Olaf Möllenkamp Arbeitsgericht Lübeck Umgang mit erkrankten Mitarbeitern Reinbek – 7. Juli 2010.

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Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Umgang mit erkrankten Mitarbeitern

Reinbek – 7. Juli 2010

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

I. Mitteilungs- und Nachweispflichten

II. Fragen der Entgeltfortzahlung

III. Handlungsoptionen während der Arbeitsunfähigkeit

IV. Betriebliches Eingliederungsmanagement und Präventivpflichten

V. Krankheitsbedingte Kündigung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

I. Mitteilungs- und Nachweispflichten

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Anzeige über AU und voraussichtliches Bestehen

unverzüglich (§ 5 Abs. 1 EfzG)

ohne schuldhaftes Zögern

bei Verstoß: Abmahnungsmöglichkeit

Form: nicht vorgegeben (telefonisch, Email, Kollegen)

Übermittlungsrisiko: Arbeitnehmer

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung:

wenn AU länger als 3 Kalendertage:

Vorlage am Folgetag des 3. Tages (§ 3 Abs. 1 EfzG)

Frist durch abweichende Vereinbarung verkürzbar

ggf. bis Ende Erkrankungstag (Arzt erreichbar?

Regelung denkbar durch AV, BV, TV

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Prognoserisiko Arbeitgeber

falls AU-Bescheinigung abgelaufen und nicht genesen

neue AU möglich

Frist: keine gesetzliche

h.M.: wieder 3 Kalendertage nach Ende der Vor-AU

aber: unverzügliche Mitteilung der Fortdauer

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

rückwirkende AU-Bescheinigung

• grundsätzlich möglich

• grundsätzlich kein Anhalt für missbräuchliche Gestaltung/Gefälligkeit

• nur ausnahmsweise Indiz für Missbrauch

• selten ausreichende Grundlage für Abmahnung/Kündigung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Zugangsrisiko für AU Arbeitnehmer

wenn Hilfsperson/Übermittlungsmedium versagt

Pflichtenverstoß

Abmahnungsmöglichkeit

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Falls im Wiederholungsfall Kündigung nach Abmahnung(en):

Abwägungsentscheidung

Überlegungspunkte:

• Intensität der durch Unzuverlässigkeit verursachten Ablaufstörungen

• u.U. Rückschluss auf generelle Unzuverlässigkeit

• Dauer des Arbeitsverhältnisses, Sozialdaten

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Arbeitsunfähigkeit im Ausland (§ 5 Abs. 2 EfzG):

erhöht wieder den Urlaubsanspruch

sichert Entgeltfortzahlung

Verfahren abhängig von Aufenthaltsort

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Arbeitsunfähigkeit im EWR-Ausland und bei Sozialabkommen:

AN informiert den örtlichen Sozialversicherungsträger

Träger informiert heimische Krankenkasse

Krankenkasse informiert Arbeitgeber

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Arbeitsunfähigkeit im übrigen Ausland:

wie Inland

deutsche KK ist an ärztliche Feststellungen gebunden, sofern nicht eigener Vertrauensarzt im Ausland untersucht hat

identischer Beweiswert wie Inlands-AU

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Zweifel am Bestehen der AU:

Einschaltung des MDK über KK

keine Angabe von Gründen erforderlich

KK/MDK zur Gutachtenerstattung verpflichtet

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Zweifel an AU insbesondere bei:

häufiger Kurzzeit-AU, insbesondere montags und freitags

AU durch bekannte „Krankschreibungsärzte“

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Untersuchung durch MDK:

„unverzügliche“ Untersuchung

in der Praxis selten unter 2 Wochen

bei Nichterscheinen Indizwirkung der AU erschüttert

Ergebnismitteilung an KK AG

Zweitgutachten möglich

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Falls MDK-Ergebnis AU nicht stützt:

Rückforderung der Efz nach § 812 ff. BGB

u.U. Schadensersatz ggü. Arbeitnehmer

u.U. Schadensersatz ggü. Arzt

ggf. Abmahnung/Kündigung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Sonderprobleme:

• „Gesundschreibung“

• Meldung nach 6 Wochen AU?

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

II. Fragen der Entgeltfortzahlung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Entgeltfortzahlungspflicht:

Dauer 6 Wochen nach Erkrankung

danach Krankengeldanspruch

Ausnahme: erste vier Wochen des Arbeitsverhältnisses

(§ 3 Abs. 3 EfzG)

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Entgeltfortzahlungspflicht bei Folgeerkrankung:

wenn zusammenhangslos mit Ersterkrankung neue 6 Wochen Efz-Pflicht

Beweislast: Arbeitnehmer

wenn im Zusammenhang mit Ersterkrankung keine Efz-Pflicht

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Berechnung des Entgelts:

• regelmäßige Vergütung ohne Überstunden

• bei ergebnisorientierter Arbeit Vergütung nach regelmäßigem Durchschnitt

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

III. Handlungsoptionen während/nach der AU

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

• eigene Nachforschungen

• Kontaktaufnahme

• Krankenrückkehrgespräche

• zulässige Fragen

• Aufdecken von Simulation

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IV. Betriebliches Eingliederungsmanagement

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• Rechtsgrundlage § 84 Abs. 2 SGB IX

• in Kraft seit 01.05.2004

• standardisiertes Verfahren zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit

• ohne AN-Zustimmung nicht möglich

• Rechtsprechung hierzu mittlerweile gefestigt

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

länger als 6 Wochen im Jahr arbeitsunfähig

Verpflichtung zur Durchführung des BEM

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

AU länger als 6 Wochen

im Einvernehmen mit AN BEM durchführen

falls AN nicht einverstanden

Ablehnung dokumentieren kein BEM !!!

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

AN einverstanden

Abstimmung von Maßnahmen mit BR

und SBV

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

• keine Festlegung auf Maßnahmen durch Gesetz

• „freie Hand“ für Akteure

• ergebnisoffener Suchprozess

• Effektivitätskontrolle

• Umsetzungsverpflichtung bei positivem Ergebnis

• kein Ausschluss vernünftiger Optionen

• Aufforderungsverpflichtung

• Initiativpflicht

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Mögliche Maßnahmen:

• Beeinträchtigungsanalyse

• Perspektivgespräch / Einsatzwünsche

• medizinische Begleitung / Vertrauensarzt

• Arbeitsplatzumgestaltung

• technische Analysen

• arbeitstechnische Hilfsmittel

• Mitarbeiterschulung („Rückenschule“)

• u.v.a.m.

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Auswirkung unzureichenden/unterlassenen BEMs:

1. negative gesundheitliche Prognose

2. erhebliche Beeinträchtigungbetrieblicher Interessen

3. Interessenabwägung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Taktische Erwägungen:

• Erstellen einer BEM-Richtlinie (ggf. mit BR)

• nominale Bestellung eines Betriebsarztes

• Mitarbeiterinformation

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Sonderproblematik:

AN verweigert BEM

• keine Teilnahmepflicht

• keine Pflicht zur Offenbarung von Krankheiten

• aber: auch Berücksichtigung in der Interessenabwägung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Arbeitnehmer Arbeitgeber

• soziale Gesichtspunkte

• (Mit-)Verursachung

• Betriebsgröße

• finanzielle Belastbarkeit AG

• Wille zum BEM

• Verweigerung AN zur Teilnahme am BEM

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

V. Krankheitsbedingte Kündigung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Krankheitsbedingte Kündigung:

Drei Hauptfälle

Dauererkrankunghäufige Kurzerkrankung

(Leistungsmin-derung)

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Grundprüfungsschema immer gleich:

1. negative gesundheitliche Prognose

2. erhebliche Beeinträchtigungbetrieblicher Interessen

3. Interessenabwägung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Dauererkrankung:

• ursächlich i.d.R. eine einzige Erkrankung

• Entscheidung häufig durch ein ärztliches Gutachten

• Problem bei der Prüfung der Beeinträchtigung betrieblicher Interessen:

Entfall der Entgeltfortzahlungspflichtnach 6 Wochen

geminderte Kostenbelastung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Häufige Kurzerkrankungen:

• häufigste Variante der krankheitsbedingten Kündigung

• viele Detailprobleme

• dadurch oft ungewisser Verfahrensausgang

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Prüfungsschema erweitert:

1. negative gesundheitliche Prognose

(1) indizielle Prognose

(2) Widerlegung möglich

(3) ggf. Gegenbeweis

2. erhebliche Beeinträchtigungbetrieblicher Interessen

3. Interessenabwägung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Indizielle Prognose:

• offiziell keine typisierte Festlegung

• Praxis:

mehr als 30 Tage Arbeitsunfähigkeit(durchgehend oder in der Summe)

in den vergangenen 3 Jahren

• aber: Einzelfallbetrachtung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Widerlegung der Negativprognose:

• AN legt Erkrankungen dar (Krankenkassenauszug)

• AN erklärt (laienhaft), warum deshalb keine Erkrankung mehr zu erwarten(„ausgeheilt“)

• sofern Laiensachverstand hierzu nicht ausreicht, Verweis auf behandelnde Ärzte

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Gegenbeweis:

Arbeitgeber

durch:

arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen:

• (meist) finanzieller oder

• tatsächlicher Art

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Finanzielle Beeinträchtigungen:

• Entgeltfortzahlungskosten

• Kosten von Arbeitsersatz(Subunternehmer, Leiharbeitnehmer)

• Schäden (Konventionalstrafen)

• Maschinenstillstand

• Mehrarbeitsbelastung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Häufigste Variante:

• hohe Entgeltfortzahlungskosten

• Faustformel: 20 % den Entgeltgesamtkosten

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Nach Vorstellung des BAG soll an dieser Stelle berücksichtigt werden, ob der AG auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz beschäftigen kann.

• milderes Mittel gegenüber Beendigungskündigung

• keine Verpflichtung zum Freikündigen

• ggf. aber Verpflichtung zum Schaffen eines leidensgerechten Arbeitsplatzes

• BEM

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Interessenabwägung:

Arbeitnehmer Arbeitgeber

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Arbeitnehmer Arbeitgeber

• soziale Gesichtspunkte

• (Mit-)Verursachung

• Betriebsgröße

• finanzielle Belastbarkeit AG

?

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Krankheitsbedingte Kündigung vor den Arbeitsgerichten:

• eher geringe Verfahrenszahl

• hohe Vergleichsquote

• schon erstinstanzlich geringe Erfolgsquoteaus AG-Sicht

• vor LAG häufig „Zwangsvergleich“

• Tendenz auch abhängig von Betriebsgröße

• Bewegung durch EuGH-Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei Dauererkrankung

Olaf MöllenkampArbeitsgericht Lübeck

Olaf MöllenkampRichter am Arbeitsgericht

Arbeitsgericht LübeckNeustraße 2a23568 Lübeck

Tel. (0451) 389 78 45Fax (0451) 389 78 50

olaf.moellenkamp@arbgsh.landsh.dewww.olaf-moellenkamp.de