Zur Pharmakologie des Galegins

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XIII. Aus dem Physiologischen Institut der Universit~t KSnigsberg und der Medizinischen Klinik der Universitgt Wiirzburg. Zur Pharmakologie des Galegins ~). Von Helmut Miiller und Helmuth Reinwein, (Eingegangen am 14. VI. 1927.) Vor 2 Jahren konnte der eine von uns (1) iiber eingehende chemische und physiologische Untersuehungen an einer bis dahin wenig bekannten, in der Natur vorkommenden Guanidinbase, dem sogenannten Galegin, schon berichten. Es handelt sich um das im Jahre 1914 yon Tanrer (2) in den Samen der Galega officinalis, des Gaisklees, entdeekte Alkaloid, das erst vet 4 Jahren yon Barger und White (3) und fast gleiehzeitig yon Sp~th und Prokopp (4) als ein Guanidinoisoamylen /NH~ C~NH ~CH3 ~NH CH~ CH : C\ \CH 3 erkannt und neuerdings yon Spath und Spitzy (5) synthetisch dar- gestellt worden ist. Da~ dieser Base interessante pharmakologische Wirkungen zu- kommen wiirden war einerseits aus dem Umstande zu erwarten, da6 die Droge, deren wirksamer Hauptbestandteil sit zu sein scheint, sich friiher einer ausgedehnten medizinischen Anwendung erfreute, anderer- seits aus den Beobachtungen, die wit bei fri~herer Ge]egenheit (a. a. 0., S. 254) bei der Untersuchung des Schicksals der Base im TierkSrper ge- macht hatten. Auch die Betrachtung der chemischen Konstitution des Alkaloids ]ie~ yon vorneherein an eine ausgesprochene pharmakolo- gische Wirksamkeit denken, wissen w~r doch, dal~ alle bekannten Gua- nidinkSrper, soweit sie keine Carboxyl- bzw. Carbonylgruppe enthalten, 1) Ausgefiihrt mit einer Beihilfe der Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft. Vorgetragen auf dem 39. Kongrel] de~ deutsehen Gesellschaft far innere Medizin in Wiesbaden 26. April 1927.

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XIII.

Aus dem Physiologischen Institut der Universit~t KSnigsberg und der Medizinischen Klinik der Universitgt Wiirzburg.

Zur Pharmakologie des Galegins ~).

Von Helmut Miiller und Helmuth Reinwein,

(Eingegangen am 14. VI. 1927.)

Vor 2 Jahren konnte der eine von uns (1) iiber eingehende chemische und physiologische Untersuehungen an einer bis dahin wenig bekannten, in der Natur vorkommenden Guanidinbase, dem sogenannten Galegin, schon berichten. Es handelt sich um das im Jahre 1914 yon Tanrer (2) in den Samen der Galega officinalis, des Gaisklees, entdeekte Alkaloid, das erst vet 4 Jahren yon Barger und Whi te (3) und fast gleiehzeitig yon Sp~th und P r o k o p p (4) als ein Guanidinoisoamylen

/NH~ C~NH ~CH3

~ N H �9 CH~ �9 CH : C\ \CH 3

erkannt und neuerdings yon Spa th und Sp i t zy (5) synthetisch dar- gestellt worden ist.

Da~ dieser Base interessante pharmakologische Wirkungen zu- kommen wiirden war einerseits aus dem Umstande zu erwarten, da6 die Droge, deren wirksamer Hauptbestandteil sit zu sein scheint, sich friiher einer ausgedehnten medizinischen Anwendung erfreute, anderer- seits aus den Beobachtungen, die wit bei fri~herer Ge]egenheit (a. a. 0., S. 254) bei der Untersuchung des Schicksals der Base im TierkSrper ge- macht hatten. Auch die Betrachtung der chemischen Konstitution des Alkaloids ]ie~ yon vorneherein an eine ausgesprochene pharmakolo- gische Wirksamkeit denken, wissen w~r doch, dal~ alle bekannten Gua- nidinkSrper, soweit sie keine Carboxyl- bzw. Carbonylgruppe enthalten,

1) Ausgefiihrt mit einer Beihilfe der Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft. Vorgetragen auf dem 39. Kongrel] de~ deutsehen Gesellschaft far innere Medizin in Wiesbaden 26. April 1927.

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mehr oder weniger starke toxische Eigeilschaften entfalten. Dazu kommt noch, dal~ das Galegin dutch seine Seitenkette gewissermal3en eineil Verwandten des Isoamylamins darstellt, das dutch seine sym- pathikotropische Wirkung ja bekailnt ist (6).

Die Richtuilg, in der sich uilsere beabsichtigten pharmakologischen Untersuchungeil bewegen mu~ten, wurde vor allem bestimmt durch VerSffeiltlichungen der letzten Jahre iiber Zusammenhi~ilge der Guanidin- k(irper mit der Blutzuekerregulation. Bald nach der Entdeckung des Insulins hatteil Collip (7) und an@re Forscher mitgeteilt, da]3 es ge- linge, aus allem mSgliehen, vor allem pflanzlichen Ausgangsmaterial, Extrakte herzustellen, die eiile dem Insulin i~hnliche Wirkuilg auf den Kohlehydratstoffwechsel hi~tteil. Diese Extrakte wurden bekanntlieh als Glukokinine bezeichnet. Ihre Wirkuilg unterseheidet sich aber darin yon der des Insulins, da]3 der Blutzucker nach der Injektion anfangs ailsteigt, die Hypoglyk~mie und die Krampfsymptome erst nach li~ngerem IIltervall auftreteil. Traubenzuckeriiljektionen kSnilen wohl diese Sym- ptome fiir eiile gewisse Zeit zum Versehwinden bringen, die Versuchs- tiere geheil aber r ein. Das siild nun aber die gleichen Erschei- nungen, wie wit sie vonder Guailidinvergiftuilg her keilneil. U n d e r h i l l und B l a t h e r w i c k (8) hatten gefunden, da]3 bei der Guanidinvergiftung eine I-Iypoglyk~illie auftritt. Collip (9) ging nun noeh welter uild setzte die Insuliilhypoglykiimie uild die voil ihr abhi~ilgigeil Kriimpfe direkt in Analogie zur Guanidinhypoglyki~mie und den Guanidinkr~mpfeil. Er sprach deshalb die Vermutung aus, dal3 das Insulin eine Guanidin- verbinduilg sei. In diesem Zusammenhailge mSchten wir auch daran eriilneril, daI3 das Guanidin selbst an einziger Stelle im TierkSrper bisher yon K u t s c h e r und Otori(10) im Pankreas gefuildeil wurde. Als weitere Ailalogie kSilnte auch noch angeftihrt werdeil, da~ F u n k (11) neuerdings mit Vorteil zur Fiillung und weiteren Reinigung des Insulins die Dinitronaphtholsulfosaure verwandte, die j a v o n K ossel (12) als ausgezeichnetes F~llungsmittel f0.r Arginin und an@re Guanidine in die preparative Chemie eingefiihrt wordeil ist.

Die ersten praktischen Schlul~folgerungen aus diesen Ailalogien habeil bekaniltlich F r a n k nild ~itarbeiter (13) gezogen und siild so zu dem Synthalin gekommen, nach ihreil Angabeil einem Hexamethylen- guailidin.

Aus allen dieseil Erw~guilgeil heraus untersuchten wir nun zuerst den Einflu]3 des Galegins auf die Blutzuckerregulation. Die ersten Er- gebilisse dieser Untersuchungeil haben wir bereits in kurzeil Mittei- lungen Iliedergelegt (14).

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21@: XIII. ttEL:~IUT IM~rLLER und HELMUTH REINWEIN.

Ehe wir an die Beschreibung der Versuche gehen, mSchten wir in Kurzem die Darstellung des Ausgangsmaterials angeben. Zuerst ver- wandten wir die yon dem einen yon uns (a. a. 0., S. 243) angegebene lV[ethode. Sp~ter gingen wit anstatt yon den Samen yon dem Extractum galegae officina]is foliorum aus. Hier kamen wir mit der friiher be- schriebenen Darstellungsmethode nicht welter, da bei der Gewinnung grS~erer Mengen zu ~4el yon der kostspieligen Phosphorwolframsi~ure gebraucht wurde. Auch der bei den Samen eingeschlagene Weg der Extraktion mit Amyla]kohol erwies s~ch als nicht gangbar, da der Bliitterextrakt zu viele Ballaststoffe enth~lt. !Yach verschiedenen Vor- versuchen kamen wir mit einer Kombination beider Methoden zum Ziel.

Der ziihe braune Extrakt wurde mit der gleichen Menge hei]en Wassers in fltissigeren Zustand gebracht und mit Bleiessig vSllig ausgef~llt, wobei pro Kilogramm Extrakt fast 41 offizinalen Bleiessigs gebraucht wurden. Am n~chsten Tage wurde dann dutch die grS~te Nutsche abgesaugt, das tiber- schtissige Blei mit 8chwefels~ure entfernt und bei lackmussaurer Reaktion auf ein Volumen eingeengt, bei dem etwa 1 1 Fltissigkeit 1 kg Ausgangsmaterial entspraeh. 5lun wurde mit 40~oiger 1Yatronlauge stark alkalisch gemaeht, dutch Papierbrei gesaugt und mit Amylalkohol extrahiert. Letzterer wurde dann in einem Scheidetriehter mit 5%iger Sehwefels~ure aus.geschtittelt. (Bildet sieh dabei eine erhebliehe Magmamasse zwischen den beiden Schiehten, die das Absetzen erschwert, so kann man diese entfernen, indem man die Fltissigkeit dutch Kieselgurfilter saugt.) Die schwefelsaure LOsung wurde mit Soda his zur laekmussauren Reaktion versetzt, eingeengt und dann naeh Zusatz yon 50 volumprozentiger Sehwefelshm'e bis zu einem Gehalte yon etwa 5 % mit Phosphorwolframs~ure gef~llt. Die Fiillung wurde in bekannter Weise in eine SulfatlSsung verwalldelt, aus der beim Einengen das Galeginsulfat kristallisierte. Die Extraktion wurde solange wiederholt , bis keine wesent- lichen lV[engen des Alkaloids mehr erhalten wurden.

Als Versuchstiere dienten uns zuerst Kaninchen. Die Tiere wurden 12--14 Stunden vor der Injektion niichtern gehalten. Die Blutzucker- bestimmungen wurden nach t l a g e d o r n - J e n s e n vorgenommen, das Blur aus den Ohrvenen entnommen. An Kontro!ltieren achteten wit auI spontane Schwankungen des Blutzuckers. 2--6 mg Galeginsulfat pro Kilogramm Tier batten keinen wesent]ichea Einflu]~, die Tiere zeigten keinerlei Erscheinungen und blieben gesund. Bei Gaben yon 12--30 mg pro Kilogramm kam es zu einem Anstieg des Blutzuckers, der in den tdeinsten wirksamen Dosen nicht immer sehr deutlich war. Bei 30 bis fast zu 100 mg kam es zu eiaer sehr ausgesprochenen Hyper- glykamie sehon nach 1/4 S~unde (Tabelle 1). Die Hyperglyki~mie hielt mehrere Stunden an. Die letale Dosis scheint bei 100 mg zu ]iegen. Wahrend ein Tier nur Zeiehen von Mattigkeit und Frel~unlust zeigte,

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Zur Pharmakoiogie des Galegins. 215

Tabelle 1.

Nfichtern . . . . . GMeginsulfat in mg Nach 1A Stunde .

1/2 �9

2 Stunden

Kaninchen yon 2,3 kg Gewieht I 2,5 kg Gewicht

Blutzucker

0,111 0,108 120 100 0,163 0,266 0,118 0,245 0,159 0,308 0,180 0,171 O,lO5 0,095

ging ein anderes bei dieser Dosis unter Kri~mpfen zugrunde, wobei der Blutzucker aber extrem hoch blieb. In sp~teren Untersuchungen Iandeu wir uber, dug au]~erdem noch eine individuelle Empfindlichkeit zu be- stehen scheint. So sahen wir Kaninchen manchmal schon nach Gaben yon 50 mg in hyperglykamischem Zustande sterben. Bei Kaninchen konnten wir eine Glykosurie nicht feststellen. Diese Kaninchenversuche dauerten niemals li~nger als 7 Stunden, wir kSnnen demnach nichts dartiber sagen, ob sich nicht doch noch spi~ter eine Hypoglyki~mie findet. Sie kann aber dann nicht sehr betr~chtlich sein, da wir in sphteren Stunden unsere Versuchstiere niemals verloren. Da das Xaninehen ein Pflanzen- fresser ist und man bei diesen Tieren gewissermai3en mit einem besonderen Schutz gegen das Alkaloid rechnen konnte, suchten wir nach Tieren, die gegen das Galegin empfindlicher sind. Wir fanden in Hunden ge- eignetere Versuchstiere.

Wit gaben zuniichst zwei Hunden in niichternem Zustande 25 bzw. 45 mg Galeginsulfat pro Kilogramm subkutan. Bereits nach 1/2 Stunde gingen die Tiere im Stadium tier Hyperglyki~mie unter Kri~mpfen zu- grunde (Tabelle 2). Wir verringerten die Dosis immer mehr, die Tiere blieben nun ausnahmslos gesund. Bei Gaben von 4 mg pro Kilogramm erzielten wir nun regelmal3ig sowohl nach enteraler wie parenterMer Applikation eine deutliche Herabsetzung des B]utzuckerwertes. Es

Tabelle 2.

Ntichtern . . . . . Galeginsulfat in mg Nach 1/4 Stunde . .

�9 t / 2 �9 . .

Hand yon 9 kg Gewicht 8 kg Gewicht

0,095 400 0,110 0,153

Kr~mpfe +

0,083 20O 0,126 0,165

Kr';impfe +

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216 XIII. HELMUT M~LLER und IIELMUTH REINWEIN.

schien auch wenig von Einflul~, ob die Tiere gefressen oder gehungert hatten, wenn auch bei Hungertieren der EHolg etwas stiirker war. Bei ganz wenigen Versuchen zeigte sich anfangs auch eine geringe ErhShung des Blutzuckers, die zwar hie lange anhielt, aber fiir eine reine Fesselungshyperg]yki~mie doch etwas zu hoch erschien.

Der fiefste Stand der Blutzuckerkurve war meist nach 11 Stunden erreicht, wenn sich auch in der Regel die Erniedrigung schon friiher, deutlich schon meist in der 4. Stun@, bemerkbar machte. 5~ach 12 Stun- den wurde wieder geftittert, trotzdem war nach weiteren 12 Stunden der Blutzucker gegeniiber der Norm olt noch erniedrigt. Eine so starke Hypoglyki~mie, dal3 es zu Kri~mpfen gekommen ware, konnten wir in den angewandten Dosen nicht erzielen. Sobald wir mit der Galegindarreichung wesentlich in die ttiihe gingen, trat die initiale ~yperglyki~mie sofort hervor und verhinderte dann wohl damit zu gleicher Zeit die Ausbildung einer exzessiven Hypoglyki~mie. Ftir diese Deutung sprechen die spi~teren Untersuchungen, fiber die welter unten berichtet wird; die Erniedrigung des Blutzuckers betrug abet so schon meist um 40% (Tabelle 3).

5Tachdem sich herausgestellt hatte, dal~ es bei Hunden gelingt, den Blutzucker herabzusetzen, mu6ten wir, schon um der Frage des Angriffs-

T a b e l l e 3. t tunde, je 4 mg Galeginsulfat pro Kilogramm.

Niichtera . . . . Nach 1/4 Stunde

~> 1/2 ~>

~> 3/4 >>

2 Stunden * 2 ' / 2 �9

3

6

7

9 1 0

2 4

�9 3 3 ~)

�9 4 8

0,077 0,165 0,146 0,090 0,107

0,086

0,076

0,098 0,094

0,074 0,072

0,041

0,092 0,105 0,084 0,084 0,067 0,071

0,070

0,076

0,068 0,049

0,053

0,088 0,079 0,061 0,096 0,081 0,077

0,075

0,068

0,071 0,071

Z

0,054

Fiitterung

0,092 0,101 0,078 0,076 0,098 0,084

- - 0,095 - - 0,062

0,062

- - i 0,075

I - - ~ 0,080

0,059 ~ - - - - f 0,066

0,052 I - -

0,053 0,074" 0,059 0,050

- - 0,053

- - 1 - - - - 0,0660,063 I 0,070__

- - 0,100

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Zur Pharmakologie des Galegins. 217

punktes nigher zu kommen, diese Versuche an pankreasdiabetischen Hun- den wiederholen. Fiir die Ausftihrung der Operation sind wir tterrn Privatdozenten Dr. St ahnke (Chirurgische Klinik Wiirzburg) zu groBem Danke verpflichtet. Aus i~uBeren Griinden konnten wir bisher entspre- chende Versuche nut an zwei Tieren anstellen. Bei dem einen gelang es, den Blutzucker yon 429 mg auf 300 mg und die Zuckerausscheidung yon 130 gauf etwa 80 g herabzuch'ticken. Eine fortlaufende Behandlung war aber nicht m~glieh, da das Tier dues Pri~parat sehleeht vertrug, vor allem jegliche Nahrung verweigerte. Wit behandelten es darauf mit gro6en Nengen Insulin (150 Einheiten), es gelang abet auch so nicht, die zunehmende Schw/~che aufzuhalten. Der Ham wurde niemals zucker- frei. Die Frel]hst blieb schlecht. Eir/noehmaliger Versuch mit Galegin muBte ohne besonderen Erfolg wieder a nfgegeben werden.

Das andere Tier vertrug das Galegin in der Dosis yon 4 mg pro Kilogramm sehr gut. Wie genauer aus der Tabelle hervorgeht, wurden Blutzueker und Harnzucker geringer. Das Futter bestand aus 150 g Brot, 500 g Fleisch und 250 g Milch. Aber auch eine 1/~ngere Behandlung vermoehte den Tod nicht aufzuhalten, der eines Tages plStzlich unr Kollapserscheinungen erfolgte (TabeIle 4).

T a b e l l e 4.

Pankreasloser Hund, 15 kg Gewieht.

Galeginsulfat in mg Vorher . . . . . . Naeh 2 Stunden

3

,. 9 7, 10

ttarnzucker in g"

1. Tag 2. Tag 3. Tag

Galeginsulfat in mg Vorher . . . . . . Nach 3 S t u n d e n . .

5 >> . .

>> 7 >> . .

Hurnzucker in g

m

0,210 0,250 0,253 0.238 01235 0,237

118

0,232 0,228 0,220 0,225 0,230 0,230

122,8

60 0,230 0,213 0,224 0,228 0,210 0,174 0,168 97,9

4. Tag 5. Tag 6. Tag 7. Tag 8. Tag

60 0,198

0,200 70,1

0,210

0,250 129,6

60 0,215 0,240 0,206 0,200 0,196 72,6

0,236 0,250 o,265

109,6

0,235 0,310

0,272 0,302 114,1

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218 X I I I . ]:tELlVIUT M~LLEIr und HEL)IUTH I~EI~WEII%

In oinem Selbstversuche konnten wir die an den Tieren erhaltenen Ergebnisse auch ~iir den Menschen besti~tigen. ~Nach 12stiindigem ttungern nahm der eine von uns auf einmal 109 mg Galeginsulfat, d. h. eine Dosis yon 2 mg pro Kilogramm KSrpergewicht. Das Verhalten des Blutzuckers geht aus der Tabelle 5 einwandfrei hervor. Dieser Selbstversuch war unsum so wertvoller, als wir gewissermal3en objektive Anhaltspunkte flit die ~ebenerscheinungen erlangen konnten. Wh" kommen auf diese Ergebnisse nochmals zuriick.

Einem zweiten gesunden Menschen yon 80 kg Gewicht gaben wir wegen der beobachteten 5Tebenwirkungen nur 25 mg Galeginsulfat auf einma]. Es handelte sich hier au~erdem um keinen niichternen ~[enschen,

Tabel le 5. Gesunder Mensch, 60 kg Gewicht. 109 mg Galeginsulfat per os.

~iichtern . . . . Naeh 1 Stunde. .

>> 23/4 Stunden ~> ,-11/4 ,>

0,084 0,082 0,081 0,055

Nach 711~ Stunden >> 9 >> ~> 10 >>

25

0,055 0,049 0,062 0,102

sondern es wurden wi~hrend der Versuchszeit 200 g Milch und 500 g Gemtise genommen. Innerhalb von 11 Stunden fanden wit keine wesent- liche Veri~nderung des Blutzuckers, es traten aber auch keinerlei Be- schwerden auf. Wir ste]lten diesen Versuch vor allem deshalb an, um einen Anhalt dafiir zu erhalten, welche HShe der Dosierung zu wi~hlen war, um 5Tebenerscheinunger~ auszuschalten.

Die an den pankreasdiabetischen Tieren erhaltenen Ergebnisse er- mutigten nns zu Versuchen an zuckerkranken Menschen. An anderer Stelle soll tiber die Ergebnisse derselben berichtet werden. Wir geben bier nur zwei so erhaltene Blutzuckerkurven (Tabelle 6). Es gelang uns,

Tabel le 6.

bei Zuckerkranker

Gemtisetaff [ bei Fleisch-Fettkost Blutzucker

bTiichtern . . . . ~ach 3 Stunden

~ 5 >> >> 9 >) >> 11 7> 16

24

0,253 0,185 0,178 0,085 0,095 0,135 0,212

0,232

0,197 0,145 0,135

0,215

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Zur Pharmakologie des Galegins. 219

bei vorsichtiger Dosierung in verschiedenen Fallen, wo sich das Syn- tha]in erfolgreich zeigte, dieselbe Wirkung mit dem Galegin zu erhalten. In einigen F/illen war es schw~cher als das Synthalin, wir beobachteten da~iir aber auch keine unangenehmen l~ebenerseheinungen, wie sie leider beim Synthalin nach unsere): Beobachtung recht haufig vorkommen.

Angriffspunkte des Galegins. Die yore allgen~ein-pharmakotogischen Standpnnkte auff/tlligste Er-

scheinung war die Beobachtung, daft nach grSfteren Gaben regelm/i6ig und nach relativ kurzer Zeit eine erhebliche ttyperglyk/imie auftrat, daft bei kleinen Dosen bei geeignetem Tiermateriale dagegen eine I-Ierabsetzung des Blutzuckers erfolgte und zwar im Gegensatz zu den grol]en Dosen erst nach relativ langer Zeit. Auch F r a n k und l\Iitarbeiter (a. a. 0.) fanden bei ihren Yersuchen bei den verschiedenen Guanidin-Pr~paraten dies+ eigenartige Wirkung. Es scheint so auf der I-Iand zu liegen, daft die jeweiligen Resultate eine Frage der Zeit und vor allem der Dosierung sind. Damit ist aber der l~iechanismus der Entstehung ~loch nicht ge- klan. Die Entscheidung der Frage des Angriffspunktes ist anum- g~nglich notwendig, wenn man zielbewu~t ~uf die Auffindung eines therapeutisch brauchbaren Mittels hinarbeiten will.

FUr den einen Angriffspunkt, den wir zuerst zu erforschen streben muftten, bot uns eine Beobachtung einen wichtigen Fingerzeig. Es war uns ngmlich gleich bei den ersten Tierversuchen aufgefallen, daI~ die Tiere oft aus den Ohrvenen fast gar nicht mehr bluteten, und zwar nut dann, wenn grS~ere Dosen Galegin gegeben waren und solange der Dlutzucker stark erhSht war, dann abet regelm/iftig. Wir konnten in allen spateren Versuchen aus der grSl~eren oder geringeren Schwierigkeit der Blutentnahme schon im voraus sagen, ob der Blutzucker erhSht war. Dieses Zusamme~treffen von Hyioerglyk~imie und Gef/i~verel~gerung, auf die die schlechte Blutung zariickgeft~hrt werden mu6te, erinnerte stark an die Wirkung des Adrenalins. Wit untersuchten demnach, ob es sich bei beiden Pr/iparaten nicht um denselben Angriffspunkt handele. Wit prtiften zunachst die Wirkung auf den enukleierten Froschbulbus. Wir bedienten uns der l~[ethode yon E h r m a n n (15). Das eine Auge kam in eine das Galegin enthaltende Frosch-RingerlSsung, das an@re zur Kontrolle in reine RingerlSsung. Die Pupillenweite wurde an einer mit Skala versehenen Lupe abgelesen. Es zeigte sich nun in einer Reihe yon Yersuchen eine starke mydriatische Wirkung des Alkaloids, die Pupillenweite des Kontrollauges blieb unver/~ndert (Tabelle 7). Damit war ein weiterer Anhalt ftir den Angriffspunkt gegeben.

Page 9: Zur Pharmakologie des Galegins

29,0 XIII . I-IELMUT Mi~LLER und HELMUTIt REINWEIN.

Tabelle 7.

Froschbulbus.

Galeginsulfat 5 : 1000 Ringer . . . . . . .

Vor Nach u 2 Min. 4 Min. 7 Min. 10 Min. I 13 Min. r

1,4 1,5

1,4 1,5

1,6 1,5

2,1 1,5

2,1 2,0 1,6 1,5

Ms beste Methode der quantitativen Adrenalinpriifung gilt das L i i v e n - T r e n d e l e n b u r g s c h e Froschgefi~l~pri~parat (16). Wit erhielten bei Anwendung tier bekannten Versuehsanordnung anch mit dam Galegin eine starke Gefiil~veriinderung.

Die bekannteste Wirkung des A&'enalins ist die auf den Blut4ruck. Wit registrierten bei I-Iunden den Aortenseitendruck durch Einbinden einer Kantile in die Carotis. Dann wurden in die Jugularis Galegin- sulfatltisungen in einer Dosis yon 4--5 mg pro Kilogramm injiziert. Trotz der den Blutdruek herabsetzenden Wirkung der Morphiumnarkose erhie]ten wir in einem Falle eine Steigerung des systolischen Druckes von 70 auf 115 mm Hg (Tabe]le 8). Der HOhepunkt war naeh 10--15 Mi- nuten erreicht, es fo]gte dann im Laufe Yon Ve Stunde ein Sinken his auf 45 mm Hg. In einem zweiten Versuehe (Tabelle 9) stieg der Blut4ruck innerhalb yon 5 Minuten yon 88 auf 166 mm Hg. 5Tach ~/2 Stunde gaben wir nochmals die Hiilfte der ersten Dosis, der Druck stieg nun weiter auf 215 mm und hielt sieh eine Zeitlang a u f 180 mm Hg. Bei diesem Tiere war der Ausgangswert nach 21/o. Stunden noeh nicht wieder erreicht.

Tabelle 8.

Blutdruckversuch.

ttund, 20kg Gewicht. Morphiumnarkose, 2cem 5%iges Galeginsulfat intravenSs.

V o r V e r s u c h . . . Nach ~ ~Iinute.

�9 3 Minuten

9 1 3

33 *

, Hg tig in mm in mm

70 30 60 70 85

100 105 105--115 95

Nach 43 Minuten 5 8 ,)

, 68 ,, ,) "83 �9

�9 1 0 8

,, 113 , 118

1 4 3 ~

87 70 60 55 55 45-50 45--50 45--50 45--50

Page 10: Zur Pharmakologie des Galegins

Zur Pharmakologie des Galegins. 9,21

Hund, 21 kg Gewicht.

Tabelle 9.

Blutdruekversuch.

Morphiumnarkose, 90 mg Galeginsulfat intravenSs.

Vor Versuch . . ~ach 1/2 Minute.

5 Minuten 10

Itg i n m m

88 130 166 156 162 162 162 155

37,5 mg Galegin- sulfur (Exitation)

~ach 361/2 Minuten �9 3 7

8 5

~ 105 ~ 1 5 6

>> 180 ~>

fig

in mm

215 171 184 174 144 154 150 142

Wie wir bei Durchsicht der Literatur finden, wurde iibrigens auch bei anderen Guanidinen diese ErhShung des Blutdruckes gefunden (17).

Eine weitere spezifisehe Wirkung des Adrenalins ist der Stillstand tier Darmbewegungen, wie sich am besten am Katzendarme zeigen l~St (18). Wit stellten einen diesbeziig]ichen Versuch mit dem Galegin an und fanden, wie erwartet, unter der Galeginwirkung Bin Sistieren der Pendel- und per'istaltisehen Bewegungen.

Wir haben damit in bezug auf die Hyperglyki~mie, die Gefi~l~kontrak- tion, die Blutdrucksteigerung, das Verhalten am Froschbulbus und die Li~hmung des Darmes eine tibereinstimmende Wirkung des Galegins mit dem Adrenalin. Es war nun zu untersuchen, ob die Wirkungen wie bei dem Adrenalin dutch experimentelle Aussehaltung des Sympathikus verhindert werden konnten. Wit wandten zuerst die bequemste Methode

Tabelle 10. Xaninehen, 4 Tage mat je Img Gynergen vorbehandelt.

bTiichtern . . . . . . . . . . . . . Galeginsulfat in mg pro Kilogramm bTach 1/4 Stunde . . . . . . . . . .

:~ 1 / 2 >> . . . . . . . . . .

>> 3 / 4 >> . . . . . . . . . .

~) 11/4 Stundeu . . . . . . . . . �9 la/~ . . . . . . . . . . �9 21/2 . . . . . . . . . .

4'/2 �9 . . . . . . . . .

Vorbeh~ndelt Unbehandelt

0,09250 0~:3

0,092 0,083 0,091 0,088 0,097 0,090 0,095 0,083 0,077 0,077 0,069 0,085 0,087 0,090

0,105 20

0,116 0,120 0,130 0,170 0,173 0,161 0,089

0,098 25

0,116 0,160 0,215 0,276 0,294 0,258 0~120

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222 XIII. ]=[ELSIUT MiJLLER 11114 HELMUTtt RBINW~I~.

an, d. h. die Ausschaltung durch Ergotamin. Es gelang nun auch, durch Behandlung mit Gynergen, das wit der F i rma Augsburger in grSl~erer Menge verdanken, die Galeginhyperglyklimie zu verhindern (Tabelle 10). Zuniichst i iberzeugten wit uns davon, da~ Gynergen den Blutzucker selbst nicht erniedrigt. Den Xaninchen und sphter auch Hunden wurden

4 Tage lang je I ccm Gynergen g e g e b e n . . D i e bei den Kontrol l t ieren eintretende Hyperg lykgmie blieb, wie aus der Tabelle zu ersehen, bei

den so vorbehandel ten Tieren vo l lkommen aus. Wenn wir je tzt mi t der Dosis hinaufgingen, gelang es, wie wir es erwarte t hat ten, sowohl bei Kaninchen wie bei Hun@n, nicht nur die Hyperg lykamie zu verhindern, sondern sogar die entgegengesetzte Wirkung in einwandfreier Deut l ich-

keit zu zeigen (Tabelle 11 und 12). Schon nach der ersten 1/a Stunde

T a b e l l e 11.

Kaninchen, 5 Tage mit je I m g Gynergen vorbehandelt.

l~tichtern . . . . . . . . . . . . . Galeginsulfat in mg pro Kilogramm 5Iach 1/4 Stunde . . . . . . . . .

)) 1 / 2 ~ . . . . . . . . .

~> li/4 Stunden . . . . . . . . . 1 ' / 2 . . . . . . . . . .

2 9 . . . . . . . . .

)) 3 ~> + . . . . . . . . ,

9 ~ . . . . . . . . .

Am n~ichsten Tage niichtern . . . . Galeginsulfat in mg pro Kilogramm •ach 1 Stunde . . . . . . . . . .

�9 2 Stunden . . . . . . . . . . , 21/2 . . . . . . . . . . .

3 ~> . . . . . . . . . .

5,088 50

0,072 0,055 0,029 0,019 0,035

+ 0,028 i

Kr~mpfe + i Herzpunktion 0,023

__ __. r 0,050 - - - - 0,055 - - - - 0,065 - - - - 0,114 - - -- 0,078 - - - - 0,093 - - - - 30 - - - - 0,092 - - - - 0,041 - - - - 0,029

Krampfe, Traubenzucker intravenSs. - - - - r 0,081

Jj +

0,097 0,098 35 20

0,087 0,070 0,109

(Kriimpfe, Traubenzucker)

begann der Blutzucker progressiv zu sinken, nach spiitestens 2 Stunden bet rug er nu t noch 20- -25 r ag%. Es k a m nun zu ausgesprochenen Kr~impfen, es gelang wohl diese durch Traubenzucker injekt ionen sofort zum Yerschwinden zu bringen, die Tiere gingen aber mit Ausnahme eines Hun@s, dem wit den Traubenzucker in t rakardia l gegeben bat ten , in den niichsten 3 - - 4 Stunden ein, obgleich der Blutzucker wieder is. die HShe

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Zur Pharmakologie des Galegins. 223

Tabelle 12.

Hund, 9,5 kg Gewichr 6 Tage mit ]e 1/~ mg Ergotamin vorbehandelt, erh~lt 300 mg Galeginsulfat.

iNfiehtern . . . . Nach t/2 Stunde.

2 Stunden , 2~h �9

Herzpunktion . .

Nach 1/4 Stunde .

~) 1 )>

2 Stunden.

Bemerkungen

0,086 0,082 0,075 0,066 0,033 0,024

0,033 0,058 0,079 0,146 0,112

m

Kri~mpfe. Tranbenzucker (10O/o) 20 ecm intrakardial, steht

sofort wieder auf.

~ochmals Traubenzueker.

36 Stunden nach Versuch Exitns infolge Pneumonie.

ging; der Hund lebte dann noch weiter 24- Stunden. Bei der Obduktion zeigte sich eine ]inksseitige Lungenentziindungl die wohl dureh die Ver- letzung der Lunge verursaeht sein diirfte.

Damit erseheint uns die Beweiskette geseh]ossen, da6 die eine Komponente der Guanidin~4rkung am Sympathikus angreift - - oder besser gesagt - - an der gleichen Stelle wie das Adrenalin, zumal es in weiterer Analogie zu diesem nicht gelingt, dutch einfache Durehschnei- dung des Sympathikus bei Kaninchen die Galeginhyperglyki~mie zu ver- hindern (vg. Tabe]le 13). Wit meinen abet, auch aus den Ergotamin- versuehen sehlieBen zu dtirfen, dal~ die hypoglykiimische Wirkung nicht, wie es die ersten Versuehe zu zeigen sehienen, erst naeh langerer Zeit eintritt, sondern die blutzuekerherabsetzende dureh die antagonistische,

Tabelle 13.

Versuch am Kaninchen nach Sympathikusdurchschneidung.

~iichtern . . . . Nach ~/2 Stunde.

, 2 Stunden

6 a

0,5 mg Galeginsnlfat Adrenalin 25 mg pro Kilogramm

0,110 0:316 0,360 0,348 0,320 07198 0,104

0,098 0,245 0,316 0,360 0,300 0,150 0,139

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224 XIII. HELMUT ~r und HELMUTH REIblWEIN.

adrenalin~ihnliche Wirkung kompensiert, verdeckt wird. Wenn man also will, kann man von einem direkten Antagonismus zwischen der blutzuekerherabsetzenden Wirkung des Galegins und der Adrenalin- wirkung spreehen. Aus der chemischen Konstitution des Galegins ist es ja abet aueh zu erwm'ten, da schon die Isoamy]enseitenkette sym- pathikotrope Wirkung eatfaltet, dal~ diese dem Guanidinoisoamylen erhalten bleibt.

An dieser Stelle mSchten wir der Ubersicht halber noch auf die bei der Verabreiehung des Ga]egins gesehenen Nebenerseheinungen eingehen, da sie mit der sympathischen Wirkung zusammenzuhiingen scheinen. Da die Erscheinungen am ~[agen-Darmtraktus der Ziegen (a. a. 0., S. 254) ein typisches Bi]d bieten, sei es uns erlaubt, die friiheren Versuehe an dieser Ste]le noehmals kurz zu sehildern: Einer Ziege yon 23,5 kg Gewicht wurden innerhalb yon 6 Tagen insgesamt 4,2 g Galegin- sulfat subkutan injiziert. Schon nach der ersten Injektion yon 0,4 g. veEor das Tier die Fre~lust und wurde yon Tag zu Tag zusehends matter. Vom 2. Tage an nahm es nur noch einmal wenig Futter und Wasser zu sieh, damn Verweigerte es his Zum Tode ]egliche l~ahrung. Vom 4. Tage an zeigte sieh h~iufiger Singultus, am 7. Tage bekam das Tier, das g~inzlich apathisch geworden war, sehwere Kr~mpfe, haupts~ichlich vom Charakter klonischer Streekkr~mpfe der Extremit~ten. Die I~'gmpfe wurden am 8. Tage allgemeiner und ergriffen die Hals- und Rumpf- muskulatur. Unter diesea Erseheinungen ging das Tier dann aueh ein; die Atmung ersehien bis zum Ende unbeeintr~iehtigt.

Bei der Obduktion Zeigte sich der Magen mit vielen Litern Fltissig- keit geftillt, es land sich aueh noeh etwas nnverdauter Haler. Darm und Blase waren vSllig leer, die Gallenblase war erheblieh dilatiert und enthielt etwa 70 ecru dtinne Galle.

Bei einer zweiten Ziege, die innerhalb yon 6 Tagen 6,9 g Galegin- sulfat erhielt, war alas Vergiftungsbild das gleiehe, bei der Obduktion dasselbe l~esultat. Dieses Vergiftungsbild glauben wir jetzt erkl~ren zu kSnnen. Es ist ja aueh naeh gro6en Adrenalindosen die Dilatation und Hemmung jeder Peristaltik am Darme bekannt. Die dyspeptischen Beschwerden bei Hunden und Kaninehen nach grol~en Dosen Galegin dtirften auf dieselbe Art entstanden sein.

Vielleicht gehSren aueh die yon dem einen von uns im Selbstver- suche empfu~denen Besehwerden in dieses Bild hinein. Es trat einige Zeit nach dem Einnehmen des Pr~iparats Bin Gefiihl der iJbelkeit, vor allem extremster Ftille des Magens auf, dabei bestand starker Breehreiz, zugleieh mit der UnmSgliehkeit, diesem nachgeben zu kSnnen.

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Zur Pharmakologie des Galegins. 225

Das sind abet auch die unangenehmen 5Tebenerscheinungen des Frankschen Synthalins. In einer ktirzllch erschienenen Arbeit aus der P i rque t schen Klinik berichten Pr iese l und Wagne r (19), da~ sich bei Kindern bei gr56eren Dosen statt der erwarteten Biutzuckersenkung eine Hyperglykiimie zeigte, F r a n k selbst wies auf dem KongreI~ ftir Stoffwechsel-und Verdauungskrankheiten darauf bin, da~ er anfangs manchmal eine I-Iyperglyki~mie gesehen babe. Die Entstehungs- ursache ist fiir die BlutzuckererhShung sicher in der ReizUng des sym- pathischen 5Tervensystems zu suchen. Die dyspeptischen Beschwerden nach der Einnahme yon Synthalin kSnnen aber noch dutch eiae andere Ursache bedingt sein. Wit kommen damit zu der Frage des zweiten Angriffspunktes.

Vor allem theoretische Betrachtungen aus der Lehre fiber den Zu- sammenhang zwischen chemischer Konstitution und Wirkung - - soweit wir eine solche iiberhaupt besitzen - - ftihrten uns zu der Ansicht, da] die den Btutzucker herabsetzende Wirkung des Galegins dutch eine Reizung des parasympathischen 5Tervensystems zu erkli~ren sei. Es lassen sich ja bei fast allen Ammoniakderivaten nebeneinander zwei einander entgegengerichtete Wirkungen nachweisen, wobei ftir das Oberwiegen der einen oder anderen die Dosierung wesentlich 1st. Gro~e Dosen kSnnen mit anderen Worten den entgegengesetzten Effekt aus- 15sen wie kleine. Ferner kann eine tier Komponenten durch hemmende Radikale verdeckt werden. So kommt es, da~ hi~ufig eine Wirkung, welche als spezifische, elektive am meisten in die Augen springt, fi~lschlich als ttauptwirkung bezeichnet wird, die in Wahrheit nut eine akzessorische ist, nur deshalb, weil sie sich schon bei Dosen bemerkbar macht, bei denen man noch nichts yon der Wirkung des GrundkSrpers sieht.

5Ian weiI~ z. B. li~ngst, duI3 die aliphatischen Amine die sympathischen Fasern erregen; sehr ausgesprochen zeigen auch die homozyklischen Amine dieses Verhalten, w~hrend den heterozyklischen eine vorwiegend parasympathikotrope Wirkung zugeschrieben wird. Es ist abet auch bei diesen fast 1miner mSglich, durch geeignete Versuchsanordnung die sympathikotrope Komponente nachzuweisen.

Betrachten wir nun, was tiber den Vagus einerseits, die Guanidine andererseits bekannt ist, besonders im Hinbllck auf den Zuckerstoff- wechsel, so linden wir das ftir die Ammoniakderivate im allgemeinen Gesagte fiir die Guanidine im speziellen best~tigt. Aus den Arbeiten der Pawlowschen Schule ~dssen wit, da~ nach Vagusreizung eine ver- st~rkte Sekretion yon Magen, Darm und Pankreasdriise einsetzt, was

Arehiv f. experiment. Path. u. :Pharmakol. Bd. 125. 15

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226 XIII. HELMUT I~LLER und HELMUTH REINWEIN.

in neuerer Zeit auch yon S t ahnke (20) best~tigt wurde; eine Zu- nahme der ~ul~eren Sekretion des Pankreas erzielte Kr imberg (21) durch Methylguanidindarreichung, wesha]b er in diesem KSrper eine dem Sekretin zu vergleichende Wirkung vermutete. Diese Parallele zwischen Vagus- nnd Guanidinwirkung seheint nun auch ffir die innere Sekretion des Pankreas zu gelten. Jean la Barre (22) glaubt nach Vagusreizung eine vermehrte InsulinbiIdung beobachtet zu haben und Clark(23) hat ge~unden, da~ bei Kaninchen Stoffe, die das para- sympathische Nervensystem reizen, wie Pflokarpin und Guanidin, eine Hypoglyk~mie hervorrufen, besonders wenn dutch Ergotamin der Sym- pathikus ausgeschaltet ist. Er ffihrt die Guanidinhyperglykiinfie ebenfa]ls auf Sympathikus-, die Guan]dinhypoglyk~mie auf Vagusreizung zur~iek. Um so mehr sind wit bereebtigt, fi]r das Galegin, dessen sympathiko- trope Komponente wit naehgewiesen haben, als zweiten Angrii~spunkt ebenfalls den Vagus anzunehmen, zumal die Wirkung eine betr~chtlich st~rkere als die des Guanidins ist. Gegen die Annahme, dab es sieh um eine dutch Vagusreizung hervorgerufene vermehrte Sekretion yon Insulin handeln kbnne, spreehen nur die Versuehe F ranks (a. a. 0.) an pankreas]osen ttunden, bei denen dureh Synthalin hypoglyk~misehe Kr~impfe erzielt wurden, wobei abet auff~llt, dab diese durehweg schon bei verhhttnism~f~ig hohem Blutzuckerniveau auftreten sollen. Wit sahen naeh Galeginverabreiehung wohl eine Ernie&'igung des Blut- zuekers, es kam aber nieht zu hypoglyk~imischen Krhmpfen. Anderer- s eits sind, wie F r a n k selbst angibt, die Resultate am zuckerkranken Menschen eigentl~ch besser, als man nach den Tierexperimenten erwarten sollte, was aueh Mr bei unserem Pr~parate best~itigen konnten. Die zeitweilige ganz auffallende Besserung der leichten und mittelschweren Diabetesfhlle liei~e sich durch die Annahme eines Reizes auf die innere Sekretion der Bauchspeieheldrfise am besten erkl~iren. Natfirlieh kann man aueh daneben an eine direkte Wirkung auf den Zuekerstoffwechsel der Leber denken, besonders im I-Iinblick auf die Versuche an pankreas- losen Hunden. Die Entseheidung dieser Frage muI~ weiteren Versuehen vorbehalten bleiben, mit denen wit beseh~ftigt sind.

Erst die weitere Forschung fiber das Zustandekommen der Blut- zuckererniedrigung wird die Entscheidung gestatten, wie weit die Guani- dinkbrper, die man natilr]ieh naeh allen mbglichen Richtungen modi- fizieren kann, fiberhaupt als Insulinersatz in Frage kommen. Wirken s ie tats~chlich in der Weise, da[~ sie dureh Reizung des Pankreas die Sekretion des Insulins anregen, so besteht immerhin die Gdahr, dal~ bei lhngerer Anv~endung - - wenigstens in den sehweren F~llen - - die

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Zur Pharmakologie des Galegins. 227

ErschSpfung des Inselgewebes beschleunigt und damit der Kranke ge- schi~digt wird.

Zusammenfassung .

Das Galegin bewirkt bei Kaninchen eine Hyperglyk~mie. Diese findet sich n~ch Verabreichung grSlterer Dosen auch beim ~unde. Nach kleinen Gaben dagegen kommt es bei ttunden zu einer Senkung des Blutzuckers.

Bei Hunden, denen das Pankreas entfernt wurde, zeigt sieh nach Galeginverabreichung ebenfalls eine Verminderung des Blur- und Harn- zuckers. Galegin setzt auch beim normalen wie zuckerkranken Mensehen den Bhtzucker herab.

Die hyperglyki~mische Wirkung des Galegins kommt dutch eine Reizung des Sympathikus zustande, wie durch Untersuchungen am enukleierten Froschbulbus, am Froschgefa~pri~parat, am isolierten Katzendarm und durch das Verhalten des Blutdruckes gezeigt werden konnte.

Wie beim Adrenalin kann die durch Galegin verursachte Hyper- glykamie durch Ergotamin verhindert werden.

5Tach Verabreichung yon Galegin und Ergotamin kommt es bei Kaninchen und ttunden zu hypoglyk~mischen Krampfen.

Es besteht die MSg]ichkeit, dab die Verminderung des Blutzuckers nach Galegin- und Synthalinverabreichung dutch Reizung der inneren Sekretion der Bauchspeicheldriise auf dem Wege des parasympathischen ~qervensystems zustande kommt.

Literatur. 1. H. Mi i l l e r , Zeitschr. f. Biol. 1925, Bd. 83, S. 239. - - 2. ~ . G. T a n r e t ,

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15"

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228 XIII. HELI~IUT MiJLLER and HEL~UTH REINWEIN.

17. Major and S t e p h e n s o n , Proc. of the soc. f. exp. biol. a. reed. 1924, Bd. 21, S. 275; Ball. of Johns Hopkins hosp. 1924, Bd. 35, S. 140; zitiert nach Ber. d. ges. Physiol. 1925, Bd. 29, S. 430. - - 18. Vgl. A b d e r h a l d e n , Handb. d. bioehem. Arbeitsmethoden 1912~ Bd. 6, S. 601. - - 19. P r i e s e l and W a g n e r , Klin. Woehenschr. Jg. 1927, tiff. 19, S. 884. - - 20. S t ahnke , Arch. f. klin. Chirurg. Bd. 132. - - 21. Kr imberg~ Biochem. Zeitschr. 1926, Bd. 176, S. 73. - - 22. J ean la Bar re , Soci6t~ belg. de Biol., S~ance da 8. Jan. 1926. - - 23. Clark , Journ. of physiol. 1924, Bd. 58, S. 294.