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Juni 2013 2 Schwerpunktthema Wirtschaftsethik Was ist gerecht? Sozialethische Bewertung der Einkommens- und Vermögensentwicklung 70 Jahre Freiburger Denkschrift Bedeutung von Arbeit und Zeit für eine solidarische Gesellschaft Lehren aus der Schlecker- Insolvenz Arbeitsausbeutung – bei uns? Tagungsvorschau Medien und Straffälligenhilfe Interessenskonflikt Wasser- versorgung Rückblende, Onlinedokumente Publikationen Service Wirtschaftsethik ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis 3.-

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Magzin der Evangelischen Akademie Bad Boll

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Juni 2013 2

Schwerpunktthema

Wirtschaftsethik

Was ist gerecht? SozialethischeBewertung der Einkommens-und Vermögensentwicklung

70 Jahre FreiburgerDenkschrift

Bedeutung von Arbeit und Zeit für eine solidarischeGesellschaft

Lehren aus der Schlecker-Insolvenz

Arbeitsausbeutung – bei uns?

Tagungsvorschau

Medien und Straffälligenhilfe

Interessenskonflikt Wasser-versorgung

Rückblende,Onlinedokumente

Publikationen

Service

Wirtschaftsethik

ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis € 3.-

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i n h a l t

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Onlinedokumente 14

»Wenn Du nur das Glückwillst, willst Du nicht Gott.«Dorothee Sölle 15

Was kommt ... 16Vorschau auf Tagungen in der Zeit vom 13. Juni bis 31. Oktober

Aus der Akademie 21

Publikationen 23

Impressum 24

Meditation 25

Kontinent 2012 Granit Stahl von Sibylle Burrer

Titelbild

Foto von Grove Pashley, Fotograf

aktuell ... 2Dr. Claudia Mocek – neue Presse-sprecherin seit 1. April Tomas Lange – neuer Leiter desTagungszentrumsDebatte über Evangelische Akademienin »Christ und Welt«

Rückblende 3Rückblick auf vergangene Tagungen

Ausstellung 6Sibylle BurrerE-Motion, Skulptur und Grafik

Schwerpunkt: Was ist gerecht? Wirtschaftsethik 7Was ist gerecht? SozialethischeBewertung von Einkommens- undVermögensentwicklung70 Jahre Freiburger Denkschrift. »Die Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen« Die Lust an der Veränderung wiederentdecken. Bedeutung von Arbeit undZeit für eine solidarische GesellschaftNach der Pleite – Lehren aus derSchlecker-InsolvenzArbeitsausbeutung – bei uns?

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Liebe Leserin, lieber Leser,

70 Jahre ist es her, dass das Fundament für eineGesellschaftsordnung geschaffen wurde, die unseinen enormen Lebens- und Beziehungswohlstandbeschert hat – deren Ausprägung heute jedoch weit-gehend zur Disposition steht: Die Rede ist von derWirtschaftsordnung, die später »Soziale Marktwirt-schaft« genannt wurde. 1943 trafen sich Männerdes Widerstandes, um die so genannte »FreiburgerDenkschrift« zu verfassen (s. S. 9). Nationalökono-men, Politiker und Theologen entwickelten dasKonzept einer freiheitlichen, sozialen Wirtschafts-ordnung. Die Vorschläge, die diese Männer im pro-testantischen Geist machten, »sind bestrebt, eben sowohl das Extrem deswirtschaftlichen Kollektivs mit seinen seelisch verwüstenden Wirkungenzu vermeiden wie die Wirtschaftsanarchie eines einseitig und falsch ver-standenen Wirtschaftsliberalismus, der dem privaten Egoismus schlecht-hin alles überlässt […]«.

Angesichts eines immer tiefer in die Gesellschaftsordnung eingreifendenFinanzmarktkapitalismus steht heute eine drängende Frage auf der Tages-ordnung: Wie kann die Freiheit des Handelnden und damit ihr »Person-charakter«, wie es in der Freiburger Denkschrift heißt, inmitten einer le-bensdienlichen Gemeinschaftsordnung noch gewahrt werden? Wie sehendie Konturen einer freiheitlichen Lebensführung in Verantwortung vor derSchöpfung und dem Gemeinwesen in einer globaler werdenden Welt aus?

Tagungen der Evangelischen Akademie Bad Boll, die sich mit diesen The-men befassen, setzen auch den Schwerpunkt für diese Ausgabe von SYM:In der »Rückblende« findet sich ein Bericht zum ersten Württembergi-schen Forum Kirche – Wirtschaft – Arbeitswelt, das sich einmal im Jahrdem Thema »Gemeinwohlorientierung in der Wirtschaft« zuwenden möch-te (S. 4). – Die politische Rekonstruktion der Ökonomie ist auch dasThema des Vortrags »Was ist gerecht?« von Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse, Sozialethiker an der katholisch-theologischen Fakultät der Univer-sität Tübingen (S. 7). – Dr. Dieter Heidtmann, Studienleiter für Wirt-schaftsethik, widmet sich ausführlich der Aktualität der »Freiburger Denk-schrift« (S. 9) und Esther Kuhn-Luz, KDA Stuttgart, stellt das Buch »DieZeit gehört uns« von Friedhelm Hengsbach vor (S. 22).

Diese Beiträge zeigen: Wir stehen vor einer gewaltigen Transformationder Wirtschaftsgesellschaft. Dazu kann die Akademie einen gewichtigenBeitrag zur Diskussion leisten. Als neuer Akademiedirektor hoffe ich, dassich manche Impulse geben kann und freue mich riesig auf die Zusam-menarbeit mit den Mitarbeitenden vor Ort und dem Dialog mit Ihnen, dieSie dieses Heft aufmerksam lesen. In diesem Sinne freue ich mich auf eingutes Miteinander!

Ihr Prof. Dr. Jörg Hübner, Geschäftsführender Direktor

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Dr. Claudia Mocek – neue Pressesprecherin seit 1. April

Die Journalistin Dr. Claudia Mocek, 41, ist seit1. April neue Pressesprecherin der Evangeli-schen Akademie Bad Boll und Leiterin der Ab-teilung Presse und Publikationen.

Nach dem Abitur in Bochum hat ClaudiaMocek in Tübingen Neuere Geschichte undMusikwissenschaften studiert und mit demMagister abgeschlossen. Das Volontariatmachte sie bei der Schwäbischen Zeitung unddanach arbeitete sie zwei Jahre als Redakteu-

rin bei der Kornwestheimer Zeitung. Von 2002 bis 2006war Claudia Mocek wissenschaftliche Assistentin an derUniversität Trier, wo sie auch in Neuerer Geschichte pro-movierte. Von 2004 bis 2011 arbeitete sie als Presserefe-rentin und Online-Redakteurin beim Bund für Umwelt-schutz (BUND), Landesverband Baden-Württemberg, undals freie Redakteurin bei dem Geschichtsmagazin epoc. Im Juni 2011 wechselte sie als Programm-Managerin zumKonrad Theiss Verlag in Stuttgart. Durch ihre Arbeit beimBUND ist Claudia Mocek die Evangelische Akademie BadBoll und ihre Arbeit bereits vertraut.

Tomas Lange ist neuer Leiter des Tagungszentrums

Tomas Lange ist seit 1. April neuer Leiter desTagungszentrums der Evangelischen AkademieBad Boll. Der 43-Jährige stammt aus Quick-born bei Hamburg und hat nach seiner Aus-bildung zum Koch und zum Hotelfachmannim Fernstudium einen Abschluss zum Hotel-betriebswirt gemacht. Als Hotelleiter in gro-ßen Hotels und Betriebsleiter im Hotel- undCateringservice bringt Tomas Lange reichlichErfahrungen in Organisation und in Personal-führung entsprechender Betriebe mit.

Debatte über Evangelische Akademien in Christ & Welt

In der Ausgabe 18/2013 von Christ & Welt wurde eineDebatte über die Relevanz der Evangelischen Akademienangestoßen, die wir unseren Leserinnen und Lesern nichtvorenthalten wollen. Die Redakteure Andreas Öhler undWolfgang Thielmann stellen darin zu den Akademien fol-gende These auf: »Sie waren jahrzehntelang die Denk-fabriken der Republik. Heute sind sie als Ideengeber fürPolitik und Kultur unwichtig.« Im weiteren Verlauf desBeitrags heißt es: »Im Dilemma der Akademien spiegelnsich die Krise der Religion, die Marginalisierung und diePluralisierung der Gesellschaft – die Polit-Unterhaltungeiner politischen Haltung vorzieht. Das klassische evange-lische Bildungsmilieu ist weggebrochen. Entwicklungs-politik und weltweite Gerechtigkeit werden auf anderenPodien verhandelt. Die Akademien müssen sich der Kon-kurrenz aussetzen.« In derselben Ausgabe von Christ &Welt erschienen auch Beiträge dreier Akademie-Direk-toren unter dem Titel »Das sagen die Kritisierten«. Dabeikommen die Direktoren der Evangelischen Akademien vonTutzing, Udo Hahn, von Berlin, Rüdiger Sachau und vonThüringen in Neudietendorf, Michael Haspel, zu Wort.

Wenn auch nicht alle Aussagen des Beitrags auf fundier-ten Analysen beruhen und die Zitate aus den Akademienanonym bleiben: Ein lesenswerter Artikel über die Akade-miearbeit, der die Stärken dieser »Trotz- und Trutzburgen«des protestantischen Denkens benennt, aber auch derenProbleme. Es ist wichtig, diese Debatte über Relevanz undAusrichtung der Evangelischen Akademien zu führen. Des-halb wollen wir auch die Leserinnen und Leser von SYMermutigen, die Beiträge zu lesen und mit zu diskutieren –als Leserbriefe an SYM oder auf Facebook:www.facebook.com/EvangelischeAkademieBadBollLinks: www.christundwelt.de/detail/artikel/der-protestantismus-gibt-den-geist-auf/www.christundwelt.de/detail/artikel/das-sagen-die-kritisierten/

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Das neue Direktionsteam, seit 1. Juni 2013: von li. n. re.: Geschäftsführer Achim Ganßloser, kommisarischer Direktor Günter Renz und Geschäftsführender Direktor Jörg Hübner

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Drehscheibe Türkei – Syrienkriseund Flüchtlingspolitik. HumanitäreHilfe als Ausdruck politischerNeuausrichtung?

Die Fragestellungen des Studientagsam 23. März waren umfassend: Wosteht die Türkei innen- und außenpo-litisch? Welche Faktoren bestimmendas politische Agieren – wie wird esweitergehen? Der Bürgerkrieg in Sy-rien und die türkisch-kurdische Aus-söhnung waren der Hintergrund desNachdenkens.Die Türkei habe einen Aufstieg »mitRisiken und Nebenwirkungen« hintersich, so Reinhard Baumgarten, Leiterder ARD-Hörfunkstudios Istanbul undTeheran. Trotz aller Spaltungen undVerwerfungen habe sie gewaltigesPotenzial. Die Frage jedoch, wer Türkesei, sei in dem multiethnischen Landkeineswegs geklärt. Dies werde amBeispiel der Kurden ersichtlich undspalte das Land. Die Rolle des Militärsin der türkischen Demokratie verursa-che eine weitere Spaltung – allerdingssei dessen Machtbeschneidung ein Weghin zur Normalität. MinisterpräsidentErdogans Politikgestaltung reiche soweit, dass er die Deutungshoheit überGeschichtsauslegungen beanspruche– so geschehen in Bezug auf eine TV-Serie (Muhtesem Yüzyılı), die dasLe-ben am Hof Sultan Süleymans im16. Jahrhundert skizziert und in der er Änderungen durchgesetzt habe.

Dr. Günter Seufert, Leiter der For-schungsgruppe EU-Außenbeziehun-gen der Stiftung Wissenschaft undPolitik, stellte die türkische Außenpo-litik unter Davutoglu als deutlicheGegenentwicklung zur StaatsvisionAtatürks dar. Dessen Doktrin »Friedenzu Hause, Frieden in Europa«, habedeutlich Bezug auf die Staatsgrenzengemäß des 1923 geschlossenen Frie-densvertrags von Lausanne genom-men, den eigenen Einfluss aber nichtüber diese hinaus gedeutet. Davutogluhingegen habe die Türkei mit seinerAußenpolitik im Nahen Osten ver -ankert. Mit Syrien habe die Türkeilange Zeit ein grenzübergreifenderRegionalismus verbunden – Syrienwar quasi ein Schlüsselstaat für dasZusammenfinden einer gemeinsamen

islamischen Zivilisation. Im Syrienkriegaber, so Seufert, sei die Türkei mit ihrerOrientierung zu den Nachbar länderngestoppt worden, weil die »softpower« nicht genügt habe. Erdoganwechselte zu einer Anti-Assad-Politik und verwarf damit zentraleParameter der neuen Außenpolitik. Innenpolitisch werden derzeit zweigroße Themen abgearbeitet, die seitAtatürks Gesellschaftsprojekt gären:Zum einen geht es um die religiöseReaktion auf das säkulare Atatürk-Modell. Die AKP-Regierung hat diesenDissens zugunsten der sunnitischenKräfte gelöst – die muslimisch-kon-servativen Kräfte sind in den Staatintegriert. Mit der zweiten Reaktion,der kurdischen Nationalbewegung, seidies, so Seufert, noch nicht gelungen.Anfänge bewertete er allerdings inden ganz aktuellen Verhandlungenund dem Waffenstillstand.

Vor dem Hintergrund dieser außenpo-litischen Ziele stand auch die Einord-nung von Dr. Raid Gharib, Subdiakonder syrisch-orthodoxen Kirche undPolitologe. Er sah keineswegs nur einehumanitäre Motivation in der Einrich-tung der Lager entlang der Grenze.Die Türkei sei in der Tat eine Dreh-scheibe: Für die syrischen Christen istsie mit dem Tur Abdin die alte Heimat.Hilfsgelder, die von Deutschland nunnach Syrien gehen, werden meistüber die Türkei umgeschlagen undüber die Gemeinden weitergeleitet. Zu einer umfassenden Asylgesetzge-bung haben die Hilfsleistungen derTürkei bisher nicht beigetragen, nach

wie vor werden hier staatliche Aufga-ben an die Zivilgesellschaft abgege-ben. Die humanitäre Hilfe der Türkeiist also kein Ausdruck einer politi-schen Neuorientierung durch ihreHumanität, sondern durch die Abkehrdes bisherigen außenpolitischen Para-digmas, mit der sie einhergeht. Einigwaren sich alle, dass es einen Natio-nalstaat Syrien in der bisherigen Formnicht mehr geben werde. Das wieder-um wird Folgen haben für die türki-sche Außenpolitik – welche, ist nochnicht absehbar.

Simone Helmschrott, Studienleiterin, s.a. Onlinedokumente, S. 14

Wie kann Mikrofinanz armenMenschen helfen?Tagung vom 22.-24. Februar 2013

Mikrokredite galten lange Zeit als das entwicklungspolitische Mittel derWahl. Rolando B. Victoria, Geschäfts-führer der philippinischen Mikrofi-nanzinstitution Alalay sa Kaunlaran,Inc. (ASKI), berichtete über die Arbeitmit Mikrokrediten auf den Philippi-nen, die Oikocredit seit sechs Jahrenmit Kapital versorgt. »Für arme Men-schen bedeutet ein kleiner Kredit sehrviel.« Die Frage, ob eine Geldanlage inMikrokredite nach wie vor sinnvoll ist,was sie bewirkt und ob und wie sichdas Konzept »Mikrofinanz« weiterent-wickelt hat, bewegte eine interessier-te Zuhörerschaft aus Studenten, ent-wicklungspolitischen Aktiven undOikocredit-Anlegern. Fast 40 Jahre Mikrofinanz hättennicht nur positive Entwicklungen ge-

Der bewaffneteKampf der kurdi-schen National-bewegung warlange Zeit diegrößte Heraus-forderung für dietürkische Innen-politik. Der vorkurzem ausge-handelte Waffen-stillstand ent-spannt die Situa-tion deutlich.

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wünschen sich, dass die Kirche Men-schen auch im Bereich der Wirtschaftund der Arbeitswelt begleitet. Umge-kehrt gibt es Erwartungen der Kirchean Wirtschaft und Arbeitswelt. In derEvangelischen Akademie trafen sichVertreter aus Kirche, Wirtschaft undArbeitswelt, um die Aktivitäten derLandeskirche in diesem Arbeitsfeldbesser miteinander zu vernetzen.Michael Fritz, der als Vertreter derWürttembergischen Landessynode dasForum eröffnete, erinnerte an den Be-schluss der Württembergischen Lan-dessynode von 2009 »Die Wirtschaftsoll dem Leben dienen«. Er wünschesich ein stärkeres Engagement derLandeskirche in Wirtschaft und Ar-beitswelt. »Wir müssen die existenti-elle Dimension der wirtschaftlichenSorgen der Menschen viel stärkerwahrnehmen.« In Arbeitsgruppen zumDialog zwischen Kirchengemeinden,Wirtschaft und Arbeitswelt, zur öko-logischen und sozialen Nachhaltigkeitund zur Rolle von Kirche und Diako-nie in der Wirtschaft erarbeiteten dieTeilnehmenden des Forums Vorschlä-ge für eine neue Schwerpunktsetzungder Landeskirche. Ein wichtiges Ele-ment war dabei die Frage der Glaub-würdigkeit. »Kein Mensch nimmt dieKirche ernst, wenn sie nicht in ihreneigenen wirtschaftlichen Aktivitätenumsetzt, was sie von anderen fordert«,mahnte Prof. Dr. Lars Castellucci,stellvertretender Landesvorsitzenderder SPD, auf der Tagung und forderte:»Wir brauchen nicht nur organisierteSolidarität, sondern Zuwendung zuden Menschen.« Hartmut Koch-Czechvom Arbeitskreis Evangelischer Unter-nehmer wünschte sich mehr Engage-ment der Kirche für eine Ressourcenschonende Wirtschaft. Jendrik Scholzvom DGB forderte von den Kirchenmehr Engagement für Arbeitnehmer-rechte, auch in ihrem eigenen Be-reich. Er kündigte eine Klage der Ge-werkschaften vor dem Bundesverfas-sungsgericht und dem EuropäischenGerichtshof gegen die Einschränkungder Arbeitnehmerrechte in Kirche undDiakonie an.Für Prälat Dr. Christian Rose, der fürdie Kirchenleitung an dem Forum teil-nahm, sieht in der Wiederherstellungder Wirtschaftsordnung die entschei-

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bracht, so Prof. Dr. Adalbert Winklervon der Frankfurt School of Financeand Management. In den letzten Jah-ren wären zunehmende Kommerzia-lisierung der Anbieter und gestiegeneÜberschuldungsraten bei den Kredit-nehmerInnen zu beobachten. Dennochstellte Prof. Dr. Winkler den Mikrokre-diten ein gutes Zeugnis aus. GroßeHerausforderungen seien durch denteils hohen Wettbewerb entstanden.Deshalb sei Transparenz in der Bran-che das Gebot der Stunde, erläuterteChuck Waterfield, Gründer von Micro-finance Transparency. Mit gespannterAufmerksamkeit folgten etwa 60 Teil-nehmende seinen Ausführungen zumumstrittenen Thema »Kostenstruktu-ren« und »Zinsgestaltung«. Sehr an-schaulich zeigte er auf, mit welch ho-hen Kosten Mikrofinanz verbundenist, vor allem, wenn es sich um Kredi-te mit sehr kleinen Summen handelt.

In interaktiven Workshops erläutertenExperten Wirkungsanalysen aus Tan-sania, Sierra Leone und Lateinamerikaund machten deutlich, wie schwer esist, belastbare Ergebnisse zu erheben.Daher ist die Einschätzung aus derPraxis umso wichtiger. Rolando Victo-ria berichtete, dass er die Nichtregie-rungsorganisation und Mikrofinanz-institution ASKI vor über 25 Jahrengegründet und ständig weiterentwi -ckelt habe. Wichtig sei ihm ein ganz-heitlicher Ansatz bei der Betreuungder rund 120.000 ASKI-Kundinnenund Kunden. »Wir müssen zuhören,was die Menschen brauchen und un-sere Angebote daran anpassen«, soVictoria. ASKI finanziere nicht nurKreditprogramme für Süßkartoffelan-bau und Schweinezucht, sondern hel-fe philippinischen Gemeinden auch

Hängebrücken zu bauen und stellenmobile Wasserpumpen zur Verfügung.

Das hat natürlich auch seinen Preis.Bei ASKI werden die Kosten durchDarlehenszinsen und Zuschüsse übervielfältige Partnerschaften finanziert.Dafür wurde ASKI letzten Novembermit dem Europäischen Mikrofinanz-preis ausgezeichnet, insbesonderezum Beitrag zur Ernährungssicherungauf den Philippinen. Ob die arme Be-völkerung davon auch tatsächlichprofitiert, untersucht die Oikocredit-Partnerorganisation seit einigen Jah-ren über ein spezielles Programm zur sozialen Wirksamkeit. Fortschritteließen sich feststellen. Doch gab derOikocredit-Geschäftsführer DavidWoods zu bedenken, dass der Weglang sei und es oft eine Generationbrauche, sich aus der Armut zu be-freien. Dennoch waren sich die Exper-ten einig, dass auch eine stabilisierteLebenssituation mit abgefederten Ri-siken ein Erfolg von Mikrofinanz seiund eine gute Ausgangsbasis für lang-fristige, positive Veränderungen.

Ulrike Pfab, Oikocredit, s.a. Onlinedokumente S. 14

Wie kann die Wirtschaft demGemeinwohl dienen?1. Württembergisches Forum Kirche – Wirtschaft – Arbeitswelt,Tagung am 19. bis 20. April

Kirche, Wirtschaft und Arbeitsweltsind auf den unterschiedlichsten Ebe-nen miteinander vernetzt. Viele Men-schen – auch ohne konfessionelle Bin-dung – erwarten von den Kirchen Hil-fe und Orientierung nicht nur amSonntag, sondern auch im Alltag. Sie

»Mikrofinanz-Plus«auf den Philippinen.ASKI-Geschäftsfüh-rer Rolando Victoria(Mitte) mit ManuelaWaitzmann (Oiko-credit FörderkreisBaden-Württemberge.V.) und Dr. DieterHeidtmann, Studien-leiter in Bad Boll

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dende Herausforderung in der Wirt-schaft. Es wies die Vorwürfe der Ge -werk schaften zurück. Weit über 90Prozent der Arbeitnehmer in Kircheund Diakonie würden nach Tarif be-zahlt. Prekäre Arbeitsverhältnisse dür-fe es in der Kirche nicht geben.

Das 1. Württembergische Forum Kir-che-Wirtschaft-Arbeitswelt (K-W-A)beschloss, das Thema »Gemeinwohl-orientierung in der Wirtschaft« als zu-künftigen Arbeitsschwerpunkt zu be-arbeiten. Dieses Thema hat viele un-terschiedliche Facetten, angefangenvon der Werteorientierung im Unter-nehmen über die Frage der Indikato-ren für wirtschaftlichen Erfolg bis hinzu volkswirtschaftlichen Konzepteneiner »Gemeinwohlökonomie«. Auf derEbene der Gemeinden sollen im Dia-log mit der Wirtschaft gemeinsameProjekte zur Förderung des Gemein-wesens entwickelt werden. »Den Ge-meinden vor Ort geht die Puste aus«,sagte Prälat Dr. Rose, »wir brauchendeshalb eine viel weitergehende Be-reitschaft zur Kooperation«. Und Prof.Dr. Castellucci wünschte sich: »Wirmüssen den Sonntagmorgen und denRest der Woche wieder in Einklangbringen. Wir brauchen keine organi-sierte Solidarität, sondern Zuwendungzu den Menschen!«

Eine Arbeitsgruppe wird die weiterenAktivitäten des Forums Kirche-Wirt -schaft-Arbeitswelt koordinieren. Das2. Württembergische Forum K-W-Asoll im Herbst 2014 zum Thema Ge -mein wohl stattfinden. Ansprech part -ner ist Studienleiter für Wirt schafts -politik und Wirtschaftsethik an derEvangelischen Akademie Bad Boll, Pfr. Dr. Dieter Heidtmann.

Dr. Dieter Heidtmann, Studienleiter

Mobbing-Kongress1.-3. März 2013

Der fünfte Mobbing-Kongress hattesich das Thema »Respekt am Arbeits-platz« gestellt. Mit seinem Einstiegs-referat sensibilisierte Diplompsycho-loge Dr. Axel Esser die Zuhörer für die Veränderungen im Bereich von Mob-bing in den letzten 20 Jahren. Sprach

Heinz Leymann, der Vater der Mob-bingforschung tatsächlich noch von»Mobbing«, spricht man heute vonpsychischer Belastung am Arbeits-platz. Dies beschreibt laut Esser eherdie Komplexität des Phänomens.Wurde man früher – wenn überhaupt– mit Mobbing konfrontiert, so ge-schah dies erst im Berufsleben. Heutemachen vielfach schon Kinder undJugendliche Mobbingerfahrungen anden Schulen – als Täter und als Opfer.Die Ursachen liegen heute, so warensich das Expertenteam Dr. jur. MartinWolmerath und Dr. phil. Josef Schwi-ckerath einig, in der verdichteten Ar-beitswelt, die wenig Platz für ein aus-gewogenes Betriebsklima lässt, sowiein den deutlich angestiegenenprekären Beschäftigungsformen wieLeiharbeit und befristete Arbeitsver-träge.

Für die Vermeidung von psychischenBelastungen am Arbeitsplatz spielendie Führungskräfte der Unternehmeneine entscheidende Rolle. Nehmen sieKonflikte in ihren Abteilungen sensi-bel wahr, können sie rechtzeitig in-tervenieren und so Mobbing präventivverhindern. Dies erläuterte Mar-tinaStackelbeck, Gleichstellungsbe-auf-tragte an der Technischen Uni-ver-sität Dortmund.

In sechs verschiedenen Arbeitsgrup-pen hatten die Teilnehmer die Mög-lichkeit, sich von Experten die Band-breite von Mobbing und seiner Ver-hinderung aufzeigen zu lassen. DasAngebot reichte vom Konfliktlotsen-Modell, über Betriebliches Wieder-eingliederungs-Management und Ge-sundheitsschutz, bis hin zum Konzeptdes Fairnessbeauftragten und derStärkung durch rehabilitative Ange-bote. Alle Best Practice Modelle setz-ten bei der Prävention von Mobbingan. Es wurde deutlich, dass ein gutesBetriebsklima die Voraussetzung fürdie Vermeidung von Mobbing ist. DerSchlüssel liegt im respektvollen Um-gang der Mitarbeitenden untereinan-der ein, was sich auch im Titel derTagung »Respekt am Arbeitsplatz«widerspiegelt. Im Anschluss an den Kongress nutz-ten die Besucher und Besucherinnen

die Gelegenheit, neue Netzwerke zubilden, um am Thema weiterzuarbei-ten. Die Tagung wurde vom KDA-Württemberg, KDA Baden und derkatholischen Betriebsseelsorge durch-geführt.

Karin Uhlmann, Studienleiterin, KDA Heilbronn

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60 Jahre Jugendarbeit in derAkademie

Genau 60 Jahre ist es her, dass am 15. Mai1953 die Evangelische Akademie Bad Bollmit Gottfried Weber den ersten Leiter inder Industriejugendarbeit einstellte. Seine Personalakte zeigt, dass die Stelleschon damals mit einem Gehalt (DM 620.-)ausgestattet war, das dem eines württem-bergischen Pfarrers entsprach. Wie Eber-hard Müller, der erste Direktor in Bad Bollspäter im Zeugnis für Gottfried Weberschrieb, war dieser für Tagungen und Fe-rienlager mit nichtorganisierten Jugendli-chen zuständig und dafür, dass diese imKontakt mit der Evangelischen Akademiein Bad Boll gehalten wurden.Weber bot Tagungen für Lehrlinge aus ver-schiedenen Betrieben an. Auch erste Semi-nare für weibliche Auszubildende gab es.Hinzu kamen Treffen zwischen den Tagun-gen und Ferienlagern, um den Kontakt zuhalten. Der Kreis der Jugendlichen hat sich in denvergangenen Jahrzehnten erweitert. ImFachdienst gesellschaftspolitische Jugend-bildung arbeiten wir heute mit Schülern,Studierenden, Auszubildenden, jungen Be-rufstätigen und MultiplikatorInnen aus derJugendarbeit zusammen. In den vergange-nen Jahren sind in diesem Bereich mehrereStellen abgebaut worden und wir werdenin unserem Team, das interdisziplinär zu-sammengesetzt ist, die theologische, fach-liche Kompetenz vermissen, die PfarrerGerald Büchsel, der letzte Stelleninhaberauf der vor 60 Jahren begründeten Stelleeinbrachte. Geblieben ist die Aufgabe,Jugendliche an die Akademie zu binden.Das wird nun schwieriger.

Marielisa v. Thadden, s.a. S. 22

Heinrich Beck, 1965-71 Industrie-pfarrer in der Evangelischen Aka-demie Bad Boll, ist gestorben

Im Alter von 81 Jahren ist Pfr. HeinrichBeck i. R. gestorben. Er war von 1965 bis1971 Industriepfarrer in Bad Boll und hatdort viel Umdenken auf den Weg gebracht.Ein Nachruf von Ralf Stieber, EvangelischeAkademie Baden, ist online verfügbar, s. S. 14.

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Sibylle Burrer: »Fasziniert war ich als Jugendlichevom Finden der Form während des Steinhauens. DieFreude am Gestalten motiviert mich auch heute immerwieder von Neuem. Meine Raumintervention, Skulpturund Grafik sind ein Angebot, die Chancen des Mensch-seins zu erspüren und sich daran zu freuen.In Ulm findet vom 2. bis 31. Oktober das 1. Jugend-kirchenfestival in der Pauluskirche statt. Für diesesProjekt werde ich ein 200 m2 großes, handgeknüpftesNetz im Kirchenraum installieren. In der EvangelischenAkademie werden Videos von bisher realisierten Raum-interventionen gezeigt. Meine Skulpturen, Grafikenund Videos laden dazu ein, sich vertrauensvoll auf dieeigenen E-Motionen einzulassen und sie achtsamwahrzunehmen.«

Stimmen anderer:»Spannungsverhältnisse zwischen Form und Chaos,den beiden Grundkräften der Plastik überhaupt, um-kreist die Künstlerin aus verschiedensten Ansätzenheraus: Das Geordnete, Formvollendete muss insChaos fallen, damit Neues entstehen kann. SibylleBurrers Objekte laden dazu ein, die den Räumen undDingen immanenten Kraft- und Formprinzipien sinn-lich zu erfahren.« (Dr. Friedl Brunckhorst)»Zeichnungen entstehen… mit demselben Impetus,mittels kraftvollen oder zarten Bleistiftstrichen einenImpuls, eine Wechselwirkung zwischen dunkler, massi-ver Fläche und zartfädrigen Bewegungslinien undfeinstem Geflecht herzustellen. … Befreit von denBedingungen der Physik und Statik werden durch

Strichbündelungen dynamische Bewegungen sugge-riert. Und der Impuls für Bewegung und Veränderungist immer auch ein Denkanstoß für die Betrachter.«(Irene Ferchl)»Man kann als Betrachter diesem Leben zuschauen,vieles beobachten und Schlussfolgerungen daraus zie-hen. Es ist ein entscheidender Schritt, sich, vertrau-end auf die Tragkraft des Netzes und das Vermögendes eigenen Körpers, aus diesem Abstand herauszu-wagen und sich hineinzubegeben in die unberechen-bare Unmittelbarkeit, die der Aufenthalt im Netz verspricht.« (Dr. Ulrike Rein)»Ich setzte meinen Fuß in die Luft, und sie trug.«(Hilde Domin)

Sibylle BurrerDipl.Ing.ArchitekturBildhauerin Pforzheim

Seit 1991 Dipl. Ing. ArchitekturBis 1993 Ausbildung zur Bildhauerin bei Prof. Gerlinde BeckSeit 1997 freischaffend zahlreiche Ausstellungen im In- und AuslandIhre Arbeiten befinden sich in privaten und öffent-lichen Sammlungen wie zum Beispiel in der Kunst-halle Karlsruhe.www.sibylleburrer.de

Sibylle Burrer: E-Motion – Skulptur und GrafikAusstellung vom bis 14. Juli bis 20. Oktober 2013

VernissageSonntag, 14. Juli 2013, 11:00 Uhr im Café HeussInformation und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro):Brigitte Engert, Tel. 07164 79-342, [email protected]: Susanne Wolf, Tagungsnummer: 936113Dauer der Ausstellung: 14. Juli bis 20. Oktober 2013

Bewegungen - im Netz, in der Zeichnung, in Skulpturen.Das zeichnet die Kunst von Sibylle Burrer aus.

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Von Dagmar Bürkardt und Karl-UlrichGscheidle, Evangelische Akademie Bad Boll

Armut und Reichtum sind gegen-wärtig in der öffentlichen Diskussion.Was kann die Sozialethik in dieserDebatte leisten?»Die« Sozialethik gibt es nicht; »Sozi-alethik« gibt es, quer über verschiede-ne wissenschaftliche Disziplinen undin Folge unterschiedlichster Ansätzeund Ausrichtungen, nur im Plural. In den Debatten um soziale Ungleich -heit sehe ich für solche Sozialethikenunterschiedlichste Anschlussmöglich -keiten. Eine Sozialethik wird erstensgute Gründe bereitstellen, so wohl dieArmutsentwicklung, als auch die Ent -wicklung des privaten Reich tums alsfür die Bundesrepublik brisante Prob -leme zu verstehen und deshalb politi-sche Anstrengungen anzumahnen,diese Entwicklungen zu korrigieren.

Sie wird die Anliegen derer verstär-ken, die sich für eine andere Reich-tumsverteilung, für eine Politik gegenArmut, für die Begrenzung des priva-ten Reichtums und eine stärkere Be-teiligung der Reichen an öffentlichenAufgaben engagieren. Und sie wirddenen widersprechen, die die Armuts-entwicklung in der Bundesrepublik –mit Hinweis auf die Relativität vonArmut und das weit größere Elend inanderen Teilen dieser Welt – zu bana-lisieren oder die Reichtumsverteilung– etwa mit Hinweis auf die Sachge-setzlichkeiten komplexer Volkswirt-schaften und die Unabänderlichkeitenglobalisierter Märkte – zu entpoliti-sieren suchen. Und ein zweiter Im -puls: Sowohl Armut als auch Reich -tum »erzeugen« in unserem Landsoziale Verwerfungen und bringendieses Land in eine für seine weiterezivile Entwicklung bedrohliche Schief-lage. Und: Armut als auch Reichtumunterliegen der gemeinsamen, politi-schen Verantwortung der dieses Landausmachenden Bürgerinnen und Bür-

ger. »There is no alternative«, stimmteinfach nicht. Es bestehen Alternati-ven – und weil sie bestehen, stehenwir auch in der gemeinsamen Verant-wortung, sie zu realisieren.

Welche Folgewirkungen der unglei-chen Verteilung von Einkommen undVermögen in Deutschland sind ausIhrer Sicht besonders problematisch?Die Sozialethik, wie ich sie betreibe,sucht ihr normatives Fundament vorallem in den normativen Verbindlich-keiten, auf die sich eine demokrati-sche Gesellschaft wie die Bundesre-publik verpflichtet hat, die diese nichtauf Dauer verletzen kann, ohne andemokratischer Substanz zu verlierenund dadurch immer weniger eine de-mokratische Gesellschaft zu sein, diesie aber zu sein beansprucht. Vor die-sem normativen Hintergrund fallenvor allem die desintegrativen Wirkun-gen der in der Bundesrepublik wach-senden sozialen Ungleichheiten auf:Den von Armut Betroffenen werdennicht nur weniger Lebensmöglichkei-ten gewährt und Chancen selbstbe-stimmten Lebens, sogar grundlegendeFreiheiten vorenthalten, die die Mehr-heit der mit ihnen in einer Gesell-schaft lebenden Menschen selbstver-ständlich für sich in Anspruch nimmt.

Darüber hinaus nehmen sie nicht mitden gleichen Chancen an der Gesell-schaft teil, können ihre Interessennicht mit gleichen Durchsetzungs-möglichkeiten vertreten, leben nichtin Augenhöhe mit allen anderen Bür-gerinnen und Bürgern, gehören nichtmit gleichen Rechten, Freiheiten undChancen dazu. Dadurch aber nehmennicht nur die davon Betroffenen

Was ist gerecht? Sozialethische Bewertung der Einkommens- und VermögensentwicklungFragen an Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse

Schaden; es verliert zugleich die Bun-desrepublik an demokratischer Subs-tanz. Es wird nämlich nicht erfüllt,was sich aber die diese Republik aus-machenden Bürgerinnen und Bürgeruntereinander schulden, dass sie näm-lich in der Möglichkeit der gesell-schaftlichen Zugehörigkeit und Be-teiligung gleich sind oder genauer:sich gleich sein lassen und (nur) indieser Hinsicht gleich »machen«. Umdiese demokratische Gleichheit zuverwirklichen, müssen nicht alle Men-schen über die gleichen Einkommenund Vermögen verfügen. Jedoch müs-sen ihrer aller Lebensverhältnisse min-destens über den Einkommens- undvermutlich auch Vermögensschwellenliegen, oberhalb derer man in dieserGesellschaft nicht nur formal gleicheRechte »hat«, sondern diese Rechteauch wahrnehmen und nutzen kann.

Wenn diese Schwelle auch nicht inEuro und Cent genau bestimmt wer-den kann, so müssen wir uns docheingestehen, dass zumindest eineMehrheit der in unserem Land vonArmut Betroffenen unterhalb dieserSchwelle leben muss – und dass des-

Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse hielt am15. März ein Referat bei der Tagung »Pri-vater Reichtum – Öffentliche Armut? Ver-teilungsgerechtigkeit in Zeiten der öffent-lichen Spardebatte«. Dagmar Bürkardt istStudienleiterin im Themenbereich Wirt-schaft, Arbeit Technik, Studienleiter Karl-Ulrich Gscheidle gehört zum KDA-Team.

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rung öffentlicher Ausgaben zu betei-ligen – und zwar nicht nur an densteuerfinanzierten, sondern – wo im-mer möglich – auch an den beitrags-finanzierten Ausgaben. Instrumentedafür sind die Einkommens- und Ver-mögensbesteuerung, eine stärkereBesteuerung von Finanztransaktionen,eine wirksamere Steuerfahndung oderdie Ausweitung von Versicherungs-pflichten bei den Sozialversicherun-gen, mithin deren Fortentwicklunghin zu BürgerInnenversicherungen,auch eine wirksamere Förderung vonVermögensbildung bei denen ganzohne und mit wenig Vermögen. Aucheine Begrenzung von Einkommensun-terschieden innerhalb der Betriebeund Unternehmen ist sinnvoll – undkönnte durch ein »Verfassungsrecht«für Betriebe und Unternehmen durch-gesetzt werden. Sinnvoll scheinenaber nicht nur politische Maßnahmenzur Begrenzung des privaten Reich-tums, sondern auch Reformen, umden privaten Reichtum zu entmach-ten. Probleme »macht« der privateReichtum den demokratischen Ge-sellschaften ja vor allem durch diegesellschaftliche Macht, die er durchdas »Mehr« an Einkommen und Ver-mögen ausübt. Deshalb ist es sinnvoll,die Verfügungsgewalt der einkom-mens- und vermögensstarken Men-schen und Haushalte zu beschränkenoder genauer: sie über ihr Einkommenund vor allem über ihr Vermögen mitanderen zu teilen. Die Verfügungsge-walt über betriebliches Vermögensollte stärker mit denen geteilt wer-den, die in den Betrieben und Unter-nehmen abhängig beschäftigt sind.

Dies verlangt einen Ausbau der Un-ternehmensmitbestimmung. Ähnlichessollte man sich auch für die Geldver-mögen ausdenken, die nicht in Sach-vermögen investiert werden, sondernauf Finanzmärkten vagabundieren.Auch bei entsprechenden Spekula-tionsentscheidungen ließen sich an-dere als die Vermögensbesitzer betei-ligen – und so die Chance verbessern,dass diese Entscheidungen in gesell-schaftlich nützlichere und volkswirt-schaftlich weniger riskante Richtun-gen gelenkt werden.

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somit die gleichen Beteiligungsrechteder diese Republik ausmachendenBürger ausgehebelt werden.

Welche Lösungsansätze sehen Sie?Keinen Königsweg! Im Gegenteil: Ichrate uns, allen zu misstrauen, die unsKönigswege, die uns Wunderwaffengegen das zu Recht kritisierte Über-maß an sozialen Ungleichheiten ver-sprechen. Die gesellschaftliche Ord-nung der Reichtumsverteilung istüberaus komplex. Deswegen solltenwir damit rechnen, dass man an un-terschiedlichsten Stellschrauben füreine gerechte Verteilung, für dieÜberwindung von Armut sowie diegesellschaftliche Inklusion der davonBetroffenen und für die Begrenzungsowie die verbesserte Einbindung desprivaten Reichtums sorgen muss.

Ein Set von Reformen scheint mirnotwendig, um alle in der Bundesre-publik lebenden Menschen über dieSchwelle vergleichbarer Lebenslagenzu bringen, – und alle notwendigenReformen werden bereits in den ge-genwärtigen Debatten vertreten: Eineverlässliche Mindestabsicherung überden Sozialstaat für all die, die überihre Markteinkommen oder über ihreFamilien kein ausreichendes Einkom-men erzielen können; zugleich einverlässlicher, deshalb auch staatlichverbürgter Mindestlohn, damit Lohn-einkommen oberhalb der genanntenSchwelle liegen und der Sozialstaatnicht unzureichende Lohneinkommenausgleichen, dadurch aber Arbeitge-ber subventionieren muss; ein Bil-dungs- und Ausbildungssystem, dasKindern unterschiedlichster Herkünftegleiche Chancen auf Teilhabe eröff-net; ... und nicht zuletzt: Formen derpolitischen Willens- und Meinungs-bildung, über die auch sozial Benach-teiligte ihre Interessen mit vergleich-baren Durchsetzungschancen vertre-ten können.

Ebenso ist ein Set von Reformen ge-fordert, um den privaten Reichtum zubegrenzen und unter die Schwelle zubringen, die für eine demokratischeGesellschaft erträglich ist. So gilt es,die in Einkommen und Vermögen Be-günstigten stärker an der Finanzie-

halb Armut in diesem Lande die fak-tische Ausgrenzung der davon Betrof-fenen aus der demokratischen Gesell-schaft und dies für diese einen Niveauverlust an demokratischer Vergesellschaftung bedeutet.

Auch bei dem anderen Extrem dersozialen Ungleichheiten sollten wiruns deren desintegrativen Wirkungenstellen: Eine demokratische Gesell-schaft kann soziale Ungleichheitenund deswegen auch Ungleichheitenbei Einkommen und Vermögen zulas-sen – und sollte dies auch, etwa inHinsicht auf die wirtschaftliche Dy-namik oder auch in Hinsicht auf dieFreiheiten zu unterschiedlichsten Le-benswegen und -modellen. Daher be-stehen Spielräume, mehr an Einkom-men und Vermögen als andere zu»besitzen« und einen größeren Anteilam gemeinsamen Volkseinkommenund -vermögen einzunehmen. Umaber die normative Geschäftsordnungeiner Demokratie einhalten zu kön-nen, sind diese Spielräume auch nachoben hin begrenzt: Niemand darf ineiner demokratischen Gesellschaft soviel mehr an Einkommen und Vermö-gen als die anderen einnehmen, dasser durch dieses »Mehr« die gleichenRechte, Freiheiten und Beteiligungs-chancen aller anderen aushebelt undin der Folge nicht nur mehr Geld, son-dern auch mehr Rechte, Freiheitenund Durchsetzungschancen »besitzt«.

Die Macht von »mehr« Geld lässt sichdurch ein Mehr an Solidarität oderein Mehr an öffentlicher Zustimmungund politischer Macht kompensieren.Ab einem gewissen Maß lässt sich dieMacht von »mehr« Geld aber nichtmehr kompensieren, und ab dieserSchwelle wird privater Reichtum füreine demokratische Gesellschaft zumProblem. Auch diese Schwelle lässtsich nicht in Euro und Cent bestim-men, aber wir haben ausreichend In-dizien dafür – nicht zuletzt in der ge-genwärtigen Finanz- und Währungs-krise und angesichts deren staatlichenBewältigung – dass diese Schwelleüberschritten ist und dass diejenigenmit mehr Einkommen und mehr Ver-mögen die Entwicklung in der Bun-desrepublik mehr bestimmen, und

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Von Dr. Dieter Heidtmann

»Die Wirtschaft hat den Menschen zudienen« ist eine der Forderungen, diein der aktuellen Diskussion um dieWirtschafts- und Finanzkrisen immerwieder erhoben wird. Dieser Anspruchan die Wirtschaft ist aber viel älter. Er stammt aus der Freiburger Denk-schrift von 1943, in der eine Gruppevon Freiburger Wissenschaftlern imAuftrag der Bekennenden Kirche einKonzept für eine »politische Gemein-schaftsordnung« für die Zeit nach demNationalsozialismus entwickelte. In der Freiburger Denkschrift wurdenerstmals die Grundsätze jener Wirt-schafts- und Werteordnung entwick-elt, die wir heute als »Soziale Markt-wirtschaft« bezeichnen. Diese Verwur-zelung der Sozialen Marktwirtschaftin der evangelischen Kirche ist wenigbekannt. Dabei erschließt sich dasKonzept der Sozialen Marktwirtschaftnur auf dem Hintergrund der Zuord-nung von Freiheit und Verantwortungin der protestantischen Theologie undEthik.

Die Soziale Marktwirtschaft –ein Auftrag der Bekennenden KircheIn Freiburg hatten sich in der Chris-tuskirchengemeinde, die der Beken-nenden Kirche angehörte, ab 1938verschiedene oppositionelle Arbeits-kreise gebildet, in denen u. a. die Öko-nomen Constantin von Dietze, WalterEucken, Adolf Lampe und Alfred Mül-ler-Armack mitarbeiteten. Im Oktober1942 reiste Dietrich Bonhoeffer nachFreiburg, um im Auftrag der Beken-nenden Kirche Constantin von Dietzezu bitten, ein Konzept für eine Neu-ordnung der Gesellschaft nach demNationalsozialismus (und nach demKrieg, wobei man davon ausging, dassihn Deutschland verlieren würde) zuerarbeiten. Bis zum Frühjahr 1943entwickelte der Freiburger Kreis dieseDenkschrift mit dem programmati-schen Titel »Politische Gemeinschafts-ordnung. Ein Versuch zur Selbstbesin-nung des christlichen Gewissens in

den politischen Nöten un-serer Zeit«. An der Erstel-lung wirkten auch CarlGoerdeler, Helmut Thie-licke und Otto Dibeliussowie der Jurist FranzBöhm und der Unterneh-mer Walter Bauer mit. Ineinem Anhang wurdendabei die Grundelementeeiner neuen »Wirtschafts-und Sozialordnung« ent-wickelt.

In der Verhaftungswellenach dem 20. Juli 1944wurde der Freiburger Kreiszerschlagen. Bauer, Böhm,von Dietze, Lampe, undRitter wurden festgenom-men, Bonhoeffer, Goerdelerund Perels hingerichtet.Walter Bauer, Constantinvon Dietze und AdolfLampe wurden vor demVolksgerichtshof in Berlinangeklagt und überlebtennur, weil die Rote Armee früh genugin Berlin einmarschierte. Auf demFußmarsch zurück nach Freiburg bogAdolf Lampe nach Jena ab, um eineKopie der Freiburger Denkschrift, diedort versteckt war, abzuholen. Ermarschierte dann nicht direkt zurückzu seiner Familie nach Freiburg, son-dern ging zunächst nach Frankfurt-Höchst, wo das amerikanische Haupt-quartier lag und schaffte es, dieseDenkschrift an General Eisenhower zuübergeben. Daraufhin erhielt er vonden Amerikanern den Auftrag, einGutachten für eine Währungsreformvorzulegen.

Nach dem Krieg hat sich das Konzepteiner »Sozialen Marktwirtschaft« ge-gen konkurrierende Ansätze durchge-setzt. Die Mitglieder des »FreiburgerKreises«, die ihren Einsatz gegen denNationalsozialismus nicht mit demLeben bezahlt hatten, spielten sowohl

in der Theorieentwicklung (WalterEucken) als auch in der praktischenNeugestaltung (Alfred Müller-Armack)der Wirtschaft nach dem Krieg einezentrale Rolle. Der Dialog mit den Kir-chen wurde fortgeführt. Im Septem-ber 1945 luden Landesbischof Theo-phil Wurm und Pfarrer Dr. EberhardMüller »Männer des Rechts und derWirtschaft« zu einer Tagung nach BadBoll, um gemeinsam nach Wegen zurNeugestaltung Deutschlands zu su-chen. Aus diesen Anfängen entstanddie Evangelische Akademiearbeit.

Freiheit zur VerantwortungFreiheit ist nach evangelischem Ver-ständnis immer »Freiheit zu …« undnicht »Freiheit von …«. Schon Paulusstellt im 1. Korintherbrief fest: »Allesist erlaubt – aber nicht alles nützt.Alles ist erlaubt – aber nicht allesbaut auf. Niemand suche das Seine,sondern was dem anderen dient.«(1.Kor 10,23-24). Die Freiburger Denk-schrift greift diesen Grundgedanken

70 Jahre Freiburger Denkschrift»Die Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen«

Währungsreform 1948, Hamburg

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auf, indem sie den »Eigennutz desMenschen … durch einen geordnetenWettbewerb zur Förderung des Ge-samtwohls« nutzbar machen will. Einzentrales Element ist hierbei eine »ge-ordnete Finanzwirtschaft«. Die Denk-schrift warnt: »Wo keine klare undgeordnete Haushaltsführung getrie-ben wird, drohen Erschütterung undElend.« Hätten sich die europäischenFinanzminister seit der Einführungder gemeinsamen Währung an diesenGrundsatz erhalten, was wäre denMenschen in Europa erspart geblie-ben?

Die Freiburger Denkschrift ist nochaktuellSpannend ist, dass sich in der Frei-burger Denkschrift bereits die Ele-mente eines ökologisch und sozialnachhaltigen Wirtschaftens finden.Auf dem Hintergrund der rücksichts-losen Ausbeutung von Mensch undNatur in der Kriegswirtschaft formu-lieren sie Anforderungen an eineWirtschaftsordnung, die ihre Ressour-cen schont und für die kommendenGenerationen bewahrt. »Alles Wirt-schaften ist ein Kampf gegen dieKnappheit der Natur« und Wirt-schaftspolitik nur ein »allerdingshöchst wichtiger, ja unentbehrlicherTeil der Sozialpolitik«.

Schließlich mahnt die Denkschrift,dass jede Wirtschaftsordnung »sittli-che« Grundsätze braucht, Die Autorender Freiburger Denkschrift sind über-zeugt, ohne »Nächstenliebe, die Be-tätigung in einem ordentlichen Beru-fe, die Achtung vor fremdem Eigen-tum, die Wahrung der Ehrlichkeit undRechtlichkeit im Geschäftsleben«kann auch die beste Wirtschaftsord-nung nicht funktionieren. Wenn dasnicht hoch aktuell ist!

Dieter Heidtmann ist Pfarrer und Studien-leiter der Evangelischen Akademie BadBoll mit dem Arbeitsschwerpunkt Wirt-

schaftspolitik und Wirtschaftsethik

Von Welf Schröter, Leiter des ForumsSoziale Technikgestaltung

Es war ein Experiment besonderer Art,das sich am 22. und 23. Februar 2013in der Evangelischen Akademie BadBoll zutrug. Über vierzig Frauen undMänner waren der gemeinsamen Ein-ladung der Akademie, des Fritz-Erler-Forums, der Ernst-Bloch-Gesellschaftund des Forums Soziale Technikgestal-tung gefolgt, um sich im Gedenken anErnst Bloch und Eugen Rosenstock-Huessy der Frage zuzuwenden: Wasbedeuten »Arbeit« und »Zeit« für einesolidarische Gesellschaft? Im Folgen-den finden Sie einige Gedanken vonWelf Schröter zur Tagung.

Für ein solidarisches Miteinander ineiner offenen, modernen Gesellschaftbrauchen Menschen gemeinsame Zeitund Zugang zu Arbeit, die erfüllt undIdentität gibt. Was für gesellschaftli-che Folgen treten aber auf, wenn sichder Charakter von Arbeit und der Ver-lauf von Erwerbsbiografien grundle-gend ändern, wenn die gemeinsamenZeiten immer mehr in zersplitterte in-dividuelle Einzelzeiten zerfallen? Wiewirken sich technologischer Wandelund Verdichtungen von Zeitstrukturenauf die einzelne Person aus? Wie un-terscheidet sich das Zeitempfinden inverschiedenen Kulturen? Um Impulsefür die Zukunft zu erhalten, griff dasTagungsexperiment auf Sichtweisender beiden ungleichen Denker, desZeitforschers und Soziologen EugenRosenstock-Huessy (1888-1973) unddes Philosophen Ernst Bloch (1885-1977) zurück. Beide waren in densechziger Jahren in Bad Boll aufge-treten.

Die Arbeitswelt hat sich in den letz-ten Jahren fundamental gewandelt.Die alte Industriegesellschaft wird mitder neuen Informationsgesellschaftvermischt. Der Druck am Arbeitsplatzhat drastisch zugenommen. Der Inhaltder Worte Markt, Wettbewerb, Globa-

lisierung nimmt uns den Atem. DerDruck unterwirft uns unter das Diktatder Ökonomisierung der Zeit. Dabeiwerden der Mut und die Lust an derVeränderung oftmals verdeckt, ver-schüttet. Sie sind nicht weg, aberauch nicht ausreichend da. Dies be-deutet nicht, dass es diese Lust nichtmehr gäbe, sondern dass über dieserLust, diesen Bewusstseinsschichtenvon Erfahrung und Aufbruch, zahllosedicke Teppiche liegen. Wir kommenselbst an diese Lust nur schwer heran.

Mehrere Schichten von geschichtli-chem und biografischem Bewusstseinliegen wie Teppiche zwischen unse-rem Gegenwarts-Ich und dieser wie-der erst aufzufindenden Energie derVeränderung. Unsere Versuche, aufdiese Ökonomisierung der Zeit zu rea-gieren, uns wieder etwas Luft zu ver-schaffen, auf die Herausforderungenzu antworten, vollziehen sich selbstimmer mehr unter den Spielregeln derÖkonomisierung der Zeit. Wo und wieaber lassen sich Impulse unabgegol-tener Hoffnungen und Leidenschaftfür die Verbesserung der Lebenswel-ten wieder entdecken und wiederentflammen?

Wir haben die Gedankenwelt zweierunorthodoxer Denker wie Ernst Blochund Eugen Rosenstock-Huessy an denAnfang unseres Experimentes gesetzt.Wir wollten von ihnen Werkzeuge er-halten, die uns helfen, unsere gemein-samen verborgenen Schätze zu su-chen, zu finden, zu heben. Mit diesenWerkzeugen haben wir begonnen, dieübereinander gelagerten Teppiche, dieüberlagerten BewusstseinsschichtenSchritt für Schritt, bildlich gesprochenTeppich für Teppich, für uns wiederzugänglich zu machen. Dem »Dunkeldes gelebten Augenblicks« (Bloch)wollten wir mit etwas Licht der Er-kenntnis näher kommen.

»Der 24-Stunden-Tag der modernenIndustrie ist die große Umwälzung,

Literatur: Der »Freiburger Kreis«.Widerstand und Nachkriegsplanung1933-1945. Katalog einer Ausstel-lung. Archiv der Stadt Freiburg imBreisgau, 1990; ISBN 3-923272-27-8

Die Lust an der Veränderung wiederImpulse von Eugen Rosenstock-Hussey und Ernst Bloch

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wusstseinsschichtungen, auf und un-ter die Teppiche blicken. Wir findendadurch Neues, indem wir neu fragen.Die Antworten auf unsere neuen Fra-gen können wir zum Teil aus unseremungleichzeitigen gesellschaftlich-geschichtlichen Gedächtnis gewinnen.Denken wir an das Thema Zeit, dassich durch die Jahrhunderte und Jahr-tausende menschlich erlebter Ge-schichte zieht. Es gab schon guteAntworten, aber sie sind verschüttet.Es gilt, sich zu erinnern.

Das neue Bild einer solidarischen Ge-sellschaft wird nicht mehr allein überden Begriff Arbeit bestimmt werden.Dies ergibt sich aus dem Erosions-und Entmischungsprozess der Arbeits-welt selbst. Arbeitsvermögen, Tätig-keiten, »tätige Muße« (Bloch), kreati-ves Arbeiten, gesellschaftliches Min-desteinkommen, Teilhabe an der Ge-sellschaft werden wir neu miteinan-der verknüpfen müssen. Zugleich soll-ten wir ins Zentrum unserer Überle-gungen den Hinweis stellen, dass sichunsere Identität zukünftig immer we-niger aus der Erwerbsarbeit herausbil-den wird. Wo aber kommt die mögli-che neue Identität her? Vielleicht istdie Folie der Identität nicht mehr pri-mär der Begriff Arbeiterin bzw. Arbei-ter, sondern der Begriff Bürgerin bzw.Bürger. Bürgerin und Bürger, Blochs

Citoyenne und Citoyen, begegnen sichauf gleicher Augenhöhe nach der Re-gel der Gleichheit, der Egalität. Dasist unser öffentlicher gemeinsamerTagtraum, hier und in Europa undglobal. Natürlich kennen wir dieRealität, die Hemmnisse, die Kräfte,Herrschaft und Macht, die diesemTagtraum versuchen entgegenzuste-hen. Dennoch bleibt der Tagtraum derIdentität aus der gesellschaftlichenEgalité bestehen. Dieser Tagtraumfördert Gemeinsames, er verbindet.

Ermutigen wir uns selbst, nach Un-gleichzeitigem zu suchen, in den Bewusstseinsschichten Unruhe zuerzeugen, die Teppiche aufzuwühlen.Schauen wir uns die Erfahrungs-schätze und enttäuschten Hoffnun-gen früherer Zeiten an. Dadurch fin-den wir das Neue. Seien wir mutigund lassen wir unsere Lust an derVeränderung wieder brodeln. Trauenwir uns, Tagträume zu entwickeln.Trauen wir uns, aus individuellenTagträumen gemeinsame öffentlicheTagträume entstehen zu lassen. Siewerden das Fundament gesellschaftli-cher Solidarität bilden. Für ErnstBloch lag die Genesis in der Zukunft.Heimat entsteht für ihn in der Zu-kunft als Ergebnis gesellschaftlichenHandelns.

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die aus dem alten Kalender der Men-schen einen Fahrplanbetrieb gemachthat. Der Fahrplanbetrieb der Technikhat den Unterschied zwischen Tagund Nacht abgeschafft – und damitversagt sich die Technik dem wirkli-chen Menschen.« (Rosenstock-Huessy,Im Kreuz der Wirklichkeit, TalheimerAusgabe, Band III, S. 457)

Rosenstock-Heussy spricht sehr pro-nonciert von einem »Todesgeheimnisder Arbeitszeit«: »Die gesamte Indus-trie setzt uns in eine physikalischeUhrenzeit, die sie uns überstülpt undvon der sie uns einreden will, sie seidie Zeit, auf die es ankomme.« (BandIII, S. 463) Und er folgert daraus: »Wirsind entwurzelt, weil wir in die physi-kalische Zeit ausgewandert sind. DerMensch wurzelt aber in der (rhythmi-schen) Zeit, wir sind Kinder unsererZeit und wir atmen den Rhythmus derJahreszeiten und des Festkalendersund der Jahre unserer Seele …« (Bd III S. 458)

Es waren Träume, öffentliche Träume,konkrete Träume, »konkret-utopischeTagträume», wie Bloch sie nannte.Solcherart Tagträume sind zum Teilzum Leben erweckt worden, sind ge-scheitert, sind weiter getragen wor-den. Manche habe ihren Namen undäußere Kennung verloren und neuegefunden. Sie wirken aber fort. Siesind noch immer latent da. Sie sindnoch nicht eingelöst, sind noch unab-gegolten. Bei näherer Betrachtungfinden wir den Wunsch und denöffentlichen Tagtraum gemeinsamerZeit, gemeinsam mit anderen ver-brachter und bewusst erlebter ge-meinsamer Zeit. Doch bei diesem Ge-danken an gemeinsame Zeit erinnernwir uns daran, dass zwischen denSchichtungen unseres Bewusstseins,zwischen den Teppichen der erlebtenZeit alte Tagträume lagern, die nochnicht erfüllt, nicht eingelöst sind. Mitneuen Fragen können wir in neuerWeise auf die Erfahrungs- und Be-

»In ein einziges Menschenleben werdenheute die Wechsel von drei und vierGenerationen alter Zeit hineingepresst.Diese Vervielfältigung der Lagen machtjede Lage heute zu etwas anderem alsfrüher.« Eugen Rosenstock-Huessy, ImKreuz der Wirklichkeit, TalheimerAusgabe 2008

»Nicht alle sind im selben Jetzt da, siesind es nur äußerlich dadurch, dass sieheute zu sehen sind, dadurch aber le-ben sie nicht mit den anderen zugleich.Sie tragen vielmehr Früheres mit, dasmischt sich ein.« Ernst Bloch, Erbschaft dieser Zeit

entdecken

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Eine Transfergesellschaft wäre für dieBeschäftigten psychologisch wichtigund auch ökonomisch günstiger ge-wesen, betonte der Insolvenzverwal-ter Arndt Geiwitz. »Für den Kreditbrauchte ich eine Bürgschaft und daswar in keinster Weise ein Zuschuss.«Der Wirtschaftsprüfer, der viel Lobvon der Gewerkschaft und der Be-triebsratsvorsitzenden für seine hohesoziale Verantwortung bekam, warfder FDP vor, keine saubere Argumen -tation für ihre ablehnende Haltunggeliefert zu haben. Die frühere Bun -des justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) betonte: »Eine aktiveMitbestimmung der Mitarbeiterinnenim Vorfeld hätte die Katastrophe ver-hindern können.«

Der Landesfachbereichsleiter Handelvon Ver.di, Bernhard Franke, kritisier-te, dass das deutsche Insolvenzrechtnicht auf solch große Unternehmenzugeschnitten sei: »Drei Monate rei-chen nicht aus, um nach einer ange-messenen Lösung zu suchen.« Der Ar-beitsmarktexperte Gernot Mühge vomDortmunder Helex-Institut für Arbeit,Beschäftigung und Arbeitsmarktpoli-tik, wandte sich gegen eine pauschale

Kritik an Transfergesellschaften. Em-pirische Untersuchungen bestätigtenden großen Nutzen für Beschäftigte.

Wünschenswert sei es jedoch, denBeschäftigtentransfer vom Sozialplanzu entkoppeln und zum Regel instru -ment zu machen. Ein zermürbenderVerhandlungspoker, wie im FalleSchlecker, sei eine zusätzliche Belas -tung für die Beschäftigten. Mühgetrat für eine umlagefinanzierte Lö -sung nach österreichischem oderschwedischem Vorbild ein. WolframLeibe, Mitglied der Geschäftsführungder Regionaldirektion Baden-Würt-temberg der Arbeitsagentur, verwiesauf die Vermittlungserfolge: Bereitszwei Drittel der Entlassenen hätteneine neue Beschäftigung gefunden.Dabei sei es nachvollziehbar, dassMenschen zögerten, eine deutlichschlechter bezahlte Arbeit aufzuneh-men. Eine stärkere Tarifbindung imHandel würde die Vermittlung erleich-tern, ist Leibe überzeugt. Außerdemwäre eine längere Bezugsdauer desArbeitslosengeldes hilfreich. Es dauereoft länger als ein Jahr, um eine neueStelle für die Betroffenen zu finden.Heftige Kritik an den jüngsten Verän-derungen des Insolvenzrechts übtedie Rechtsanwältin Elke Lill, Mitgliedim Schlecker-Gläubigerausschuss. DieReformen erleichterten Einflussnahmeund Korruption. Außerdem begünstig-ten sie internationale Großgläubiger,die mutmaßlich wenig Interesse amErhalt lokaler Arbeitsplätze hätten.

In der abschließenden Podiumsdiskus-sion betonte die Bundesvorsitzendeder Arbeitsgruppe Frauen in derChristlich Demokratischen Arbeitneh-merschaft (CDA), Karin Möhle, dassdie Perspektive der Beschäftigten imMittelpunkt von Insolvenzverfahrenstehen müsste. Außerdem seien klareSpielregeln für mehr Transparenz undMitbestimmung erforderlich, damit eserst gar nicht erst zur Pleite komme.»Wir müssen den Wert der Arbeitwieder in den Vordergrund stellen«,sagte die CDU-Sozialexpertin. Für diestellvertretende Sprecherin für Ar-beitsmarkt- und Sozialpolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, warklar, dass der Bund Verantwortung für

Von Martin Schwarz und Claudia Mocek

»Für mich und meine Kollegen wardas Schlimmste, dass uns die FDPzum politischen Schauplatz gemachthat«, sagt die Vorsitzende des Schle -cker-Gesamtbetriebsrats, Christel Hoff -mann. Im Sommer 2012 ist die Ein-richtung einer Transfergesellschaft fürdie rund 25 000 Schlecker-Beschäftig-ten an den bayerischen Liberalen ge-scheitert – sie hatten die Übernahmeeiner Bürgschaft abgelehnt. Immernoch suchen viele Schlecker-Beschäf-tigte nach einer neuen Anstellung. Mit der Firmenpleite der Drogerie-marktkette erlebte Deutschland eineder größten Insolvenzen seiner Ge-schichte. Sie wurde zum Prüfstein desdeutschen Unternehmens- und Insol-venzrechts sowie für den Umgang mitden betroffenen Beschäftigten. ImMai lud die Evangelische AkademieBad Boll deshalb gemeinsam mit derKatholischen Betriebsseelsorge zueiner Fachtagung ein, um unter ande-rem mit Vertretern des Betriebsrats,der Gewerkschaft, des Arbeitsamts,der Landesregierung und dem Insol-venzberater »Lehren aus der Schle -ckerpleite« zu ziehen und über Konse-quenzen für künftige politische Ent-scheidungen und für die Gesetzge-bung zu diskutieren. Im Mittelpunktstand dabei die Frage nach demSchutz der Beschäftigten.

Protest von Kath. Betriebsfürsorge und KDAzum Jahrestag des Scheiterns einer Transfer-gesellschaft in Ulm: von re. n. li.: Leni Brey-maier, VERDI-Landesvorsitzende, ChristelHoffmann, Betriebsratsvorsitzende, AlfonsForster und Martina Brandt-Hoffmann, kath.Betriebsfürsorge

Nach der Pleite – Lehren ausder Schlecker-Insolvenz

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Insolvenzen dieser Größenordnungübernehmen müsse. Die bisherigenInstrumente hätten bei der Schlecker-Pleite versagt. Hans-Joachim Hauser,Ministerialrat im Finanz- und Wirt-schaftsministerium Baden-Württem-berg bestätigte, dass die Verhandlun-gen mit 16 Bundesländern die Schle-cker-Rettung erheblich erschwert hät-ten. Eine 50-prozentige Beteiligungdes Bundes an einem Massekredit –verbunden mit einer Bagatellgrenzefür geringfügig betroffene Bundeslän-der – sei wünschenswert. Die Spreche-rin für Arbeitnehmerrechte der Bünd-nis 90/Grünen-Bundestagsfraktion,Beate Müller-Gemmeke, forderte eineerweiterte Transferumlage für Unter-nehmen. Auf diesem Weg könne derÜbergang für Beschäftigte besser ab-gesichert werden. Außerdem solle esMitarbeitern erleichtert werden, einUnternehmen in Form einer Genos-senschaft weiterzuführen, regte siean. Grundlegend seien klare Zustän-digkeiten und eine Korrektur des In-solvenzrechts, das die Interessen derMitarbeitenden stärker berücksichti-ge. Die baden-württembergischeVERDI-Landesvorsitzende Leni Brey-maier forderte mehr Geschmeidigkeitvon Politik und Behörden. Der FallSchlecker zeige, dass es die großeLösung nicht gebe. »Ich möchte, dasswir die Frauen jetzt nicht vergessen«,ergänzte Breymaier mit Bezug auf dasnachlassende öffentliche Interesse.Für viele beginne ein Jahr nach derInsolvenz jetzt der Hartz IV-Bezug,erinnerte Breymaier.

Martin Schwarz ist Studienleiter undgehört dem KDA-Team Ulm an. Claudia

Mocek ist Pressereferentin derEvangelischen Akademie Bad Boll

Von Doris Köhncke

Gibt es heute noch Zwangsarbeit,noch dazu in Deutschland? Man denktda eher an die NS-Zeit oder an Straf-lager in Russland. Doch es gibt Ar-beitsausbeutung und Menschenhan-del mitten unter uns: Vor allem Men-schen aus anderen Ländern schuftenim Verborgenen: als Spezialitäten-Köche im Asia-Restaurant, als Küchen-hilfen, Bauarbeiter auf Großbaustel-len, Pflegerinnen in Privathaushalten,Erntekräfte. Sie arbeiten schwarz,ohne Versicherung, ohne Sicherheits-maßnahmen, mit viel zu vielen Ar-beitsstunden, für viel zu wenig Lohn.

So wie eine Frau aus Rumänien, nen-nen wir sie Ionescu. Ihr Mann istschwer krank und braucht eine teuremedizinische Behandlung. Deshalbsucht sie verzweifelt Arbeit. Unver-hofft macht ihr eine Vermittlungs-agentur ein Angebot für eine Putzfir-ma in Deutschland. Ihr werden 800Euro im Monat versprochen bei einer40-Stunden-Woche, die Kosten fürdie Unterkunft werden von der Firmaübernommen. Frau Ionescu ist froh.Da sie als Rumänin in Deutschlandeine Arbeitserlaubnis braucht, dienicht leicht zu bekommen ist, stimmtsie zu, schwarz zu arbeiten. Es ist ihreeinzige Chance – wie soll sie sonstdie Behandlung ihres Mannes bezah-len? Die Agentur verlangt 500 Eurofür die Vermittlung dieser Arbeit. Weilsie das Geld nicht hat, leiht sie es beiVerwandten. In Deutschland wird siemit zwölf anderen in einer Wohnungauf einer Matratze untergebracht. Anden Wänden ist Schimmel. Sie muss150 Euro Miete pro Woche bezahlen.Frau Ionescu muss täglich arbeiten,auch samstags und sonntags, vonmorgens 6:00 Uhr bis abends 22:00Uhr, mit 20 Minuten Pause mittags.Nach sechs Wochen ist sie völlig er-schöpft und hat noch keinen Lohnbekommen. Was tun? Wenn sie zu-rückkehrt, hat sie sechs Wochen um-sonst investiert. Und wie soll sie die500 Euro an die Verwandten zurück-zahlen? Durch Zufall erhält sie Kon-

takt zum Fraueninformationszentrum(FIZ). Hier kann sie ihr Herz ausschüt-ten. Gemeinsam werden Lösungen ge-sucht. Frau Ionescu weiß nicht, wiedie Firma heißt und wer der Chef ist;sie selbst hat sich wegen Schwarz-arbeit strafbar gemacht. Sie nimmtallen Mut zusammen und fordert mitHilfe des FIZ ihren Lohn ein. Nacheinigen Tagen erhält sie den Lohn inHöhe einer 40-Stunden-Woche, dochnichts für all ihre Überstunden. Siekehrt schockiert nach Hause zurück.Die Firma holt sich neue Arbeitskräf-te, denen der Lohn vorenthalten wird.

Was Frau Ionescu erlebt hat, ist keinEinzelfall – außer, dass sie Unterstüt-zung von einer Beratungsstelle be-kam. Anderen widerfährt Schlimme-res: Ein Rumäne, der bei einem Unfallbei Waldarbeit verletzt wurde, wurdenicht ärztlich behandelt, sondern so-fort im Bus in die Heimat gebracht. Er hat nun ein gelähmtes Bein undchronische Rückenschmerzen und kannnie mehr arbeiten. Eine Entschädi-gung oder seinen letzten Lohn bekamer nicht. Zwei bulgarischen Bauarbei-tern wurde der Lohn nicht bezahlt –doch da ihre Kinder beim Chef unter-gebracht waren, wagten sie nicht,sich zu wehren – aus Angst, der Chefwürde ihren Kindern etwas antun.Eine junge Frau war von der 15-stün-digen täglichen Arbeit so erschöpft,dass sie öfters zusammenbrach.

Arbeitsausbeutung – bei uns?

Arbeitsausbeutung und Menschenhandel gibtes in Deutschland – viele profitieren davon!

Herta Däubler Gmelin (SPD) und ArndtGeiwitz, Insolvenzverwalter in Bad Boll

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Es zeigte sich, dass sie und die anderendort viel zu wenig zu essen bekamen. Durch Täuschung und Betrug, durchDrohungen und Gewalt werden Frau -en und Männer in solche Arbeitsver-hältnisse gebracht, sie werden massivausgebeutet und können sich kaumwehren. Warum ist so etwas in unse-rem so geregelten Deutschland mög-lich? Verschiedene Aspekte spieleneine Rolle: alle schauen weg, dennwir profitieren davon. Durch Ausbeu-tung können Dienstleistungen billigerangeboten werden, was Vorteile imWettbewerb bringt. Gleichzeitigzwingt die durch die Wirtschaftskrisegestiegene Armut Menschen aus Ost-europa, dubiose Arbeitsangebote anzunehmen – sie haben keine Alter -nativen. Und da Deutschland keineflächendeckenden Mindestlöhne hat,ist Ausbeutung sehr einfach möglich.

Wir dürfen diese Zustände, die sich inden letzten Jahren kontinuierlich ver-schärft haben, nicht länger dulden!Ein Schritt dazu ist das »Bündnis FaireArbeitsmigration Baden-Württem-berg«, in dem kirchliche Verbände,Gewerkschaften und andere Organi-sationen für ein Ende von Ausbeu-tung und für faire Arbeitsmigrationeintreten. Doch auch jeder und jedeeinzelne kann etwas tun, z. B. Betrof-fene zu Beratungsstellen vermittelnund von der Politik strengere Regelneinfordern. Wir müssen alle die Augenöffnen und handeln. Oder wollen wirden Platz als Ausbeutungsland Num-mer 1 in Europa behalten?

Doris Köhncke, Leiterin des Frauen-informationszentrums FIZ, Stuttgart.

Informationen zum Bündnis Faire Arbeits-migration Baden-Württemberg im FIZ,

Doris Köhncke, [email protected]

Onlinedokumente auf der Internetseite der AkademieText- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen derEvangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hauselesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente

TextdokumentWie wirksam sind Mikrokredite?Mittel zur Armutsbekämpfung oderSchuldenfalle22.-24. Februar 2013, Bad BollAuf S. 3–4 dieser Ausgabe haben wireinen Beitrag von Ulrike Pfab, Refe-rentin für Öffentlichkeitsarbeit beiOikocredit, über die Tagung veröf-fentlicht. Ergänzend haben wir nochein Interview, das sie mit RolandoVictoria, dem Geschäftsführer undGründer der philippinischen Mikrofi-nanzinstitution Alalay sa Kauniaran(ASKI) gemacht hat. Er erläutert diebesondere Arbeitsweise von ASKI undwarum dieses Verfahren so gut wirkt.

TextdokumentWessen bedarf eine solidarischeGesellschaft?22.-23. Februar 2013, Bad BollErgänzend zu dem Beitrag von WelfSchröter, Forum Soziale Technikge-staltung, S. 10/11 können Sie denVortrag von Michael Gormann-The-len, Hannover, zum Thema Zwischen»Mad Economics or Polyglot Peace«und »Dienst auf dem Planeten«.Wessen bedarf eine solidarischeGesellschaft? Der vergessene »Im-puls« Eugen Rosenstock-Huessysonline lesen. Der Posenstock-Huessy-Experte Gormann-Thelen geht in sei-nem Beitrag auf das Leben und Werkdes Philosophen ein.

TextdokumentDrehscheibe Türkei. Syrienkrise undFlüchtlingspolitik – humanitäreHilfe als Ausdruck politischerNeuausrichtung? Studientag23. März 2013, Bad BollDr. Günter Seufert, Stiftung Wissen-schaft und Politik (SWP), Berlin undMitglied der Forschungsgruppe EU-

Außenbeziehungen: Die Türkei und… ihre Außenpolitik: Ziele und Fragezeichen.Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunk,Studio Istanbul: Die Türkei und …ihre Situation: Einblicke in eingespaltenes Land.

Textdokument, Powerpoint-PräsentationPrivater Reichtum, öffentlicheArmut. Verteilungsgerechtigkeit inZeiten der öffentlichen Spardebatte15.-16. März 2013, Bad BollAuf der Tagung sprach nicht nur derSozialethiker Matthias Möhring-Hesse (s. S. 7-8). Es sprachen auchverschiedene andere Experten – sieheauch Pressemitteilung vom 15. Märzauf unserer Website (alle Meldungen).Dr. Stefan Bach, Deutsches Institutfür Wirtschaftsförderung DIW, Berlin,sprach über höhere »Reichensteu-ern«? Möglichkeiten und Grenzeneiner stärkeren Besteuerung vonhohen Einkommen und Vermögen.Die bei der Tagung verwendetePowerpoint-Präsentation steht imNetz. Wir verweisen außerdem aufeinen aktuellen Beitrag des AutorsEinkommens- und Vermögensver-teilung in Deutschland in der Zeit-schrift ‚Aus Politik und Zeitgeschich-te‘ 10-11/2013 zum Thema Steuer-politik: www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/155585/steuerpolitik

TextdokumentGelebtes Christsein strahlt in Politikund Wirtschaft aus. Nachruf aufUmweltpfarrer Werner Beck vonRalf Stieber, Presse- und Öffentlich-keitsreferent der EvangelischenAkademie Baden

FIZ – Fraueninformationszentrum

Migrantinnen erhalten im FIZ Beratungbei Arbeitsausbeutung, Menschenhandelin die Prostitution oder bei Eheproblemenund häuslicher Gewalt und Ehe. Die Bera-tung ist kostenlos und erfolgt auf Deutsch,Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch, Thai,Englisch und Französisch oder bei Bedarfmit Dolmetscherinnen. Träger des FIZ istder Verein für Internationale Jugend -arbeit, vij e.V.www.vij-stuttgart.de

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15SYM 2/2013

Erste sei das Glück, die Freude, dieFreude in Gott. Und ich denke, dassdas richtig ist.

Was sind Stationen einer heutigenReise? Sie gehen ineinander über, wiedas auch in den alten Reisen war. Ichnenne sie so: Staunen, Loslassen undWiderstehen. Das Allererste ist dasStaunen. Das erste auf dem mysti-schen Weg ist das »Traumatzein«, wiedie Griechen das nannten, der Anfangder Philosophie, das Verwundertsein,das Sprachlos-Werden, etwas erfah-ren, was man noch nicht gekannt hatoder nicht gewusst hat. Ich möchteein ganz simples Beispiel erzählen fürsolche mystische Erfahrung.

Es ist eine viel Jahre, über vierzigJahre zurückliegende Erinnerung, wiemein ältestes Kind, mein ältesterSohn, mit fünf Jahren die Zahlenlernte. Und da ging er auf der Aache-ner Straße in Köln, einer riesigen, vielbefahrenen Straße, blieb stehen undbewegte sich nicht. Und ich, ungedul-dige Mutter, die ich bin, zupfte anihm, sagte: »Nun komm doch, was istdenn?« sagte er: »Mama, sieh dochmal! Guck doch nur! Diese wunder-volle Fünfhundertsiebenunddreißig.«Er sprach das ganz langsam, weil ergerade gelernt hatte, wie man Zahlenspricht. Das war für ihn etwas Neues,diese wundervolle 537. Und ich sahsie zum ersten Mal, also auf einemblauen Schild, die Zahl 537, und sahplötzlich, wie schön sie war. Und wiewunderbar das, was das Kind erlebte,war. Das war ein Stück einer Reise,eine Verzauberung, wie wir sie an vie-len, vielen Stellen unseres Lebens er-fahren können. Es gibt sehr, sehr vieleOrte mystischer Erfahrungen. Aber ich finde diesen einfachen Ort einerHauszahl einen besonders schönenOrt. Versunken ins Glück. Und ichdenke, dass jede Entdeckung der Weltuns in einen Jubel stürzt, ein radika-les Staunen, das die Schleier der Trivialität zerreißt. Nichts ist selbst-verständlich, am allerwenigsten dieSchönheit. Die macht uns verwundert.

Vor zehn Jahren hielt Dorothee Sölleauf einer Tagung in Bad Boll einenVortrag »Wenn Du nur das Glückwillst, willst Du nicht Gott«. In eineman schließenden Gespräch debattiertesie noch mit Fulbert Steffensky überdas Thema. In der Nacht darauf starbsie. Vortrag und Zwiegespräch wurdendamals aufgenommen und als CD ver-trieben. Jetzt wurde diese wieder neuaufgelegt. Auszüge aus ihrem Vortragveröffentlichen wir auf dieser Seite.

... Eines der großen Bilder der mysti-schen Tradition ist die Rose. Die Roseist sozusagen der Inbegriff des Glücksan vielen Stellen gewesen, und auchda ist Angelus Silesius sehr berühmt:»Die Rose, welche hier dein äußeresAuge sieht, die hat von Ewigkeit inGott also geblüht.« Das heißt: Dusiehst dann eigentlich mit den AugenGottes – und das ist möglich.

Und noch in einem anderen Vers, denich sehr, sehr liebe, weil er auf einenGrundbegriff der Mystik zurückgeht.Das ist der von Meister Eckhart(1260–1328) geprägte Begriff des»sunder warumbe«, des »ohne Wa-rums«, also ohne Zwecke; dass manetwas tut, ohne zu berechnen, wasman dafür kriegt und was dabei her-auskommt, sondern dass man es tut,»ohne warum«, »sunder warumbe«, sonennt Meister Eckhart das: »Die Rosist ohn‘ warum, sie blühet, weil sieblühet, sie acht nicht ihrer selbst,fragt nicht, ob man sie siehet.«

Ich möchte Ihnen jetzt einen kleinenTeil vortragen, der eigentlich auch ausdem Mystikbuch stammt. Er handeltvon der Reise, die Menschen unter-nehmen. Und es gibt eine Tradition,die immer wieder davon ausgeht vonder Reinigung, die erst mal nötig ist;also von der Buße, vom Schmerz,während andere Theologen, gerademystische Theologen, sich dagegenstark gewehrt haben. Sie meinten,dass Läuterung und Reinigung nichtdas Erste sein könnten, sondern das

Der erste Schritt des mystischen We-ges ist eine »via positiva«, also einpositiver Weg, nicht eine Säuberung,Reinigung, Bußetun, sondern ein Ja,ein Lob Gottes könnten wir auch ganzeinfach sagen. Ich habe dazu viel ge-lernt von einem jüdischen Theologen,der früher in Berlin war und späterdann in New York überlebt hat: Abra-ham Joshua Heschel (1907-1972).Und den Ursprung unseres In-Bezie-hung-Stehens, diesen nennt er dieErfahrung des »radical amazements,also »radikales Hingerissensein«. Sohat er diesen Ursprung genannt. Die-ses überwältigte Staunen angesichtsdessen, was uns in der Natur und inden Befreiungserfahrungen der Ge-schichte begegnet, dass dies eine er-fahrene Schönheit ist, die eben auchauf einer verkehrsreichen Straße ineinem blauweißen Hausnummern -schildchen sichtbar werden kann. Es gibt keinen mystischen Weg, derzur Einigung führen kann, wenn nichtdas Staunen da ist. Staunen heißt wieGott nach dem sechsten Tag die Weltwahrnehmen: »Und siehe da, es waralles sehr gut«. Das ist ein Anfang.

Siehe auch Seite 23.

»Wenn Du nur das Glück willst, willst Du nicht Gott«

Dorothee Sölle sprach vor zehn Jahren in Bad Boll überdie Mystiker und das Glück. Was sie damals sagte, istweiterhin essentiell in der Reflexion über Gott, dasLeben und das Glück.

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Was kommt?Tagungen vom 13. Junibis 31. Oktober 2013

Risiko und Katastrophen –Fachtagung13.-14. Juni 2013, Bad BollTechnik- und Naturrisiken werden inVersicherungswirtschaft, Wissen-schaft und Öffentlichkeit diskutiert.Welche Rolle spielt der Faktor Menschbeim Umgang mit Risiken? Wie wer-den Risiken kommuniziert? Wasmacht ein Ereignis überhaupt zurKatastrophe? Welche Strategien gibtes zur Vorsorge und Bewältigung?Diese Fragen werden interdisziplinärerörtert.Tagungsnummer: 610213Tagungsleitung: Dr. Regina FeinInfos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Mut zur SelbstständigkeitErfahrene Unternehmer fördernjunge Gründer14.-15. Juni 2013, Bad BollTatendrang, Neugier und Abenteuer-lust sind treibende Kräfte in IhremLeben? Sie träumen vom eigenen Un-ternehmen? Hier erfahren Sie, warumKöpfchen wichtiger ist als Kapital undwarum Sie im Dschungel der Märktenur mit klassischen Werten bestehenkönnen. Die junge Generation kannvon der Erfahrung der Älteren profi-tieren. Knüpfen Sie hier entscheiden-de Kontakte!Tagungsnummer: 670213Tagungsleitung: Anna GreveInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Welche Hilfe braucht die Selbst-hilfe? Kritische Auseinandersetzungmit Patienten-Selbsthilfeverbänden15.-16. Juni 2013, Bad BollSelbsthilfe kann eine wichtige Rollezur Bewältigung von Krankheitenspielen. Die Arbeit von Selbsthilfe-gruppen sollte unabhängig, eigen-ständig und transparent sein. Auf derTagung wollen wir uns der grundsätz-lichen Frage widmen, welche Hilfe

und Unterstützung Selbsthilfegruppenbrauchen. Wir fragen nach der Inte-ressenvertretung der Selbsthilfe sowienach Lobbyismus und beleuchtenmögliche Abhängigkeiten.Tagungsnummer: 401413Tagungsleitung: Christa Engelhardt,Gottfried LutzInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]/tagungen/details/401413.pdf

Estland – vom Land der Sänger zur ersten Internet-RepublikWanderstudienreise17.-30. Juni 2013, AkademiereiseEstland ist die nördlichste der dreibaltischen Republiken mit langenKüsten, urwaldähnlichen Wäldern,einsamen Hochmooren und ausge-dehnten Seenplatten. Das Land ent-wickelte sich in nur 20 Jahren zumbaltischen Tigerstaat und zum Mus-terland der EU. Die Reise zeigt dieSchönheit und Widersprüchlichkeitdieses interessanten Landes am nord-östlichen Rand der EuropäischenUnion.Tagungsnummer: 451313Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers,Andreas Hohl, Natur und Kultur,RingingenInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Arbeit und Gesundheit im Konflikt20.-21. Juni 2013, Bad BollIn den vergangenen Jahren ist in Un-ternehmen im Umgang mit psychi-schen Belastungen viel geschehen.Doch die Forderungen nach ständigerErreichbarkeit und täglicher Höchst-leistung bleiben. Die Tagung fragt,was sich bei der Arbeitsorganisation,im Arbeitsschutzgesetz sowie in derBewertung von Arbeit und Leistungändern muss, damit Unternehmenund Mitarbeiter gesund bleiben.Tagungsnummer: 250313Tagungsleitung: Martin Schwarz,Esther Kuhn-LuzInfos: Eliane Bueno Dörfer, Tel. (0731) 1538-571,[email protected]

Familientag für Adoptiveltern und ihre Kinder22. Juni 2013, Bad BollDie Tagung beginnt mit einem Vor-trag für die Erwachsenen zum ThemaAdoption. Parallel dazu wird es für dieverschiedenen Altersgruppen An-gebote geben. Am Nachmittag mi-schen sich Erwachsene, Kinder undJugendliche in verschiedenen Arbeits-gruppen. Am Ende gibt es einen ge-meinsamen Abschluss mit Präsenta-tionen aus den Gruppen, Gesprächenund Austausch.Tagungsnummer: 400313Tagungsleitung: Christa EngelhardtInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Soziale Marktwirtschaft neu denkenBad Boller Wirtschaftsgespräch: 70 Jahre »Freiburger Denkschrift«28. Juni 2013, Bad BollDie »Bad Boller Wirtschaftsgespräche«sind ein neu ins Leben gerufenes Fo-rum für wirtschaftsethische Grund-satzfragen. Veranstaltet wird die Ta-gungsreihe von der EvangelischenAkademie Bad Boll in Kooperation mitdem Ministerium für Finanzen undWirtschaft Baden Württemberg. The-ma des ersten Gesprächs ist die Wei-terentwicklung der Sozialen Markt-wirtschaft.Tagungsnummer: 622113Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann,Dagmar BürkardtInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]/tagungen/details/622113.pdf

Fahrradfreundlicher Verkehr für Schule und Gemeinde29.-30. Juni 2013, Bad BollViele Bürgermeister und Gemeinde-räte suchen nach Lösungen für einenachhaltige Verkehrspolitik. Ein guterAnsatzpunkt ist die Schule: Hier lau-fen viele Fäden zusammen: nachhalti-ge Bildung, Kinder fahren mit demRad zur Schule, Eltern setzen sich fürFahrradwege ein. Wie können Schulenund Gemeinden fahrradfreundlicheModelle entwickeln? InternationaleBeispiele geben Anregungen.

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Tagungsnummer: 502813Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Tagungsreihe »Inklusion undSchule« – Teil 11. Der Inklusions-index für Schulen und Kommunen1.-2. Juli 2013, Bad BollWenn Schulen in Gemeinden und Be-trieben Praktikumsplätze für Jugend-liche mit Behinderung suchen, wirddeutlich: In der Schule wird Inklusiongelebt. Indizes für Inklusion könnendurch Frage-Listen gewonnen werden.Sie dienen als Diskussions-Grundlageund Standort-Bestimmung für Schu-len und Gemeinden. Wir stellen Indi-zes und den Umgang mit ihnen vor.Tagungsnummer: 502513Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/502513.pdf

Den demografischen Wandel meistern. Unternehmen als Partnerim ländlichen Raum4. Juli 2013, Bad BollDer ländliche Raum in Baden-Würt-temberg ist ein erfolgreicher Wirt-schaftsstandort – noch. Der demogra-fische Wandel bringt neue Herausfor-

derungen für Infrastruktur, Bildungs-angebote, Versorgungsmöglichkeitenund soziale Einrichtungen mit sich.Der Fachtag beschreibt die zukünfti-gen Aufgaben und stellt Modelle vor,wie Unternehmen und Kooperations-partner den demografischen Wandelgestalten können.Tagungsnummer: 200113

Tagungsleitung: Martin Schwarz, Dr. Irmgard EhlersInfos: Eliane Bueno Dörfer, Tel. (0731) 1538-571, Fax 1538-572eliane.doerfer@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/200113.pdf

Flüchtlingsfrauen und ihr PotenzialGanzheitliche Bildung in neuerUmgebung5.-7. Juli 2013, Bad BollSeit mehr als 20 Jahren treffen sichin Bad Boll Frauen, die eine Flucht-geschichte nach Deutschland geführthat. Dieses Jahr steht »Bildung« im Fo-kus. Wir stellen neue Fakten vor undbeschäftigen uns mit gesundheitlicherBildung, der Stärkung des Selbstbe-wusstseins und dem Wissen, das dieFrauen als Schätze in sich tragen. Wirfragen uns, wie diese hier eingebrachtwerden können.Tagungsnummer: 430513Tagungsleitung: Simone Helmschrott,Birgit DinzingerInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Arbeitsplatz Werkstatt? Fortbil-dungsreihe für Werkstatträte Teil 48.-10. Juli 2013, Bad BollAn diesen Themen arbeiten wir: Ver-änderungen der Arbeitsplätze in derWerkstatt, Arbeiten außerhalb derWerkstätten, Übergänge in den allge-meinen Arbeitsmarkt. Ferner geht esdarum, wer bestimmt, was in derWerkstatt verdient wird und wer wasfinanziert. Aktuell geht es auch umdie Wahl der Werkstatträte, derenVorbereitung und den Ablauf.Tagungsnummer: 400413Tagungsleitung: Christa Engelhardt,Bernd SchatzInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Freiwillige gewinnen. Wie gelingenAkquise und Vernetzung?11. Juli 2013, Bad BollVielen Jugendlichen gelingt der Ein-stieg in die Ausbildung, wenn sie voneinem individuellen Lernpartner be-gleitet und gefördert werden. Auchfür Jugendliche mit Migrationshin-

tergrund ist das ein Erfolgsmodell, für das man engagierte Menschenbraucht. Der trägerübergreifendeFachtag geht der Vernetzung im Land-kreis und der Frage nach, wie es ge-lingt, Ehrenamtliche für diese Auf-gabe zu begeistern und zu binden.Tagungsnummer: 331313Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Vierte WürttembergischeFundraisingschau. Fortbildung,Austausch, Best Practice13. Juli 2013, Bad BollKirchengemeinden zeigen erfolgrei-ches Fundraising. Stiftungen infor-mieren über Entstehung und Arbeit.Vorträge und Workshops vermittelnKenntnisse. Dienstleister präsentierenService. Verleihung des Fundraising-preises der Landeskirche. Am Endedes Tages wissen Sie, wie Fundraisingfunktioniert.Tagungsnummer: 450313Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers,Helmut LiebsInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Vernissage Sibylle BurrerE-motion – Skulptur und Grafik14. Juli 2013, Bad Bollsiehe Seite 6

Medien und StraffälligenhilfeWer beeinflusst wen?15.-16. Juli 2013, Bad BollSeit 20 Jahren gibt es weniger Fällevon Mord und Totschlag. Dennochherrscht in der Öffentlichkeit der Ein-druck vor, gravierende Sexual- undGewaltdelikte – insbesondere an Kin-dern – würden ständig zunehmen.Offensichtlich skandalisieren mancheMedien und schüren Angst. Sachin-formationen und Öffentlichkeitsarbeitsind notwendig.Tagungsnummer: 520713Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/520713.pdf

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Interessenkonflikt Wasserver-sorgung – Daseinsvorsorge,Regulierung, Privatisierung17.-18. Juli 2013, Bad BollUm zukünftig die hohe Wasserquali-tät in Deutschland zu gewährleisten,stehen Kommunen und Versorgungs-unternehmen vor neuen Herausfor-derungen: Wie lässt sich Grundwassernachhaltig nutzen? Wie können dieProbleme bewältigt werden, die para-doxerweise durch einen demografischbedingten, sinkenden Wasserver-brauch entstehen? Wie wirkt sich derKlimawandel auf die zukünftige Was-serversorgung aus?Tagungsnummer: 450913Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers,Prof. Dr. Gerald SanderInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]/tagungen/details/450913.pdf

Meditatives Tanzen im Sommer19.-21. Juli 2013, Bad BollTagungsnummer: 530713Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Strategien für eine schrumpfendeGesellschaft. Wirtschaft undSozialpolitik vor demografischenHerausforderungen19.-20. Juli 2013, Bad BollWas bedeutet die demografische Ent-wicklung für Wirtschaft, Wohlstandund soziale Sicherung? Weniger undältere Menschen in Deutschland –führt das auch zu weniger Wachs-tum? Um welche Art von Wachstumwird und kann es in Zukunft gehen?Welche Chancen liegen im Verände-rungsdruck für Unternehmen und Ge-sellschaft? Diskutiert werden Lösungs-ansätze für Unternehmen, für Wirt-schafts- und Sozialpolitik.Tagungsnummer: 620713Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann,Dagmar BürkardtInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Selbstmanagement mit demZürcher Ressourcen Modell (ZRM)ZRM Grundkurs25.-27. Juli 2013, Bad BollZRM ist ein Ansatz des Selbstmanage-ments, der die Stärken des Einzelnenin den Blick nimmt. Es erschließt per-sönliche Entwicklungskräfte und er-weitert den eigenen Handlungsspiel-raum auch in schwierigen Situationen.Tagungsnummer: 450413Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers,Verena GlatthardInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]/tagungen/details/450413.pdf

Risiko und Katastrophen – Bürger-dialog. Impulse von Bürgern, Katas-trophenschützern und -helfern26.-28. Juli 2013, Bad BollGefahr erkannt, Gefahr gebannt? InAnlehnung an die Fachtagung zu Natur- und Technikrisiken und Katas-trophenvorsorge im Juni sollen dieErkenntnisse auf bestehende Risiko-situationen mit betroffenen Bürge-rinnen und Bürgern diskutiert werden.Zur Debatte stehen Gefahrenzonen,Vorsorgemaßnahmen sowie Organisa-tion und Kommunikation im Ernstfall.Tagungsnummer: 610813Tagungsleitung: Dr. Regina FeinInfos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

Ferienwoche KreativMit Hermann Hesse unterwegs – lassen Sie sich inspirieren!28. Juli bis 3. August 2013, Bad BollEin reiches Programm mit Workshopsund inspirierenden Begegnungen sindGarant für eine erfüllte und zugleichentspannte Ferienzeit für Jung undAlt. Kreativität und Bewegung, Spielund Spiritualität, Kultur und Natur –sieben kreative Tage in Bad Boll fürFamilien, Paare und Singles.Tagungsnummer: 330113Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]/tagungen/details/330113.pdf

Der Spaziergang nach SyrakusAkademiereise29. Juli bis 12. August 2013 In einem halben Jahr wanderteJohann Gottfried Seume 1802 vonGrimma bei Leipzig nach Sizilien undzurück. Im Tornister: Zwölf lateinischeund griechische Klassiker und einFrack für gepflegte Unterhaltungen.Das Credo des Abenteurers und kriti-schen Beobachters: Wer geht, siehtmehr, als wer fährt. Syrakus war dasSehnsuchtsziel Seumes und dennochbrauchte er mehrere Ansätze, bis eres auch wirklich erreichte.Tagungsnummer: 501813Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/501813.pdf

Das Allerweichste der Weltbezwingt das Allerhärteste der WeltEinführung in die Lektüre desDaodejing Philosophische Sommerakademie21.-24. August 2013, Bad BollDas Daodejing (Taoteking) von Laozi/Laotse, die wichtigste Schrift desDaoismus, ist der meistübersetzte undbekannteste chinesische Klassiker. Er hat Generationen von Dichtern,Künstlern und Komponisten mit sei-ner zeitlosen Weisheit begeistert, dieein Leben im Einklang mit der Naturbeschwört. Wir lesen zentrale Passa-gen des Daodejing in verschiedenenÜbertragungen und prüfen derenQualität und Tiefe.Tagungsnummer: 431313Tagungsleitung: Simone Helmschrott,Henrik JägerInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Literarische SommerakademieHelles Licht und lange Schatten –die Aufklärung24.-28. August 2013, Bad BollDer klassische Entwicklungsroman er-lebt seine erste Blüte durch die Inspi-ration der Aufklärung. Der Glaube andie Entwicklungsfähigkeit des Men-schen wurde in den folgenden zwei-hundert Jahren auf eine harte Probe

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Kurzhinweise auf TagungenSeptember / Oktober 2013:

Platons Dialoge: PolitikosPhilosophie und Staatskunst –Lektüreseminar5.-8. Septemer 2013, Bad BollTagungsnummer: 500213Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/500213.pdf

Selbstmanagement mit demZürcher Ressourcen Modell (ZRM)ZRM Grundkurs5.-7. September 2013, Bad BollTagungsnummer: 451413Tagungsleitung: Dr. Irmgard EhlersInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Per Pedal zur PoesieLektüreseminar zum literarischenRadweg Nr. 97.-8. September 2013, Bad BollTagungsnummer: 531613Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Ehrenamtlich aktiv Mit Jugendlichen im Übergang zwischen Schule und Beruf10. September 2013, Bad BollTagungsnummer: 331413Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Flüchtlinge aus den südost-europäischen StaatenEs ist Zeit für Gerechtigkeit13.-15. September 2013, Bad BollTagungsnummer: 430713Tagungsleitung: Simone Helmschrott,Annette Stepputat, Ulrike DuchrowInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

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gestellt. Es ist ein langer Weg vonAnton Reiser und Wilhelm Meister zuHans Castorp und Oskar Matzerath.Wir lesen und diskutieren ausgewähl-te Texte.Tagungsnummer: 530513Tagungsleitung: Susanne Wolf,Annegret WolframInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/530513.pdf

Philosophische SommerakademieHelles Licht und lange Schatten - die Aufklärung28. August - 1. September, Bad BollDas Seminar bietet eine Einführung indas Denken der Aufklärung, in dietragenden Begriffe und Strukturen.Der Schwerpunkt der gemeinsamenLektüre wird auf Texten von Kant undHorkheimer/Adorno liegen. Dabei sol-len nicht nur die Anliegen der Aufklä-rung, sondern auch ihre Dialektik zurSprache kommen.Tagungsnummer: 530613Tagungsleitung: Susanne Wolf,Annegret WolframInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/530613.pdf

Parsifal – Wagners geheimnisvolleletzte Oper. Seminar zum 200.Geburtstag von Richard Wagner31. August - 4. September, Bad BollZum Auftakt hören Sie die Vertonungvon Parsifal-Themen durch Humper-dinck mit einem Konzert für Klaviervierhändig. Der historische Hinter-grund der Parsifalerzählung wird un-tersucht, Inszenierungen werden ver-glichen und Richard Wagners Wirkenwird kritisch befragt. Zum Abschlusssingen Sie mit dem Dirigenten derUlmer Oper das gesamte Werk, ge-würzt mit Erzählungen zur Auffüh-rungspraxis.Tagungsnummer: 501213Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Nachhaltige Entwicklung durchBeteiligung. Vorarlberger Modellefür den ländlichen Raum17.-19. September 2013,Bildungshaus BatschunsTagungsnummer: 200513Tagungsleitung: Martin Schwarz,Frederike Winsauer, Dr. rer Pol. Jeannette BehringerInfos: Eliane Bueno Dörfer, Tel. (0731) 1538-571, Fax [email protected]

Sozialpsychiatrische Dienste zwi-schen Hilfe und Kontrolle2. Süddeutsche Fachtagung fürSozialpsychiatrische Dienste18.-19. September 2013, Bad BollTagungsnummer: 401213Tagungsleitung: Christa Engelhardt,Dr. Heinrich Berger; Dr. Klaus Obert;Friedrich Walburg; Matthias KneißlerInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Auf »goldenem (indischen) Boden«?Berufliche Bildung und Qualifizie-rung von Marginalisierten in Indien20.-22. September 2013, Bad Boll

Tagungsnummer: 431113Tagungsleitung: Simone Helmschrott,Lutz Drescher, Walter HahnInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Festveranstaltung zum 70. Geburtstag von Bischöfin i. R.Bärbel Wartenberg-Potter21. September 2013, Bad BollTagungsnummer: 522013Tagungsleitung: Kathinka Kaden,

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Susanne Wolf, Bärbel Wartenberg-PotterInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/522013.pdf

Abschied von der Erwerbsarbeit.Aufbruch ins Morgen – Weichenstellen25.-28. September 2013, Bad BollTagungsnummer: 700113Tagungsleitung: Dr. Karlheinz Bartel,Margit MetzgerInfos: Heidi Weinmann, Tel. (0711) 351459-30, Fax [email protected]

Beteiligungsprozesse mit DynamicFacilitation moderieren. Fortbildungfür die Moderation von BürgerIn-nenräten in Baden-Württemberg30. 9.-2.10.2013, Bad BollTagungsnummer: 330513Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Mitmachen EhrensacheFit für das Botschafteramt4.-6. Oktober 2013, Bad BollTagungsnummer: 360313Tagungsleitung: Marielisa vonThadden, Gabi Kircher, Günter BressauInfos: Heidi Weiser, Tel. (07164) 79-204, Fax [email protected]

Fachtag Wohnen – Generationen-dialog. Demografie-Fachtagung7. Oktober 2013, Bad BollTagungsnummer: 451213Tagungsleitung: Dr. Irmgard EhlersInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Herausforderung InklusionSchwerbehindertenvertretungen inBetrieben, Behörden und Schulen9.-11. Oktober 2013, Bad BollTagungsnummer: 200213Tagungsleitung: Martin Schwarz,Karl-Ulrich Gescheidle, ChristaEngelhardtInfos: Eliane Bueno Dörfer,

Tel. (0731) 1538-571, Fax [email protected]

Mit bestimmen – mit eigenerStimme. Frauen in die Politik11.-12. Oktober 2013, Bad BollTagungsnummer: 451013Tagungsleitung: Dr. Irmgard EhlersInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Opfer und MedienWas sich Opfer von Medien, Justizund Fachberatung wünschen18.-19. Oktober 2013, Bad BollTagungsnummer: 520913Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Medientage Bad Boll18.-20. Oktober 2013, Bad BollTagungsnummer: 530813Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Solidarität und Marktwirtschaft23. Oktober 2013, StuttgartTagungsnummer: 670413Tagungsleitung: Anna GreveInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Diaspora als Brückenbauer in derEntwicklungszusammenarbeitDas Beispiel Armenien24. Oktober 2013, StuttgartTagungsnummer: 622313Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann,Simone HelmschrottInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Äthiopien. Historische und aktuelle Perspektiven26.-27. Oktober 2013, Bad BollTagungsnummer: 611313Tagungsleitung: Dr. Regina Fein,Simone HelmschrottInfos: Romona Böld,

Tel. (07164) 79-347, Fax [email protected]

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Spargeltarte

für 4 Personen

Zutatenliste / Einkaufsliste

1 Bund grüner Spargel 500g1 Bund weißer Spargel 500g1 Packung Filoteig80-90 g Butter500 g Kartoffeln (mehlig)100 g Cheddar 100 g Lancashire Käse1/2 l Schlagsahne3 Eierzusätzlich etwas Butter (flüssig zum Bestreichen)Salz, Pfeffer, Muskat

Kartoffeln schälen und kochen, an-schließend mit den geriebenen Kä-sesorten stampfen, die Sahne unddie Eier dazugeben. Alles vermi-schen, mit Salz, Pfeffer und Muskatwürzen. Weißen Spargel schälen,grünen und weißen auf eine Längebringen. Den Spargel ca. 2-3 Min.blanchieren. Filoteiglagen mit derflüssigen Butter bestreichen und dieForm damit auslegen. Die Kartoffel-masse auf den Teig geben und an-schließend den Spargel abwech-selnd darauf nebeneinander legen,bis die Oberfläche der Tarte bedecktist. Abschließend die Spargelstan-gen mit flüssiger Butter bestrei-chen. Im Ofen bei 190 °C 15-20Minuten backen, der Teig sollteknusprig sein, die Oberfläche gol-den. Die Tarte mindestens 10 Minu-ten abkühlen lassen, damit sieschnittfest ist.

Guten Appetit!

Ihr Tomas Lange

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Aus der Akademie

Abschied von Esther Kuhn-LuzAcht Jahre hat Esther Kuhn-Luz, alsWirtschaft- und Sozialpfarrerin imKDA-Team in Stuttgart und seit 2007auch als deren Vorsitzende gearbeitet.Davor war sie Gemeindepfarrerin undab 1. September wird sie wieder Ge-meindepfarrerin sein – in Rottweil,mit dem Schwerpunkt Erwachsenen-bildung und Ökumene. Themen, dieihr inzwischen vertraut sind.Der Anfang im KDA war für sie nichteinfach. »Du wirst nirgends erwartet.Ich kannte die Kirche als ›Komm-Kir-che‹. Die Leute kommen von selbst.Beim KDA haben wir eine ›Geh-Struk-tur‹ – es passiert nichts, wenn Dunicht hingehst.« Geholfen hat ihr einsechsmonatiges Praktikum bei derGossner Mission in der Industriemis-sion. »Dort habe ich gelernt, dassMenschen in der Arbeitswelt nur er-reicht werden, wenn Kirche sich aufden Weg zu ihnen und ihren Proble-men aufmacht.« Im ersten Jahr musste Kuhn-Luz ersteinmal Kontakte knüpfen: zu Firmenwie Mann & Hummel, Daimler undBosch, zu Verdi und den Gewerkschaf-ten. In die Betriebe zu gehen war an-fangs nicht einfach. Die erste Reak-tion ist meist: »Was wollen Sie dennals Pfarrerin im Unternehmen? Wirbrauchen keine Mission.« Aber auf dieReaktion: »Für uns als Kirche ist eswichtig, wahrzunehmen, welche The-men und Probleme in der Arbeitsweltund der Wirtschaft gerade aktuellsind – damit wir uns als Kirche auchmit diesen Themen beschäftigen«,kam es schnell zu Kontakten. Oft zubeiden Seiten: Geschäftsführung/Personalverantwortliche und Be -triebs rat.

Bald zeigte sich, dass das Thema»Psychische Belastung« eine großeRolle spielt – und zwar eher in Bürosals in der Produktion. In Büros gibt esimmer häufiger entgrenzte Arbeit,teilweise läuft die Kommunikation zuden Kollegen nur virtuell. So hat dasganze Rechnungswesen von HP zumBeispiel seinen Sitz in Indien. Es gibtzum Teil auch keine klaren Arbeitszei-

ten mehr – man arbeitet in Projektenund hat eine scheinbar unbegrenzteFreiheit. »Machen Sie das, wie Siewollen.« Das führt oft zur Selbstaus-beutung, wenn man die Aufgabennicht in der vorgegebenen Zeit erle-digt. Da wird den Mitarbeitern ange-boten, ein Handy zu bekommen –aber natürlich nur unter der Bedin-gung, immer erreichbar zu sein.

Zur ersten Tagung über den »Ausstiegaus der Erschöpfungsspirale« waren30 Plätze gebucht – es kamen über100: Personalverantwortliche, Mitar-beitende in Krankenhäusern, Bürger-meister, Betriebsräte. Einige sagten:»Es ist wichtig, dass Ihr das Themaöffentlich gemacht habt. Es ist keinindividuelles – es ist ein strukturellesProblem.« Daraus sind verschiedeneTagungen und ein starkes Netzwerkentstanden. Im Mai kamen im Straß-burger Parlament die Arbeits- undSozialminister zum Thema Restruktu-rierungen und psychische Erkrankun-gen zusammen. Das Thema ist alsoauch im Europa-Parlament angekom-men. Parallel dazu entwickelte Kuhn-Luz Seminare für Führungskräfte, dievon 2007–2012 stattfanden. »Dabeilernte ich viel über die Unternehmen.Zum Beispiel, dass es häufig Um-strukturierungen gibt, dass häufigneue Software eingeführt wird unddass es an Wertschätzung fehlt. Dasführt bei vielen zu einer starken Ver-unsicherung, zu Ängsten und zu Mob-bing. Das Know How der Einzelnen,insbesondere der Älteren, wird nichtabgefragt.« Sie hat aber auch gelernt,dass es in Württemberg gute Familien -unternehmen gibt, die ihre Leute fördern und alles tun, dass niemandentlassen werden muss.

Die Arbeit mit den Gewerkschaftenwurde durch den Kontakt zu LeniBreymeyer, der damaligen stellvertre-tenden DGB-Vorsitzenden, bald sehrintensiv. Bei einer Kundgebung aufdem Stuttgarter Schlossplatz 2006»Sozial gerecht geht anders« hatteEsther Kuhn-Luz nach Michael Som-mer eine viertel Stunde Redezeit vor40–50.000 Menschen. Dadurch warder Durchbruch geschafft und sie

wurde zu Kampagnen und Streikshinzugezogen, z. B. zur Mindestlohn-Kampagne, Minijobber und Niedrig-lohn – nicht als »Gewerkschaftssekre-tärin«, sondern als Vertreterin der Kir-che, »die etwas dazu zu sagen hat.«Zu den weiteren Aufgaben gehörte es,Kontakte von Vikaren und Vikarinnenzur Arbeitswelt herzustellen. »Es istwichtig, dass die Vikare einen Blickfür die Arbeitswelt bekommen – wirsprechen die Leute immer auf exis-tentielle Themen an, aber vergessendabei, wie prägend die täglichen Ar-beitserfahrungen sind.« Auch mit derökumenischen Betriebsseelsorge gabes eine gute Zusammenarbeit undVernetzung. »Wenn wir bei Betriebs-versammlungen zum Thema Ängsteoder Wertschätzung gesprochen ha-ben, dann spielt die Konfession keineRolle – wichtig ist, dass sich da einVertreter oder eine Vertreterin derKirche zu Wort meldet«, so Kuhn-Luz.

Auch wenn der Abschied schwer fällt,Esther Kuhn-Luz ist froh, dass dieStelle wiederbesetzt wird und dieKDA-Arbeit mit vier Leuten und ver-schiedenen Schwerpunkten weiter-geht: »Das KDA-Team ist für die Ar-beit sehr wichtig. Man braucht diegegenseitige Unterstützung.« Aller-dings ist die Begrenzung auf achtJahre ihrer Meinung nach ungünstig:»Es braucht viel Zeit, die Netzwerkeaufzubauen. Es sind sehr persönlicheBeziehungen, die man nicht einfachübergeben kann. Zum Glück wird jetztimmerhin diskutiert, ob nicht fünfplus fünf Jahre möglich sein sollen.«

Martina Waiblinger

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gement, der Streitschlichter-Kongressund die Streitschlichter-Ausbildung.Und last not least gehörte die Reihe»Gewaltprävention und Religion« imRahmen der Friedensdekade gegenGewalt dazu, die Gerald Büchsel mitdem Pädagogisch-Theologischen Zen-trum (PTZ), dem Kultusministerium,Dezernat 2 der Landeskirche und demLandeskriminalamt durchführte. »Die-se Zusammenarbeit hat inzwischenein alltagstaugliches Netzwerk hervorgebracht, das bis heute funktioniert.« Die Themen, die Gerald Büchsel mit-brachte, waren: die Schwellen in Aus-bildung und Beruf – auch die Schul-verweigerungsthematik, die privateVerschuldung von Jugendlichen unddie Frage nach Jungenpädagogik: »Das war damals ein Thema in dersozialpädagogischen Praxis. Es warklar geworden, dass man etwas tunsollte – es gab aber wenig alltags-taugliche Ansätze.« Grundsatztagungen mit Themen ausder Jugendforschung entwickelteBüchsel im Laufe der Zeit. Hervorzu-heben sind hier die Tagung »Wer er-zieht – Super-Nanny?« oder Tagungenzur Migration, z.B. »Döner und Demo-kratie – Politische Bildung in der Ein-wanderungsgesellschaft« (2010). DasThema in Zusammenarbeit mit Mi-grantenorganisationen zu bearbeiten,hat Büchsel als Anregung dann in dieEvangelische Trägergruppe für Ge-sellschaftspolitische Jugendbildung,das wichtigste Gremium für diesenBereich, eingebracht. Die Trägergrup-pe war für ihn »eine wichtige Platt-form für Austausch und Ideen.«

Die einzige Pfarrstelle im Bereich »Ge-sellschaftspolitische Jugendbildung«wird mit dem Ausscheiden von GeraldBüchsel dem Stellenkürzungsplan zumOpfer fallen: »Ich habe das Gefühl,dass sich die Akademie damit eineihrer wesentlichen Wurzeln abschnei-det. Bei Tagungen nehme ich die Teil-nehmenden meist auf einen Gangdurchs Gelände und erkläre, was Aka-demie-Arbeit ausmacht. Es war in derAkademie schon früh klar, dass die Ju-gendlichen ein wesentlicher Faktorder Demokratiegestaltung sind, dasssie Demokratie nicht nur als Verfah-ren, sondern auch als Haltung begrei-

Abschied von Gerald Büchsel

Bevor Gerald Büchsel am 1. Juni 2005in der Evangelischen Akademie BadBoll als Studienleiter für Gesellschaft-liche Jugendbildung anfing, war er elfJahre hauptamtlicher Stadtjugend-pfarrer in Stuttgart und damit dasBindeglied zwischen Jugendarbeitund Gemeindearbeit der StuttgarterGemeinden. In Bad Boll hat er einer-seits ein festes Programm vorgefun-den, konnte aber auch einiges aus denThemen seiner Tätigkeit in Stuttgartmiteinbringen. Das ursprüngliche Pro-fil dieser Pfarrstelle der Akademie be-zog sich auf die Industriejugend inder Gründungszeit (siehe auch S. 5).Gerald Büchsel: »In der Frühzeit derDemokratie nach ‘45 ging es darum,die Industriejugend im Kontakt mitGewerkschaften nicht nur individuellorientierend zu begleiten, sondernauch eine wertebegründete Haltungzu unterstützen und die Grundlagenfür Partizipation zu entwickeln. DieStelle hat sich allerdings so entwi -ckelt, dass immer weniger mit Aus-zubildenden und Bildungsbenachtei-ligten, sondern immer mehr mit Real-schülern und Gymnasiasten gearbei-tet wurde. Ich bin einer der wenigen,die hier noch mit Hauptschülern ge-arbeitet haben.«Zu den Themen, die Gerald Büchselvorfand, gehörten zum Beispiel Ta-gungen zum berufsorientierten Religi-onsunterricht, die einmal im Jahr inZusammenarbeit mit den Religions-lehrerinnen und -lehrern an Berufs-schulen durchgeführt werden. FesterBestandteil sind auch Konfliktmana-

fen, dass sie eine gewisse Persönlich-keitsbildung brauchen, um sich zuselbstbewussten, mündigen Individu-en zu entwickeln. Dafür ist auch derOrt wichtig: Dass sich auch für sie dieTüren automatisch öffnen, dass alleein gedrucktes Namensschild bekom-men und wie Erwachsene behandeltwerden – das ist Teil des pädagogi-schen Programms.«

Dass Gerald Büchsel nun ausscheidet,liegt an der Begrenzung der Sonder-pfarrstellen auf acht Jahre. Diese Pra-xis hat zur Folge, dass lange aufge-baute Netzwerke abbrechen. MancheTeile der Arbeit werden von Kollegin-nen und Kollegen weitergeführt, sodie berufsorientierte Religionspäda-gogik von Thilo Fitzner, der Streit-schlichter-Kongress von Marielisa vonThadden und die Jungengesundheitvon Günter Renz. Das gilt aber nichtfür alle Tätigkeitsfelder. »Zum Beispielhat sich aus den regelmäßigen Ta-gungen zur Jugendberufshilfe, mit derBAG EJSA, der Handwerkskammer, derDiakonie u. a. 2012 ein ›InitiativkreisProduktionsschulen für den Süden‹formiert. Mit der Produktionsschulesoll endlich auch in Baden-Württem-berg ein sehr erfolgreiches Instrumentfür chancenarme Jugendliche ange-boten werden, das sich nicht mit res-sortgebundenen Einzelmaßnahmenzufrieden gibt, sondern aus der Per -spek tive der Jugendlichen konzipiertist. Das Bemühen um die Imple men -tierung gewinnt zurzeit politisch anFahrt und bedarf eigentlich einer wei-teren Unterstützung durch die Akade-mie, die in diesem Prozess bislangfederführend war.«

Gerald Büchsel hatte sich auch in vie-len anderen Bereichen in der Akade-mie betätigt: Im Fortbildungsaus-schuss, im Vorbereitungsteam derSommerklausuren, und er hat die Lei-tung des Akademie-Chors übernom-men: »Ich habe das mit Leidenschaftgemacht. Es war jedes Mal ein puresGlücksgefühl«. Genauso ging es denSängerinnen und Sängern. Das lagsicherlich daran, dass er, wie er selbstsagt, ein »Ohrenmensch« ist. »Das istmir wichtig in Zusammenhang mitder Beschreibung des Akademieauf-

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trags durch den Gründer Dr. EberhardMüller, der die Akademie als das Ohrder Kirche bezeichnet hat. Nicht vonvornherein alles besser zu wissen,sondern zuerst aufmerksam zuzuhö-ren und offen zu sein für die Men-schen, sie ernstzunehmen in dem,was sie mitbringen – das muss nochdeutlicher in den Vordergrund gerücktwerden.« Unter diesem Gesichtspunkthat Gerald Büchsel während einerStudienzeit ein Bad Boller Skript(BBS) zum Hören verfasst. Das BBS istab Mitte Juni erhältlich, s.u.

Martina Waiblinger

PublikationenNeu: Halbjahresprogramm 2/2013Wandel als Chance Bürgerbeteiligung, die Zukunft derMedien und Demografie sind zentraleThemen der Gesellschaft. Daher bil-den sie im neuen Halbjahrespro-gramm 2/2013 der Evangelischen Aka-demie Bad Boll Akademie drei inhalt-liche Schwerpunkte. Die Stärkung re-gionaler Netzwerke hat aus Vorarl-berg eine der innovativsten RegionenEuropas gemacht. Wir prüfen, wiesich das Beispiel übertragen lässt. Umdie Zukunft des Journalismus geht esbei den Medientagen: Mit welchenInhalten, Formaten und Medien ge-lingt es, die jüngere Generation zuerreichen? Der ländliche Raum Baden-Württemberg ist ein erfolgreicherStandort. Damit das so bleibt, helfenwir Unternehmen dabei, den demo-grafischen Wandel als Chance zu be-greifen. Das Heft mit 68 Tagungenkönnen Sie kostenlos bestellen. (s.u.)

Claudia Mocek

Bad Boller Skript, BBS Nr. 2/2013»Die unterschätzte Bedeutung des Hörens in Bildungsprozessen.Eine Praxisreflexion.«Von Gerald Büchsel

»Wenn Du nicht Glück willst, willst Du nicht Gott.«edition akademie audio, 2013Bestellungen: Monika Boffenmayer,Tel. 07164 79-305, [email protected]

Die staatlichen Organe lassen sich vondieser Welle der Beschleunigung mit-reißen, indem sie auf die Stimme derFinanzmärkte horchen und deren In-teresse bedienen. Die politischen Ent-scheidungen werden immer kurzatmi-ger und hektischer. Unter dem dreifa-chen Druck sind die Arbeitsverhältnis-se der abhängig Beschäftigten entsi-chert, entregelt und verdichtet wor-den. Die Kaskade der Beschleunigungtrifft am Ende die privaten Haushalteund insbesondere die Frauen, nach-dem die Grenze zwischen Arbeitsweltund Familienleben durchlöchert wor-den ist.« (S. 8) Wie sieht ein Widerstand aus gegendas Regime der Beschleunigung, dasMenschen in ihrer Arbeit und in ih-rem Leben immer mehr der eigenenDenk– und Handlungsspielräume be-raubt? Hengsbach spricht von derNotwendigkeit einer »Zeitrebellion«.Dazu gehört für ihn z. B. politischesHandeln, das ein globales Netzwerkschärferer Aufsicht und Regulierungknüpft, in dem alle systematisch re-levanten Finanzinstitute und alleFinanz geschäfte und -plätze erfasstwerden. Zur »Zeitrebellion« gehörenfür ihn auch die Arbeitszeitverkür-zung, der Sonntagsschutz und dieMitbestimmung. Der Druck, der durchständige Umstrukturierungen ent-steht, kann dadurch entschärft wer-den. »Mit der Ausweitung der Sonn-tagsarbeit wird den abhängig Be-schäftigten vermittelt, dass sie sichals Bürger und Bürgerinnen durch Er-werbsarbeit definieren. Das Sabbatge-bot dagegen hat dem Volk Israel eineFreiheitsoption eröffnet: Du musstnicht alle Tage im Schweiß deinesAngesichts arbeiten. ... Der Sonntagist ein Symbol, nicht fremdbestimmtzu sein, sondern frei für das Spiel unddie Phantasie, für all das, was nichtberechenbar ist und keinen Preis hat.«(S. 263) Ein sehr lesenswertes Buch, das inaller sozialethischen Eindrücklichkeitpolitische Konsequenzen aufzeigt undMut macht, sich mit anderen zusam-men für einen sozial- und umwelt-verträglichen Lebensstil einzusetzen.

Esther Kuhn-Luz

RezensionFriedhelm HengsbachDie Zeit gehört uns. Widerstand ge-gen das Regime der BeschleunigungWestend-Verlag, 2012

Es gibt zur Zeit viele Bücher, die sichmit den Themen Beschleunigung bzw.Entschleunigung beschäftigen. Vieledavon sind gute Ratgeber für den in-dividuellen Gebrauch, um einen ande-ren Umgang mit der Zeit zu lernen.Wie gelingt es mir, aus dem Hamster-rad des immer-schneller-immer-mehrauszusteigen, mich nicht immer alsGetriebene, sondern als Gestalterinmeiner Lebenszeit zu erleben?Das Buch von Friedhelm Hengsbach,em. Professor für christliche Gesell-schaftsethik, lange Jahre Leiter desOswald von Nell-Breuning-Institutsfür Wirtschafts– und Gesellschafts-ethik, geht mit seinem Buch über dieZeit ganz andere Wege. Es genügtihm nicht, individuell nach Lösungenzu suchen. »Ein Appell, der ausschließ-lich an die individuellen Subjektegerichtet ist, das schnelle Leben zu-gunsten eines langsamen Lebensstilsaufzugeben, wird die Individuen ineine Erschöpfung und Enttäuschungtreiben, solange ein mächtiger gesell-schaftlicher Kontext derartige Wider-standsformen durchkreuzt. Es gibtkein richtiges Leben im falschen. DerWiderstand gegen das Regime der Be-schleunigung kann nur politisch ge-leistet werden oder gar nicht.« (S. 201)Hengsbach macht sich auf die Suchenach den Ursachen der zerstöreri-schen Beschleunigung, die Menschenin ihrer Arbeits – und Lebenssituationbelasten und entwürdigen – und erwird in den Strukturen des Finanzka-pitalismus fündig. Die Hypothese, dieer gleich am Anfang aufstellt – unddie mit den knapp 300 folgenden Sei-ten dann komplex belegt wird – lau-tet: »Die informationsgestützten Fi-nanzmärkte haben etwa mit dem Be-ginn des neuen Jahrhunderts einenMegaschub an gesellschaftlicher Be-schleunigung angestoßen, den sieüber die börsennotierten Unterneh-men in die Realwirtschaft weiterlei-ten. Von den Konzernmanagern wirder auf die Belegschaft überwälzt.

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ImpressumSYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll10. Jahrgang 2013, Heft 2/2013ISSN: 1613-3714

Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll(Dr. Günter Renz)

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:Martina Waiblinger

Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger

Fotonachweis: Archiv Talheimer: S. 11; Alfons Forster: S. 12; Brigitte Friedrich: S. 15; JamesGordon: S. 3; KSK Esslingen: S. 21;Claudia Mocek: S. 13 (1); Oikocredit: S. 3, 14; picture-alliance / akg-images: S. 9; picture-alliance / Arco Images,Rudolf: S. 9 (1); Privat: S. 2; MartinaWaiblinger: S. 2 (2), 7, 16, 17; Uwe Walter: S. 22

SYM erscheint vierteljährlich.

Anschrift des Herausgebers:Evangelische Akademie Bad BollAkademieweg 11, 73087 Bad BollTel. (07164) 79-0E-Mail: [email protected]: [email protected] Tel. (07164) 79-302www.ev-akademie-boll.deDas Papier wurde chlorfrei und säurefreigebleicht.

Druckerei: Mediendesign Späth GmbH,73102 Birenbach

Der Pastor alsGastwirtvon Wolfgang Wagner

Wolfgang Wagner, viele Jahre Studien-leiter in Bad Boll, ist seit 8. Januar alsAuslandspfarrer mit seiner Ehefrau inPattaya. Wir werden ein Jahr lang vonihren Erfahrungen berichten. Wagnerschreibt auch regelmäßig in einemkurzweiligen Tagebuch-Blog über das,was sie in Pattaya und im weiterenUmfeld erleben. Er kann hier bestelltwerden: wolfgangwagner.blog.de

Evangelische Gemeindehäuser inDeutschland sind normalerweise nurzu Veranstaltungen geöffnet. Wer ein-fach Leute treffen will, muss ins Gast-haus gehen. Dort herrscht Verzehr-zwang. Außerdem findet man nichtimmer die Menschen, mit denen mansich gern unterhält. Unser Begeg-nungszentrum in Pattaya, das von derEvangelischen Kirche getragen wird,ist Dienstag bis Samstag nachmittagsbewirtschaftet, nach Gottesdienstenauch sonntags. Der Pastor, durch einNamensschild erkennbar, ist regelmä-ßig anzutreffen. Viele freuen sich überden Kontakt, der zu wirklichen Begeg-nungen führen kann. In Pattaya lebenviele ältere Männer allein, die zuhau-se kaum Gesprächsmöglichkeiten ha-ben. Selbst wenn sie mit einer Thai-länderin zusammenleben, verstehensie oft die Landessprache nicht undunterhalten sich höchstens in einfa-chem Englisch. Viele ältere Deutschesind psychisch oder körperlich krank.Sogar wenn sie medizinisch behandeltwerden, haben sie keinen Ansprech-partner, der ihnen zuhören kann. An-dere haben Konflikte mit ihren Fami-lien zuhause, die allein aufgrund derzeitlichen und räumlichen Entfernungnicht gelöst werden können. Doch esmüssen nicht immer Probleme sein.Viele Leute kommen, weil sie die übli-chen Kneipengespräche satt habenund sich einmal gepflegt unterhaltenwollen. Sie sind erstaunt, wenn sieerfahren, dass die Kirche diesen Raumverantwortet. Sie kennen Kirche eherals Moralanstalt. Manche sind gera-

dezu geschädigt durch frühere mis-sionarische Bekehrungsversuche.

Kirche als gastliches Haus – das istfür die meisten eine neue erfreulicheErfahrung, die sie aber nicht mit Reli-gion in Verbindung bringen. Dabei er-zählt die Bibel, dass Jesus immer wie-der mit unterschiedlichsten Menschengegessen und gefeiert hat. Das ge-meinsame Essen war ein Zeichen derZusammengehörigkeit und Anerken-nung. Es ist kein Zufall, dass Jesusdas Gastmahl als Gleichnis für dasReich Gottes genommen hat. Was dieevangelische Theologie »Rechtferti-gung des Sünders« nennt, zielt dochauf Entlastung und Befreiung. DerGast wird in die Tischrunde einbezo-gen. Täglich erlebe ich, dass sich neueBesucher zuerst allein an einen Tischsetzen. Beim nächsten Mal gesellensie sich zu den anderen, zwischen de-nen auch der Pastor sitzt. Manchekommen dann auch zum Gottes-dienst, der gleich nebenan gefeiertwird, nur durch eine Glaswand ge-trennt. Am Ende gehen sie gesegnethinaus.Ab und zu bringen einige Männer ihreMädchen aus den Bars mit. Das sindselten gutbürgerliche Verhältnisse.Dafür ist Pattaya berüchtigt. Man-chen gefällt das nicht. Aber ich denkean ein geradezu österliches Gedichtvon Siegfried von Vegesack:

»Legende von der Vorstadtdirne«:Einer hochbetagten VorstadtdirneKam das Leben nicht geheuer vor,Und so hing sie sich mit einem ZwirneVor das erste beste Tor.Kam ein Oberlehrer steif geschritten,Tief versunken in sein kluges Buch,Bis das Bein der Vorstadtdirne mittenIhm auf seine Brillengläser schlug.Stehen blieb er, fassungslos entrüstet:»Hängt das Laster schon an jedem Tor?Dass es sich sogar im Tode brüstetMit dem Seidenstrumpf aus grünem Flor!«Und er rückte sich zurecht die Brille,Starrte aufwärts, scharf und unverwandt:»Augenscheinlich war es Gottes Wille!Gott sei Dank – ich hab sie nicht gekannt!«Kam der Heiland, ein verhöhnter Jude,Und blieb sinnend vor dem Tore stehn.Sagte sanft und leise: »Trude –Komm, du sollst jetzt auferstehn!«

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Und Er löste sie von ihrem Zwirne,Zog sie an sich, brüderlich und warm.Und es schmiegte sich die VorstadtdirneLiebevoll in seinem Arm …

Jörg Zink bemerkt dazu in seinemBuch »Die Urkraft des Heiligen«:»Zwischen Bänkelsang und fast frivo-ler Erzählkunst sagt dieses Gedichtsehr genau, wer Jesus war. Und essagt auch, warum gerade dieser Je-sus, der die Lumpen suchte und ein-lud, unter uns Christen so verehrt istund zugleich so unendlich fremd undpraktisch unerwünscht bleibt.« (S. 31)

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Wachstum in Zeiten der VerschuldungWachstum in Zeiten der Verschuldung– das ist eine wesentliche Herausfor-derung dieser Tage: Wie kann dieWirtschaft hierzulande auch dannnoch weiter wachsen, wenn die Kom-munen bis über alle Ohren verschul-det sind? Wie kann ich meinen Le-bensstandard auch dann noch weitererhöhen, wenn um mich herum die»normalen« gesellschaftlichen Dienstekaum mehr zu finanzieren sind?

Wachstum, richtiges Wachstum inZeiten der Verschuldung – das warauch ein Thema zu Zeiten Jesu. Wäh-rend seiner Lebenszeit war die Ver-sorgung mit fundamentalen Dienstenim Land Israel faktisch zusammenge-brochen. Lang andauernde Dürrezei-ten, Missernten, erhöhte Tributzah-lungen an das Römische Reich sowieMisswirtschaft auf Grund einer immerschlechter werdenden Versorgungs-lage hatten weite Teile der Bevölke-rung Israels an den Rand des wirt-schaftlichen Ruins getrieben. Die Kri-senhaftigkeit dieser Jahre um die Ge-burt Jesu herum können wir uns nichtdrastisch genug vor Augen führen. EinGroßteil der Bevölkerung in Israel warmassiv verschuldet. So verwundert esnicht, dass Jesus in vielen Erzählun-gen, Beispielen und Gleichnissen dasPhänomen der Pfändung und der Ver-schuldung anspricht. Jesus kennt das,was an der Tagesordnung war – bis insein Gebet hinein: »Und vergib unsunsere Schuld wie auch wir vergebenunseren Schuldigern.«

Wachstum in Zeiten der Verschuldung– das ist das Thema der bekanntenBeispielerzählung aus dem Lukasevan-gelium, die in der Lutherübersetzungmit dem Titel »Vom reichen Korn-bauern« überschrieben ist. Jesus er-zählt hier von einem Großgrundbe-sitzer, der die Nöte seiner Zeit sehrgut ausnutzen und zu seinem Vorteilwenden kann: »Es war ein reicherMensch, dessen Feld hatte gut getra-gen.« (Lk 12,16) Jesus denkt hierdurchaus nicht unökonomisch, son-dern ganz im Sinne einer lebensdien-lichen Ökonomie.

Zwei Beobachtungen sollendies belegen: Auffällig ist ers-tens, dass der Erfolgreichelediglich mit sich selber redet.»Und er dachte bei sich selbstund sprach: Was soll ich tun?Ich habe nichts, wohin ichmeine Früchte sammle. Undsprach: Das will ich tun: Ichwill meine Scheunen abbre-chen und größere bauen, undwill darin sammeln all meinKorn und meine Vorräte undwill sagen zu meiner Seele:Liebe Seele, du hast einengroßen Vorrat für viele Jahre;habe nun Ruhe, iss, trink undhabe guten Mut!« (Lk 12,17-19). Wo es in der Luther-übersetzung heißt »und erdachte …«, findet sich im griechi-schen Original das Verb »dialogize-mai«. Es ist auch noch am fremdengriechischen Wort zu hören: DerMann tritt in einen Dialog mit sichselber. Er lädt sich selber zum Fest-essen ein. Jesus will zeigen: Das In-sich-gekehrt-Sein des Erfolgreichenist sein Problem. Im Dialog mit der»Seele« sein, die niemals ohne den an-deren sein kann, das ist absurd. DerWirtschaftende blendet in der Erzäh-lung aus dem Lukasevangelium dieihn tragende Beziehungslandschaftvollkommen aus. Wo dies geschieht,dort muss jedes Wirtschaften in denRuin führen. Eine gesunde Wirtschaftist auf eine Kultur des Vertrauens an-gewiesen. Wachstum in Zeiten derVerschuldung – das ist in einem»Beziehungswohlstand« zu haben.

Zweitens: Wachstum in Zeiten derVerschuldung – dies sah für den wohl-habenden Großgrundbesitzer so aus,dass er zum Mittel der künstlichenVerknappung griff. Das Getreide, dasauf Grund seiner erfolgreichen Be-wirtschaftungsstrategie in Fülle an-fiel, wird nicht für den Markt zurVerfügung gestellt. Es wird künstlichzurückgehalten, um den Preis zu er -höhen – mit fatalen Folgen für jedeLebenshaltung. Ein solches System

wird von Jesus als »Mammon« be -zeich net. Er hält dem eine Lebens weiseentgegen, die von der Umverteilungvon Segen ausgeht: Den Menschenund der Schöpfung ist eine Fülle anse-gensreichen Gütern zugekommen,die es zu nutzen und zu fördern gilt.

Wachstum in Zeiten der Verschul-dung? Ja, aber nur dann, wenn esnicht noch mehr an Verschuldung mitsich bringt und in eine Kultur von Be-ziehungen und Vertrauen eingebettetist. Auf beides kommt es an – geradeim Sinne einer erfolgreichen Wirt-schaft. Ansonsten könnte es sein,dass allen alles genommen wird.

Wachstum in Zeiten der Verschul-dung? Möglicherweise ist dies in soeiner durchaus als vernünftig zu be-zeichnenden Perspektive dann nichteine sinnvolle Herausforderung, son-dern eher diese: Miteinander lebenund überleben in Zeiten der Verschul-dung! Wenn diese oder andere Bei-spielerzählungen solch einen Perspek-tivwechsel einleiten, dann wäre vielgewonnen – sehr viel.

Pfr. Dr. Jörg Hübner, GeschäftsführenderDirektor der Evang. Akademie Bad Boll

Der Geldwechsler und seine Frau, Marinus Claeszoonvan Reymerswaele, 1541, Alte Pinakothek München

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Ende Juli ist es wieder soweit: Die Ferienwoche kreativ lockt alles heraus, was an Kreativität in der Gruppe schlummert,und führt es zu höchsten Blüten. Die Bilder auf dieser Seite sind vom Workshop Fotografie vom letzten Jahr. Sie geben einpaar Einblicke in die inspirierenden Tage in Bad Boll. Das Motto in diesem Jahr lautet: Mit Hermann Hesse unterwegs -lassen Sie sich inspirieren. Vom 27. Juli bis 3. August findet die diesjährige Ferienwoche kreativ wieder statt.

Abs. Evangelische Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll - Postvertriebsstück 64670 - Entgelt bezahlt