Olaf Möllenkamp Arbeitsgericht Lübeck Personalabbau, Massenentlassung und Sozialplan Reinbek –...

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Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Personalabbau, Massenentlassungund Sozialplan

Reinbek – 24. Februar 2010

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

I. Personalabbau

II. Massenentlassung

III. Sozialplan

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

I. Personalabbau

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Personalabbau ohne Kündigung:

• Auslauf von Befristungen

• Abbau von Leiharbeitnehmern

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

„Vorfeldarbeit“ vor Ausspruch der Kündigung:

• Fristberechnung

• Zustimmungs- und Anhörungserfordernisse

• Schriftformerfordernis (§ 623 BGB)

• kein Begründungserfordernis

• Hinweispflichten im Kündigungsschreiben

• Zugangsnachweis

• Absicherung für Kündigungsschutzprozess

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Absicherung für Kündigungsschutzprozess

• sorgfältiges rechtliches Durchdenken der beabsichtigten Kündigung

• Dokumentation von Entscheidungsgrundlagen

• schriftliche Niederlegung von unternehmerischen Entscheidungen

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Struktur der betriebsbedingten Kündigung

1. Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die den Beschäftigungsbedarf im Betrieb vermindert haben

2. keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

3. fehlerfreie Sozialauswahl

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Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse

Ausgangspunkt:

nicht: Umsatzrückgang, Auftragswegfall, Gewinneinbruch, Lizenzentzug, Insolvenz o.ä.

Überhang an Arbeitskräften

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Überhang an Arbeitskräften

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

gestaltende unternehmerische Entscheidung

Kündigung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

• Auftragsrückgang• Umsatzrückgang• verschlechterte

Ertragslage• Kundenverlust• Rohstoffmangel• Wegfall von Fördergeldern• Tarifentwicklung• politische Ursachen

• Rationalisierung• Betriebsstilllegung• Betriebseinschränkung• Outsourcing• Strukturveränderung• Änderung der

Produktionsmethoden

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

Stützt sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess auf bestimmte außer- und/oder innerbetriebliche Gründe, muss er das zugrunde liegende Zahlenmaterial im Fall des Bestreitens bei Gericht vorlegen, z.B.

• Bilanzen• Auftragsbestände• Ertragsentwicklung• Kundenkündigungen• Fremdverträge

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gestaltende unternehmerische Entscheidung

Aufgrund der außer- und/oder innerbetrieblichen Ursachen wird eine „freie“ unternehmerische Entscheidung getroffen, infolge derer ein

entsteht.

Überhang an Arbeitskräften

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gestaltende unternehmerische Entscheidung

• geschützt durch Art. 14 Abs. 1 GG

• gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar auf offenbare Unsachlichkeit, Unvernunft oder

Willkür

• nicht überprüfbar auf Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit oder Sinnhaftigkeit

• tatsächliche Entscheidung voll überprüfbar

• oft entbehrlich bei bereits erfolgter Umsetzung

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gestaltende unternehmerische Entscheidung

Da bei Streit darüber voll überprüft wird, ob die Entscheidung überhaupt getroffen worden ist, sollte dokumentiert werden:

• Wann, wo in welcher Besetzung von wem getroffen ?

• Was wurde konkret zu wann beschlossen ?

• Warum wurde der Beschluss gefasst (Gründe) ?

• Wie wirkt sich der Beschluss auf die Beschäftigungslage aus ?

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Überhang an Arbeitskräften

Aus der gestaltenden unternehmerischer Entscheidung muss sich ein Überhang an Arbeitskräften ergeben.

Dieser ist nicht selbsterklärend und muss ggf. rechnerisch nachvollziehbar dargestellt werden.

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Überhang an Arbeitskräften

Einfach darzustellen bei

• Abteilungsschließung• Outsourcing• Betriebsschließung• Wegfall einzelner Arbeitsplätze

Schwieriger darzustellen bei Volumenentscheidungen

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Überhang an Arbeitskräften

Beispiel: Reduziertes Arbeitsvolumen

2008 120.000 Maschinenstunden 60 Arbeitnehmer

2009 80.000 Maschinenstunden 58 Arbeitnehmer

2010(erwartet)

62.000 Maschinenstunden 35 Arbeitnehmer(nach Kündigungen)

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Überhang an Arbeitskräften

Beispiel: Strukturelle Verdichtung

bisher 3 Arbeitnehmer für Abteilung Buchhaltung (Vollzeit)

1 AN Lohnbuchhaltung1 AN Finanzbuchhaltung1 AN Personalsachbearb.

neu 2 Arbeitnehmer für Abteilung + 1 Minijob 400,-- EUR

1 AN Lohnbuchhaltung1 AN FinanzbuchhaltungPersonalsachbearb. wird aufgeteilt zw. VollzeitÜberhang durch Minijob

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Überhang an Arbeitskräften

• betriebsbezogene Sichtweise, aber ggf. unternehmensweite

Weiterbeschäftigung bedenken

• muss sich nicht auf einen konkreten Arbeitsplatz oder Arbeitnehmer beziehen

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Überhang an Arbeitskräften

außerbetriebliche Gründe innerbetriebliche Gründe

gestaltende unternehmerische Entscheidung

Kündigung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Typische Fallgruppen:

• Auftrags- und Umsatzrückgang

• Betriebsstilllegung und Verlagerung

• Betriebseinschränkung

• Outsourcing

• sinkende Rentabilität, Gewinnverfall

• Leistungsverdichtung

• Rationalisierung

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Auftrags- und Umsatzrückgang:

• verminderter Beschäftigungsbedarf erforderlich

• geringerwertige Tätigkeiten an höherqualifizierte AN übertragbar

• Selbstbindung des AG durch dynamische Anpassung an Arbeitsmenge möglich

• AN kann kein besseres Konzept zum Arbeitsplatzerhalt erzwingen

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Outsourcing:

• bei Leiharbeit unzulässig (Austauschkündigung)

• unproblematisch bei Übertragung zur eigenständigen Erledigung

• Konzeptwechsel eigene AN freie Handelsvertreter zulässig („Mosquito“)

• unzulässig bei Umgehung von Kündigungsschutz

• problematisch bei Scheinselbständigkeit

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Sinkende Rentabilität, Gewinnverfall:

• muss bei Bestreiten durch Zahlenmaterial dargelegt werden

• auch auf hohem Niveau Arbeitsplatzabbau möglich

• sonst zu prüfen wie Auftrags- und Umsatzrückgang

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Leistungsverdichtung:

• Arbeit muss noch zu bewältigen sein

• Mehrbelastung aber hinzunehmen

• häufig begleitet von anderen Umständen (Verlagerung, Outsourcing)

• Einsparpotenzial muss dargelegt werden

• problematisch bei schwer messbarer Leistung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Ausgangspunkt:

Der Arbeitnehmer muss den freien Arbeitsplatz bezeichnen, auf dem er aus seiner Sicht weiterbeschäftigt werden kann.

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Weiterbeschäftigung ist grundsätzlich unternehmensweit geschuldet, aber

• Arbeitsvertrag muss Versetzung hergeben

• eine Änderungskündigung kann im Raum stehen

• ggf. auch zu verschlechternden Konditionen

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Richtigkeit der Sozialauswahl

Ausgangspunkt:

Der Arbeitnehmer muss den oder diejenigen Arbeitnehmer benennen, die sozial weniger schutzwürdig sind als er.

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• keine abstrakte Rüge eines Auswahlfehlers möglich

• Einbeziehung nur der Arbeitnehmer, die derarbeitsvertraglichen Beschäftigung nach

vergleichbar sind

• BAG hat sog. „Dominotheorie“ bei Listenauswahl aufgegeben

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Bei der Sozialauswahl sind allein folgende Kriterien maßgeblich (§ 1 Abs. 3 KSchG):

1. Dauer der Betriebszugehörigkeit

2. Lebensalter

3. Unterhaltsverpflichtungen

4. Schwerbehinderung

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Von der Sozialauswahl kann der Arbeitgeber Arbeitnehmer ausnehmen, deren Weiterbeschäftigung wegen

• ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen

oder

• zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs

im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG).

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Betriebsratsanhörung

• muss vor Ausspruch der Kündigung erfolgen

• hat substantiiert zu erfolgen

• Fehler in der Anhörung führen zur Unwirksamkeit der Kündigung, auf die sich der AN im Kündigungsschutzprozess berufen kann

• Arbeitgeber hat Darlegungs- und Beweislast

• Arbeitnehmer muss aber zunächst rügen

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Aktuelle Problemfelder im Kündigungsrecht:

• Interessenausgleich mit Namensliste

• Sozialauswahl und Altersdiskriminierung

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II. Massenentlassung

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Massenentlassung (§§ 17 ff. KSchG)

• Grundlage EU-Recht

• soll Arbeitsverwaltung ermöglichen, sich auf Kündigungen einzustellen

• Anzeigeverfahren

• Fehler im Verfahren bewirken faktische Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses

• keine Anwendung auf Saisonbetriebe pp.

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Anzeigepflicht

wenn binnen 30 Kalendertagen in Betrieben mit in der Regel

• 21 bis 59 Arbeitnehmer mehr als 5

• 60 bis 499 Arbeitnehmer 10 % oder mehr als 25

• mindestens 500 Arbeitnehmer mindestens 30

„entlassen“ werden

Schwellenwert bei Kündigungsausspruch ist maßgeblich

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Begriff der „Entlassung“ (alt)

Kündigung Kündigungsfrist Ende AV

Entlassung

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EuGH „Junk“ BAG Urt. v. 23.03.2006

Kündigung Kündigungsfrist Ende AV

Entlassung

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Entlassung

• primär: Kündigung durch Arbeitgeber

• auch: Eigenkündigung Arbeitnehmer falls Kündigungsabsicht und -termin mitgeteilt

• auch: Aufhebungsverträge zur Massenentlassung

Problem: Umgehung durch abgeschichtete Kündigungen über mehrere Monate

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Beteiligung des Betriebsrats

• Unterrichtungs- und Erörterungsanspruch

• ggf. auch zu §§ 92 und 111 BetrVG

• Regelfrist 2 Wochen

• keine Verhinderungsmöglichkeit des BR

• Stellungnahme oder Nichtäußerung des BR ist AA nachzuweisen

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Anzeige an AA

• muss vor Kündigungsausspruch erfolgen

• Unterrichtungs- und Erörterungsverfahren BR muss abgeschlossen sein

• Regelfrist 1 Monat

• keine Umsetzungsverpflichtung(nur vorsorgliche Anzeige möglich)

• Inhalt: § 17 Abs. 3 KSchG

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Rechtswirkungen der Anzeige

• setzt einmonatige Sperrfrist in Lauf

• vorgelagerte Zustimmung der AA möglich

• aber auch: Verlängerung bis 2 Monate

• hiernach aber: Kündigungsberechtigung

• fehlerhafte oder unterbliebene Anzeige:

Kündigungsunwirksamkeit oder fehlende Vollzugsmöglichkeit der Entlassung (str.)

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Zeitlicher Ablauf (Regelfristen)

Kündigungs-entschluss

Erörterung BR Anzeigeverfahren AA

2 Wochen 1 Monat

Kündigungen

BR § 102

1 Woche

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III. Sozialplan

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Freiwilliger Sozialplan:

Leistungsversprechen

• ohne BR oder• ohne

Betriebsänderung

Abmilderung und Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile

Erzwingbarer Sozialplan:

Leistungsversprechen

• nur mit BR und• bei Betriebsänderung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Sozialplan ./. Interessenausgleich

• Interessenausgleichbetrifft die Durchführung der Maßnahme selbst

• Sozialplanbetrifft den wirtschaftlichen Ausgleich für die Folgen der Durchführung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Betriebsänderung § 111 BetrVG

1. Einschränkung und Stilllegung

2. Sitzverlegung

3. Zusammenschluss

4. grundlegende Änderung von Organisation, Zweck oder Anlagen

5. neue Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Betriebsänderung durch Personalabbau § 112 a BetrVG

• weniger 60 AN 20 %, mind. 6 AN

• 60 - 249 AN 20 %, mind. 37 AN

• 250 – 499 AN 15 %, mind. 60 AN

• mind. 500 AN 10 %, mind. 60 AN

Addition bei einheitlicher unternehmerischer Entscheidung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Typische inhaltliche Probleme bei Sozialplänen:

• Altersberücksichtigung

• Kappungen und Höchstbeträge

• lineare Abfindungsberechnung und Pauschalbeträge

• Turboprämien

• Umgang mit Eigenkündigungen und Ablehnung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten

• Transfergesellschaften und Outplacement