützen und geschwungenen Stahlträgern, welche das mit Aluminium-paneelen verkleidete Holzdach tragen. Und ebenso die geschwungenen grossflächigen Gläser, durch die die Grenze zwischen innen und aussen verschwimmt. Sanaa-typisch behielten die verwendeten Materialien ihre Eigenfarbe. Nur der Stahl ist weiss.

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Odyssee der MaterialienSo natürlich «The River» sich nun in die Grace Farm und in das Schaffen von Sanaa einfügt, so quer liegt das Gebäude punkto Nachhaltigkeit. Die Foundation legt zwar grossen Wert auf die Leed-Zertifikation der Baute. Und darauf, dass Geothermie genutzt wird. Und darauf, dass aus dem Holz der Bäume, die für das Gebäude weichen mussten, das Mobiliar gefertigt wurde, das Sanaa gleich mitentwarf. Unerwähnt aber bleibt, dass die spektakulären Spezialgläser, von denen 220 Stück verbaut wur-den, in England produziert, in Spanien gebogen und in Deutschland gefasst wurden. Oder auch, dass das Holz für das Dach – von der kleinen Latte bis zu 30 Meter langen verleimten Trägern – zwar von amerikanischen Spitzeichen stammt, diese allerdings tausende Kilometer entfernt an der kanadischen Westküste geschlagen wurden. Hervorgehoben wird stattdessen, dass auf der Baustelle keine Subunternehmer tätig waren, deren Büro weiter als 75 Meilen entfernt von New Canaan liegen. Dass Grace Farms mit «The River» nicht nur für Wohlhabende zugänglich ist, sondern jeder-mann kostenlos offensteht, stimmt zwar versöhn-lich. Dennoch ist «The River» – wie vieles andere auch im Ort: Minimalismus reicher Leute..

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HAUS TO GO

Vollbelegung: Kasita-Gerüst mit schlanker Grundfläche und neun Units. Hier sogar mit Option Dachterrasse.

Wie in der Innenstadt bezahlbaren Wohnraum finden? Wie stressfrei umziehen? Wie städtische Restbrachen nutzen?Der amerikanische Umweltwissenschaftler Jeff G. Wilson hat sich solche Fragen gestellt und präsentiert jetzt eine mögliche Antwort. Sein Ansatz kommt im Diminutiv daher: «Kasita» heisst das so modulare wie mobile Wohnkon-zept, das Wilson mit seinem Start-up in Austin (USA) entwickelt und in prototypischen Teilen realisiert hat. «Casita» heissen in Spanien kleine Häuschen oder Hüttchen.

Klein, aber smart«Kasita» besteht aus zwei Hauptbauteilen: Die mobile Wohneinheit («Kasita-Unit») und das stationäre Gerüst («Kasita-Rack»), in dem die Units verstaut und angeschlossen werden. Die Wohneinheit kommt wie ein aufgeblasener Schiffscontainer daher. Mit 20 Quadratmetern Grundfläche und 3 Metern Höhe ist sie rund 30 Prozent grösser als ein solcher.Das Loggia-ähnliche und dimmbar verglaste Frontende kragt leicht aus. Seitlich ist das Element verschalt. Der Zugang zur Wohnung so-wie die Anschlussventile für Strom, Wasser und Abwasser sind rückseitig organisiert. Die Einheit ist klein, aber gut ausgestattet: Eine Küche mit Herd, Ofen und Geschirrspüler ist ebenso vorhanden wie der eigene Waschturm, ein Bad mit Stehdusche und das vollwertige, aber versenkbare 1,4 Meter breite Bett.

Kasita-Kopf Wilson kennt sich mit den Heraus-forderungen und Ärgernissen des Wohnens auf kleinstem Raum aus. Für das experimentelle «Dumpster Project» wohnte er während eines Jahres in einem Container mit gerade einmal 3 Quadratmetern Fläche, den er nach und nach zu einer rudimentären, aber nachhaltigen Wohnzelle ausbaute. Wilson, mit keckem Blick hinter einer dicken schwarzen Brille, hat dabei essentielle Erfahrungen gesammelt, um «Kasita» voranzutreiben. Die Kasita-Unit will nicht nur klein und mobil, sondern auch ein Smart Home sein: Über eine Sprachsteuerung wird das Glas am Frontende der Wohnzelle gedimmt, die Soundanlage oder beispielsweise auch das Licht gesteuert. Den Strom bezieht die Zelle in einem ersten Schritt über das Gerüst. Später könnten die Units mit Solarzellen und Tesla-Akkumulatoren ausgestattet werden.

Das Start-up-Unternehmen Kasita präsentiert eine gleichnamige Wohn-lösung, die so mobil sein soll wie ihre Bewohner. Dem anregenden Projekt kommt nur ein Detail in die Quere: die Realität.

TEXT: BEAT MATTER FOTOS: KASITA

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Alles da, was das Edelcamper-Herz begehrt: Multifunktionale Loggia, modulare Wandelemente, einschiebbares Bett/Sofa.

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1 Auch die kleine Küche und ein funktionales Badezimmer finden Platz.

2 Das Kasita-Team um Jeff G. Wilson (mit Strohhut).

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Das stationäre Gerüst ist eine rohe Stahlkonstruk-tion, in die nach Vorstellung von Kasita sechs bis neun Wohneinheiten eingeschoben werden können. Das Gerüst ermöglicht den Zugang zu den Einheiten und versorgt sie mit Strom und Wasser.

Faktor MobilitätDie Ideen, an die sich Kasita anlehnt, sind nichtneu. Wer sich mit dem Suchbegriff «Tiny Houses» auf Google-Bildersuche begibt, entdeckt abertausende von mehr oder weniger kreativen Ansätzen für das Wohnen auf kleinem Raum. In Dübendorf realisiert die Empa mit NEST einen «Backbone», auf dem mobile Forschungsunits platziert werden können. In Tokio hat Architekt Kisho Kurokawa bereits in den 1960er-Jahren ein ganzes Hochhaus mit potenziell austausch- und erweiterbaren «Kapseln» entworfen. Sein Naka-gin Capsule Tower wurde 1972 fertiggestellt. Seither wurde jedoch nie eine Kapsel ausge-tauscht.Demgegenüber ist Mobilität bei Kasita zen-tral. Ein Zielpublikum aus «urban millennials, professionals and singles» soll die gewohnten vier Wände einfach mitnehmen, wenn es wieder einmal von einer Stadt in die nächste oder von einem Land ins andere hüpft. Ein Lastwagen soll die Units transportieren, den die Bewohner sim-

pel per Smartphone bestellen. Soweit die Vision.In der Realität beginnt das System frühestens dann zu funktionieren, wenn mehrere Kasita-Gerüste gebaut sind. Noch gibt es kein einziges. Gemäss Angaben von Kasita will man diesen Sommer das erste Gerüst in Austins Innenstadt erstellen. Ab 2017 soll das Netz auf weitere Städ-te ausgedehnt werden. In den avisierten Metro-polen will Kasita jeweils innerstädtische Grund-stücke für ihre Gerüste finden, die ungenutzt sind und aus unterschiedlichen Gründen nicht anderweitig entwickelt werden können. Wilson schätzt den Grundstückbedarf für ein Gerüst auf weniger als 100 Quadratmeter. «Damit sind wir in der Lage, auch kleine und schmale Grund-stücke zu nutzen», sagte Wilson gegenüber dem US-Magazin Fast Company. Auf solchen ungenutzten Lücken soll Wohnen zu Preisen weit unter dem Marktdurchschnitt angeboten werden können.

Utopie vs. RealitätDie Kasita-Welt ist mobil, hat glatte Ober-flächen, kommt cool daher und regt mit der Absicht, innerstädtische Lücken in Substanz und Angebot zu stopfen, die Fantasie an. Denkt man den Ansatz jedoch bis in die Realität weiter, stellen sich Fragen. Etwa diese: Wie soll ein Kasita-Umzug

vonstattengehen, ohne dass er Low-Budget-Millennials ruiniert? Die Unit muss per Kran aus dem Gerüst gehoben, per Lastwagen, Schiff oder Flugzeug transportiert und am Zielort wieder mit einem Kran ins neue Gerüst gehievt werden. Den zwergenhaften 20-Quadrat-meter-Haushalt auf diese Weise zu zügeln, dürfte mehrere bis viele tausend Franken kosten. Oder diese: Wie soll cooles Wohnen in gefrag-ten Innenstädten preisgünstig bleiben, ohne dass jegliche Marktmechanismen ausgeschaltet werden? Ein attraktives Angebot, wie Kasita es vordenkt, erzeugt Nachfrage. Und diese erhöht in der realen Welt den Preis. Auch jenen von ganz kleinen Units. .

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Vincents Visionen

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90 Jahre nachdem Le Corbusier seinen Plan Voisin vorstellte, der einen Radikalumbau von Paris vorsah, trat im vergangenen Sommer der belgische Architekt Vincent Callebaut an einer TEDx-Veranstaltung in Frankreich auf. Ohne jeden Anflug von Ironie erklärte er sein Vorhaben, Paris neu zu bauen. «Paris Smart City 2050» heisst das Konzept, das der 38-Jährige im Auf-trag der Pariser Stadtverwaltung entwickelt hat. Diese sucht nach greifbaren Visionen, um ihren ambitionierten Klimaschutzplan umzusetzen, der eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Hauptstadt um 75 Prozent in den nächsten 35 Jahren vorsieht. Und Visionen, das ist Calle-bauts Kernkompetenz.In den vergangenen Jahren waren die grellbun-ten Bilder von Callebauts Gedankengebäuden geradezu inflationär in den Medien präsent. Vor allem Online-Medien fahren ab auf das Mate-rial. Kein Wunder, denn Callebaut weiss, womit man in der modernen Informationsgesellschaft Aufmerksamkeit erlangt: mit Bildern, Videos und inspirierende Stories dazu. Über ihn selbst weiss man indes wenig. Wie viele andere Kopfarbeiter seiner jungen Generation, stellt Callebaut sein Schaffen rege und aktiv zur Diskussion, nicht aber seine Person.

Blick frei machenCallebaut – geboren 1977 – wuchs in einem klei-nen Bergbauort in der westbelgischen Provinz Hennegau auf. Einst ein bedeutendes Steinkohle-gebiet, verpasste es nach Weltkriegen und Welt-wirtschaftskrise den Strukturwandel und endete als Region mit den höchsten Arbeitslosen-zahlen ganz Belgiens. In dieser wandlungsverschlafenen Gegend inte-ressierte sich der kleine Vincent zunächst eher für den Obstgarten seiner Grosseltern, als für grosse Visionen. Erst als Jugendlicher entschied er sich für die Architektur. Er studierte in Brüssel, wo er im Jahr 2000 mit einer

TEXT: BEAT MATTER FOTOS: PD

Schwimminseln für Klimaflüchtlinge oder Algenfarmen, die Kohlendioxid für Luftschiffe wiederverwerten. In Vincent Callebauts Kopf ist alles möglich. Sein jüngstes Konzept nutzt Meeresmüll als Baustoff.

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preisgekrönten Diplomarbeit abschloss. Dank Stipendien und mehreren Praktika fasste er danach in Paris Fuss, wo er sein Büro, Vincent Callebaut Architectures S.A.R.L, gründete. Bis heute haben ihm seine weitreichenden Ideen zahlreiche mehr oder weniger berühmte Preise eingebracht.Mit seinem Büro lief Callebaut seither nie Ge-fahr, im Konventionellen zu veröden. Der Welt der Bauvorschriften, Bewilligungen und Zonen-pläne entzieht er sich. Er sprengt Grenzen, um den Blick frei zu machen für das grosse Ganze. So entwickelte er 2005 beispielsweise mit «Ge-neva 2020» einen umfassenden Ansatz, wie Teile von Genf renaturiert werden könnten. 2008 stell-te er den Prototypen «Lilypad» vor, eine autarke schwimmende Plattform, die 50 000 Klimaflücht-linge aufnehmen kann. 2009 folgte mit «Butter-fly» das wohl meistgezeigte Konzept Callebauts, in dem er ein knapp 600 Meter hohes Hochhaus mit integrierter vertikaler Landwirtschaft in den Hafen von New York stellte. Und 2010 das unfassbare Hydrogenase-Projekt, in dem eine Algenfarm Kohlendioxid für den Betrieb von biohydrogenen Luftschiffen wiederverwertet.

Inseln aus PlastikmüllMit seinen Konzepten der «ecological architec-ture» stellt sich Callebaut in eine Reihe mit Archi-tekten, Wissenschaftlern und Intellektuellen, die sich im weitesten Sinne mit zwei Fragestellungen auseinandersetzen: Was tun, um den Klima-kollaps abzuwenden? Und was tun, wenn das nicht gelingt? Letzteres inspiriert nicht nur Hollywood, sondern auch die Wissenschaft. Be-reits 1986 wurde in Arizona etwa «Biosphere 2» gebaut. Es war der Versuch, mit einem luftdicht abgeschlossenen Komplex auf 13 000 Quadrat-metern Fläche einen autarken Raum zu schaffen, in dem Menschen überleben könnten, wenn die Biosphäre 1 – die Erde – unbewohnbar geworden wäre. Callebauts «Lilypad»-Inseln waren 20 Jahre

1 Futuristische Insel-gruppe: Aequoreas mit vorgelagerten Anlege-stellen für die Müll-sammel-Schiffe.

2 Innenansicht eines Hafenportals. Auf der Plattform könnten auch Gemüse und Obst angebaut werden.

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später im gleichen Kontext zu verstehen.Am Übergang zwischen Klimarettung und Post-Apokalypsen-Szenario ist nun Callebauts jüngstes Konzept anzusiedeln: «Aequorea». Die Vision findet wieder auf und unter der Wasser-oberfläche statt, geht thematisch vom Problem der Meeresverschmutzung durch Plastikmüll aus und schlingert wieder zur Option der autarken Unterkunft von tausenden Klimaflüchtlingen.Bei den «Aequoreas» handelt es sich um Plattformen mit 500 Metern Durchmesser, die mit einem langen Unterbau tief ins Meer und indirekt bis an den Meeresgrund fortreichen, dabei aber schwimmende Körper sind. Gefertigt werden sollen die Konstrukte aus Algoplast, einem noch nicht erfundenen Baumaterial aus Algen und rezykliertem Plastik, das als Rohstoff für den 3D-Druck verwendet werden kann. Das Plastik wird dem Meer entnommen, wo jährlich Millionen Tonnen davon landen und mittlerweile veritable Müllinseln bilden. Es ist der bestechende Teil des Konzepts und gleichzeitig ein Beispiel für Callebauts interdiszi-plinäres Denken, dass er anregt, den Meeresmüll als Ressource zu verstehen und damit dessen Beseitigung ökonomisch attraktiv zu machen. Unter der Wasseroberfläche zeigt sich, wes-halb das Konzept nach einer Qualle (Aequorea victoria) benannt ist. Tentakelförmige Fortsätze umgarnen den vertikalen «Oceanscraper», der sich unterhalb der Plattform mit bis zu 250 Ge-schossen in die Tiefe schraubt. Die Arme sorgen gemeinsam mit der aquadynamischen Form-gebung des Tiefhauses für eine stabile Lage des Gebildes im Wasser. Auf jeder «Aequorea» sollen bis zu 20 000 Personen leben und arbeiten können.Auch bei diesem Konzept spielt der Gedanke der Autarkie und folglich der integrierten Land- und Energiewirtschaft eine wichtige Rolle. Am Meeresgrund unterhalb der «Aequoreas» ist ein volutenförmiges Wasserkraftwerk

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3 Das Gebilde wird stabilisiert durch den schraubenförmigen Unterbau sowie die flexiblen Tentakel.

4 Auf dem Grund unterhalb der Aequorea produziert ein Unterwasserkraftwerk mit Wasserturbinen Strom.

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angelegt, das umgeben ist von Wasserturbi-nen. In Strom umgewandelt wird einerseits Bewegungsenergie und andererseits thermische Energie, die aus dem Temperaturunterschied des Wassers am Grund und oben im «Gebäude» resultiert. Für Trinkwasser wird Meerwasser entsalzt, Licht im Untergrund spenden Mikroorganismen in der doppelwandigen Aussenhaut. Sie produzieren ein Enzym, das Licht aussendet, sobald es oxi-diert. Auch die namensgebende Meeresqualle weist am Rand ihres Körpers fluoreszierende Punkte auf.Der Detailgrad des Konzepts ist erstaunlich: Von Meeresmuscheln schaut sich Callebaut einen Prozess ab, mit dem die «Aequoreas» selbständig weiterwachsen könnten. Die Wassergefährte, die den Müll einfangen, weisen die Geometrie der Klein-Flasche auf. Sogar ein Preisschild hängt der Architekt seinem Projekt um: Mit 1950 Euro pro Quadratmeter lägen die Baukosten nach seiner Vorstellung unter dem Preis für einen mit-tleren Schweizer Ausbaustandard. Hier wie auch bei allen anderen Visionen betont Callebaut die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit seines Konzepts.

Wenig gebaut, viel inspiriertAllerdings: Realisiert werden die Visionen bis-lang kaum. Rare Ausnahme ist «Agora Garden», ein nachhaltiger Wohnturm in Taipeh, der noch in diesem Jahr fertiggestellt werden soll. Und auch in Kairo steht ein Callebaut-Projekt in der Realisierungsphase. Ärgert es ihn nicht, dass von so viel Denkarbeit bislang nur wenig gebaut wird? Und wie finanziert sich ein Architekturbüro, das viel denkt, aber wenig baut? Solche Fragen möchte Callebauts Büro auch nach mehrmaliger Anfrage nicht beantworten. Dutzende Bilder von Projekten liefert es aber umgehend..

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Doppelwandige und grossflächig transparente Aussenhaut. Sie ermöglicht Aussicht sowie Lichtproduktion durch Mikroorganismen.

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«Entwicklung Schweiz»:Ein Branchenverband auf dem Weg in die Zukunft.

«Entwicklung Schweiz» repräsentiert als Branchenverband die grossen Entwickler und Baudienstleister, die Gesamtdienstleistungen im Bau- und Immobilienmarkt anbieten.

«Entwicklung Schweiz» zählt zurzeit 20 Mitgliedfirmen, die über 10’000 Mitarbeitende beschäftigen und einen Umsatz von rund 10 Milliarden Franken erzielen. Der Name ist Programm, denn mit «Entwicklung Schweiz» geben die Verbandsmitglieder zum Ausdruck, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen für die Lebens- und Wohnqualität in unserem Land; weitsichtig, gesamtheitlich und nachhaltig zu planen und so einen Beitrag an eine gesellschaftlich verträgliche sowie ökonomisch und ökologisch sinnvolle Entwicklung der Schweiz zu leisten und sich dafür in vielen Bereichen in der Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft wie auch in der Nachwuchs-förderung persönlich einzubringen.

«Entwicklung Schweiz» für eine lebenswerte Schweiz.

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Die Mitglieder:

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Anliker AG

BAM Swiss AG

BAT-MANN Constructeur intégral SA

CAS Generalunternehmung AG

C. VanoliGeneralunternehmung AG

EBERLI SARNEN AG

Frutiger AG

Glanzmann Generalunternehmung AG

GrossGeneralunternehmung AG

Halter AG

HRS Real Estate AG

Implenia AG

IMMOROC SA Entreprise générale

Leuthard Baumangement AG

LOSINGER MARAZZI AG

Marti Generalunternehmung AG

Priora AG

Rhomberg Bau AG

Steiner AG

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Schon heute organisieren wir weite Teile unseres Lebens über die Apps auf unseren Handys und übers Internet. Entsprechend vernetzt wird die Stadt von morgen sein. «Das digitale Spinnen-netz wird zum allumfassenden Thema», sagt Stefan-Martin Dambacher. «Wir werden bereits in naher Zukunft nicht mehr von der Stadt an sich sprechen, sondern von urbanen Systemen, die untereinander kommunizieren.» Neben stadtsoziologischen und infrastrukturellen As-pekten sei diese digitale Vernetzung die grösste Herausforderung der nächsten Jahre und werde uns noch weit mehr beschäftigen als Energie-neutralität oder intelligente Werkstoffe, prophe-zeit der Leiter Projektentwicklung bei Mobimo.Dieses digitale Netz wird sämtliche Themenfelder des urbanen Lebens umspannen – und eine Stadt auch äusserst verwundbar machen. Die Funktionsfähigkeit und die Sicherheit der Bürger in der Stadt von morgen hingen darum stark von der «Urban Governance» ab, sagt Dambacher:

City«Es braucht neue Lenkungsformen, die das öffentliche, private und zivile Leben regeln – mit dem Ziel einer gemeinschaftlichen Handlungs-fähigkeit.» Mit «Urban Governance» sind unter anderempolitische Entwicklungsprozesse durch Einbin-dung der Stadtbewohner gemeint. Also Massnahmen, um komplexe Entschei-dungsprozesse transparenter zu gestalten und die verschiedenen Interessengruppen bereits in die Planungsphase einzubinden. Dambacher: «Beim Thema Governance gilt es aber auch sicherzustellen, dass durch die digitale Vernet-zung der urbanen Systeme die Stadtentwicklung nicht nur von den Interessen der grossen Infor-mations- und Kommunikationsanbieter domi-niert wird, sondern vor allem den Bewohnern der Stadt dient.»

1. Urbane Prozesse Vision: In der Smart City sind die Wege der Bewohner kurz, die Lebens- und Arbeitsstile individuell. Und bei der Weiterentwicklung ihrer Stadt geniessen die Bewohner zahlreiche Möglichkeiten zur Mitbestimmung.

Dambacher: Das Thema Partizipation ist zentral für urbane Prozesse: Grosse städtebauliche Erweiterungen werden es schwer haben ohne Einbezug der stimmberechtigten Bevölkerung –

also auch der Projektgegner. Wer als Projekt-Initiant an der Urne die Mehrheit erreichen will, muss aber gleichzeitig aufzeigen, wo die Grenze des Partizipationsprozesses liegt. Partizipation ist eine Führungsaufgabe, die klar beim Initianten liegt: Eine Mitwirkung darf nicht endlos laufen, da sie sonst an Prägnanz verliert. Zudem müssen Gegenargumente bewusst in den Entwicklungs-prozess aufgenommen werden, sonst wider-spricht der Initiant seinem eigenen Handeln. Nur Städte mit griffigen Steuerungsmöglichkeiten werden deshalb eine Chance haben, urbane Prozesse erfolgreich durchzusetzen.

2. EnergieneutralitätVision: Ziel der Smart City sind die «CO2 -Neu-tralität» und eine eigenständige Energieversor-gung. Die Bewohner sind sogenannte Prosu-menten: Verbraucher, die gleichzeitig Energie produzieren. Als hybrider Energiespeicher wird die Smart City die Speichermedien der Bewohner virtuell vernetzen und ausbalancieren.

Dambacher: Wir werden in zehn Jahren noch nicht CO2-neutral sein. Aber im Vergleich zu heute werden wir einen grossen Schritt weiter sein. Obwohl es heute schon technisch möglich wäre, dass jedes Haus seine eigene Energie erzeugt, verlangsamt die Verflechtung von wirt-schaftspolitischen Interessen die Entwicklung.

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Auf welche Visionen baut die Stadt von morgen – und wie weit sind wir heute in der Schweiz? Stefan-Martin Dambacher, Leiter Projektentwicklung bei Mobimo, kommentiert sieben grosse städtebauliche Kernthemen.

TEXT: MATTHIAS MÄCHLER FOTOS: MICHAEL KESSLER, CATHERINE LEUTENEGGER

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1. Urbane Prozesse

2. Energieneutralität

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Aufgrund noch nicht ausgereifter Technologien sind Gas oder Öl teilweise immer noch billiger. Es hängt viel vom Willen des Konsumenten ab, für Nachhaltigkeit tiefer in die Tasche zu greifen. Oder vom Coolness-Faktor einer Firma wie Tesla: Die Herstellerin von Elektroautos will ihre Kunden in den nächsten zehn Jahren mit Gerä-ten ausstatten, die nicht nur für ihre Autos Strom herstellen, sondern auch für ihre Häuser.

Vision: Flexible Fassaden können Energie gewin-nen, Lärm reduzieren, die Luft filtern sowie che-mische und biologische Schadstoffe bekämpfen. Im Zuge des verdichteten Bauens werden die Dächer als Begegnungsoasen genutzt. Die Bewohner fühlen sich wohl in ihren Quartieren und müssen keine weiten Wege gehen, um Abwechslung zu finden.

Dambacher: Die Entwicklung neuer Technolo-gien ist in vollem Gang. Speichermedien werden immer besser, Dämmmaterialien immer dün-ner, Glas lässt immer weniger Hitze und Kälte durch, Häuser speichern Wärme immer besser. Mindestens so wichtig sind aber auch stadtso-ziologische Themen: Im Gegensatz zu vielen Retortenquartieren, die in den letzten 20 Jahren entstanden sind, streben wir einen nachhaltigen Städtebau mit durchdachten Begegnungs- und Interaktionsflächen an. Wir sind überzeugt: Ein Quartier funktioniert nur, wenn sich die Men-schen tatsächlich begegnen. Bei Quartiersent-wicklungen sind für Mobimo darum der nicht bebaute Raum und die Etablierung von Quar-tierzentren zentral.

Vision: Die Smart City importiert möglichst wenig und produziert möglichst viel für den Eigenbedarf selber. Zur Aufgabe der Stadt

3. Architektur und Städtebau

4. Produktion und Logistik

Stefan-Martin Dambacher

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gehört es, effiziente Produktionsstätten undeine funktionierende Logistik zu fördern.

Dambacher: Das ist ein sehr komplexes Thema – und gerade sehr aktuell in allen grösseren Städ-ten weltweit. Die Zeiten, in denen sich innerhalb grosser Städte in der Schweiz produzierende Industrie angesiedelt hat, sind längst vorbei. Es geht nicht nur um den Raum, den solche Produktionen benötigen, sondern vor allem um Emissionen, Lärm und die Ver- und Entsorgung von Gütern in einem Umfeld, das geprägt ist von einer vielfältigen Mischnutzung aus Arbeit, Freizeit und Wohnen. Ich denke, wir müssen den Industriebegriff innerhalb eines urbanen Systems völlig neu definieren. Leider wird diese Diskussion heute oft noch viel zu idealistisch geführt.

5. Mobilität und VerkehrVision: Der Sharing-Gedanke ist umfassend. Sämtliche Mobilitätssysteme kommunizieren miteinander, Staus und Verkehrsunfälle gibt es praktisch keine mehr. Das selbstfahrende Auto ist Standard. Sämtliche Verkehrsträger sind emissionsneutral.

Dambacher: Das selbstfahrende Auto ist bereits Realität. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass diese Technologie massentransporttauglich wird. In Japan hat sogar die Regierung einen Autobauer bei der Entwicklung einer Wasserstoffbrenn-stoffzelle unterstützt. Ikea hat in London einen ganzen Stadtteil gebaut und mit modernster Mobilitäts- und Kommunikationstechnologie ausgestattet. Die Frage ist: Müssen wir als Mobi-mo aufpassen, dass wir unsere Kernkompetenz nicht an Firmen wie Google, Tesla oder Ikea abgeben, welche die Trends besser wahrneh-men und bereit sind, echte visionäre Ideen zu denken? Reicht es noch, wenn wir unsere Rolle lediglich als Immobilieninvestorin sehen? Momentan denke ich noch: ja – da wir sozu-

sagen die «Hardware» für unsere Mieter, also unsere «Software», bereitstellen. Diese Software ist vermutlich stärker von Trendentwicklungen betroffen, gerade im informations- und kommu-nikationstechnologischen Bereich. Die Immobi-lienwelt ist nach wie vor eine spezielle Industrie. Was nicht heisst, dass wir diese Entwicklungen nicht sehr genau verfolgen und aktiv in unsere Planungen mit einbeziehen.

6. Information und KommunikationVision: Flexibel, vernetzt, integriert und effizient: Die Smart City basiert auf aktuellen Informatio-nen, umfassender Kommunikation, permanen-tem Datenaustausch und Vernetzung in Echtzeit.

Dambacher: Ob ultraschnelles Gratis-WiFi auf der ganzen Stadtfläche, wie Google es gerade in New York anstrebt, oder Solarzellen für die Häuser: Die Vernetzung ist nicht aufzuhalten. Sehr viele grosse Konzerne werden dabei sehr viel Geld verlieren und darum alles daran setzen, die Zukunft noch ein wenig hinauszuzögern.Schon heute aber regeln wir via App die Fuss-

bodenheizung zu Hause und laden unser Flug-ticket aufs Smartphone. Die Zukunft wird durch Informationssysteme gesteuert – wir sind schon mittendrin.

7. Sicherheit und SchutzVision: Nicht nur die Polizei wird in der Smart City für Ruhe und Ordnung sorgen: Jeder Bürger und jedes öffentliche Gebäude ist Teil eines umfassenden Konzepts zur Widerstandsfähigkeit gegenüber Sicherheitsrisiken.

Dambacher: Retortenquartiere werden viel grös-sere Sicherheitsrisiken haben als ein heterogen gebautes Quartier, wo am Morgen um sechs die Bäckerei öffnet und um ein Uhr nachts die Bar schliesst, wo Begegnungsorte für einen sozialen Mix sorgen und die Menschen interagieren las-sen. Das bedeutet automatisch auch Sicherheit und Schutz. .Erschienen im Mobimo Magazin 2016.

5. Mobilität und Verkehr

6. Information und Kommunikation

7. Sicherheit und Schutz

1 Grundlage der Smart City: Vernetzung durch moderne Kommuni-kationstechnologie.

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HINAUSIst der Boden knapp und teuer, baut man einfach nach oben. Doch so einfach ist es nicht. Von der Ökonomie des Wolkenkratzerbaus.

TEXT: STEPHAN BOPPART

FOTO: UNSPLASH.COM

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Die Nachfrage nach Nutzfläche führt in Städten zu einem enormen Druck auf die Bodenpreise und zum Zwang, höher zu bauen. Dennoch wachsen nicht alle Grosszentren gleichermas-sen nach oben. Wenn der Hochhausbau nicht regulatorisch begrenzt ist, bestimmen ihn zwei Faktoren: die Bauökonomie und die Zahlungs-bereitschaft der Nutzer. 2014 wurden weltweit 97 Wolkenkratzer mit über 200 Metern Höhe fertiggestellt – ein neuer Rekord. Was ist der Anreiz, nach oben statt seit-wärts zu bauen? Ein Hochhaus kann – verglichen mit einem tiefergeschossigen Gebäude – auf der gleichen Fläche Land mehr Mietfläche anbieten. Entsprechend sinkt der Anteil der Land- an den Gesamtkosten. Je knapper und dementspre-chend teurer der Boden ist, desto grösser ist der Anreiz, die Nutzfläche durch Hochbauten zu vergrössern. Doch wie verhalten sich die Bau-kosten mit zunehmender Gebäudehöhe? Gibt es hier weitere Skaleneffekte, die den Hochhaus-bau ökonomisch erstrebenswert machen? Im Gegenteil: Je mehr Stockwerke, desto höher die Kosten für Struktur, Fassaden und Installationen. Dabei stellt die Tragstruktur den grössten Kostenblock dar – mehr als ein Fünftel der Gesamtkosten. Mit wachsender Höhe steigt das Gewicht, das die unteren Stockwerke tragen. Entsprechend müssen Wände und Strukturen stabiler ausgestaltet sein. Die Windbelastung, die in 500 Meter Höhe auf das Sechzigfache ansteigt, erfordert widerstandsfähigere Konstruktionen. Im 508 Meter hohen Taipei 101 ist beispielsweise ein 660 Tonnen schweres Pendel angebracht, das durch Wind verursachte Bewegungen des Gebäudes kompensiert. In gefährdeten Gebieten muss zudem die Erdbebensicherheit in der Konstruktion berück-sichtigt werden.

Sonnenlicht hat seinen Preis Die Fassade trägt zu den Kosten fast ebenso viel bei wie die tragende Struktur. Sie ist Wind und Wetter ausgesetzt und wichtig für die Belüftung und Beheizung des Gebäudes. Diese Aspekte wie auch Sicherheitsanforderungen machen spezielle Fenster nötig. Zudem verlangt die Architektur oft ein spezifisches Fassadendesign. Um die Kosten der Fassade zu reduzieren, bietet es sich an, Stockwerke mit viel Geschossfläche zu bauen, um entsprechend den Fassadenan-teil pro Stockwerk zu reduzieren. Das Bedürfnis der Nutzer nach Sonnenlicht steht dem aber entgegen. Bei Bürogebäuden liegt das Ver-hältnis von Fassaden zu Geschossfläche unter 0,5. Wohn- und Hotelhochhäuser benötigen allerdings deutlich mehr Fensterfläche. Komple-xe Grundrisse, wie der Y-förmige Burj Khalifa in Dubai, erhöhen das Verhältnis von Fassaden- zu Geschossfläche und sind dadurch kosteninten-siver. Einfache quadratische Grundrisse, wie das frühere World Trade Center, sind aus Sicht der Kosteneffizienz optimal. Wolkenkratzer stellen besonders hohe Anforde-rungen an die Haustechnik. Für den Transport von Wasser in die oberen Stockwerke braucht es Pumpen auf Zwischenstockwerken – auf Kosten vermietbarer Fläche. Heizung, Lüftung und Stromverteilung benötigen leistungsstarke Anlagen. Überproportional zur Gebäudehöhe steigen die Kosten für Aufzüge: Um Transport- und Wartezeiten zu begrenzen, sind viele und schnellere Lifte vonnöten. Die Flächeneffizienz stellt neben den Baukosten die zweite Herausforderung dar. Jeder nicht vermietete Quadratmeter schmälert die Rendite. Besonders viel Platz wird durch Liftinstallationen beansprucht, die meist im Kern des Gebäudes

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untergebracht sind, auch wenn deren Flächen-verbrauch durch das Stapeln von Liftschäch-ten begrenzt werden kann. Einzelne Kabinen bedienen dann nur einen Block von Etagen und werden durch Expresslifte ergänzt. Auch Sicherheitseinrichtungen wie Fluchttreppen und Feuerwehraufzüge benötigen Fläche im Gebäudekern. Heizung, Kühlung sowie Elektro-generatoren und Wasserpumpen werden meist in separaten Stockwerken installiert, doch auch das kostet Fläche. In modernen Hochhäusern machen diese Stockwerke rund 15 Prozent aus. Am Schluss resultiert eine Flächenausnutzung (Anteil der vermietbaren Fläche an der Gesamt-fläche) von ungefähr 70 Prozent. Bei tiefer-geschossigen Gebäuden kann diese hingegen bis zu 90 Prozent betragen.

Optimal: 50 bis 80 Stockwerke Mit zunehmender Gebäudehöhe stehen sinkende Landkosten steigenden Baukosten gegenüber, woraus eine U-förmige Kostenstruk-tur (siehe Grafik oben) resultiert. Je nach Preis für Land, Löhne und Material liegt das Optimum aus ökonomischer Sicht bei 50 bis 80 Stockwer-ken. Dennoch überschreiten viele Projekte diese Grenze. Das Prestige dürfte Bauherren oftmals wichtiger sein als die Kosteneffizienz. Der Bau des über 1000 Meter hohen Kingdom Tower in Dschidda (Saudi- Arabien) steht beispielhaft da-für – in einem Gebiet, wo Land nicht knapp ist. Die geplanten Baukosten für den Kingdom Tower liegen bei über 1,2 Milliarden US-Dollar. Den Nachteilen müssen also entsprechend höhere Ertragsmöglichkeiten gegenüberstehen. Hochhäuser stehen im Wettbewerb mit tieferge-schossigen Flächen und müssen einen Mehrwert bieten. Der Wolkenkratzer als Signal von Finanz-kraft und die damit verbundene Aufmerksamkeit können ein solcher sein. Wie bei den Petronas Towers in Kuala Lumpur, für die der Mineralöl-

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Quelle: Bulletin der Credit Suisse

Am meisten Hochhaus für einen FrankenHöher ist nicht immer billiger: Das Optimum liegt bei 50 bis 80 Stockwerken, danach nehmen die Quadratmeterkosten wieder zu.

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Die Sika Schweiz AG liefert Granulate für farbigen Beton und Mörtel, Betonzusatzmittel, Trennmittel und Produkte für den Oberflächenschutz. Wir bieten ausserdem ein umfassendes Servicepaket. Dies beinhaltet eine kompetente Beratung und Betreuung in allen Bauphasen, die Herstellung von Muster- platten sowie einen schnellen Lieferservice. www.sika.ch

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konzern als Hauptmieter auch Namensgeber ist. Für Wohn- und Geschäftsliegenschaften ist eine gute Aussicht in höheren Stockwerken ebenfalls ein Mehrwert, und Mieter sind bereit, dafür entsprechende Preise zu zahlen. Höhe allein kann aber den Profit nicht garantieren. Eine gute Erreichbarkeit des Standortes ist entschei-dend, und um sich von anderen Wolkenkratzern abzuheben, ist eine aussergewöhnliche Architektur – oder noch mehr Höhe – hilfreich. Stimmt die Zahlungsbereitschaft der Mieter mit den erhöhten Baukosten überein und lassen es die Baugesetze zu, lohnt es sich durchaus, an Lagen mit hohen Landkosten verdichtet – sprich (sehr) hoch – zu bauen. Das Resultat sind Hoch-hauslandschaften wie in Manhattan, Hongkong und neuerdings in chinesischen Städten wie Shenzhen oder Guangzhou. .Erschienen im «Bulletin» Nr.05/2015 der Credit Suisse.

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Klimatisierung, Belüftung, Elektro-, Sanitäranlagen

Fassaden

Lifte, Rolltreppen

Vorbereitungs-arbeiten, Gemeinkosten und Gewinnaufschlag, unvorhergesehene Veränderungen.

Innenwände, Verkleidungen

Fundament

Oberbau, Tragstruktur

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Was ein Wolkenkratzer kostetDie sieben Kostenblöcke eines fiktiven Hochhauses in der Londoner Innenstadt.

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Quelle: Council on Tall Buildings and Urban Habitat

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Der Amerikaner Michael Reynolds baut aus Dosen, alten Autoreifen und anderem Abfall umweltfreundliche Häuser, die in Sachen Energie autark sind. Er hat eine Akademie gegründet und exportiert seine Ideen nun in alle Welt.

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MULL- HAUSER

TEXT: FRITZ SCHAAP FOTOS: PATRICK TOMBOLA

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Müll stinkt, verschmutzt die Umwelt, stapelt sich auf Halden. Es gibt viel zu viel davon. Also baute Michael Reynolds in der Wüste New Mexicos sein erstes Haus aus alten Bierdosen. Das war 1971. Im Fernsehen liefen damals Berichte darüber, dass Weissblech-Dosen zum Problem würden. Im Fernsehen hiess es auch, dass grossflächige Rodungen im Norden Amerikas wahrscheinlich negative Folgen für die Umwelt haben könnten. Man war sich nicht sicher, die US-Sender waren der Industrie sehr verpflichtet. Es gab in Zukunft nicht nur zu viel Müll, sondern wahrscheinlich auch zu wenig Holz. So fing alles an.An einem kalten Wintermorgen, mehr als 40 Jahre später, steht Reynolds, 70, zerzauste graue Mäh-ne, auf dem Dach eines seiner Häuser. «Earth-ships» nennt er sie, Erdschiff. Anfangs hielt man ihn für einen Spinner. Jetzt tut das keiner mehr.Hier oben, auf diesem Dach, hat Reynolds einen ganz guten Überblick über sein Werk. Gut hun-dert seiner Häuser ducken sich hier in die karge Landschaft New Mexicos. Gebilde aus Glas, Lehm und Autoreifen, die aussehen, als hätten Gaudí oder Hundertwasser sie gebaut, manche sind gross mit Gewächshäusern, einem kleinen Dschungel mit Fischteich und Wasserfall, andere sind schlicht und funktional, eingegraben, als suchten sie Schutz vor dem eisigen Winter. Eines haben Reynolds‘ Häuser gemeinsam. Sie brau-chen kein Stromnetz, keine Wasserversorgung, keine Heizung, keine Klimaanlage. Sie versorgen sich selber, sie recyceln ihr Abwasser selbst.Reynolds ist Architekt, aber eigentlich trifft es das nicht. Architekt ist zu konventionell. Rey-nolds sagt: «Architektur heute ist Masturbation.» Es gebe die Stars, die als die guten Architekten gelten. Libeskind, Foster und natürlich Frank Gehry, solche Leute, die ihre Ideen verwirklichen, ihre Häuser fast wie Skulpturen bauen,

Der «Verrückte» mit der weissen Mähne: Michael Reynolds.

1 Kein Scheiss: Die Earthships verfügen über hauseigene Wasser-Aufbereitungsanlagen.

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die Stürme. Und er hat vor ein paar Jahren eine Akademie gegründet, an der junge Architekten lernen, wie man aus Material, das es überall gibt, und mit Abfällen, die es auch überall gibt, Häuser bauen kann, die nichts benötigen ausser Sonne und Regen.«Am Anfang», sagt Reynolds während er auf dem Hausdach seine Mähne unter eine Schaffellmütze stopft, «als ich Kollegen erzählte, was ich machte, liessen sie mich am Tresen stehen und sagten mir, ich sei eine Schande für den ganzen Berufsstand.» Heute gibt er multinationalen Konzernen, die sich mit ihm zusammentun wollen, gerne einen Korb. Er will sich nicht hineinreden lassen.

Pneus als ZiegelDer Haustyp, auf dessen Dach er steht, ist seine neueste Entwicklung. Er heisst Global Model Earthship, Reynolds baut es inzwischen in Serie. Die Landschaft ist von Schnee bedeckt, doch

sich aber einen Teufel um die Funktionalität, den Wert für den Bewohner oder gar die Welt sche-ren. Und dann gebe es das Heer der anderen. Die kämpften ums Überleben und bauten jeden Scheiss, nur weil sie das Geld brauchten.Reynolds will damit nichts zu tun haben. Er baut auf seine Art oder gar nicht, Häuser aus Müll, ohne Kompromisse. Die Bevölkerung der Welt wächst, die Energie wird knapp, das Wasser, die Rohstoffe. Dass das mal ein Problem sein würde, mag in den 70er-Jahren wie eine Utopie eines Verrückten gewirkt haben. Heute verbreiten sich Reynolds‘ Ideen mit rasanter Geschwindigkeit um den Erdball. Seine Earthships stehen in Holland, der Normandie, in Spanien, Schottland und England. Die Aufzählung liesse sich beliebig fortführen. Tausende Häuser weltweit, sagt Reynolds. Er hat angefangen, sie in Ländern und Gegenden zu bauen, die von Naturkata-strophen heimgesucht wurden. Als schnelle Hilfe für die Bevölkerung und als Schutzräume gegen

2 Manche Earthships scheinen direkt aus einem Märchen importiert worden zu sein.

3 Abgefahren: Reynolds vor einem Grundbaumaterial für seine Häuser: Autoreifen.

4 Schön ist, was funktional ist: Das Credo für alle Earthships.

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hier auf dem Metalldach ist nur ein dünner Was-serfilm. Die Dachheizung funktioniert. Und aus dem Schnee wird Wasser für das Haus werden.Die Heizung, das ist im Prinzip die Südseite des Hauses: eine einzige Fensterfront, auf die die Sonne den ganzen Tag scheint. Über der Fensterfront hängen die Solarpaneele, die das Haus mit Strom versorgen, daneben ein kleines Paneel, durch das Gefrierschutzmittel zirkuliert und das von der Sonne aufgeheizt wird. Rohre durchziehen das abschüssige Dach. Das Gefrier-schutzmittel fliesst hindurch und lässt den Schnee schmelzen. Das Schmelzwasser läuft durch einen ersten groben Filter und wird schliesslich in Zisternen gesammelt, aus denen es dann in

das geschlossene System des Hauses gelangt.Hinter den Fenstern, im Innern des Hauses, wachsen in einer Art Gewächshaus Bananen-palmen und kleine Obstbäume. Sie wurzeln in einem mit Gummifolie ausgelegten Becken. Auf dem Beckengrund liegt eine Schicht Sand, darüber eine Schicht Geröll. Diese bepflanzten Becken sind die hauseigene Abwasserreinigung. Das Wasser aus Bad, Toilette und Küche wird zuerst von Exkrementen getrennt. Die landen in einem antiseptischen Tank, der neben dem Haus in der Erde vergraben ist. Das Wasser wird in die Pflanzenbecken geleitet. Dort sorgen Sand, Ge-röll, Erde und vor allem die Wurzeln der Pflanzen dafür, dass das Wasser sauber wird.

Es wird dann noch durch drei Filter gepumpt, dann kann es wieder in den Wasserkreislauf eingespeist werden. Reynolds steht, Blick in die Ferne, die geübte Pose des Visionärs, und zeigt mit den Händen ständig auf eine Funktion, die er sich ausgedacht hat. Die Rückwände des Hauses etwa bestehen aus alten, mit Erde gefüllten Autoreifen, die wie grosse runde Ziegel auf- und hintereinander gelegt werden. Drei Meter hoch, zwei Meter tief. Innen verputzt mit Lehm, nach aussen mit Isolationsmatten abgedeckt und dann einem weiteren Meter Erde bedeckt. «Perfekte Thermalmasse», sagt Reynolds voller

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Begeisterung. «Und alte Reifen gibt es auf der ganzen Welt mehr als genug.»Das Haus funktioniert nach einfachen physikali-schen und biologischen Gesetzen. Das wichtigs-te: Wärmeenergie wird immer vom wärmeren zum kälteren Körper hin übertragen. Wenn im Sommer also die Sonne durch die Fenster scheint und die Luft aufheizt, dann speichert die gut drei Meter tiefer liegende Hinterfront des Hauses diese Wärme. Kühlt die Luft in der Nacht ab, gibt sie die Wärme frei. Das Ergebnis ist, dass selbst bei Minusgraden die Temperatur im Haus selten unter 23 Grad sinkt. Im Sommer sorgen Ventilationsschächte dafür, dass kühle Luft aus dem Erdreich des Reifenhanges, der das Haus umgibt, zieht und durch Dachluken abziehen kann. So kann man auch im Winter die Temperatur regulieren, wenn man es gerne etwas kälter hat.«Du bist vollkommen unabhängig», sagt Rey-nolds. «Das Haus kümmert sich um dich.» Es soll die sechs Bedürfnisse des Wohnens befriedigen, die Reynolds als die wesentlichen ausgemacht hat: Obdach, Abwasserversorgung, Strom, Was-ser, Nahrung und Müllentsorgung. Alles gratis in seinen Häusern. Reynolds wäre nicht Reynolds, würde er jetzt nicht politisch. «Du brauchst keine grossen Unternehmen oder korrupte Regie-rungen, die mit den Unternehmen unter einer Decke stecken und dich mit dem versorgen, was du brauchst – oder besser: von dem sie dir sagen, dass du es brauchst!»Reynolds steigt die Rückwand des fast fertigen Hauses hinunter und geht hinein. Bohrma-schinen und Kreissägen kreischen. Er führt mit seinen Handwerkern ein paar kurze Gespräche über Fussbodenversieglung, zu pflanzende Bananenpalmen und Trauben und Lehrvideos, die gedreht werden müssen. Denn man macht zwar keine Werbung, aber auf Facebook und YouTube versucht seine Firma Earthship Biotec-ture, das Wissen um das Bauen mit Reifen und

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5 Für Reynolds-Verhältnisse schlicht: Das Global Model Earthship.

6 Prost: Als Glasbausteine ein-gearbeitete Flaschenböden. Und ja, Reynolds mochte auch LSD.

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Flaschenziegeln, um das Filtern des eigenen Abwassers mit der Welt zu teilen.Rund 500 000 Dollar kostet das Global Model Earthship, schlüsselfertig. Das ist etwa der Preis, den ein Käufer in den USA für ein vergleichbares konventionelles Haus bezahlt. «Hier hat er aber keine weiteren laufenden Kosten», sagt Rey-nolds. Die einfachen Ausführungen kann man für knapp 200 000 Dollar bauen. Reynolds‘ Kunden sind Leistungssportler, Architekten, Schauspieler, Rentner. Er baut in New Mexico durchschnitt-lich drei neue Häuser im Jahr, die er vermietet oder verkauft. Dazu mehrere Häuser irgendwo verstreut in den USA.Reynolds steigt in seinen braunen 1975er-Merce-des und fährt zu einem Gebäude, das aussieht wie eine Nautilus-Muschel, die sich in den Himmel windet. Sein Büro. Häuser, so sieht es Reynolds, müssen nicht in erster Linie perfekt aussehen. Sie müssen perfekt funktionieren. Trotzdem, er hat das Design seit den Anfangs-tagen verändert. Sein Global Model, die neueste Entwicklung, wirkt für Earthship-Verhältnisse glatt, funktional, schlicht.Reynolds betrachtet die ästhetische Frage aus einer eigenen Perspektive. Er sagt: Die Ver-schwendung, die mit einem konventionellen Haus einhergeht, macht es hässlich. Die Form der Earthships wird von funktionalen Notwendig-keiten diktiert. Das Ergebnis: die Schönheit des Funktionalen.

Am Anfang war LSD1969: Reynolds war damals gerade Absolvent der Uni, wollte nicht in den Krieg nach Vietnam, er wollte Motorradrennen fahren. Er lebte in Cincinnati. Ein Kommilitone zeigte ihm Bilder aus Taos, einer kleinen Stadt in der Steppe im Norden New Mexicos, Lehmhäuser, qualmende Schornsteine. Motorradrennen wurden dort auch gefahren. Reynolds packte sein Hab und Gut und zog nach Taos. Er hatte schon an der Uni

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gemerkt, dass er in der konventionellen Architektur nur schwer Fuss fassen würde. Er fuhr also Motorradrennen, gewann, verletzte sich. Er lehrte dann erst mal techni-sches Zeichnen, um dem Krieg zu entgehen.Im Jahr 1971, nachdem er im Fernsehen eine Dokumentation über das entstehende Müll-problem gesehen hatte, baute er das erste Haus aus Dosen und entwickelte von nun an sein Kon-zept weiter. Immer wenn er in den Medien von neuen Problemen hörte, machte er sich daran, eine Lösung zu finden. Energieprobleme, Wasser-verschmutzung, irgendwann waren Reynolds‘ Häuser vollkommen unabhängig und verur-sachten keinerlei Umweltverschmutzung.Er lebte in der Wüste und baute sich eine Meditationspyramide, band sich auf deren Spit-ze fest, hatte Visionen, sah Zauberer und schrieb Bücher darüber. «Es waren die Siebziger», sagt Reynolds und grinst sein breites Grinsen. Er nahm gerne Drogen, LSD vor allem.Schon seit diesen frühen Jahren scharte sich eine stetig wachsende Gruppe von Aussteigern, Querdenkern und Aktivisten um ihn, die ihre eigenen Earthships bauten und begannen, für ihn zu arbeiten. Ein paar der frühen Mitstreiter gehören noch immer zu seinem Team. Mitte der 90er-Jahre jedoch beendeten die Stadt-verwaltung und die Architektenkammer in Taos Reynolds‘ Experimente. «Sie meinten, meine Gebäude verstiessen gegen alle Bestimmungen und staatlichen Normen.» Man entzog ihm seine Lizenz und schloss seine Siedlung, da sie nicht den Parzellierungsvorschriften entsprach. Reynolds beschloss, einfach einmal den offi-ziellen Weg zu gehen. Setzte sich mit seinem Anwalt zusammen. Fand eine Abgeordnete, die sich seiner Sache annahm. Und zusammen brachten sie in Santa Fe, der Hauptstadt New Mexicos, einen Gesetzesentwurf ein, der experi-mentelles Bauen ermöglichen würde.«Es ist absurd», sagt Reynolds.

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«Wir testen Flugzeuge, wir testen Waffen, wir testen Medikamente, wir testen Atombomben, und bei all dem sterben Leute. Aber Häuser sollte man nicht testen dürfen?» Als im Dezember 2004 ein Tsunami weite Landstriche Südostasiens verwüstete, kam ihm eine Idee. Die Menschen dort brauchten schnell billige Unterkünfte aus vorhandenen Materialien, und es gab keine Bauregulierung. Da begann Reynolds, seine Häuser in Krisengebieten zu bauen. In Haiti, auf den Philippinen, in Malawi, in Chile und Honduras. Wo auch immer Not war. Das nächste grosse Projekt sind Häuser für die indigenen Völker Kanadas.

Earthship ArmyReynolds stapft mit seinen weiten Stiefeln durch den Schnee, direkt auf eine Ansammlung von

Gespaced: Gar phantasievoller Dachaufgang.

Häusern zu. Da wohnen seine Studenten drin. Fünf Lehrgänge sind es dieses Jahr, pro Lehr-gang werden bis zu 60 Studenten zugelassen. Jahr für Jahr kamen mehr.Reynolds konnte unmöglich allen Praktika oder Freiwilligenstellen anbieten. Er wollte, dass seine Ideen ihm gehören. Aber er wollte auch, dass sie sich verbreiten. Er weiss: Nicht einmal er wird ewig leben. Also hat er vor vier Jahren seine Academy gegründet. Rund 500 Absol-venten gibt es bereits. Reynolds nennt sie seine Earthship Army. Sie tragen das Wissen um die Earthships in die Welt. Ausserdem bringt die Akademie ihm das Geld ein, das er für seine Auslandsprojekte braucht. Am nächsten Nachmittag sitzt Sara Serodio im Erdgeschoss von Reynolds‘ Bürokomplex, in einem Raum, der ein wenig nach Tropenhaus

riecht. Serodio ist Portugiesin, sie hat in Ber-lin studiert, Architektur, an der Universität der Künste, dann kam sie zu einem von Reynolds‘ Lehrgängen. Nun ist sie da, um von Reynolds Baupläne absegnen zu lassen für ein Earthship, das sie im Auftrag eines Paares in Nauen bei Berlin bauen wird. Es ist ein bisschen lustig, dass Reynolds‘ Häuser bald auch in Deutschland stehen sollen. Ein Mann, der Bauvorschriften hasst, baut in einem Land, in dem es so viele und so komplizierte Baugesetze und Vorschriften gibt wie vermut-lich nirgendwo sonst in der Welt. Sara Serodio, seine Statthalterin, sagt: «Ich habe gerade in Schweden und in Portugal welche gebaut und es wurden uns da keine grossen Hindernisse in den Weg gelegt.» Warum sollte es in Deutsch-land anders sein? «Sara hat es kapiert», sagt

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Reynolds‘ Aussteigersiedlung in New Mexico.

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Reynolds. Er will drei Projekte mit ihr zusammen in Deutschland machen, bis sie dann offiziell seine deutsche Repräsentantin wird. In vielen anderen Ländern läuft es schon so. Er hat genug Absolventen. Ausserdem hat er angefangen, in Hotellerie zu machen. Sieben seiner Earthships vermietet er an Touristen. Zudem schreibt Reynolds‘ Bücher und verkauft Baupläne.Reynolds sitzt inzwischen wieder im Auto, um zu seinem letzten Termin zu fahren. Margaritas im «Taos Inn». Wie jeden Tag. «Ich bin nicht reich», sagt er. Seine Firma Earthship Biotecture mache keinen Profit. Reynolds vergleicht seine Firma gerne mit einem Heissluftballon: «Wenn man den Ballast abwirft, dann geht es steil nach oben. Und Profitgeilheit ist nichts anderes als Ballast. Sie verstellt den Blick auf Visionen.».

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Lange vor Baubeginn flanieren künftige Bewohner durch die neuen Räume und schieben ihre Möbel umher. Möglich machen das interaktive 3D-Modelle, die in einer Zürcher Altbauwohnung entstehen.

TEXT: BEAT MATTER FOTOS: PD

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Marketing als ZwischenschrittAls erstes ist die Immobilienbranche auf das Produkt angesprungen. Auf zahlreichen Immo-bilienplattformen im In- und Ausland können potenzielle Käufer und Mieter mittlerweile die ausgeschriebenen Objekte auch als 3D-Modell erleben. Und es werden immer mehr: Rund 250 000 Quadratmeter Innenraum rechnet die 3D-Engine pro Monat um, sagte CEO Helfrich jüngst in der Handelszeitung. Ein Marketing-Tool zu bauen, war jedoch nicht die Vision, die das Quartett verfolgte. «Ziel war vielmehr, die Kommunikation über Architek-tur und Räume zwischen Planungsprofis und Laien zu verbessern», sagt Mitgründer Frederic Schwarz und klickt an einem Modell herum. Ein simples Beispiel: Ein 13-Quadratmeter-Raum ist für einen Laien schwer vorstellbar. Kann er nun im virtuellen Modell ein Doppelbett

Der Betrachter kann sie also aktiv mitgestalten, indem er Wände und Fenster verschiebt, Böden auswählt oder eben: Möbel umherschiebt. Im Frühling 2014 startete das Unternehmen. Mit der Materie beschäftigt hatte sich das innovative Quartett jedoch schon während des Studiums. «Meine Partner befassten sich eher mit Visualisie-rungen, für mich stand die Interaktion im Vorder-grund. Wir ergänzten uns ideal», sagt Polach.In nur zwei Jahren ist das Team von vier auf 17 Personen angewachsen. In zwei Investoren-runden konnte die Firma gegen 2.5 Millionen Franken Investorengelder anziehen. Das ist viel Geld und doch wenig. Die internationale Konkurrenz arbeitet mit deutlich mehr Kapital. Im vergangenen Herbst war Archilogic eines von fünf Siegerteams der Swisscom Startup Challen-ce. Im Januar konnte sich die Firma am Rande des diesjährigen WEF präsentieren.

In der Feinspinnerei in Windisch entstehen derzeit 29 Wohnungen im Stockwerkeigentum, im kommenden Jahr soll das Gebäude fertigge-stellt sein. Längst jedoch spazieren potenzielle Käufer durch ihre künftigen Räume, begutachten den Lichteinfall und schieben Möbel hin und her.Bereits fertiggestellt ist das Büro- und Wohnhaus Lindbergh-Allee im Glattpark bei Zürich. Noch stehen Büroflächen leer. Wer sich dafür interes-siert, kann Trennwände einbauen, Mobiliar verteilen und Grünzeug platzieren, ohne auch nur einen Fuss in den Glattpark zu setzen. Das ist nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart. Die Technologie dafür wird in Zürich von einem jungen Team aus Architekten und Programmie-rern bereitgestellt und weiterentwickelt. In einem schwer in die Jahre gekommenen Bürgerhaus arbeitet die Archilogic AG am Fortschritt.Über die knarrende Holztreppe geht es hoch in den zweiten Stock. Mitgründer Tomas Polach empfängt. In den alten Räumen arbeiten an zusammengeschobenen Tischen junge Mitar-beiter konzentriert hinter zahllosen Bildschirmen. Eine neue Entwicklungsstufe steht an. «Darauf fokussieren wir derzeit alles», sagt Polach.

Im Silicon Valley und am WEFVor zwei Jahren gründete er mit den drei Mit-streitern Kaspar Helfrich, Pascal Babey und Frederic Schwarz das Unternehmen als ETH- Spin-off. Die vier sind studierte Architekten, zum Teil mit internationaler Büroerfahrung. Ihr Studi-um finanzierten sie sich mit Visualisierungen. Daraus ist ihr heutiges Geschäftsfeld hervor-gegangen. Archilogic bietet die Möglichkeit, aus Grundrissen von Immobilien webbasierte und animierte 3D-Modelle zu entwickeln. Das geschieht dank einem Algorithmus teilauto-matisiert. Für Korrekturen, Ergänzungen sowie komplexe Details ist Handarbeit nötig. Noch. Die Modelle können in allen gängigen Internet-browsern betrachtet werden und sind interaktiv.

Echte Köpfe hinter virtuellen Welten: Frederic Schwarz, Pascal Babey, Kaspar Helfrich und Tomas Polach (von links).

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als Vergleichsgrösse in den Raum stellen, wächst sein Verständnis schlagartig. Die Möglichkeiten lassen sich bis zum kollaborativen Planungs-prozess weiterdenken: Architekten definieren im 3D-Modell die grundlegenden Spielregeln, etwa punkto Statik. Darauf aufbauend passen die künftigen Bewohner interaktiv ihre eigenen Ideen direkt ins Modell ein. «Es wäre doch toll, wenn dereinst aus solchen Planungsprozessen völlig neue Gebäudetypen hervorgingen», sagt Schwarz. Doch auch in der Betriebsphase sehen die Jungunternehmer Potenzial: Ihre 3D-Modelle könnten sich zur Schaltzentrale im Smart Home entwickeln.«Noch läuft aber die Angewöhnungsphase an animierte 3D-Modelle», sagt Polach. Ein willkommenes Mittel dafür ist die Verbreitung für Marketingzwecke. Auf die Bedürfnisse des Marketings zielt auch der jüngste Entwicklungs-schritt ab, an dem beim Besuch alle krampfen: eine umfassende Webplattform, auf der professionelle Kunden ihre zahlreichen Modelle zentral verwalten, weiterbearbeiten und teilen können. Während die Immobilienbranche die neuen Tools rege aufsaugt, hält die Schweizer Planungs- und Baubranche noch wacker an herkömmlichen Prozessen fest. Ungeachtet dessen geht in der Zürcher Altbauwohnung der technologische Fortschritt auf internationalem Niveau weiter..

Anflug auf die künftige Wohnung. In verschiedenen Ansichten können Räume betrachtet und möbliert werden.

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Das junge Zürcher Büro kreiert auffällig eigenständige Gebäude und nimmt bei Wettbewerben in Kauf, zu verlieren. Auf ein Wort mit Juan Gonzalez und Andri Cajos.

«Quer»: Wie gewinnt man Wettbewerbe?Juan Gonzalez: Man gewinnt sie, wenn man es schafft, die Anforderungen und teils verborge-nen Wünsche des Auslobers möglichst genau in Architektur darzustellen.

Ist es Glücksache?Andri Cajos: Bei einem Juryentscheid ist Glück eine Komponente unter vielen anderen. Letztlich zählt der Gesamteindruck.

DEM RISIKO

DALUZ GONZALEZ & CAJOS ARCHITEKTEN

Zwei Spanier und ein Bündner in Zürich: Ruben Daluz, Juan Gonzalez und Andri Cajos (von links).

SPIEL MIT

TEXT: BEAT MATTER FOTOS: DALUZ GONZALEZ & CAJOS ARCHITEKTEN (PROJEKTE), BEAT MATTER (PORTRÄT)

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Evenis ratur as aspienimusvolupta temporit quis oredique namusa quam et quque namusa quam.

Gibt es Tricks?Cajos: Gewisse Jurygepflogenheiten an unter-schiedlichen Orten kann man sicher antizipieren. In einem Wettbewerb in der Stadt Zürich muss man zum Beispiel andere Fassaden entwickeln als anderswo. Man muss sich dann entscheiden, ob man auf solche Vorstellungen hin entwirftoder etwas kreiert, womit man sich selbst treu bleibt. Gonzalez: Es braucht die eine oder andere que-re Idee, um einen Wow-Effekt auszulösen. Wir spielen dabei gerne und bewusst mit einem rela-tiv hohen Risiko, sind aber auch schon zu weit gegangen. In der Schweiz ist weniger oft mehr. Man bevorzugt hier klassische Entwürfe mit höchstens einem Hauch des Gewagten. Es liegt an uns, im oft engen Spielraum Möglichkeiten für das Spezielle auszuloten und nicht einfach das geforderte Raumprogramm in eine simple Kiste zu packen.

Ein Beispiel?Gonzalez: Die expressive Südfassade unseres Wohnhauses Sihlcube in Langnau am Albis zeigt, was ich damit meine. Die Fassade bietet etwas optisch Spezielles, gleichzeitig aber auch einen funktionalen Mehrwert: Hier sind es Aussen-räume mit Privatsphäre. Funktionaler Mehrwert eröffnet am ehesten die Möglichkeit für eine experimentellere Gestaltung.

Sie gehen mit gewagten Eingaben auch ein wirtschaftliches Risiko ein. Gonzalez: Sicher. Wir hatten jedoch das Glück, von Anfang an auch Direktaufträge zu erhalten. Damit – und mit einigen Wettbewerbserfolgen – sind wir in der privilegierten Lage, in unsere Zukunft investieren zu können. Cajos: Wir versuchen, immer weiter zu denken. Ansätze, die bei einem Wettbewerb nicht zum Ziel führten, nehmen wir vielleicht später in einen anderen Projekt wieder auf. So gesehen ist kein Wettbewerb umsonst, auch wenn wir den Zuschlag nicht erhalten.

Wie lassen sich Leidenschaft und Betriebs-wirtschaft vereinen?Cajos: Eine gefährliche Kombination. Das zeigt sich vor allem, wenn wir ein Projekt eingeben, das voraussichtlich eine geringere Siegchance als ein braverer Entwurf hat. Es ist ein Span-nungsfeld.

Ehrlich: Wie sehr ärgern Niederlagen?Gonzalez: Ich kann gut mit einer Niederlage umgehen, wenn ich verstehe, weshalb ein anderes Projekt besser war. Anders ist es, wenn ich das Gefühl habe, ein schlechteres Projekt habe gewonnen. Cajos: Nicht immer sagt ein Sieg oder Nicht-Sieg etwas über die Qualität des Projekts

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1 Splittlevelhaus bei Zürich.

2 Sichtbeton, Holzböden und nur wenige rechte Winkel. Das Splittlevel-gebäude weist vier Geschosse auf.

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aus. Manchmal spielen nur die Kosten die entscheidende Rolle. Einen Verlust muss man abbuchen und ans nächste Werk gehen.

Ein Büro mit zwei Spaniern und einem Bündner an der Spitze. Was ist Bürosprache?Cajos: Es ist ein Durcheinander. Alle sprechen Deutsch, viele sprechen Spanisch, nur ich spreche Rumantsch-Ladin.Gonzalez: Tatsächlich haben bei uns schon mehrere Mitarbeitende Spanisch gelernt.

Wie arbeiten Sie?Cajos: Von Projekt zu Projekt anders. Das Büro ist keine Maschine, bei der man am Anfang den Startknopf drückt und die am Ende eines standardisierten Prozesses ein Projekt ausspuckt. Wir arbeiten ausgesprochen auftraggeber-orientiert. Innerhalb des Teams sind wir sehr flexibel, springen jederzeit füreinander ein. Das ist auch eine Frage des Vertrauens ineinander.Gonzalez: Vertrauen ist zentral. Im Verlaufe eines Projekts müssen unzählige Entscheidun-gen getroffen werden. Die wichtigsten treffen wir gemeinsam, bei anderen vertrauen wir uns gegenseitig, dass sie im Sinne des Projekts getroffen werden – auch wenn nicht immer alle mit jeder Entscheidung einverstanden sind.

Entsteht am Schluss ein Kompromiss? Cajos: Ich würde es nicht nur Kompromiss nen-nen. Aber selbstverständlich tragen verschiede-ne Faktoren zum Resultat bei. Gonzalez: Man geht immer wieder Kompromisse ein im Wissen darum, dass Kompromisse nicht immer die besten Lösungen sind. Aber man darf auch nicht jeden Kompromiss eingehen, sondern muss immer wieder etwas wagen.

Wie behält man trotz ökonomischem Druck die Lust, etwas zu wagen?Gonzalez: Das funktioniert nur, indem man es bei gewissen Projekten bewusst in Kauf nimmt, den Zuschlag nicht zu erhalten. Bei Direkt-aufträgen haben wir demgegenüber die Möglichkeit, mit der Kundschaft zusammen einen Entwicklungsprozess zu durchlaufen. Das schätzen wir sehr.

Kommen Kunden mit Skizzen zu Ihnen?Gonzalez: Ja, das gibt es.

Und dann?Gonzalez: Dann kommt es vor, dass das Resultat, in das die Kunden am Schluss einziehen, ganz anders aussieht. Cajos: Ich schätze es, wenn Kunden versuchen, ihre Vorstellungen und Bedürfnisse zu formulie-

3 Der Sihlcube in Langnau am Albis. Die Erker an der Südfassade bilden zugleich Balkone mit Privatsphäre.

4 Dreigeschossiges Haus mit Seekiefer-Fassade in Basel.

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ren und zu skizzieren. Es hilft uns, ihre individuel-len Anforderungen zu interpretieren.

Sie bauen bald ein Wohnprojekt mit zwei Gebäuden im Glattpark. Das ist keine massgeschneiderte Lösung, sondern Massen-Wohnen.Cajos: Wir meinen schon, dass unser Projekt für diesen Ort, für diesen institutionellen Bauherrn, für die beschriebene Zielgruppe und letztlich auch für die heutige Zeit die richtige Lösung ist.

Das Projekt erinnert wegen den Erkern an Ihren Sihlcube. Hat der Bauherr etwas Ähnliches gewünscht?Cajos: Nein, gar nicht. Der Transfer ist während des Studienwettbewerbs in unseren Köpfen passiert.

Bevorzugen Sie private oder institutionelle Bauherren?Gonzalez: Das kann ich so nicht sagen. Es sind unterschiedliche Ausgangslagen. Bei privaten Bauherren ist man direkter mit der emotionalen Ebene des Kunden konfrontiert. Das ist positiv, aber schwieriger, wenn es zu Reibereien kommt.

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Cajos: Ich halte es für wertvoll für unsere Büro-kultur, dass wir mit unterschiedlichen Bauherren zusammenarbeiten können.

Wann wird Ihre Luxusvilla «casa.mi» in Herrliberg gebaut?Gonzalez: Im Projekt läuft derzeit die Submissions-planung. Wir hoffen, dass das Gebäude jetzt tatsächlich gebaut wird. Ganz sicher ist es noch nicht. Cajos: Manchmal ist ein Bau auch eine Leidens-geschichte. Ich war schon in Projekte involviert, die zehn, zwölf Jahre andauerten. Gonzalez: Es würde weh tun, würde es nicht ge-baut. Es ist ein toller Ort, für den wir unsere erste Villa entworfen haben. Es wäre super für uns.

Ist viel Geld Voraussetzung für gute Architektur?Cajos: Es braucht Geld, um bauen zu können. Darüber hinaus ist Geld aber nicht entscheidend für gute Architektur. Gonzalez: Die meisten privaten Bauherren ha-ben ein Raumprogramm und ein Budget. Wenn offensichtlich ist, dass die beiden Komponenten nicht übereinstimmen, machen wir die Kunden darauf aufmerksam. Stimmen sie jedoch überein, halte ich es für machbar, gute Architektur zu realisieren.

Macht nach der Entwicklung einer Luxusvilla die Arbeit an einem spröden Mehrfamilien-haus noch Freude?Gonzalez: Zeigen Sie uns, welches Mehrfamilien-haus von uns Sie als spröde empfinden.Cajos: Natürlich gibt es krasse Unterschiede. Es ist völlig klar, dass man anders zu Werke gehen kann, wenn mehr Mittel vorhanden sind. Aber das äussert sich nicht zwangsläufig positiv.Gonzalez: Man könnte ebenso fragen, ob nach grossen Projekten kleine noch Freude bereiten. Ja, das tun sie.

Welchen Einfluss hat der technologische Fortschritt auf Ihre Arbeit?Gonzalez: In meinem Studium waren das Entwerfen mit CAD oder später auch mit 3D bereits grosse Themen. Nichtsdestotrotz bauen wir zu jedem Projekt mindestens ein physisches Modell, mit dem wir intensiv arbeiten.

Weshalb?Gonzalez: Ein Modell hilft uns, unser eigenes Gebäude besser zu verstehen und weiter zu entwickeln. Und es hilft, unsere Ideen für die Kundschaft greifbar zu machen. Das ist gerade bei komplexen Projekten wichtig. Entwirft man nur eine rechteckige Schachtel, ist ein Modell indes weniger nötig. Cajos: Kunden gehen mit 2D-Plänen ganz unterschiedlich um. Nicht jeder hat eine gute Vorstellungsgabe. Da helfen physische, aber auch digitale Modelle, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen.

Technologie hilft Laien, sich stärker in den Entwicklungsprozess einzumischen. Kein Problem damit?Cajos: Überhaupt nicht. Wenn man als Büro nicht offen ist gegenüber Einwänden, Anre-gungen oder auch Fragen der Bauherrschaft, hat man ohnehin keine Chance. Die Zeiten sind vorbei, in denen man als Architekt sagen konnte: So ist es jetzt einfach.Gonzalez: Wir entwickeln bewusst und treffen dabei bewusste Entscheidungen. Deshalb kön-nen wir sie gegenüber der Kundschaft jederzeit begründen. Können wir unsere Argumente nicht jederzeit offen auf den Tisch legen, ist nicht der Prozess zu transparent, sondern unser Projekt nicht gut genug..

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5 Haus mit siebeneckigem Grundriss in Basel.

6 Das Glattpark-Projekt erinnert an den Sihlcube.

7 Terrassenhaus mit fünf Wohnungen nahe Zürich.

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Ausstellungen: Zürich, Pfi ngstweidstrasse 102 b | Rothrist, stilhaus | orea-kuechen.ch | twitter.com/OreaAG | Hergestellt in Muotathal

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