Betriebliche bAV 2018 Altersversorgung Guide · Betriebliche bAV Altersversorgung Guide Fakten und...

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1 Guide 2018 1 Personalwirtschaft bAV Betriebliche Altersversorgung Guide Fakten und Trends ++ Betriebsrentenstärkungsgesetz ++ Arbeitgeberzuschuss ++ EU-Mobilitätsrichtlinie ++ Best Practice ++ Hintergründe Dienstleister stellen sich vor Porträts Experten diskutieren Round Table 2018 www.personalwirtschaft.de 9,80 ISSN 0341-4698 Art.-Nr. 98002204

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1Guide 2018 1

Personalwirtschaft

bAVBetriebliche Altersversorgung

Guide

Fakten und Trends

++ Betriebsrentenstärkungsgesetz ++ Arbeitgeberzuschuss ++ EU-Mobilitätsrichtlinie ++ Best Practice ++

Hintergründe

Dienstleister stellen sich vorPorträts

Experten diskutierenRound Table

2018www.personalwirtschaft.de9,80 €

ISSN 0341-4698Art.-Nr. 98002204

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NEU

Margret Kisters-KölkesRalf LindenDr. Henriette Meissner

2. Aufl age 2017, 244 Seiten, broschiert, € 19,80,–ISBN 978-3-89699-508-7

Das BRSG bringt eine starke Zäsur zwischen der bisherigen betrieblichen Altersversorgung (bAV) und dem neuen Sozialpart-nermodell mit sich. Jeder, der sich im Geschäftsfeld der bAV bewegt, sieht sich einer weitreichenden Reform gegenüber.

Da das Gesetz Anfang 2018 in Kraft tritt, bleibt nur wenig Zeit für die Umsetzung bei den Tarifvertragsparteien, den Arbeitgebern wie auch den Versorgungsträgern. Die drei renommierten bAV-Experten Margret Kisters-Kölkes, Ralf Linden und Dr. Henriette Meissner erklären für die Anwender in der Praxis nachvollziehbar das Reformgesetz und seine Auswirkungen. Aus dem Inhalt:

Das BetriebsrentenstärkungsgesetzDas VersicherungsaufsichtsrechtSteuerrechtliche InhalteDas SozialversicherungsrechtInsolvenzsicherung

Leitfaden bAV:Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG)Ein Kurzkommentar

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Inkl. Entwurf des BMF-Schreibens

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3Guide 2018

EDITORIAL | INHALTBAV GUIDE 2018

Allen & Overy LLP ........ 36

auxilion AG ........ 38

HDI Lebensversicherung AG ........ 40

Stuttgarter Lebensversicherung a.G. ........ 42

T/S/C Fachanwälte für Arbeitsrecht ........ 44

Zurich Gruppe Deutschland ........ 46

DIENSTLEISTER IM PORTRÄT

Betriebsrentenstärkungsgesetz ........ 4

Neue Gestaltungsmöglichkeiten

Round Table ........ 8

Zwischen Hoffnung und Zweifel

Arbeitgeberzuschuss ........ 14

Rechnen Sie schon?

Sozialpartnermodell ........ 16

Gewerkschaften unter Zugzwang

Digitalisierung ........ 19

Hohe Einsparungen realisieren

EU-Mobilitätsrichtlinie ........ 22

Und noch ein Gesetz tritt in Kraft

bAV-Studie ........ 24

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

TRENDS & HINTERGRÜNDE

Lanxess ........ 27

Konfektion und trotzdem maßgeschneidert

Braun Aufzüge ........ 30

Mitarbeitern etwas Gutes tun

Voit Automotive ........ 32

Den eigenen Weg gehen

BEST PRACTICE

Branchenverzeichnis ...... 48

Impressum ...... 51

EIN STARKES STÜCKDie betriebliche Altersversorgung steht vor einer neuen Bewährungs-probe. Vor allem für den Mittelstand und für Normal- und Gering-verdiener fehlten bislang überzeugende Anreize zu einer flächen-deckenden bAV. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz, das ab dem 1. Januar 2018 in Kraft tritt, soll nun Abhilfe schaffen. Das 17 Sei-ten umfassende Gesetz hat es in sich. Einige Dinge darin werdenunisono begrüßt, wie beispielsweise die Verbesserung der Riester-Förderung oder die neuen staatlichen Zuschüsse. Andere Punktedes Gesetzes sind dagegen unklar formuliert. Fraglich ist beispiels-weise, wie der vorgeschriebene Arbeitgeberzuschuss von 15 Pro-zent bei der Entgeltumwandlung anzuwenden ist. Gerade in die-sem für die Unternehmen wichtigen Punkt gibt es offenbarInterpretationsspielräume.

Im Kern der Reform, beim Sozialpartnermodell, setzt der Staat aufdas Prinzip Hoffnung. Erstmals können die Tarifpartner Versorgungs-werke auf Basis einer reinen Beitragszusage einführen. Damit ent-fallen Haftungsrisiken für die Unternehmen, gleichzeitig bietetdie Beitragszusage renditestarke Anlagemöglichkeiten. Das hört sich ziemlich gut an. Doch es wird wohl noch eine Weile dauern,bis die Tarifpartner dazu Lösungen für den Mittelstand anbieten werden.

Bis dahin heißt es: schlau machen und relevante Fördermöglich-keiten bereits im Unternehmen nutzen. Der bAV-Guide liefertIhnen dazu die notwendigen Informationen.

Erwin SticklingHerausgeber

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4 Guide 2018

m Mittelpunkt der Reform der Be-triebsrente, die zum 1. Januar inKraft tritt, steht das sogenannte So-zialpartnermodell. Danach könnenGewerkschaften und Arbeitgeber-verbände künftig gemeinsam erst-

mals „reine Beitragszusagen“ einführenoder die betroffenen Arbeitgeber hierzuim Tarifvertrag ermächtigen. Damit wird

es künftig möglich, betriebliche Versor-gungszusagen so zu gestalten, dass derArbeitgeber nur noch für die Beitrags-zahlung einstehen muss, nicht aber fürdie späteren Versorgungsleistungen. Ererhält damit eine absolute Kostensicher-heit. Er zahlt den festgelegten Beitragohne befürchten zu müssen, dass er Jahrespäter mit weiteren Kosten belastet wird,

sei es für Insolvenzsicherungsbeiträge,Rentenanpassungen oder die noch vielmehr gefürchteten Nachfinanzierungen(Nachreservierungen). Auch die bislang bei allen Zusagefor-men bestehende Subsidiärhaftung des Ar-beitgebers im Falle des teilweisen odervollständigen Ausfalls eines externenVersorgungsträgers entfällt. Damit wird

gerade für die kleineren und mittelgro-ßen Unternehmen, die meist inhaber-geführt sind, überhaupt erst ein Einstiegin die betriebliche Altersversorgung ver-tretbar. Denn nun können sie ihre so-ziale Verantwortung wahrnehmen undihren Beschäftigten auch eine betrieb-liche Altersversorgung verschaffen, ohnedabei selbst eine völlig unüberschau-

I

NEUE GESTALTUNGSMÖGLICHKEITENMit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz führt der Gesetzgeber zahlreiche Neuerungen zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in kleinen und mittelständischen Unternehmen ein. Der Gestaltungsauftrag richtet sich vor allem an die Tarifparteien. Ein Überblick.

TRENDS & HINTERGRÜNDE BETRIEBSRENTENSTÄRKUNGSGESETZ

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bare, jahrzehntelange Verpflichtung ein-zugehen. Allerdings ist die reine Bei-tragszusage nur in den Durchführungs-wegen Direktversicherung, Pensionskasseund Pensionsfonds zulässig, also in denexternen Durchführungswegen, die derAufsicht durch die BaFin unterliegen.Im Rahmen von reinen Beitragszusagendürfen dabei keine Garantien für einebestimmte Leistungshöhe gegeben werden.

ANDERE FORM DER VERMÖGENSANLAGE

Und es ist diese Abwesenheit von Leis-tungsgarantien, die dem Versorgungsträ-ger erstmals eine völlig andere Vermö-gensanlage ermöglicht. Die strengenSolvabilitätsvorschriften, die für Lebens-versicherungen gelten (Solvency II), gel-ten hier nicht. Damit werden langfris-tige Aktienanlagen möglich, die zudeutlich höheren Erträgen führen. Diesogenannte Aktienprämie, also die hö-here Rendite von Investitionen in Pro-duktivvermögen, kommt damit den spä-teren Betriebsrentnern zugute. Durchdie Langfristigkeit und die kollektivePoolung der Anlage wird die Volatilitätder Wertentwicklung eliminiert. Da die spätere Leistungshöhe somit vonder Wertentwicklung des kollektivenSparvorgangs abhängt und folglich auchnicht im Vorhinein feststeht, wird einesogenannte Zielrente in Aussicht ge-stellt. Sie basiert auf einer gewissenhaf-ten, sorgfältigen Hochrechnung. DieZielrente wird ständig überwacht undim Zeitablauf nötigenfalls behutsamnach oben oder nach unten korrigiert.

Da diese Zusageform in Deutschlandneu ist, verlangt der Gesetzgeber, dassdie Sozialpartner in der Folge in dieDurchführung und Steuerung der be-trieblichen Altersversorgung eingebun-den bleiben. Auf den ersten Blick erscheint eine sol-che Betriebsrente ungewöhnlich. Dennbislang sehen Betriebsrenten meist eineganz bestimmte Leistungshöhe vor.Diese wird in der Regel schon bei Zusa-geerteilung exakt festgelegt. Das sindnicht selten 20, 30 oder 40 Jahre vor Ein-tritt in den Ruhestand. Tatsächlich aber ist ein solches Leistungsversprechen,Jahrzehnte im Voraus, einzigartig. Keinanderes Rentensystem legt sich Jahr-zehnte vorher auf eine bestimmte Leistungshöhe fest. Auch nicht die ge-setzliche Rente oder private Rentenver-sicherungen. Sie alle hängen ebenfallsbezüglich der späteren Leistungshöhevon der wirtschaftlichen Entwicklungab, sei es von der Lohnentwicklung odervon den Kapitalerträgen.

OPTIONSSYSTEM MÖGLICH

Die zweite große Neuerung des Geset-zes stellt die Möglichkeit der Einfüh-rung eines Optionssystems, also einer au-tomatischen Entgeltumwandlung fürganze Belegschaften dar. Soweit dies imTarifvertrag vorgesehen ist, können damitkünftig sämtliche Arbeitnehmer durchden Arbeitgeber in die Entgeltumwand-lung eingebunden werden. Der Arbeit-geber muss diese automatische Entgelt-umwandlung drei Monate zuvorankündigen und mitteilen, welche Ent-geltbestandteile in welcher Höhe umge-

wandelt werden sollen. Möchte der Ar-beitnehmer das nicht, kann er ohne An-gabe von Gründen widersprechen. Al-lerdings zeigt die Erfahrung mit solchenOptionssystemen im Ausland, dass re-gelmäßig der überwiegende Teil der Beschäftigten im meist besonders güns-tigen Alterssicherungssystem verbleibt. Neu ist im Gesetz die Pflicht für Arbeit-geber, künftig bei Entgeltumwandlun-gen 15 Prozent des Umwandlungs-betrages an die Arbeitnehmer weiterzu-geben, soweit sie durch die Entgeltum-wandlung Sozialversicherungsbeiträgesparen. Dies gilt bei Direktversiche-rung, Pensionskasse und Pensionsfondsfür alle ab 2019 neu vereinbarten Ent-geltumwandlungen. Für alle vorher abgeschlossenen Vereinbarungen giltdie 15-prozentige Zuschusspflicht ab2022.

STEUERRECHTLICHE NEUERUNGEN

Das neue Gesetz bringt des Weiteren zahl-reiche steuerliche Änderungen mit sich.Der Dotierungsrahmen für versicherungs-förmige Lösungen wird erweitert, indemder jährliche steuerfreie Höchstbetrag fürZahlungen eines Arbeitgebers an Pensi-onskassen, Pensionsfonds oder für Di-rektversicherungen von vier auf acht Pro-zent der Beitragsbemessungsgrenze inder allgemeinen Rentenversicherung er-höht wird (§ 3 Nr. 63 EStG n. F.).

Zudem gibt es künftig einen Förderbe-trag, den Arbeitgeber erhalten, wenn siefür Geringverdiener zusätzlich zum ver-einbarten Lohn einen Beitrag zu einerDirektversicherung, Pensionskasse odereinem Pensionsfonds bezahlen (§ 100EStG n. F.). Zahlt danach ein Arbeitge-ber für Arbeitnehmer, deren monatli-ches Entgelt 2200 Euro nicht übersteigt,zusätzlich zum geschuldeten Arbeits-lohn jährliche Beiträge in Höhe vonmindestens 240 Euro an einen Pensi-onsfonds, eine Pensionskasse oder füreine Direktversicherung, so erhält er aufdiesen Betrag einen direkten Zuschussvon 30 Prozent.

VERBESSERUNG DER RIESTER-FÖRDERUNG

Die jährliche Riester-Grundzulage wirdvon 154 Euro auf 175 Euro angehoben.In der Leistungsphase werden betrieb-liche Riester-Verträge den privaten Ries-ter-Verträgen gleichgestellt. Die Beitrags-pflicht zur Krankenversicherung derRentner entfällt. Das Gesetz schafft fer-ner in der Grundsicherung einen Frei-betrag für Leistungen aus eigener Alters-vorsorge. Bis zu 202 Euro bleiben damitkünftig anrechnungsfrei. Gerade für Ge-ringverdiener wird damit ein deutlicherAnreiz zur Eigenvorsorge geschaffen,denn sie müssen nicht mehr befürchten,dass ihre Sparleistung später auf die

Die reine Beitragszusage ermöglicht dem Versorgungs -träger erstmals eine völlig andere Vermögensanlage, die zu deutlich höheren Erträgen führt.

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Grundsicherung angerechnet wird. Ge-rade diese befürchtete Anrechnung wirdoft als ganz besonderes Hindernis fürdie Eigenvorsorge bei Beziehern niedri-ger Einkommen angesehen.

BESTEHENDE BETRIEBSRENTEN-SYSTEME BERÜCKSICHTIGEN

Das Gesetz fordert die Tarifvertragspar-teien auf, bestehende Betriebsrentensys-teme angemessen zu berücksichtigen,wenn sie eine betriebliche Altersver-sorgung in Form der reinen Beitragszu-sage vereinbaren. Insbesondere sollensie prüfen, ob tarifvertraglich vereinbarteBeiträge für eine reine Beitragszusageauch für eine andere Zusageart verwen-det werden können. Nicht tarifgebundenen Betrieben sollendie Tarifvertragsparteien nach dem Wil-len des Gesetzgebers den Zugang zurdurchführenden Versorgungseinrich-tung nicht verwehren. Allerdings han-delt es sich hier nur um eine Soll-Vor-schrift, deren Nichtbeachtung keinerechtlichen Konsequenzen nach sichzieht.

KONKRETES VORGEHEN DER SOZIALPARTNER

So erfreulich und verlockend die neuenGestaltungsmöglichkeiten auch seinmögen, für die Sozialpartner steht zu-nächst viel Arbeit an. Denn sie müssenaus den zur Verfügung stehenden Op-tionen die für ihre Mitglieder passendeLösung schneidern. Neben dem dabeibenötigten Versorgungstarifvertrag spieltdie Auswahl des Versorgungsträgers

eine zentrale Rolle. Sofern nämlichnicht ein eigener Versorgungsträger neugegründet werden soll, werden sich diebeteiligten Sozialpartner für einen amMarkt agierenden Anbieter entschei-den müssen. Dabei müssen sich die So-zialpartner sicher sein, dass es ihnen ge-lingt, mit dem ausgewählten Partner„ihr Branchenversorgungswerk“ zu ver-wirklichen. Die Sozialpartner werden bedenken, dassihr Versorgungswerk quasi „auf ewig“ an-gelegt wird. Es wird also ein besonderesAugenmerk auf die zu erwartende Ver-lässlichkeit des Partners gelegt werden.Wie ist seine Stabilität heute und in derVergangenheit zu beurteilen? Kann mandas auch für die Zukunft erwarten? Wähltman einen einzigen Partner oder eineGruppierung? Was ist, wenn bei demausgewählten Partner in der Zukunfteine Schieflage eintritt, ein Skandal odereine Übernahme? Welche Konzepte bie-ten die verschiedenen Dienstleister in derVerwaltung, in der Kapitalanlage, in derKommunikation an? Welche Kosten fal-len an? Stehen die Kapitalerträge wirk-lich ausschließlich und vollständig denBeschäftigten zu? Und wenn im Tarif-vertag Wahlrechte für die Beschäftigtenvorgesehen sind, etwa bezüglich derRiester-Förderung oder der Entgeltum-wandlung, wie wird die Beratung orga-nisiert und wie wird sie vergütet?Damit ist klar, dass der Auswahlentschei-dung eine große Bedeutung zukommt.Auch noch viele Jahre später muss dieAuswahlentscheidung nachvollzogenund begründet werden können. Eine lü-ckenlose Dokumentation ist daher un-verzichtbar.

Für derartige Auswahlentscheidungenhat sich bei der Vergabe von öffentlichenAufträgen in den letzten Jahren das Ver-gaberecht etabliert. Es gibt eine auffäl-lige Parallele zwischen der Auswahlent-scheidung der Sozialpartner und einerVergabeentscheidung der öffentlichenHand. Beide Entscheidungen betreffengroße Geldbeträge, die Dritten gehören– hier die Steuerzahler, dort die Beschäf-tigten. Der Entscheider handelt fast wieein Treuhänder.

VERGABEVERFAHREN

Es liegt deshalb nahe, sich einige Grund-sätze der Vergabeverfahren näher anzu-sehen, denn sie haben sich als BestPractice etabliert. Und wenngleich beider Auswahlentscheidung für die Sozi-alpartner das Vergaberecht in keinerWeise bindend ist, dürfte ein ähnlichesVorgehen zum Schutz der beteiligtenVerbände dennoch geboten sein. Hierzuzählen insbesondere die Grundsätze dervollständigen Transparenz über das Ver-fahren und die Auswahlkriterien, derGleichbehandlung aller Anbieter undeine perfekte Dokumentation des ge-samten Prozesses. Die Prüfung des An-bieters entlang der früher als „Eignungs-vierklang“ bezeichneten GrundsätzeFachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuver-lässigkeit und Gesetzestreue erscheintohnehin selbstverständlich.

Ein Vorgehen ähnlich dem im Vergabe-recht bekannten wettbewerblichen Dia-logverfahren erscheint zweckmäßig.Dabei wird zunächst ein Dialog mit ei-nigen Anbietern geführt, um daraus einepräzisere, sinnvollere Ausschreibung for-mulieren zu können. Wenn die Ent-scheidung für einen Anbieter gefallen ist,wird mit ihm ein Kooperationsvertrag(„Durchführungsvertrag“) geschlossenwerden müssen. Dabei wird es für die So-zialpartner unverzichtbar sein, auch dieMöglichkeit für eine spätere Trennungvorzusehen. Die Voraussetzungen unddas Prozedere einer möglichen Schei-dung müssen für diese ganz besondereArt von Ehe schon zu Beginn festgelegtwerden. Insgesamt schafft das neue Betriebsren-tenrecht für alle Beteiligten große Ge-staltungsspielräume, die ganz besondersfür die Bezieher von niedrigen Einkom-men und für Beschäftigte in kleinen undmittleren Betrieben erhebliche Verbes-serungen ermöglichen. Für die Verwirk-lichung sind nun die Sozialpartner undihre Berater gefordert.

Dr. jur. Marco S. Arteaga, Partner, DLA Piper, Frankfurt,[email protected]

AUTOR

So erfreulich und verlockend die neuen Gestaltungsmöglichkeiten auch sein mögen, für die Sozialpartner steht zunächst viel Arbeit an.

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roßen Applaus? Den gibt esam 1. Januar 2018 von kei-ner Seite, wenn das Betriebs-rentenstärkungsgesetz(BRSG) nach langem Ringen

in Kraft tritt. Obwohl das Gesetz einigegute Lösungen für die neue und die altebAV-Welt bereithält. Doch wer sollte zumjetzigen Zeitpunkt auch applaudieren?Arbeitgeber fürchten noch mehr Kom-plexität und Verwaltungsaufwand, siewarten erstmal die Vereinbarungen der Ta-rifvertragsparteien ab. Die Tarifparteienwiederum wissen nicht, ob sie lachenoder weinen sollen. Nicht wenige Ge-werkschaften empfinden die übergestülpteAufgabe der Sozialpartnerrente als Last;wenn sie scheitert, wird ihnen die Verant-wortung zugeschoben – auch von Seiten

der Mitglieder. Und dann sind da nochdie Arbeitnehmer. Diejenigen, die bereitsvon der bAV profitieren, wissen in derRegel noch nicht, was das Gesetz für siebedeutet. Und die Nicht-Versorgten, vorallem die Geringverdiener in KMU – dievon den Förderungen und Anreizen desSozialpartnermodells an erster Stelle pro-fitieren sollen – befinden sich noch im Talder Ahnungslosen. Denn noch liegt nichtsauf dem Tisch: Arbeitgeber, Arbeitgeber-verbände und die Gewerkschaften „bas-teln“ – einige von ihnen zügig, wie manhört, – an Versicherungsmodellen.Obendrein geben einige Paragrafen desGesetzes Rätsel auf, mit denen sich nundie bAV-Berater, Versicherer, Arbeitsrecht-ler und Sozialversicherungsexperten be-schäftigen müssen.

DIE SUCHE NACH DER RECHTSSICHEREN AUSLEGUNG

Das betrifft vor allem die Frage der Ent-geltumwandlung. Arbeitgeber müssen 15Prozent des umgewandelten Entgelts als

Zuschuss an Pensionsfonds, Pensionskasseoder Direktversicherung weiterleiten, so-weit sie durch die EntgeltumwandlungSozialversicherungsbeiträge einsparen. Soweit, so gut. Damit endet aber auch schondie Klarheit und es beginnt „das Stochern

G

ZWISCHENHOFFNUNG UND ZWEIFELDas Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) tritt am 1. Januar 2018 in Kraft. Eine Diskussionsrunde mit führenden bAV-Experten zeigt, dass das Gesetz leider noch vieles offenlässt.

Christiane Siemann, freie Journalistin, Bad Tölz

ROUND TABLETRENDS & HINTERGRÜNDE

Erwin Stickling, Herausgeber, und Christiane Siemann, freie Journalistin, moderiertendie Expertenrunde.

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im Nebel“. So beschreibt es Tobias Neu-feld, Arbeitsrechtler von Allen & Overy.Denn wie wirkt sich die neue Weiter-gabepflicht auf bereits bestehende Ent-geltumwandlungs vereinbarungen aus, ins-besondere auf solche in Individualverträ-gen und Betriebsvereinbarungen? Oftmalshaben Arbeitgeber in der Vergangenheitdie Entgeltumwandlung bereits so kalku-liert, dass sie die Sozialversicherungser-sparnis jedenfalls teilweise an die Arbeit-nehmer weitergegeben haben. Müssendiese Arbeitgeber jetzt zusätzlich 15 Pro-zent weitergeben? Wann liegt eine solcheErsparnis vor und wie wird sie berechnet(siehe auch Beitrag auf Seite 14)? „Dieseneue Regelung steht leider symbolhaft fürdie Gesetzgebungstechnik, die wir teil-weise heutzutage erleben und die der Un-ternehmenspraxis zu oft Steine statt Brotgibt“, kritisiert Neufeld.Die Frage nach der richtigen Berechnungder 15 Prozent sollte aber nicht bis De-zember 2018 aufgeschoben werden. Un-ternehmen haben bei der Umsetzung„momentan mehrere Möglichkeiten mitunterschiedlichen Komplexitäts- undKosteneffekten, bei denen zu prüfen ist,welche Option möglichst rechtssicherist“, beschreibt Michael Karst von WillisTowers Watson die Situation. Auch er be-anstandet: „Durch einen gesetzgeberi-schen Kompromiss wurde ein system-fremder Zuschuss in das Arbeitsrechteingebaut, das hätte man sich sparenkönnen.“

LÖSUNG GEFUNDEN?

Die Problematisierung des 15-prozenti-gen Arbeitgeberzuschusses mag zwar be-

rechtigt sein, aber „im Sinne der Praxis-nähe und Einfachheit lässt er sich durch-aus rechtssicher vereinbaren“, wendetdagegen Uwe Buchem ein. Der bAV-Ex-perte von Mercer Deutschland siehteinen Weg darin, die 15 Prozent Arbeit-geberzuschuss immer dann zu zahlen,wenn Sozialversicherungsbeiträge einge-spart werden. „Großzügigkeit wird nichtbestraft und es ist im Sinne des Geset-zes, das die bAV fördern will. In vielenVersorgungswerken ist dieses Matching-Modell bereits heute üblich.“ Der an-dere Weg, nur den Arbeitgeberzuschussjeweils auf die konkret ersparten Sozi-alversicherungsbeiträge maximiert aufdie 15 Prozent bei jedem Mitarbeiter zuzahlen, sei sehr aufwendig. Und da die-ses Vorgehen zu einem erheblichen kos-tenträchtigen Mehraufwand in der Ver-waltung führt, „ist die pauschalierteZahlung durchaus ein vernünftiger Aus-gleich“. Ob der Arbeitgeberzuschuss von 15 Pro-zent auf die Entgeltumwandlung nunrichtig ermittelt wird, ist für JoachimBangert, Vorstand der Auxilion AG, „eineScheindiskussion“, denn die Gesamtren-dite für den Arbeitnehmer bleibe beschei-den. Er führt als Vergleich eine Lösungüber eine Kapitalzusage nach dem Spar-buchprinzip an. Hier erwarte den Arbeit-nehmer eine garantierte Verzinsung bei-spielsweise von vier Prozent und das ohneZutun von Banken und Versicherungen.

LÜCKEN IM GESETZ

Ebenso offen bleibt die Frage der Überfüh-rung alter bAV-Zusagen in die Welt der reinen Beitragszusage. Kann die reine Bei-

tragszusage eine derzeit bestehende Ver-sorgungsordnung rechtswirksam ablösen?Das Betriebsrentenstärkungsgesetz appel-liert lediglich an die Tarifvertragsparteien,dass diese bereits bestehende Betriebsren-tensysteme angemessen berücksichtigen.Wie wird diese Frage geklärt? Wohl miteinem Rückgriff auf die BAG-Rechtspre-chung im Konflikt zwischen Besitzstands-schutz und Neuordnungsinteresse, ver-mutet Tobias Neufeld. Im Übrigen könntensich die Arbeitsgerichte schon mal aufneue Fälle einstellen: „Das Prozessrisikoschleppen Arbeitgeber bis zum letzten

Rentner mit.“ Eine weitere Unklarheit:Zwar dürfen nach dem Betriebsrentenge-setz die Arbeitsvertragsparteien die An-wendung einschlägiger Tarifverträge ver-einbaren. Doch warum billigt man diesesRecht nicht ausdrücklich auch dem Be-triebsrat zu, der ohnehin ein Mitbestim-mungsrecht hat? Diesen Aspekt problema-tisiert Johannes Schipp von der KanzleiT/S/C. Soll dieses Mitbestimmungsrechtetwa bei der reinen Beitragszusage nichtgelten? Die Betriebspartner könnten Spiel-räume, die der Tarifvertrag belässt, ausfül-len.

Die Tarifparteien arbeiten daraufhin, dass die Förderbeiträge für die Arbeitgeber und auch die Riester-Zulagen am Jahresende2018 realisiert werden können.Dr. Marco Arteaga, Rechtsanwalt, Partner, DLA Piper UK LLP

Beim Sparbuchmodell wissen Arbeitnehmer heute schon, womitsie in Zukunft rechnen können; die angesparten Beträge bleibenim Unternehmen und erhöhen dieGesamtliquidität. Joachim Bangert, Vorstand, auxilion AG

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FORTSCHRITT UND FÖRDERUNGEN ANERKENNEN

Nun lässt sich trefflich über diese und wei-tere Lücken und Klippen im Gesetz strei-ten. Dabei gerät gerne in Vergessenheit,was alles für die bAV erreicht wurde, „wiedie Möglichkeit der reinen Beitragszu-sage, die freie Kapitalanlage, möglicheOptionssysteme und Pflichtzuschüsse beider Entgeltumwandlung“, entgegnetMarco Arteaga von DLA Piper. Der Gut-achter und Mitentwickler des Sozialpart-nermodells räumt ein, dass es neben dengrundsätzlichen Regelungen „an denRändern noch Details mit Klärungsbe-darf“ gibt. Im Gesetzgebungsverfahrenseien 20 Gesetze mit einem enormen De-tailierungsgrad geändert worden. Das Mi-nisterium selber gehe offenbar davonaus, dass es „zu einer Art BRSG-Ergän-zungsgesetz kommen werde, um das einoder andere noch klarzustellen“. Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzen-der der Talanx Pensionsmanagement AGund verantwortlich für bAV bei HDI, hebtden Fortschritt durch das Betriebsrenten-stärkungsgesetz hervor. Zwar werde diebAV komplexer und intransparenter, „dochnun gibt es neue Handlungsspielräume“.Er begrüßt die Weitergabe der Sozialversi-cherungsersparnisse und die Ausweitungdes Förderrahmens auf acht Prozent.

NEUE FÖRDERUNGEN AUCH OHNE TARIFPARTNER

Der positiven Lesart des Gesetztes schließtsich ebenfalls Michael Karst an. Der bAV-Spezialist von Willis Towers Watson hatdabei vor allem die neu eingeführte par-

tielle Anrechnungsfreiheit auf die Grund-sicherung im Blick, denn „sie ist ökono-misch elementar für Arbeitnehmer undArbeitgeber“. Außerdem müssten Arbeit-geber nicht unbedingt auf Lösungen derTarifpartner warten, sondern sie könnenab 1. Januar 2018 die „neuen attraktivenMöglichkeiten beim Förderbetrag fürNiedrigverdiener umsetzen“. Über arbeit-geberfinanzierte Versicherungslösungenhaben sie nun die Möglichkeit, „haf-tungsarm und in den gesetzlichen Bei-tragsgrenzen gefördert mit staatlichenArbeitgeberzuschüssen von 30 Prozenteine bAV auf den Weg zu bringen“. Sicherlich fehle die Angleichung der Sozialversicherungsersparnis an dieneuen Grenzen für die Steuerbefreiung,um eine weitere Verbreitung der bAVzu erreichen, schränkt Lars Golatka vonder Zurich Gruppe Deutschland ein.Aber grundsätzlich, so der Leiter bAV, entspreche das Garantieverbot im Sozialpartnermodell dem Verständnisvon Zurich. „Die Zukunft liegt in garan-tiefreier Finanzierung mit vielfältigen Si-cherungsmöglichkeiten.“ Ebenso posi-tiv bewertet Golatka das „Ende derBenachteiligung der Riester-bAV“. Undin diesem Punkt sind sich die Diskussi-onsteilnehmer einig: Es gibt einen gro-ßen Fortschritt bei der Riester-Rente.Zum einen durch die erhöhten Förde-rungsbeträge, zum anderen durch dieMöglichkeit, diese durch den Wegfall dersozialversicherungsrechtlichen Doppel-verbeitragung jetzt im Rahmen der bAVumsetzen zu können. Arbeitgeber müs-sen sich allerdings in Bezug auf die Entgeltumwandlungssysteme neu auf-stellen, denn nur ein Angebot einer

Bruttoentgeltumwandlung werde künf-tig oft nicht mehr ausreichen.

WARTEN AUF DIE TARIFRUNDEN

Doch wo bleiben die ersten Resultate derSozialpartner? Wann ist damit zu rech-nen und wie werden sie aussehen? Ob-wohl einige große Gewerkschaften wie dieIG Metall, die IG Chemie und Ver.dischon bei der Entstehung des Sozialpart-nermodells durch das Bundesarbeitsmi-nisterium eng eingebunden waren,herrscht nun auffällige Stille aus ihren Rei-

hen. Wahrscheinlich befassen sich vieleSozialpartner erst jetzt vertieft mit demThema, vermutet Henriette Meissner, Ge-schäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH. Obendrein besitzedas Thema bAV bei den Gewerkschaftennicht die höchste Priorität. „An ersterStelle steht naturgemäß die Entlohnung,dann folgt die Arbeitszeit – siehe aktu-elle IG-Metall-Vorstöße – und schließ-lich kommt die bAV.“ Meissner gehtdavon aus, dass die jeweiligen Tarifver-tragsparteien, wenn die nächste Tarif-runde ansteht, zunächst für sich klären

TRENDS & HINTERGRÜNDE ROUND TABLE

Auch wenn das BRSG in den nächsten Jahren noch nicht dengewünschten Effekt zeigt, ist es trotzdem der richtige Weg. Wir müssen es als Beginn einerReise verstehen. Uwe Buchem, Partner, Mitglied der Geschäftsführung, Mercer Deutschland GmbH

Anbieter und Tarifparteien stehen gemeinsam vor der Aufgabe, die Zielrente umzusetzen. Im Austauschwerden branchenspezifische Anforderungen berücksichtigt undoptimale Lösungen erarbeitet. Lars Golatka, Leiter bAV, Zurich Gruppe Deutschland

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müssen, ob sie das Sozialpartnermodellumsetzen wollen, und falls ja, in wel-chem Tarifvertrag und wie im Detail.Dafür habe der Gesetzgeber den Tarifver-tragsparteien genug Zeit eingeräumt und„auch wir Anbieter sollten das respektie-ren, da es sich um einen echten Paradig-menwechsel handelt“. Arbeitsrechtler Marco Arteaga von DLAPiper ist „guten Mutes“, dass es in dennächsten Monaten Informationen überVerhandlungen geben wird. Außerdemwirbt er bei aller Ungeduld für Verständ-nis: Konzepte und Strategien der Tarifpart-ner werden niemals vor dem Tarifab-schluss verkündet, weil es die eigeneVerhandlungsposition schwächt. Gleich-wohl hätten die Gewerkschaften starkeMotive, eine Versicherungslösung schnellauf den Tisch zu legen. Zum Beispielwerde ab 2022 der 15-prozentige Arbeit-geberzuschuss bei der Bruttoentgeltum-wandung zur Ausführung kommen. Nunkönnten Arbeitgeber großes Interessesdaran haben, vorher noch möglichstschnell und möglichst viele Mitarbeiterfür die Riester-Förderung mit der Netto-entgeltumwandlung zu motivieren unddamit das Gesetz für den Übergang zu un-terlaufen. Andere bAV-Experten fürchten dagegen,dass vor Ende 2018 kein Versorgungs-modell auf dem Tisch liegt, weil die Ge-werkschaften das Thema bAV an nor-male Tarifrunden koppeln wollen. „Biswir die ersten Tarifverträge mit Produk-ten dahinter sehen, geht viel Zeit insLand. Das heißt auch, dass die vielen Ar-beitnehmer in KMU zunächst leer aus-gehen“, mutmaßt Tobias Neufeld, Allen& Overy. Solange bleibe offen, ob und wie

die Mitarbeiter in nicht tarifgebundenenUnternehmen vom Sozialpartnermodellprofitieren könnten, da die Entscheidungder Sozialpartner fehle.

DIE ANBIETER STEHEN PARAT

Die Versicherungswirtschaft scheint vor-bereitet zu sein und wartet nur noch aufdie Tarifvertragsparteien. So organisiertdie Zurich-Versicherung seit Anfang desJahres Expertenrunden gemeinsam mitallen Beteiligten und erarbeitet branchen-spezifische Lösungen. Dabei sollen bAV-Spezifika, kollektive Kapitalanlage und Si-cherheit kundenorientiert vereint werden.Über die Deutsche Pensionsfonds AG bie-tet die Versicherung eine vollständigeProdukt-Suite an. Zusätzlich werde manden Sozialpartnern, „die aus unterschied-lichen Gründen keine eigene Einrich-tung gründen möchten oder können,White-Label-Lösungen aktiv anbieten“,so Lars Golatka. Bei Bedarf werde das in-dividuelle, unternehmensspezifische Auf-treten der Sozialpartner passend gelabelt.Alle anderen bAV-Produkte seien eben-falls an die Änderungen des BRSG ange-passt. Auch „Das Rentenwerk“, ein Zusammen-schluss von fünf Versicherungsvereinen aufGegenseitigkeit, steht in den Startlöchern,um als Partner für die Tarifrente zu agie-ren. Mitglied Henriette Meissner: „Waswir letztlich zur Umsetzung anbieten, liegtnicht allein in den Händen der Versiche-rer, sondern im Wesentlichen in denen derSozialpartner, die den gesetzlichen Auftragzur Durch führung und Steuerung haben.“Das Rentenwerk biete ein „Buffet vonMöglichkeiten“, bei dem Rendite und Ri-

siko so austariert werden, wie es die jewei-ligen Sozialpartner wünschen. So liege esin der Hand der jeweiligen Sozialpartner,welche Tarife sie planen, ob zum Beispieleine reine Altersrente, ob vorzeitige Risi-ken abgedeckt werden sollen oder ob sieauf eine eher aktienorientierte Lösungensetzen. „Es gibt eben nicht mehr nur deneinen Tarif, sondern die Tarife werden zu-sammen mit den Sozialpartnern ausge-staltet.“Bereits in Gesprächen mit Sozialpartnernist ebenso die Talanx Pensionsmanage-ment AG. „Arbeitgeberverbände und Ge-werkschaften sollten auch nicht warten,bis der Tarifvertrag ausläuft,“ rät Fabianvon Löbbecke, „sondern bereits jetzt aufbewährte bAV-Anbieter zugehen.“ DieProduktlösung der Talanx für Sozialpart-nermodelle werde alle Anforderungendes neuen Betriebsrentenstärkungsgeset-zes erfüllen und die individuellen Wün-sche der Tarifparteien der jeweiligen Bran-che einbauen. Von Löbbecke sieht imSozialpartnermodell große Chancen:Rund elf Millionen sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigte in Deutschland ar-

beiten in tarifgebundenen Unternehmenund rund die Hälfte davon verfüge nochnicht über eine bAV.

PRODUKTE UND BERATUNG

Neben versicherungsförmigen Durch-führungswegen existiert eine Alterna-tive, die sich seit rund 20 Jahren auchfür mittelständische Unternehmen be-währt, ergänzt Joachim Bangert von Au-xilion. Immer mehr Unternehmen mit200 bis 5000 Mitarbeitern nutzten denWeg über eine firmeneigene Betriebs-rente mit einer garantierten Verzinsung.Die angesparten Beträge bleiben im Unternehmen, erhöhten die Gesamtli-quidität und bieten eine hohe Planungs-sicherheit. „Die Grundsystematik vonLaufzeit und Zins ist für Mitarbeiter ab-solut nachvollziehbar und sie erhaltendarüber hinaus eine deutlich höhereRendite als aktuell in anderen Durch-führungswegen.“ Diese bAV-Lösung istüber den Pensionssicherungsverein ab-sichert. Zudem löse sie das Problem dergeringen Beteiligungsquoten der Mitar-

Arbeitgeber können ab 1. Januar2018 die neuen attraktiven Möglichkeiten beim Förderbetragfür Niedrigverdiener umsetzen undmüssen insoweit nicht auf Lösungen der Tarifpartner warten.Dr. Michael Karst, Director Retirement Solutions, Willis Towers Watson

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12 Guide 2018

beiter, durchschnittlich mehr als 80 Pro-zent der Belegschaft beteiligten sich inUnternehmen, die dieses System anbie-ten. Wie entwickelt sich der Markt für Vermitt-ler und Makler durch die bAV-Reform? Dieungezillmerten Tarife, bei denen also dieAbschlusskosten auf die Laufzeit des Ver-trages verteilt werden, gewinnen an Bedeu-tung. Für die Förderbeträge (nach § 100EStG) sind diese Tarife sogar verpflich-tend. Dennoch werden viele Versichererauch weiterhin an den gezillmerten Tari-fen, „die nicht per se niedrigere Leistun-

gen bieten, zumindest optional festhal-ten“, nimmt Mercer-Experte Uwe Bucheman. Und er fragt sich, wie künftig die Be-ratung vergütet wird, die durch das BRSGweiterhin an Komplexität zunimmt. Letzt-endlich entscheide immer der Arbeitgeberüber die Auswahl des Tarifs, „ob und wiedie Beratungskosten in den Tarif einge-rechnet werden oder inwieweit sämtlicheBeratungskosten außerhalb des Produktesüber ein Honorar abgegolten werden“. Mitanderen Worten: Wer sich auf Beratung undExpertise stützt, wird diese auch vergü-ten.

MÜSSEN ARBEITGEBER NOCH ÜBERZEUGT WERDEN?

Hieß es lange Zeit, viele Unternehmen wür-den die bAV wegen der Risiken sowie derKomplexität meiden, verspricht sich der Ge-setzgeber von der reinen Beitragszusageeine starke Verbreitung – vor allem in KMU.Wie wahrscheinlich ist das? Häufig sind esdie Mittelständler, die den Tarifverträgenentflohen sind. „Sie stellen sich jetzt dieFrage, ob das ein guter Gedanke war undob es einschlägige Tarifverträge geben wird,an denen sie sich orientieren können“, be-richtet Johannes Schipp, Kanzlei T/S/C.Also warten sie erstmal ab. Außerdem spricht das Sozialpartnermodellper se nicht alle Unternehmen an, da sie un-terschiedliche Anforderungsprofile habe.Die einen können sich weiterhin in der bis-herigen bAV-Welt mit Garantien bewegen,die anderen Unternehmen bilanzieren in-ternational, wollen jedes Bilanzrisiko ver-meiden und bevorzugen daher schon heuteeher beitragsorientierte Systeme, die starkkapitalmarktorientiert sind und über ex-terne CTA-Absicherungen einen ergänzen-den Insolvenzschutz aufweisen. „Diese Wegehaben nach wie vor ihre Berechtigung undweisen vergleichsweise große Flexibilitätauf“, betont Michael Karst, Willis Towers Wat-son. Das BRSG wolle nicht in diese Systemeeingreifen oder sie umzustellen, sonderneine großflächigere Wirkung erzielen undvor allem kleine und mittelständische Be-triebe erreichen.

BRUCHLANDUNG VERHINDERN

Damit sich das neue Modell zu einer Er-folgsstory entwickelt, müssen zwei Be-

dingungen erfüllt sein. Die eine lautet:Digitalisierung der Abwicklung. Dreh-und Angelpunkt für eine korrekte Bei-tragsabführung, die beim Sozialpartner-modell zur Enthaftung führen soll, istder Arbeitgeber und seine Lohnbuchhal-tung, betont Henriette Meissner, Stuttgar-ter Vorsorge-Management. „Damit Arbeitgeber möglichst fehlerfreidie richtigen Beiträge ermitteln und ohneRückabwicklungen managen können,brauchen wir zugeschnittene Lohnbuch-haltungsprogramme.“ Diese müssen dieBeiträge je nach Tarifvertrag automatischberechnen und über eine digitale Schnitt-stelle aus der Lohnbuchhaltung gleichan den Versorgungsträger überweisenkönnen. „Hier hilft nur eine Automati-sierung, damit der Arbeitgeber seinenPart richtig erfüllen kann.“ EntsprechendeLösungen fehlten noch auf dem Markt. Immerhin sind einige, wenige Versiche-rer schon „digitalisiert“. Und das ist auchwichtig, denn „die künftigen Sozialpart-nermodelle müssen kostengünstig und ka-pitaleffizient sein“, bekräftigt Fabian vonLöbbecke, Talanx. Wer sie einführe, mussauf einen Schlag tausende Verträge ver-arbeiten, das schafften nur große Anbie-ter mit einer leistungsfähigen IT. Die andere Herausforderung, ohne diees eine Bruchlandung des Sozialpartner-modells gibt, heißt: offensive Kommuni-kation. Solange die Gewerkschaften keineInformationsoffensive starten, werdensie die Arbeitnehmer nicht von der rei-nen Beitragszusage überzeugen können.Diese Auffassung vertritt ArbeitsrechtlerJohannes Schipp, Kanzlei T/S/C, der damitnicht allein steht: „Das Sozialpartnermo-dell wird sang- und klanglos untergehen,

TRENDS & HINTERGRÜNDE ROUND TABLE

Arbeitgeberverbände und Gewerk-schaften sollten nicht warten, bisder Tarifvertrag ausläuft, sondernbereits jetzt auf bewährte bAV-Anbieter zugehen, die über einelangjährige Erfahrung verfügen.Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender, Talanx Pensionsmanagement AG, und verantwortlich für bAV bei HDI

Im Zentrum für eine korrekte Beitragsabführung, die beim Sozialpartnermodell zur Enthaftung führen soll, stehen Arbeitgeber und ihre Lohnbuch-haltung. Hier hilft nur eine Automatisierung.Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin, Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH

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13Guide 2018

wenn es den Gewerkschaften nicht ge-lingt, wenigstens ihre eigenen Mitgliedermitzunehmen.“Betriebliche Altersversorgung war undist immer eine Frage des Vertrauens undder Transparenz. Das Beispiel Riester-Rente hat in der Vergangenheit gezeigt,wie schnell undurchsichtige Reglungenabgestraft werden. Auxilion-VorstandJoachim Bangert ergänzt: Durch die Um-stellung auf reine Beitragszusagen ohneGarantien werde das Problem mangeln-der Transparenz eher noch verschärft.„Mitarbeiter wollen wissen, womit sie inZukunft bei der Altersvorsorge rechnenkönnen.“ Und hier zeigt sich die nächsteKlippe im Gesetz: Die hohen Kommuni-kationsanforderungen an die reine Bei-tragszusage bergen Haftungsrisiken fürdie Arbeitgeber. Zwar schließt das Be-triebsrentenstärkungsgesetz die Arbeit-geberhaftung für Leistungen aus der Bei-tragszusage aus. Aber, so Tobias Neufeldvon Allen & Overy, dies betrifft nicht diePflicht des Arbeitgebers, „richtige undvollständige Auskünfte gegenüber denArbeitnehmern bei Einführung einer rei-nen Beitragszusage zu geben“, gerade beiEntgeltumwandlung. Haftungsprozessesind nicht ausgeschlossen.

BAV 2020 MIT MEHR BETEILIGUNG?

Skeptiker und Optimisten halten sich dieWaage. Auch wenn das BRSG in dennächsten Jahren noch nicht den ge-wünschten Effekt zeigt, ist es trotzdemder richtige Weg, betont Uwe Buchem,Mercer: „Wir müssen es als Beginn einerReise verstehen und nicht als das Ende.“Nichtsdestotrotz wünscht er sich für den

einzelnen Arbeitnehmer im Niedriglohn-sektor, dass die Tarifvertragsparteien ihreLösungen rasch auf den Weg bringen.Doch auch Unternehmen brauchen Plan-barkeit, da sie „ihren Verteilungsspiel-raum abwägen müssen, ob sie Mitarbei-tern einen Versorgungslohn anbietenoder eine Barerhöhung“. Wenn Wettbe-werber den vollen Teil des Verteilungs-spielraums zur Erhöhung der Vergütungnutzen würden, bedeute das im Wettbe-werb um Mitarbeiter möglicherweiseeinen Vorteil. Je länger die Entscheidungüber ein Sozialpartnermodell auf sichwarten lässt, so Buchem, umso längerdauere es, bis Unternehmen die neuenMöglichkeiten umsetzen können. Dass der Gesetzgeber auf halbem Wegnachjustiert und das Thema Tarifexklu-sivität noch einmal aufgreift, hält Johan-nes Schipp, Kanzlei T/S/C, für möglich.Er geht davon aus, dass es sonst nicht ge-lingen wird, „die vielen kleinen und mitt-leren Unternehmen einzusammeln, dietraditionell Tarifverträgen gegenüber kri-tisch eingestellt sind und bei denen derGesetzgeber doch den wesentlichen Nach-holbedarf sieht“. Schipp bremst die Op-timisten: Es sei unwahrscheinlich, dasssich der Erfolg des BRSG innerhalb dernächsten Legislaturperiode wirklich zei-gen werde. Denn die Zeit rennt davon:„Ein Erfolg braucht eine Überzeugungs-offensive, die aber erst einsetzen kann,wenn fertige Konzepte vorliegen.“

UNTER DRUCK

Viele bAV-Verantwortliche in den Unter-nehmen bereiten sich auf die Zielrentevor, heißt bei der Zurich. Diese rechnen

mit der tatsächlichen Umsetzung des So-zialpartnermodells und berücksichtigendies bei aktuellen Anpassungen ihrer Ver-sorgungswerke. Den Druck spüren dieTarifparteien durchaus. Sie arbeiten da-rauf hin, dass die Förderbeiträge für dieArbeitgeber und auch die Riester-Zula-gen am Jahresende 2018 realisiert werdenkönnen, berichtet Marco Arteaga, DLA Pie-per. Gleichzeitig existiere auch ein poli-tischer Druck. Bei Talanx Pensionsmanagement ist mandavon überzeugt, dass die bAV-Reformauch die klassische bAV stärken wird.

Schließlich haben 26,6 Millionen sozial-versicherungspflichtige Arbeitnehmer inDeutschland noch keine bAV, davon sindüber zehn Millionen tarifgebunden undrund 16 Millionen tariffrei.Doch was das Betriebsrentenstärkungs-gesetz anbelangt, möchte man den Ge-werkschaften zurufen: Schaltet mal einenGang hoch! Sie wissen nicht erst seit ges-tern, was auf sie zurollt. Daher sollten siedas Taktieren hinten anstellen und dieneuen Chancen für die Arbeitnehmer inKMU zu einer betrieblichen Altersversor-gung nutzen.

Die Tarifexklusivität der reinenBeitragszusage wird die Verbrei-tung der bAV in KMU ausbremsen;wenige tarifungebundene Arbeitgeber werden deswegeneine Tarifbindung eingehen.Tobias Neufeld, LL.M., Partner, Global Head of Employment & Benefits, Allen & Overy LLP

Das Sozialpartnermodell wird sang- und klanglos untergehen,wenn es den Gewerkschaften miteiner Informationsoffensive nicht gelingt, wenigstens ihre eigenenMitglieder mitzunehmen.Dr. Johannes Schipp, Partner, Kanzlei T/S/C Fachanwälte für Arbeitsrecht Schipp & Partner Rechtsanwälte mbB

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14 Guide 2018

ereits während des Gesetzge-bungsverfahrens zur Betriebs-rentenstärkung wurden dieForderungen der unterschied-lichen Interessensvertreterheftig diskutiert. Nun hat es

auf den letzten Metern noch der Arbeit-geberzuschuss zur Entgeltumwandung insBRSG geschafft: für Neuabschlüsse ab 2019und für bestehende Zusagen ab 2022. Verbraucherschützer haben in der Ver-gangenheit immer wieder gefordert, dassdie Ersparnis des Arbeitgeberanteils anden Sozialversicherungsbeiträgen den Mit-arbeitern zugutekommen muss. Zumeinen, weil die Ersparnis allein durch denVorsorgewunsch des Mitarbeiters entstan-den ist, und zum anderen, weil der Arbeit-geber sich in der Leistungsphase nichtmehr an den Krankenkassenbeiträgen be-teiligt. Die Arbeitgeber hingegen haben mitEinführung einer Entgeltumwandlungs-

zusage unbestreitbar einen administrati-ven Aufwand, an dessen Kosten sich derMitarbeiter (aufgrund seines Vorsorge-wunsches) beteiligen soll. Doch wie will der Gesetzgeber diesen In-teressenkonflikt lösen? Der Arbeitgebersoll „15 Prozent des umgewandelten Ent-gelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschussan den Pensionsfonds, die Pensionskasseoder die Direktversicherung weiterleiten,soweit er durch die EntgeltumwandlungSozialversicherungsbeiträge einspart“.Mit dieser vermeintlich einfachen Rege-lung würden etwa 75 Prozent der „übli-chen“ Ersparnis dem Mitarbeiter undetwa 25 Prozent dem Arbeitgeber für Ad-ministrationskosten zugutekommen.Doch leider ist es in der Praxis nicht ganzso einfach: Durch die Abhängigkeit derBeitragspflicht von der Höhe des Ein-kommens sowie durch die unterschied-lichen Beitragsbemessungsgrenzen für

die jeweiligen Sozialversicherungszweigekann es vorkommen, dass der Arbeitge-ber lediglich eine teilweise (beispielsweisenur die Beiträge zur Renten- und Arbeits-losenversicherung in Höhe von 10,85Prozent) oder überhaupt keine Ersparnishat, sofern das Einkommen der Mitarbei-ter oberhalb der Beitragsbemessungsgren-zen liegt.

PAUSCHALIERTER ANSATZ?

Das Bundesfinanzministerium (BMF) er-möglicht zwar vereinfachend einen pau-schalen Zuschuss für alle Mitarbeiter inHöhe von 15 Prozent, diese Möglichkeitwerden aber gerade Arbeitgeber mit einemhohen Anteil an besser verdienenden Mit-arbeitern ohne Sozialversicherungserspar-nis nicht nutzen und stattdessen „spitz“abrechnen wollen. Doch selbst diese ge-naue Abrechnung ist aktuell noch mit

Unsicherheiten belegt, da der Gesetzgeberversäumt hat, klarzustellen, auf welcheSozialversicherungsbeiträge er sich be-zieht. So könnten gegebenenfalls auchdie Umlagen zur gesetzlichen Unfallver-sicherung, zum Mutterschutzgeld, zumInsolvenzgeld sowie zur Entgeltfortzah-lung im Krankheitsfall zu berücksichti-gen sein. In Fachkreisen wird jedoch dieAuffassung vertreten, dass es sich dabei umUmlagen und nicht um Beiträge handeleund deshalb nur die üblichen Sozialver-sicherungszweige (Renten-, Arbeitslosig-keits-, Kranken- und Pflegeversicherung)einzubeziehen seien. Leider scheinen sichdas Bundesministerium für Arbeit und So-ziales (BMAS) und das Bundesfinanzmi-nisterium (BMF) in dieser Angelegenheitnicht abzustimmen, da zum Beispiel dieUnfallversicherung in den auf Fachtagun-gen dargelegten Rechenbeispielen desBMAS keine Berücksichtigung findet, wäh-

B

RECHNEN SIE SCHON?Die Neuerung mit dem vermutlich größten Einfluss auf die bisherige Welt der betrieblichen Altersversorgung ist die Einführung eines verpflichtenden Arbeitgeberzuschusses zur Entgeltumwandlung. Klingt einfach, ist aber hochkomplex und mit vielen Fragezeichen versehen.

TRENDS & HINTERGRÜNDE ARBEITGEBERZUSCHUSS

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15Guide 2018

rend von Vertretern des BMF ebenfalls inder Öffentlichkeit die Auffassung vertre-ten wird, dass die Unfallversicherung zuberücksichtigen sei.

WAS TUN MIT ALTVERTRÄGEN?

Doch zurück zur Praxis: Um den Hand-lungsbedarf abschätzen zu können, ist esunumgänglich, sich mit dem Vertrags-werk der Entgeltumwandlung auseinan-derzusetzen. Denn dieses sieht oftmalskeine über den vereinbarten Umwand-lungsbetrag hinausgehenden Beitragszah-lungen vor. Handelt es sich zudem umeinen gemäß § 40b EStG (in der bis zum31.12.2004 gültigen Fassung) pauschal-versteuerten Pensionskassen- oder Direkt-versicherungsvertrag, sind zusätzliche Ar-beitgeberbeiträge in dem bestehendenVertrag schwierig umzusetzen. Der Versi-cherer wird zusätzliche Einzahlungen inAltverträge in der Regel nicht zulassen,da diese teilweise Zinsen in Höhe von vierProzent garantieren. Wird zudem eineebenfalls im Wege der Entgeltumwandlungangebotene Berufsunfähigkeitsversiche-rung vom Mitarbeiter genutzt, werdenauch hier Arbeitgeberbeiträge zur Sozial-versicherung gespart. Doch auch diese Artvon Verträgen sehen in der Regel fest de-finierte Beitragszahlungen vor und bie-ten keine Möglichkeit zur einseitigen Er-höhung um einen Arbeitgeberzuschuss.

NEUE VERTRÄGE NOTWENDIG?

Lassen sich Versicherungsverträge nichteinfach um zusätzliche Arbeitgeberbei-träge aufstocken, dann muss entwederein zusätzlicher Vertrag abgeschlossen

oder – falls dies nicht gewünscht ist – derUmwandlungsbetrag des Mitarbeitersum den Arbeitgeberzuschuss gekürzt wer-den. Bei einem jährlichen Beitrag von1000 Euro würden dann also nicht 1150Euro (1000 Euro Mitarbeiterbeitrag zu-züglich 150 Euro Arbeitgeberzuschuss) ge-zahlt werden, sondern es werden weiter-hin 1000 Euro an den Versichererüberwiesen und der Zuschuss würde denMitarbeiterbeitrag auf 869,57 Euro ver-ringern. Bei 15 Prozent Zuschuss ist es nicht mög-lich, den bisherigen Beitrag einfach von1000 um 150 Euro auf 850 Euro abzu-senken, da eine Erhöhung der 850 Euroum 15 Prozent lediglich zu 977,50 EuroBeitrag führen würde. Freiwillig kannder Arbeitgeber natürlich trotzdem 150Euro Zuschuss zahlen, sofern er in Kaufnimmt, dass der Zuschuss dann rund17,65 Prozent beträgt. Wird „spitz“ ab-gerechnet und die Ersparnis exakt be-rechnet, kommt es zu entsprechend ab-weichenden, „krummen“ Zuschüssenund Beitragsreduzierungen. Auch wenndieses Beispiel eher theoretischer Naturerscheinen mag: Der Mitarbeiter wirdspätestens beim Blick auf seine Gehalts-abrechnung wissen wollen, wieso derArbeitgeber ihm welchen Beitrag abziehtund wieso der Zuschuss geringer als er-wartet ausfällt. Außerdem muss der Arbeitgeber beach-ten, dass die bisherigen vertraglichenUmwandlungsvereinbarungen angepasstwerden müssen. Hat er mit dem Mitar-beiter vereinbart, das Bruttoentgelt um1000 Euro zu kürzen, dann entsprächeeine Kürzung um lediglich 869,57 Euronicht der vertraglichen Vereinbarung –

er würde gegen den Vertrag verstoßen undsich rechtlich angreifbar machen.

KUMULIERTE EINZAHLUNG

Betrachtet man die vorgenannte Proble-matik aus Sicht eines Arbeitgebers, dernach der Einführung der Entgeltumwand-lung keine beziehungsweise nur geringeadministrative Aufwendungen – von derAufklärung und Information der Mitar-beiter ganz zu schweigen – geplant hat,kommt wenig Freude auf. Deshalb er-scheint eine weitere Möglichkeit geradefür die Arbeitgeber interessant, die mög-lichst wenig in die bestehenden Regelun-gen eingreifen möchten: Der Arbeitgeberschließt einen Versicherungsvertrag ab, indem alle fälligen Arbeitgeberzuschüssekumuliert eingezahlt werden. Dieser Ver-trag muss frei dotierbar sein, da im Vor-feld nicht abgeschätzt werden kann, inwelcher Höhe Zuschüsse gezahlt werdenmüssen. Dort können grundsätzlich auchfreiwillig zusätzliche Arbeitgeberbeiträgeeinfließen. Allerdings ist zu berücksich-tigen, dass im Falle des vorzeitigen Aus-scheidens des Mitarbeiters aus dem Un-ternehmen für diese freiwilligenLeistungen die gesetzlichen Unverfallbar-keitsfristen gelten, während die Arbeitge-berzuschüsse zur Entgeltumwandlung so-fort unverfallbar sind.

WAS PASSIERT MIT DEM AKTUELLENARBEITGEBERZUSCHUSS?

Doch was ist, wenn der Arbeitgeber schonheute einen Arbeitgeberzuschuss zur Ent-geltumwandlung zahlt? Dann sind un-terschiedliche Fälle zu betrachten: Unter-

liegt der Arbeitgeber einem Tarifvertrag,der die Weitergabe der gesparten Sozial-versicherungsbeiträge regelt, dann ist diesetarifliche Regelung aufgrund des Tarifvor-rangs auch zukünftig weiterhin anzuwen-den. Gibt der Arbeitgeber die eingespar-ten Sozialversicherungsbeiträge ohnetarifliche Verpflichtung auf freiwilligerBasis (ganz oder teilweise) an den Mitar-beiter weiter, dann gilt für ihn ab 2019 diegesetzliche Regelung als Mindestanspruchdes Mitarbeiters. Sofern anhand der Ver-tragsvereinbarung ersichtlich ist, dass derfreiwillige Zuschuss aufgrund der Sozial-versicherungsersparnis gezahlt wird, kannman davon ausgehen, dass der freiwilligeZuschuss auf die gesetzliche Zuschuss-pflicht angerechnet werden darf. Ist je-doch nicht ersichtlich, dass der Arbeitge-berbeitrag aufgrund der Einsparung vonSozialversicherungsbeiträgen gewährt wird(zum Beispiel bei sogenannten Matching-Beiträgen), ist ungewiss, ob der Arbeitge-ber die freiwilligen Matching-Beiträge aufden neuen gesetzlichen Arbeitgeberzu-schuss anrechnen kann.Abschließend sei der Vollständigkeit hal-ber angemerkt, dass die vorangehendenAusführungen für Entgeltumwandlungenim Durchführungsweg Direktzusage oderUnterstützungskasse nicht relevant sind,da bei diesen Durchführungswegen keineZuschusspflicht besteht.

Andre Cera, Leiter Altersversorgung, Vergütung und Controlling, Otto Group, Hamburg,[email protected]

AUTOR

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16 Guide 2018

TRENDS & HINTERGRÜNDE SOZIALPARTNERMODELL

Um die reine Beitragszusage als neues Modell der betrieblichen Altersversorgung durchzusetzen, nimmt der Gesetzgeber die Sozialpartner in die Pflicht. Die Gewerkschaften reagieren verhalten. Sie wollen lieber die gesetzliche Rente stärken.

Winfried Gertz, freier Journalist, München

GEWERKSCHAFTENUNTER ZUGZWANG

m die betriebliche Altersver-sorgung (bAV) ist es inDeutschland nicht gut bestellt.Während sie in Konzernen instattlichem Umfang verbreitetist, mangelt es ihr in kleinen

und mittleren Unternehmen, also in rund95 Prozent der Wirtschaft, eklatant an Ak-zeptanz. Die Vorbehalte der Arbeitgeberlassen sich seit Jahren stets auf diesenNenner zusammenfassen: Die bAV ist zuteuer, zu komplex und zu riskant. Undfür Arbeitnehmer bleibt unter dem Strichweniger übrig als erwartet.Das soll sich nun grundsätzlich ändern.Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz(BRSG) eröffnet der Gesetzgeber substan-zielle Erleichterungen im System. Damitverknüpft ist die Hoffnung, dass der rie-sige weiße Fleck auf der bAV-Landkartebeträchtlich schrumpft. Herzstück der Re-form ist das Sozialpartnermodell, ein wei-terer Durchführungsweg in der bAV nebenDirektzusage, Unterstützungskasse, Pen-

sionskasse, Pensionsfonds und Direktver-sicherung. Zusätzlich zu den drei bishergeltenden Zusagemodellen (Leistungszu-sage, Beitragszusage mit Mindestleistungund beitragsorientierte Leistungszusage)tritt die reine Beitragszusage (rBZ) als völ-lig neues Modell in Erscheinung. Voraus-setzung ist eine entsprechende tariflicheEinigung der Sozialpartner.

HÖHERE ANWARTSCHAFTEN FÜR ARBEITNEHMER

Das Sozialpartnermodell sieht ein Garan-tieverbot vor. Statt einer garantierten Min-destleistung wird Arbeitnehmern ledig-lich eine Zielrente zugesagt. Ihre Höhehängt von der Vermögens- und Ertrags-lage der jeweiligen Versorgungseinrich-tung ab. Die Pflichten des Arbeitgebersbeschränken sich auf die Entrichtung derzugesagten Beiträge an den Versorgungs-träger. Dafür wird der Arbeitgeber von derMithaftung für die Garantie befreit. Mit

der Zielrente gehen Rechte und Pflichtendes Arbeitsgebers auf den Versorgungsträ-ger über, der von der VersicherungsaufsichtBaFin kontrolliert wird und dessen Steue-rung in den Händen der Tarifpartner liegt. Attraktiv ist die Zielrente aus Sicht von Ex-perten vor allem aufgrund deutlich höhe-rer Anwartschaften für Arbeitnehmer.Schließlich gehört der Kapitalstock beimkollektiven Modell in Gänze den Versor-gungsanwärtern und Leistungsbeziehern.Laut Berechnungen des Kölner Hochschul-lehrers Oskar Goecke, der als Sachverstän-diger im gesetzgeberischen Verfahren an-gehört wurde, sei mit einer um 45 Prozenthöheren Startrente zu rechnen, sofernsich die Tarifpartner auf Anlagen am Ka-pitalmarkt verständigen. Dass Gewinneund Verluste aus der Kapitalanlage und derAbrechnung biometrischer Risiken fairzwischen den Generationen aufgeteiltwerden, könne laut Goecke die Akzep-tanz der Zielrente fördern. Die Vorgabe,dass allein Tarifparteien ein solches Mo-

dell einrichten können, stelle sicher, „dassmit hoher sozialer Kompetenz und Sach-verstand die Chancen und Risiken der rei-nen Beitragszusage abgewogen werden“.

ZUM JAGEN TRAGEN

Wer nach den ersten Elogen auf das neueGesetz, auch Nahles-Rente genannt, miteinem Run auf die reine Beitragszusagerechnete, sieht sich inzwischen getäuscht.Trotz des Wegfalls von Garantien mussman Versicherer quasi zum Jagen tragen.Als die BaFin Mitte Oktober zu einer Ta-gung nach Bonn einlud, prognostizierteFrank Grund, Exekutivdirektor der An-stalt, „dass sich zumindest kurzfristig nichtviele auf den neuen Weg machen wer-den“. Lediglich Zurich, HDI (Talanx) sowieein Konsortium aus fünf Versicherern(„Das Rentenwerk“), das sich als poten-zieller Partner von neuen Versorgungs-werken formiert hat, tritt bisher offen fürdie Zielrente ein.

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17Guide 2018

Lähmende Passivität ist auch aufseitender Gewerkschaften anzutreffen. Wer sichumhört, stößt statt der vom Gesetzgebererhofften Aufbruchstimmung auf befremd-liches Schweigen. Nachbohren lohnt: AnsTageslicht kommt Desinteresse, sogar strot-zende Ablehnung. Hier und dort wird diereine Beitragszusage sogar als „Poker-bAV“verunglimpft. Während Arbeitnehmernjegliche Garantien genommen werden,so bricht sich der Ärger Bahn, sollen Ge-werkschaften das neue Gesetz und insbe-sondere das Sozialpartnermodell ihrerKlientel als Erfolg verkaufen. Auch Mi-chael Mostert, Tarifexperte der IG BCE inHannover, hält das BRSG für kein Ruhmes-blatt: „Die Gewerkschaften haben denGesetzgeber nicht dazu aufgefordert, waser ihnen nun im Sozialpartnermodell kon-kret abverlangt.“ Tatsächlich sollen Ge-werkschaften und Arbeitgeberverbändesich intensiv einbringen und viel Zeit undGeld investieren.

GEWERKSCHAFTEN IN DERSCHMOLLECKE

Den Eindruck, dass die Gewerkschaften mitdem BRSG eine Kröte schlucken müssen,teilt Heribert Karch, Geschäftsführer derMetallrente GmbH in Berlin, keineswegs.Die Enthaftung der Arbeitgeber sei kein„Downsizing“, wie er betont, sondernnichts Geringeres als der Anschluss an in-ternationale Gepflogenheiten. „Nirgendsleidet die bAV so sehr unter einem Nied-rigzins-Regime wie in Deutschland mitunseren Garantiemodellen.“ Die Betriebs-rente in Tarifverhandlungen einzubezie-hen, beurteilt Karch daher als großeChance. Wer glaube, den Lebensstandard

nur über die gesetzliche Rente sichern zukönnen, „versündigt sich an Arbeitneh-mern“. Von solchen Appellen sind Gewerkschaf-ten kaum zu beeindrucken. Wie aktuell an-gelaufene Kampagnen von DGB, Verdiund IG Metall belegen, ist ihnen die Stär-kung der gesetzlichen Rentenversiche-rung wesentlich wichtiger als die bAV.Herzblut investieren sie nicht in die zweiteSäule der Alterssicherung, zumindest nichtin die Anfang 2018 in Kraft getretene Va-riante. Doch die Gewerkschaften könnensich nicht in die Schmollecke zurückzie-hen, die sich in Wahrheit hinter dem „in-ternen Meinungsbildungsprozess“ ver-birgt, den sie übereinstimmend für sichreklamieren. Er sei noch nicht abgeschlos-sen, betont etwa Claus-Harald Güster,stellvertretender Vorsitzender der IG Nah-rung Genuss Gaststätten (NGG). „Kurzfris-tig ist nicht mit tariflichen Lösungen zurechnen. Für ein eigenes Versorgungswerkgibt es keine Überlegungen.“Nicht anders zitieren lassen sich auf An-frage weitere Gewerkschaften, zum Beispieldie IG Metall. Anders als von vielen Be-obachtern erhofft, werde das Betriebsren-tenstärkungsgesetz in den aktuellen Tarif-verhandlungen keine Rolle spielen. Diesist übrigens eine Erwartung, die von denArbeitgeberverbänden Südwestmetall undChemie geteilt wird. Der interne Diskus-sionsprozess, führt die IG Metall weiter aus,werde erst nach Abschluss der Tarifrundeaufgenommen, also frühestens im Som-mer 2018. Wie es heißt, benötige manZeit, „um offen und transparent den Pa-radigmenwechsel in der betrieblichen Al-tersversorgung – Entlassung der Arbeit-geber aus der Haftung und Zusagen ohne

Garantien – zu klären und um Entschei-dungen treffen zu können“. Weder planedie IG Metall aktuell die Ausgestaltungdes Sozialpartnermodells, ebenso weniglägen Angebote von Versicherern für Ar-beitnehmer vor.

PRÜFEN, HANDELN UND DIGITALISIEREN

Zunächst, klärt Tarifexperte Mostert vonder IG BCE auf, gelte es intern zu prüfen,was eine Gewerkschaft überhaupt voneinem Sozialpartnermodell erwarten könneund wie es beschaffen sein sollte. Im nächs-ten Schritt müsse man mit den Arbeitge-bern verhandeln. Wegen der gesetzlichenBeteiligungspflicht der Sozialpartner ander Durchführung und Steuerung der Ziel-rente sei es sinnvoll, parallel zu Tarifver-handlungen Gespräche über den Aufbauund die konkrete Ausgestaltung einer Ver-sorgungseinrichtung aufzunehmen. „Dabeiist besondere Sorgfalt gefragt. Niemandmöchte einen drohenden Reputations-verlust in Kauf nehmen“, warnt Mostert. Als Geschäftsführer der Metallrente, einesVersorgungswerks mit immerhin 40 000Kunden, gibt Karch Gewerkschaften denRat, „lieber gründlich als schnell“ bei der

Konzeption einer Versorgungseinrichtungvorzugehen. Neben dem Erfolg der Kapi-talanlage sei das Augenmerk auf eine an-gemessene Kostenallokation zu richten.„Als neue Gewährsträger sollten Tarifpar-teien unbedingt auf Transparenz von An-bietern und Lieferanten achten.“ Dochnicht nur die Wahl der Anbieter birgt Ge-fahren, wie Lars Golatka, Leiter des Ge-schäftsbereichs Betriebliche Altersvorsorgeder Zurich Versicherung in Bonn, betont.Größte Hemmnisse bei der Gründung vonVersorgungseinrichtungen seien allenvoran Kosten und Komplexität. Golatkaempfiehlt daher, die Einrichtung verwalt-bar zu gestalten, „am besten über einemöglichst durchgängige Digitalisierung“.Dank einer bereits praktizierten digitalenLösung über die Deutscher PensionsfondsAG, die nach eigenen Angaben sukzes-sive an die Rahmenbedingungen des BRSGangepasst wird, sieht sich Zurich als po-tenzieller Partner von Versorgungswer-ken gut im Rennen. „Aus Sicht der Gewerk-schaften ist von Vorteil, dass Zurich strengeNachhaltigkeitskriterien anlegt, nicht zu-letzt durch langjährige Erfahrung als Trä-ger der Schweizer Altersversorgung“, be-tont Golatka. Auch das Rentenwerk, in demsich Barmenia, Debeka, Gothaer, Huk-Co-

Die Gewerkschaften haben den Gesetzgeber nicht zu dem aufgefordert, was er ihnen nunim Sozialpartnermodell konkret abverlangt.Michael Mostert, Tarifexperte, IG BCE, Hannover

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18 Guide 2018

burg und Stuttgarter zusammenschließen,verspricht eine deutlich unkompliziertereHandhabe. „Anbieter sind gefordert“, soStefan Opel, Leiter FirmenkundengeschäftLeben der Gothaer in Köln, „durch ar-beitgeberorientierte bAV-Plattformen mitautomatisierten Schnittstellen in das Per-sonalsystem für Erleichterung zu sorgen.“

VERDRÄNGUNG VON ALTVERTRÄGEN?

Dass nur einige wenige Versicherer sichfür die Zielrente verwenden, erklärt Opelmit dem „margenschwachen Geschäft“ inder bAV. Durch die Kooperation als fünf ge-nossenschaftlich geprägte Versicherer ver-spricht sich das Rentenwerk in diesem Seg-ment eine Größenordnung, „die

wirtschaftlich neue Perspektiven eröffnet“.Diese Zielsetzung bezweifelt Detlef Lüls-dorf, Renten- und Versicherungsberater inKöln. Er erwartet nicht, dass die beteilig-ten Versicherer ein Produkt entwickeln,das Unterstützung von Gewerkschaftennach sich zieht. „Tatsächlich sind sie un-glücklich darüber, dass Garantien wegfal-len.“ Nicht allein deshalb springe kaumein Versicherer auf den BRSG-Zug auf. Fer-ner werde befürchtet, am Ende doch nochfür Garantien einstehen zu müssen. Auchdies sei aus Sicht der Anbieter unkalkulier-bar: „Sie können die Macht der Tarifpar-teien nicht richtig einschätzen“, so Lüls-dorf. „Sie befürchten, dass Tarifparteienmit ihren Angeboten womöglich Altverträgeim großen Stil verdrängen werden.“ Demwiderspricht Tarifexperte Mostert. Zumin-

dest in der Chemiebranche sei das nichtmöglich. Von der Besitzstandsfrage bis zujuristischen Hemmnissen reichten die Vor-behalte. Viele Beschäftigte hätten stattlichebAV-Anwartschaften, festgezurrt durch Ga-rantien und Verpflichtungen. Ihnen lautMostert nun zu vermitteln, „bisher gab esdie Leistungszusage, wir versprechen euchmehr, aber ohne Garantie“, könnten sichdie Gewerkschaften gar nicht erlauben.

ANWENDUNG

Wie man es auch wendet – laut Mostert sindVersorgungswerke nach neuem Zuschnittvor 2019 kaum zu erwarten. Das liege auchdarin begründet, dass zahlreiche Gewerk-schaften bereits tariflich konzipierte Ver-sorgungswerke unterhalten. Die IG BCEetwa verfügt über zwei Branchenversor-gungswerke, die vor vielen Jahren unter Be-teiligung der Sozialpartner ins Leben geru-fen wurden und in Kooperation mit Allianzund R+V betrieben werden. „Ob danebenweitere Versorgungswerke zur Umsetzungder Zielrente treten werden, lässt sich der-zeit nicht sagen“, so Mostert.Auch die Gewerkschaft Erziehung undWissenschaft (GEW) und die IG Bau AgrarUmwelt, kurz IG Bau, erkennen angesichtsbestehender Versorgungswerke keinerleiHandlungsdruck. Seit den Fünfziger-jahren gibt es tariflich vereinbarte Versor-gungswerke in der Bau- und Landwirt-schaft, „die eine flächendeckende Verbrei-tung in Klein- und Kleinstunternehmenund bei Niedrig- und Geringverdienernsicherstellen“, betont Antonius Allgaier, Ta-rifexperte der IG Bau. Diese stets weiter-entwickelten Tarifrentenmodelle dientensogar als „Blaupause“ für das Sozialpart-

nermodell, heißt es. Etwas anders ist dieVersorgung bei der GEW geordnet. Mehr-heitlich organisiert sind Beschäftigte im öf-fentlichen Dienst oder bei Arbeitgebern,die das Tarifrecht des öffentlichen Diens-tes anwenden. „Da für diesen Personen-kreis mit der Zusatzversorgung des öffent-lichen Dienstes bereits eine attraktivebetriebliche Altersversorgung existiert“,erläutert Gesa Bruno-Latocha, Referentinfür Tarif- und Beamtenpolitik, komme eineAltersversorgung nach dem Sozialpartner-modell „nicht in Frage“.

BEHARREN AUF EXKLUSIVITÄT

Für die übrigen Arbeitgeber in der BrancheErziehung und Wissenschaft, er-läutert die Tarifexpertin, existiere kein Arbeitgeberverband, mit dem als Tarifver-tragspartei für eine branchenweite betrieb-liche Altersversorgungslösung verhandeltwerden könne. Diesen Faden nimmt Ge-werkschafter Mostert auf. Er erwartet nicht,dass die Zielrente sich in den nächstenfünf Jahren flächendeckend etablieren wird.„Gerade in den bisher unversorgten rund13 Millionen Arbeitsverhältnissen, zumeistin tariflich ungeregelten Unternehmenund Branchen, werden sich Arbeitgeberkaum dazu durchringen, nun von sich ausihren Beschäftigten eine Zielrente anzu-bieten.“ Der Knackpunkt ist die Allgemein-verbindlichkeit von Tarifverträgen, einePosition, von der Gewerkschaften kaumabrücken werden. Auch wenn nachträglichins Gesetz eingefügt wurde, nicht tarifge-bundenen Firmen durch Bezugnahme aufBranchentarifverträge Zugang zur Zielrentezu eröffnen, wollen sie unbedingt daran fest-halten.

TRENDS & HINTERGRÜNDE SOZIALPARTNERMODELL

Versicherer können die Macht der Tarif -parteien nicht richtig einschätzen; sie befürchten, dass die Tarifparteien mit ihrenAngeboten womöglich Altverträge im großen Stil verdrängen werden.Detlef Lülsdorf, Renten- und Versicherungsberater, Köln

Die Enthaftung der Arbeitgeber ist keinDownsizing, sondern nichts Geringeres als der Anschluss an internationale Gepflo-genheiten. Nirgends leidet die bAV so sehrunter einem Niedrigzins-Regime wie inDeutschland mit unseren Garantiemodellen.Heribert Karch, Geschäftsführer, MetallRente GmbH, Berlin

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19Guide 2018

ie Digitalisierung von Prozes-sen und in der Kommunika-tion ist ohne Zweifel dasSchlüsselthema in der Wirt-schaft – seit einiger Zeit auchin der Welt der betrieblichen

Altersversorgung. Vor etwa fünf Jahrenwaren Beiträge zur Digitalisierung in derbetrieblichen Altersversorgung – etwa zumodernen bAV-Portalen oder Apps – nochdie Ausnahme. Inzwischen widmen sichganze Konferenzen dem Thema undimmer mehr digitale Lösungen kommenauf den Markt. Von daher lag es nahe, dieUnternehmen direkt zu befragen, wie siezur Digitalisierung in der bAV stehen.Wie Unternehmen generell mit der Di-gitalisierung umgehen, ist natürlich in Ab-hängigkeit vom jeweiligen Geschäftsmo-dell sehr unterschiedlich. EineKfW-Umfrage aus dem Jahr 2017 ergab,dass fast die Hälfte der Unternehmen fürdie kommenden zwei Jahre konkrete di-

gitalisierungsbezogene Vorhaben geplanthat – und interessanterweise geht es dabeifast immer um zusätzliche Chancen undin nur einem Drittel der Fälle um reak-tive Motive. In jedem Fall stehen Digita-lisierungsthemen auf der Agenda des Top-managements, und das erklärt auch,warum Digitalisierung längst nicht mehrnur im Kerngeschäft eine Rolle spielt,sondern zunehmend auch in den Zentral-funktionen der Unternehmen.Wie wichtig ist die Digitalisierung in derbAV-Administration und mit welcher Entwicklung ist in Zukunft zu rechnen?Hierzu hat Willis Towers Watson im Früh-sommer 2017 rund 70 bAV-Verantwortli-che aus Unternehmen aller Branchen undGrößenordnungen befragt. Demnach sindin 70 Prozent der befragten Unterneh-men Digitalisierungsvorhaben in den ope-rativen Bereichen (Logistik, Produktionund Vertrieb) bereits umgesetzt. Hinge-gen liegt die Umsetzungsquote im Perso-

nalbereich und in den Verwaltungsberei-chen nur bei knapp 50 Prozent. Hier be-steht Nachholbedarf – etwa im Bereichder Benefits-Administration, wie 66 Pro-zent bestätigen. So unterstützen bislangweniger als die Hälfte ihre Mitarbeiter imRahmen ihrer ganzheitlichen Finanz- undVorsorgeplanung – möglicherweise auchwegen ihrer nicht sonderlich stark ausge-prägten HR-Online-Auftritte.

KOSTENERSPARNIS UND QUALITÄTSVERBESSERUNG

Gerade im HR-Bereich werden die Mög-lichkeiten der Digitalisierung durchgän-

gig als hoch angesehen. Naturgemäß sinddie Perspektiven heterogen, aber im Durch-schnitt wird das Einsparpotenzial in derbAV-Administration auf 30 Prozent ge-schätzt. Dabei werden die größten Ver-besserungsmöglichkeiten im Rahmen desDaten- und Dokumentenmanagementsgesehen sowie bei der Berechnung und Ab-wicklung von Geschäftsvorfällen. Die Aus-schöpfung dieser Potenziale ist dringendgeboten, denn Anforderungen an Quali-tät und Flexibilität steigen bei gleichzei-tig wachsender Komplexität und Regulie-rung. Im Fokus stehen die Hauptziele von Di-gitalisierungsprojekten: Die Kommunika-

D

Der Stellenwert der Digitalisierung im Unternehmen ist hoch, aber die praktischeUmsetzung im HR-Bereich hinkt hinterher. Folglich werden auch in der bAV-Administration die großen Potenziale der Digitalisierung noch nicht ausgeschöpft.

HOHE EINSPARUNGENREALISIEREN

DIGITALISIERUNGTRENDS & HINTERGRÜNDE

Da zwei Drittel der Teilnehmer in den nächsten zehnJahren steigende Kosten in der bAV-Administrationerwarten, dürfte der Druck steigen, Einsparpoten-ziale durch Digitalisierung zu realisieren.

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20 Guide 2018

tion der bAV-Themen wollen fast alle Be-fragten (85 Prozent) digitalisieren unddrei Viertel beabsichtigen, technischeAbläufe noch stärker zu automatisieren.Selbst bei beratenden oder betreuendenTätigkeiten sieht die Hälfte der Teilneh-mer ein Einsparpotenzial von mehr alszehn Prozent (jeder Achte erwartet hiersogar Einsparpotenziale von mehr als50 Prozent).Auch die wachsenden Ansprüche derMitarbeiter sorgen dafür, dass die Digi-talisierung der bAV-Betreuung, -Admi-nistration und -Kommunikation voran-getrieben wird. Papierbasierte Prozesseund Informationen werden zunehmend

nicht mehr als zeitgemäß wahrgenom-men. Geprägt von den Erfahrungen alsKonsument im Internet erwarten Mit-arbeiter auch von ihrem Arbeitgebereine moderne elektronische Betreuungüber Portale und vergleichbare Appli-kationen. Obwohl jedes dritte Unter-nehmen grundsätzlich über digitaleKommunikationskanäle zu seinen Mit-arbeitern verfügt, schätzen 60 Prozentder Teilnehmer ihre Mitarbeiterkommu-nikation schlechter ein als die Kommu-nikation im Onlinegeschäft. Dies magauch daran liegen, dass häufig vorhan-dene HR-Portale nicht auf die Benefitszugeschnitten sind und bAV-Informa-

tionen nur fragmentiert über verschie-dene Wege und mit Medienbrüchen zu-gänglich sind.

PRAKTISCHE HEMMNISSE

Wer die Datenschutzdebatte in Deutsch-land auch nur im Ansatz verfolgt, weiß:Unternehmen lösen mit Digitalisierungs-vorhaben nicht nur Begeisterung aus,sondern begegnen auch internen Wider-ständen – sowohl seitens der Organisa-tion als auch von den Mitarbeitern oderderen organisierten Vertretungen. VieleArbeitnehmer sind beim Thema Sicher-heit der digitalen Übermittlung ihrer

Daten skeptisch, was dazu führt, dass dieAkzeptanz neuer Medien bei den Mitar-beitern und in den Mitbestimmungsgre-mien sorgsam erarbeitet werden muss.Ein noch bedeutenderes Hemmnis für dieUmsetzung von Digitalisierungsbestre-bungen liegt in mangelnden Ressourcen(85 Prozent) – auch wenn das notwen-dige Know-how bei 93 Prozent zur Verfü-gung steht. Das entspricht durchaus dertäglichen Unternehmenspraxis. Häufigist zu beobachten, dass die betriebliche Al-tersversorgung auf der Prioritätenliste imRahmen der HR-IT-Steuerung nicht obenangesiedelt ist und entsprechende Vor-haben „durchgereicht“ werden.

TRENDS & HINTERGRÜNDE DIGITALISIERUNG

WELCHE ERWARTUNGEN VERKNÜPFEN UNTERNEHMEN MITDER DIGITALISIERUNG DER BAV-ADMINISTRATION?

ABBILDUNG 2

Die Beschleunigung von Prozessen und Zeitgewinn für strategische Aufgaben stehenbei den meisten Befragten an erster Stelle.

WELCHE PRIORITÄTEN SETZEN UNTERNEHMEN BEIDER BAV-DIGITALISIERUNG?

ABBILDUNG 1

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Die Potenziale der Digitalisierung wollen Unternehmen zunächst in der Kommunikationund der technischen Administration heben.

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21Guide 2018

Da zwei Drittel der Teilnehmer in dennächsten zehn Jahren steigende Kostenin der bAV-Administration erwarten, dürfte jedoch der Druck steigen, Einspar-potenziale durch Digitalisierung zu rea-lisieren. Gleichzeitig werden die erfor-derlichen Investitionen in Prozesse undSysteme viele Unternehmen dazu zwin-gen, ihre Aufstellung in der betrieblichenAltersversorgung insgesamt zu überprü-fen. Insbesondere Insellösungen, in denenhochspezifische Anwendungen nur fürein Unternehmen oder gar einen Pensi-onsplan zur Anwendung kommen, wer-den unter die Lupe genommen werden.Denn generell sind die Digitalisierungs-vorteile überall dort groß, wo es um großeMengen gleichartiger Fälle und Transak-tionen geht. Das gilt für große und sehrgroße Unternehmen sowie Einrichtungen,sofern sie eine homogene Versorgungs-welt haben. Und es gilt in den Fällen, indenen standardisierte Modelle und Sys-teme zum Einsatz kommen. Dort loh-nen sich auch Investitionen in Automa-tisierung und Technologie, da sie zuSkalen- und Standardisierungsvorteilenführen: Die Kosten werden über alle Nut-zer verteilt und gleichzeitig kommen dieVorteile allen Nutzern zugute.

GESETZLICHE REGELN ALS TREIBER DIGITALER LÖSUNGEN

Regulatorische Veränderungen gebenebenfalls Anlass, über digitale Lösungennachzudenken. Ab dem kommenden Jahrgelten nach der Umsetzung der Mobili-tätsrichtlinie erweiterte Informations-pflichten in der betrieblichen Altersver-sorgung. Bislang musste ein Mitarbeiter,der von seinem Arbeitgeber den Standseiner Anwartschaft in der betrieblichenAltersversorgung erfahren wollte, ein so-genanntes berechtigtes Interesse nach-weisen. Das entfällt ab Januar 2018; derInformationsanspruch besteht ohne Wei-teres. Der Arbeitgeber muss zudem mehrInformationen bereitstellen als bisher: Somüssen die Arbeitgeber bei traditionel-len Leistungszusagen nicht nur die er-reichbare Anwartschaft ausweisen, son-dern auch die (gegebenenfalls drastische)zeitratierliche Kürzung, wenn der Mitar-beiter vor Rentenbeginn das Arbeitsver-hältnis beendet. Bei marktüblichen Bausteinplänen wirdkünftig erwartet, dass neben der bereitserdienten Anwartschaft auch eine Hoch-rechnung zur künftigen Rentenhöhe aus-gewiesen wird. Für die Unternehmen undEinrichtungen, die bereits einen jährli-chen Kontoauszug anfertigen oder einbAV-Portal unterhalten, in dem die Ar-beitnehmer ihre individuellen Daten ein-sehen können, hält sich der Aufwand inGrenzen. Alle anderen müssen teilweisedeutlich mehr tun, um den Anforderun-gen gerecht zu werden. Sie müssen dieProzesse für eine manuelle Berechnung,einen Kontoauszug oder ein Portal ein-richten. Auch wenn noch unklar sein

mag, inwieweit Mitteilungen über Por-tale den gesetzlichen Anforderungen ge-recht werden: Wer seine Planteilnehmerregelmäßig oder durchgehend mit Infor-mationen versorgt, wird deutlich weni-ger Informationsanliegen beantwortenmüssen.Zum selben Zeitpunkt gelten auch diegroßen Neuerungen des Betriebsrenten-stärkungsgesetzes, auch wenn die Ein-führung von reinen Beitragsplänen nocheiner Umsetzung durch gemeinsame Ein-richtungen bedarf. Die erhoffte stärkereDurchdringung der bAV in den Unterneh-men und bei den Mitarbeitern, insbe-sondere in kleinen und mittleren Unter-nehmen und bei Geringverdienern, setztsehr effiziente und vergleichsweise kos-tengünstige Kommunikations-, Vertriebs-und Administrationslösungen voraus.Dies kann nur mit stark standardisiertenund komplett digital hinterlegten Model-len gelingen.

GROßE ERWARTUNGEN

Die Erwartungen an den Hoffnungsträ-ger Digitalisierung sind zum Teil sehrhoch, wenn man sich an den grundle-genden Veränderungen im Konsumen-tenmarkt und entsprechenden Verglei-chen orientiert. Vieles davon erscheintzumindest kurzfristig nicht immer realis-

tisch. Die befragten Unternehmen gabendemgegenüber einen pragmatischen Blickauf die Materie ab. Sie erwarten handfesteVorteile, verbinden aber keine unerreich-baren Ziele mit den Digitalisierungsvor-haben: Beschleunigung von Prozessenund Zeitgewinn für zeitfressende strate-gische Aufgaben stehen an erster Stelle.Erwartet werden aber auch rein praktischeFortschritte: Zwar kein gänzlich papier-loses, aber dennoch weniger papierge-fülltes Büro, eine höhere Datenqualität,schnellere Prozesse, mehr Transparenzund in der Folge zufriedenere Mitarbei-ter. Es wird spannend sein, die Entwicklungder konkreten Vorhaben über die nächs-ten Jahre zu verfolgen und zu beobach-ten, welche Veränderungen im Markt derbetrieblichen Altersversorgung angesto-ßen werden.

Dr. Michael Paulweber, Managing Director Technology and Administration Solutions, Willis Towers Watson, Reutlingen, [email protected]

AUTOR

STUDIENDESIGN INFO

Für die Studie „Digitalisierung und Effizienz in der bAV-Administration 2017“befragte Willis Towers Watson 70 Unter-nehmen jeder Größenordnung in Deutsch-land mit rund einer Million bAV-Anwärtern und 700 000 Betriebsrentnern. Die Datenwurden im Frühjahr 2017 erhoben.

Häufig ist zu beobachten, dass die betriebliche Altersversorgung auf der Prioritätenliste im Rahmender HR-IT-Steuerung nicht oben angesiedelt ist undentsprechende Vorhaben ‚durchgereicht‘ werden.

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22 Guide 2018

iel der zugrunde liegenden EU-Mobilitätsrichtlinie vom 16.April 2014 ist die Förderungder Mobilität von Arbeitneh-mern innerhalb der EU undder Abbau von Hindernissen

im Bereich der betrieblichen Altersversor-gung, die bei einem grenzüberschreiten-den Wechsel des Arbeitsplatzes entstehenkönnen. Die Richtlinie legt damit ihrer An-wendung einen Auslandssachverhalt zu-grunde und gibt den Mitgliedsstaaten dieOption, die neuen Regelungen auch aufreine Inlandssachverhalte in der bAV aus-zudehnen. Das hat der deutsche Gesetz-geber, ohne rechte Not, auch getan. DieVorschriften der Richtlinie kommen dahernahezu ohne Ausnahme auch auf bAV-Sachverhalte innerhalb von Deutschland

zur Anwendung. Inhaltlich beziehen sichdie Änderungen aus der Umsetzung derEU-Mobilitätsrichtlinie insbesondere aufVersorgungsanwartschaften (Unverfall-barkeitsfristen, Wahrung/Anpassung), In-formationspflichten und die Abfindungvon Kleinstanwartschaften. Die praktischwichtigen Änderungen des Gesetzes zurVerbesserung der betrieblichen Altersver-sorgung (BetrAVG) durch die Umsetzungder EU-Mobilitätsrichtlinie sind im Folgen-den dargestellt.

NEUE UNVERFALLBARKEITSFRISTEN

Die Unverfallbarkeitsfrist für arbeitge-berfinanzierte Versorgungszusagen (§ 1b Abs. 1 BetrAVG) betrug bisher fünf Jahre(Zusagedauer) bei einem Mindestalter

zum Ausscheiden von 25 Jahren. Fürnach dem 1. Januar 2018 erteilte Versor-gungszusagen gelten sodann eine Fristvon nur noch drei Jahren und ein redu-ziertes Alter von 21 Jahren. Durch Ent-geltumwandlung finanzierte Versorgungs-zusagen sind weiterhin sofort unverfallbar.Während die kurzen Unverfallbarkeits-fristen für Arbeitnehmer schnell zu un-entziehbaren Rechten führen, werdenArbeitgeber den Einsatz von arbeitgeber-finanzierter bAV sorgfältig gegen die nun-mehr gesteigerten Kosten abwägen.

ERSTMALIGE ANPASSUNG VON ANWARTSCHAFTEN

Scheidet ein Arbeitnehmer mit unver-fallbarer Anwartschaft aus dem Unter-

nehmen aus, so wird die Höhe seinerVersorgungsanwartschaft zu diesem Zeit-punkt festgeschrieben (§§ 1b, 2 BetrAVG).Dieses Recht muss nach dem Gesetz nichtdynamisiert werden. Eine Anpassung fest-gestellter Rechte kennt das BetrAVG bis-lang nur für laufende Rentenzahlungen,die alle drei Jahre auf eine solche Anpas-sung (§ 16 BetrAVG) zu prüfen sind. Diesändert sich durch den ab 2018 geltendenneuen Paragrafen 2a BetrAVG und zwarauch für reine Inlandssachverhalte. DieEU-Mobilitätsrichtlinie sieht nämlichvor, dass die Behandlung der ruhendenRentenanwartschaften ausscheidenderArbeitnehmer und ihrer Hinterbliebe-nen oder des Wertes solcher Anwartschaf-ten der Behandlung des Wertes der An-sprüche aktiver Versorgungsanwärter oder

TRENDS & HINTERGRÜNDE EU-MOBILITÄTSRICHTLINIE

Z

Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie droht ein wenig aus dem Fokus zu geraten. Dabei tritt es ab dem 1. Januar 2018 in Kraft – gemeinsammit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz und seinen Umsetzungsanforderungen in der betrieblichen Altersversorgung (bAV).

UND NOCH EIN GESETZTRITT IN KRAFT

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23Guide 2018

der Entwicklung der derzeit ausgezahltenRenten entspricht. Dazu nimmt der neue Paragraf nächstden bisherigen § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVGauf, wonach es fix auf die Bemessungs-grundlagen und die Versorgungsregelungbei Ausscheiden mit unverfallbarer An-wartschaft ankommt, auch nach 2018.Dies gilt allerdings gemäß § 2a Abs. 2 Be-trAVG nicht, soweit es zu Änderungen desAnwartschaftswertes bei im Unterneh-men verbliebenen Versorgungsanwär-tern kommt: Diese sind dann auch denAusscheidenden zu gewähren (Verbotder Benachteiligung). Ferner sieht dasGesetz einen Katalog vor, wann eine sol-che Benachteiligung wiederum nicht vor-liegt. Das Benachteiligungsgebot gilt nurfür Beschäftigungszeiten ab dem 1. Januarund nicht, wenn das Versorgungssystembereits vor dem 20. Mai 2014 geschlos-sen wurde.

ERWEITERTE AUSKUNFT DES ARBEITGEBERS

Gemäß dem neuen Betriebsrentenstär-kungsgesetz (§ 4 a) gelten ab dem 1. Januar2018 erweiterte Informationspflichtendes Arbeitgebers in der bAV. Zwar gibt esauch weiterhin keine aktive Informati-onspflicht des Arbeitgebers zu bestimm-ten Stichtagen oder in einer bestimmtenFrequenz, sondern der Versorgungsbe-rechtigte muss selbst Auskunft verlan-gen. Allerdings muss dieser künftig dafürkein sogenanntes berechtigtes Interessemehr vorweisen, was das Auskunftsver-langen nicht nur qualitativ, sondern auchquantitativ erweitert. Der Arbeitgebermuss die Auskunft zudem in Textform

erteilen. Der Inhalt der Auskunft wirdebenfalls erweitert und auf folgende The-men spezifiziert (§ 4 a Abs. 1 Nr. 1 bis 4BetrAVG):• ob und wie eine Anwartschaft auf be-

triebliche Altersversorgung erworbenwurde,

• die Höhe des erreichten und erreichba-ren Anspruchs auf Altersleistung,

• Wirkungen der Beendigung des Arbeits-verhältnisses und

• Entwicklung der Anwartschaft nach Be-endigung des Arbeitsverhältnisses ( § 2 a Abs. 2 BetrAVG).

Ab 2018 schuldet der Arbeitgeber einenTeil der Auskunftspflichten nun erstmalsauch gegenüber Hinterbliebenen. Soweitder Arbeitgeber Auskünfte geben mussoder freiwillig gibt, müssen diese nach derRechtsprechung des BAG vollständig undrichtig sein. Dies ist gerade bei der auf Jahr-zehnte ausgelegten und von vielen exo-genen Faktoren abhängigen Betriebsrenteschwierig. Die Zahl der Haftungsprozessegegen Arbeitgeber wird sich aufgrund dergestiegenen Informationsanforderungendeutlich erhöhen.

ABFINDUNG VON KLEINSTANWARTSCHAFTEN

Die EU-Mobilitätsrichtlinie bringt eineVerschärfung gegenüber dem bisher geltenden Recht, dass Arbeitgeber zurVerwaltungsvereinfachung sehr kleineAnwartschaften ausgeschiedener Arbeit-nehmer ohne Zustimmung des Versor-gungsberechtigten einseitig abfindenkonnten (§ 3 Abs. 2 BetrAVG). Die Richt-linie verlangt hingegen auch bei der Ab-findung von Kleinstanwartschaften die

Zustimmung des Arbeitnehmers, wasim neuen § 3 Abs. 2 S. 3 BetrAVG umge-setzt wurde. Dies bleibt allerdings be-grenzt auf Sachverhalte mit Auslandsbe-zug. Bei Inlandssachverhalten verbleibtes bei der bisherigen Abfindungsmöglich-keit ohne Zustimmung. Wenn also derArbeitnehmer innerhalb von drei Mo-naten nach seinem Ausscheiden ausdem Arbeitsverhältnis in einem anderenEU-Mitgliedstaat ein neues Arbeitsver-hältnis begründet und dies dem ehema-ligen Arbeitgeber mitteilt, kann dieserdie Kleinstanwartschaft nur mit Zustim-mung des Arbeitnehmers abfinden. In-landssachverhalte werden dadurch aller-dings faktisch mitgeregelt, denn nachAusscheiden des Arbeitnehmers ver-bleibt ja für bis zu drei Monate Rechts-unsicherheit über die Begründung einesneuen Arbeitsverhältnisses im EU-Aus-land. Solange werden nun auch Inlands-arbeitgeber mit der Abfindung vonKleinstanwartschaften zuwarten, umnicht die Unwirksamkeit der Abfindungzu riskieren.

PENSIONSKASSENAUSNAHME BEIDER ANPASSUNGSPRÜFUNG

Zur Frage der Anpassung laufender Be-triebsrentenleistungen nach entsprechen-der Arbeitgeberprüfung alle drei Jahre(§ 16 BetrAVG) haben wir zu Pensions-kassen ein unrühmliches Hin und Her von

Rechtsprechung und Gesetzgebung. VomGrundsatz der dreijährigen Anpassungs-prüfung sah das Gesetz (§ 16 Abs. 3 Nr. 2BetrAVG) für Pensionskassen unter be-stimmten Voraussetzungen eine Aus-nahme und damit Privilegierung vor. ImUrteil der Pensionskasse für die DeutscheWirtschaft (PKDW-Urteil, BAG, Az. 3 AZR617/12) hatte das BAG regulierten Kas-sen diese Privilegierung entzogen. Nacheinem Aufschrei aus der Praxis korrigierteder Gesetzgeber diesen Paragrafen zurUmsetzung der EU-Mobilitätsrichtliniemit einem Inkrafttreten bereits am 31. De-zember 2015, um regulierte Pensionskas-sen wieder einzuschließen. Das BAG ver-sagte diesen in seinem Urteil vom 13.Dezember 2016 (Az. 3 AZR 342/15) dieWirkung in die Vergangenheit. Der Ge-setzgeber schritt also ein zweites Mal ein.Das Betriebsrentenstärkungsgesetz wurdeergänzt und ein neuer § 30 c Abs. 1 a Be-trAVG geschaffen, der die gewünschteRückwirkung auf Anpassungsstichtagevor Ende 2015 sicherstellt.

Tobias Neufeld, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Solicitor, LL.M., Partner,Allen & Overy LLP, Düsseldorf,[email protected]

AUTOR

Die Zahl der Haftungsprozesse gegen Arbeitgeber wird sich aufgrund der gestiegenen Informationsanforderungen deutlich erhöhen.

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24 Guide 2018

nternehmen weltweit, soauch in Deutschland, ste-hen vor besonderen Heraus-forderungen: Sie sind dis-ruptiven Veränderungen

ausgesetzt, denen sie mit Flexibilitätund Innovationskraft begegnen müssen.Gleichzeitig werden Belegschaften anspruchsvoller, vielschichtiger undtechnikaffiner. Wie passt die bAV alstraditionsreiches Vergütungs- und Be-

lohnungselement für langjährige Mit-arbeiterloyalität in dieses neue Bild?

NEUAUSRICHTUNG DER BAV

Um die Jahrtausendwende erfolgte eineAbkehr vom Fürsorgegedanken des Ar-beitgebers und seitdem ist die bAV pri-mär ein Vergütungsbestandteil. Auchin rein vom Arbeitgeber finanziertenAltersversorgungsystemen substituiert

der Arbeitgeberbeitrag letztlich Barver-gütung. Führende Unternehmen setzen dabei auf eine zielgerichtete Total-Rewards-Strategie, die Teil einer nach-haltigen „Employee Value Proposition“ist und im Wettbewerb um qualifizierteMitarbeiter auf deren Präferenzen fo-kussiert. Sie steigert Arbeitgeberattrak-tivität, indem Umfang und Verteilungvon Leistungen nach Unternehmensbe-dürfnissen, finanziellen Vorgaben und

Mitarbeiterbedürfnissen gestaltet wer-den. Aus Studien geht hervor, dass nebenals „sicher“ empfundenen Arbeitsplät-zen und Möglichkeiten der Karriereent-wicklung insbesondere bedarfsgerechtausgestaltete Nebenleistungspaketeeinen attraktiven Arbeitgeber auszeich-nen. Die betriebliche Altersversorgungwird als wesentlicher Bestandteil derangebotenen Nebenleistungen angese-hen.

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Für die Unternehmen ist es nicht gerade leichter geworden, die passenden Angebote in der betrieblichen Altersversorge bereitzustellen. Ein Blick auf die Wünsche der Mitarbeiter kann dabei helfen.

ZWISCHEN WUNSCH UND WIRKLICHKEIT

TRENDS & HINTERGRÜNDE bAV-STUDIE

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25Guide 2018

BAV ALS LAST FÜR UNTERNEHMEN

Die bAV wird von vielen Arbeitgebernderzeit in erster Linie als Belastung be-wertet. Das zeigte sich auch im Gutach-ten „Optimierungsmöglichkeiten bei denbestehenden steuer- und sozialversiche-rungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung“ (2016,Kiesewetter et al.), das vom Bundesfinanz-ministerium im Vorfeld der Diskussionum das Betriebsrentenstärkungsgesetz inAuftrage gegeben wurde. Folgende Fak-toren wiegen für Unternehmen schwer:Zentraler Punkt ist die bilanzielle Belas-tung durch traditionelle Pensionspläne.Aufgrund des schwierigen Kapitalmarkt-umfeldes bewegen sich die Rechnungs-zinsen zur Ermittlung der Pensionsrück-stellungen auf niedrigstem Niveau undlassen die Verpflichtungen deutlich höhererscheinen als noch vor zehn Jahren.Dies gilt sowohl für den internationalenBilanzausweis (IFRS) als zunehmend auchfür den deutschen handelsbilanziellenAbschluss (HGB).Gleichzeitig werden steuerwirksame Zu-führungen weiter auf Basis eines unver-ändert hohen Rechnungszinses (sechsProzent, § 6a EStG) ermittelt, sodass dieWerte zwischen Handels- und Steuerbi-lanz zu Ungunsten der Unternehmenimmer weiter auseinanderklaffen.Die Verwaltung von Pensionsplänen istaufwendig und erfordert ein hohes Know-how. Dies gilt insbesondere für in-nenfinanzierte Pensionspläne. Die großeVielfalt in der Ausgestaltung kommt er-schwerend hinzu. Es entstehen stetigneue Anforderungen seitens des Gesetz-gebers. Jüngste Beispiele sind der Versor-

gungsausgleich, die Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie sowie das Betriebsren-tenstärkungsgesetz.Insbesondere in Unternehmen mit lan-ger bAV-Historie erschwert ein hoherBestand an unterschiedlichen Altzusa-gen zusätzlich die Administration. Davonkönnen auch Unternehmen betroffensein, die durch Transaktionen und Be-triebsübergänge eine Vielzahl unter-schiedlichster Regelungen angesammelthaben.Externe Versorgungsträger wie Lebens-versicherer und Pensionskassen habenin der Vergangenheit hohe Garantienausgesprochen. Noch bis Juni 2000 be-trug der Garantiezins für neu abgeschlos-sene Lebensversicherungsverträge vierProzent – garantiert über die gesamteVertragslaufzeit. Die derzeitigen Anlage-möglichkeiten werfen jedoch nur nochgeringe Renditen ab. Die so entstehen-den Risiken trägt letzten Endes der Arbeit-geber, da er bislang unabhängig vomkonkreten Durchführungsweg für allebAV-Leistungen einsteht.Gleichzeitig steigt die Bedeutung der bAVaufgrund des absehbar sinkenden Leis-tungsniveaus der staatlichen Rente. Dieseist im Umlageverfahren organisiert undreagiert sensitiv auf die Relation von Bei-tragszahlern zu Leistungsempfängern.Das System ist zwar aktuell nur unterleichtem Druck, denn bisher wirkt nurdie höhere Lebenserwartung auf die Leis-tungsempfängerzahl. Allerdings werdenab 2024 vermehrt Menschen aus den ge-burtenstarken Jahrgängen 1959 bis 1969in den Ruhestand eintreten. In dem Maße,in dem die Leistungsfähigkeit der umla-genfinanzierten Rente abnimmt, müs-

sen andere, letztlich kapitalgedeckte Vor-sorgemechanismen gestärkt werden, wasschließlich auch zur Entwicklung des Be-triebsrentenstärkungsgesetzes geführthat.

MITARBEITER SETZEN VERSTÄRKTAUF BAV-ANGEBOTE

Unter Arbeitnehmern lässt die öffentli-che Diskussion das Bewusstsein einernotwendigen persönlichen Altersvor-sorge kontinuierlich ansteigen, sodassdie bAV im Wettbewerb um Fachkräftezunehmend als wichtige und attraktiveVergütungskomponente wahrgenommenwird. Auf der Suche nach einem optima-len Vergütungsmix erhalten Argumentefür die bAV immer mehr Gewicht. Nachder aktuellen Deloitte-bAV-Studie (sieheKasten) achten 88 Prozent der Arbeit-nehmer beim Jobwechsel auf eine vomArbeitgeber finanzierte Altersversorgung;

Mehr als die Hälfte davon findet diesesAngebot sogar sehr wichtig.Dabei geht es nicht nur um die mone-täre Gewichtung von bAV. Viel entschei-dender ist, aus einem vorgegebenen Bud-get das Beste herauszuholen. Hier gibt esnoch erhebliches Verbesserungspoten-zial.

MITARBEITERWÜNSCHE

Drei Viertel der bAV-Studienbefragtengeben den Merkmalen Sicherheit, Ga-rantien und Vertrauen oberste Priorität,während dies gleichzeitig nur 14 Prozentder Rendite zubilligen. Unter den gege-benen Kapitalmarktbedingungen er-scheint die hohe Gewichtung von Si-cherheit zulasten der Rendite allerdingskontraproduktiv beim Aufbau einer sub-stanziellen, kapitalgedeckten Altersversor-gung als Ergänzung zur gesetzlichenRente.

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7

WORAUF ARBEITNEHMER BEI EINEM BAV-ANGEBOT WERT LEGEN ABBILDUNG 1

Sicherheit und Garantien sind Mitarbeitern mit weitem Abstand wichtiger als die Rendite.

Einfachheit

Rendite

Vertrauen

Garantien

Sicherheit

Rang 1

10 %

14 %

18 %

22 %

36 %

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26 Guide 2018

Daneben wurden vor allem zeitlich fle-xible Einzahlung eigener Beiträge sowieverschiedene Auszahlungsmöglichkeitenhoch gewichtet. Hinsichtlich des Leistungsbezugs votier-ten 38 Prozent für eine lebenslange, mo-natliche Rente, 40 Prozent favorisiereneine Kapitalauszahlung und 22 Prozentsprechen sich für zeitlich begrenzte Jah-resraten aus. Dies ist für Unternehmeninteressant, die zur Vermeidung von Lang-lebigkeitsrisiken gerne Kapitalauszah-lungsoptionen anbieten möchten. Auchbeim Auszahlungszeitpunkt gibt es einenstarken Wunsch nach Flexibilisierung.74 Prozent interessieren sich für einenschrittweisen Eintritt in den Ruhestand,was im Einklang mit der zukünftig nochflexibleren Arbeitswelt steht.Insgesamt wird auch deutlich, dass Ar-beitnehmer nicht gut genug informiertwerden. Nur ein Drittel fühlt sich aus-reichend in Kenntnis gesetzt. Auch dasVertrauen in die Informationen, die sieerhalten, ist eingeschränkt. Dabei könn-

ten die Unternehmen davon profitie-ren, dass Personalabteilungen noch amvertrauenswürdigsten abschneiden. Vorallem sind detaillierte Informationengefragt. Zwei Drittel wünschen sich eineausführliche Broschüre mit den Vor-und Nachteilen oder ein ausführlichesBeratungsgespräch mit persönlichen Bei-spielrechnungen. Außerdem möchtenMitarbeiter ihre Altersversorgung be-wusst gestalten. Eine zukunftsweisendebAV vereint Flexibilität mit Kontrolleund Steuerung

RAHMENBEDINGUNGEN ANPASSEN

Traditionelle, endleistungsorientierte Pen-sionspläne, die auf eine lebenslange Be-rufslaufbahn in ein und demselben Un-ternehmen ausgerichtet sind, passen nichtmehr in die heutige Berufswelt. Deshalbhaben die meisten Unternehmen bereitsauf beitragsorientierte Systeme umge-stellt. Dieser Plantyp beruht auf Beitrags-einzahlungen, die bis zum Rentenein-

tritt eine Wertentwicklung erfahren, undermöglicht grundsätzlich volle Flexibili-tät in Ein- und Auszahlung. Die Sicher-heit alter Defined-Benefit-Pläne ist damitallerdings Vergangenheit. Daraus resul-tiert ein erhöhter Transparenz-, Kontroll-und Steuerungsbedarf. Ebenso wollen und müssen Mitarbeiterumfassend über die Möglichkeiten ihresPensionsplanes informiert werden. Siemüssen jederzeit Einblick in die Wert-entwicklung erhalten und durch eigeneBeiträge ihr Versorgungsvermögen aufihren Versorgungsbedarf hin austarierenkönnen. Wünschenswert wäre die Mög-lichkeit eines Abrufs des Vorsorgekapitalsnoch während der Arbeitsphase, die sichkünftig viel stärker mit dem Ruhestandüberlappen wird, sowie die Mitnahmebeim Arbeitgeberwechsel oder auch pri-vate Fortführung, falls die Berufstätigensich in einer Phase ohne klassisches An-gestelltenverhältnis befinden. Zudemwäre eine – zumindest in Europa – steuer -effiziente grenzüberschreitende Nutzungvon Pensionsplänen erforderlich. Die ers-ten beiden Punkte lassen sich zumindestteilweise bereits heute implementieren.Doch die letzte Forderung scheitert der-zeit noch an den großen steuerlichenUnterschieden der verschiedenen EU-Mitgliedsländer.

WEITER REFORMIEREN

Der Staat hat mit dem Betriebsrenten-stärkungsgesetz neue Rahmenbedingun-gen geschaffen, um die Versorgungs-lücke bei kleinen und mittleren Unter-nehmen sowie bei Arbeitnehmern mitgeringem Einkommen zu schließen. Diese

Maßnahme läuft allerdings der Entwick-lung hinterher. Die Politik muss die bAVweiterentwickeln, damit die Nutzung ins-gesamt noch viel stärker steigt und derdemografiebedingte Renten-K.o. aus-bleibt. Unternehmen sollten ihre Pensi-onspläne ebenfalls stetig verbessern undsowohl bei Kontrolle und Steuerung alsauch Kommunikation konsequent aufdigitale Technologie setzen. Ein Pensi-onsplan ist nicht einfach nur ein StückPapier, sondern ein komplexes Systemmit Auswirkungen auf die Mitarbeiterzu-friedenheit, die Arbeitgeberattraktivitätund den finanziellen Status des Unterneh-mens.

TRENDS & HINTERGRÜNDE bAV-STUDIE

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WAS MACHT EINE BAV FÜR MITARBEITER ATTRAKTIV?

Fast die Hälfte der Arbeitnehmer wünscht sich zeitlich flexiblere Einzahlungsoptionen. Auch flexiblere Auszahlungsmöglichkeiten rangieren weit oben.

*Hinterbliebenenleistungen in der bAV sind auf Ehegatten/Lebenspartner und kindergeldberechtigte Kinder begrenzt.

Unbegrenzte Vererbbarkeit* 28 %

Auswahl der Geldanlage 29 %

Der Höhe nach unbegrenzte EInzahlung 35 %

Verschiedene Auszahlungsmöglichkeiten 42 %

Zeitlich flexiblere EInzahlung 45 %

ABBILDUNG 2

Peter Devlin, Partner Human Capital Advisory Services, Deloitte, München, [email protected]

Jens Denfeld, Senior ManagerHuman Capital Advisory Services, Deloitte,Frankfurt, [email protected]

Benjamin Bauer, Aktuar (DAV)Human Capital Advisory Services, Deloitte,München, [email protected]

AUTOREN

STUDIE INFO

Die Ergebnisse der Deloitte-Erhebung „BAVzwischen Wunsch und Wirklichkeit. Studiezur betrieblichen Altersversorgung 2017“beruhen auf einer repräsentativen Befra-gung von 1000 sozialversicherungspflichti-gen Beschäftigten. Sie wurde im Mai/Juni2017 durchgeführt und steht als Downloadkostenlos unter www2.deloitte.com/de zurVerfügung.

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27Guide 2018

eep it simple or as simple aspossible! Dieses Motto be-schreibt die Umgestaltung derbetrieblichen Altersvorsorge beiLanxess treffend. Ein knappesZeitfenster, Kosten- und Bilanz-

neutralität als Ziele sowie begrenzte per-sonelle und finanzielle Kapazitäten erfor-derten ein eng geschnürtes Paket. Zudem

musste die Umsetzung schnell und trans-parent erfolgen und die Mitarbeiter muss-ten mit ins Boot genommen werden.

MAß NEHMEN

Bisher gab es bei Lanxess zwei Durch-führungswege in der Altersvorsorge. Bei-träge zur Altersvorsorge bei Gehältern bis

zur Beitragsbemessungsgrenze der ge-setzlichen Rentenversicherung flossen ineine Pensionskasse (Grundversorgung),während für Gehälter über der Beitrags-bemessungsgrenze Direktzusagen ge-währt wurden (Zusatzversorgung). Somitgab es keine durchgängige Versorgung.Das Zinsrisiko für die Zusatzversorgungwurde vollständig vom Unternehmen ge-

tragen, da die Pensionskassenverzinsungals Maßstab galt. Zudem bestanden Un-terschiede in der Insolvenzsicherung,da regulierte Pensionskassen (nur) derAufsicht der Bundesanstalt für Finanz-dienstleistungsaufsicht (BaFin) unter-liegen. Alle drei Punkte sollten mit derneuen Altersversorgung umgesetzt wer-den.

K

Der Umbau der betrieblichen Altersvorsorge kann einfach und kostengünstig gestaltet und den Mitarbeitern leicht verständlich vermittelt werden. Das zeigt das Beispiel von Lanxess. Der Kölner Spezialchemiekonzern hat innerhalb eines knap-pen Jahres sein Altersvorsorgesystem erfolgreich umgebaut.

KONFEKTION UND TROTZDEMMAßGESCHNEIDERT

LANXESSBEST PRACTICE

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28 Guide 2018

TRENDS

Von einer Vereinheitlichung des Durch-führungsweges unter Einbeziehung vonVersicherern und ergänzender Insol-venzsicherung versprach sich Lanxessnicht nur eine Risikominimierung, son-dern auch ein besseres Verständnis undeine größere Wertschätzung der betrieb-lichen Altersvorsorge bei den Mitarbei-tern. Mit dem Sinken des Rentenniveausin der gesetzlichen Rentenversicherungauf unter 40 Prozent ist die betrieblicheAltersvorsorge wichtiger denn je. Zieldes Umbaus war es, den Mitarbeiterneine weiterhin attraktive betrieblicheAltersvorsorge zu gewähren, die in ihrerAusgestaltung und Wirkungsweise trans-parent ist.

DIE UMSETZUNG

Das neue Altersvorsorgesystem bei Lan-xess unterscheidet zwischen einer Basis-und einer Aufbauversorgung. Dabei sinddieselben Einkommensbestandteile wieim alten System beitragsfähig. Das Bei-tragsniveau ist sogar leicht gestiegen. Inder Basisversorgung fließen der obligato-rische Mitarbeiterbeitrag (2,0 Prozent desBruttogehalts) und der Arbeitgeberbei-trag (2,3 Prozent des Bruttogehalts) ineine kongruente Rückdeckungsversiche-rung, also in eine Versicherung, die exaktdie von Unternehmen versprochenenLeistungen abbildet. Aufgrund der abge-schlossenen Rückdeckungsversicherun-gen müssen keine ausweispflichtigen Net-torückstellungen gebildet werden, dieBilanz bleibt also unberührt. Der derzei-tige Garantiezins der Rückdeckungsver-sicherung liegt bei 0,9 Prozent. Das ist imderzeitigen Niedrigzinsumfeld ein or-

dentlicher Wert. Zudem werden Über-schüsse in Höhe der Differenz aus er-reichter Gesamtverzinsung und Garan-tiezins vollständig an die Mitarbeiterweitergegeben. Bei Renteneintritt bestehtdie Wahl zwischen einer monatlichenRente und einer einmaligen Kapitalaus-zahlung. In der freiwilligen Aufbauversorgung(ebenfalls in Form einer versicherungs-

gedeckten Direktzusage) haben Tarifmit-arbeiter bei Lanxess die Möglichkeit, aufAntrag eine arbeitgeberfinanzierte Grund-förderung von 613,55 Euro (Tarifentgelt-umwandlungsgrundbetrag plus Chemie-tarifförderung 1) zu erhalten. Außerdemkönnen Mitarbeiter eigene Beiträge ausdem Urlaubsgeld und der tariflichen Jah-resleistung umwandeln. Pro 100 Eurofreiwilligem arbeitnehmerfinanziertem

Beitrag bis vier Prozent der Beitragsbemes-sungsgrenze legt das Unternehmen 13Euro obendrauf (Chemietarifförderung2). Leitende Mitarbeiter und leitende An-gestellte haben die Möglichkeit, in einemersten Schritt ein bis acht Prozent ihrespensionsfähigen Einkommens über derBeitragsbemessungsgrenze umzuwan-deln. In diesem Fall gibt der Arbeitgeberdas Anderthalbfache dazu, maximal also

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017

DAS NEUE ALTERSVORSORGESYSTEM BEI LANXESS ABBILDUNG

Das neue Altersvorsorgesystem unterscheidet zwischen einer Basis- und einer Aufbauversorgung. Dabei sind dieselben Einkommensbestandteile wie im alten System beitragsfähig.

BEST PRACTICE LANXESS

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29Guide 2018

zwölf Prozent. Zusätzlich können ineinem zweiten Schritt mindestens 500Euro und maximal 20 Prozent des Funk-tionseinkommens ohne zusätzliche För-derung durch Lanxess umgewandelt wer-den. Für die Aufbauversorgung wird vomVersicherer kein Garantiezins gewährt.Das wirkt sich positiv auf die Renditeer-wartung aus. Die bestehenden Versorgungszusagen inder Grundversorgung und Zusatzversor-gung von Mitarbeitern, die vor dem 1.Januar 2017 bei Lanxess eingetreten sind,bleiben unverändert. Auch bestehendeVersorgungsansprüche aus der reinenEntgeltumwandlung für die Vergangen-heit und für das Jahr 2017 ändern sichnicht. Künftige Versorgungsansprücheaus der reinen Entgeltumwandlung wer-den ab 2018 für alle Mitarbeiter inDeutschland einheitlich auf das neueSystem umgestellt.

SPORTLICHER ZEITPLAN

Der Zeitplan für die Umsetzung des neuen Systems war knapp. Innerhalbvon neun Monaten erarbeitete eine Pro-jektgruppe die Entscheidungsgrundlage

für den Vorstand. Sobald die Grundsatz-entscheidung zur Neuausrichtung ge-fallen war, wurden gemeinsam mit derArbeitnehmervertretung die Rahmen-bedingungen konzipiert, die Rechts-grundlagen erstellt und eine Kommuni-kationsstrategie entwickelt. Dabei halfenklare unternehmensinterne Gestaltungs-richtlinien, den Entscheidungsraum ab-zustecken. Eine enge Abstimmung mitVorstand und Betriebsrat beschleunigtezudem die Entscheidungsfindung er-heblich. Es zeigt sich auch, dass es wich-tig ist, die Gesprächsgruppen nicht zugroß werden zu lassen, um handlungs-fähig zu bleiben. Ebenso essenziell ist es,Wahlmöglichkeiten vorzusehen, die Aus-wahl aber auf wesentliche Aspekte (etwadie Auszahlungsoptionen) zu konzentrie-ren, um die systembedingt komplexeThematik betriebliche Altersvorsorgenicht unnötig zu verkomplizieren.Kommuniziert wurde das neue Systemauf mehreren Ebenen. Die Schulung derMitarbeiter aus dem Human-Resources-Management war entscheidend für denErfolg. Darüber hinaus wurde ein Infor-mationsschreiben versendet, in dem dieKernelemente der Umgestaltung be-

schrieben wurden. Im Intranet des Kon-zerns steht zudem ein Rechner, mit demMitarbeiter ihre zu erwartenden Leis-tungen ermitteln können.

MAßGESCHNEIDERTE LÖSUNG

Mit der rückgedeckten Finanzierung derbetrieblichen Altersvorsorge hat Lan-xess einen eher traditionellen Grund-ansatz gewählt. Dieser wurde aber imDetail modern ausgestaltet, auf die Be-dürfnisse des Unternehmens maßge-schneidert und an den Wünschen derMitarbeiter ausgerichtet. Dabei standenbei den Mitarbeitern vor allem zwei Fra-gen im Raum: „Ist das System sicher?“und „Was kommt als Altersvorsorge he-raus?“. Diese berechtigten Fragen beto-nen deutlich die Relevanz eines ver-ständlichen und transparenten Ansatzes,für welchen Weg auch immer man sichentscheidet. Die Mitarbeiter vertrauender neugestalteten betrieblichen Alters-vorsorge, denn die Beteiligungsquotebei der freiwilligen Aufbauversorgungist im Vergleich zum alten System na-hezu gleich geblieben.

Der längerfristige Erfolg der neugestal-teten betrieblichen Altersvorsorge beiLanxess und die Zufriedenheit der Mit-arbeiter werden sich im Laufe der nächs-ten Jahre zeigen. Eine Erwartung hatsich aber bereits bewahrheitet: Was ver-gleichsweise unkompliziert und gut ver-mittelbar ist, lässt sich auch adminis-trativ gut umsetzen. Das Motto „Keepit simple or as simple as possible“ hatsich also ausgezahlt.

Stephan Wildner, Director Retirement, Willis Towers Watson,Reutlingen, [email protected]

Thorsten Linnmann, HR Total Rewards & Executive Management– Global Pensions, LANXESS, Köln, [email protected]

AUTOREN

UNTERNEHMEN INFO

Lanxess entstand durch eine Abspaltung von Bayer und ist seit Januar 2005 ein eigenständi-ger, börsennotierter Konzern, der 2016 einen Umsatz von 7,7 Milliarden Euro erzielte und ak-tuell rund 19 200 Mitarbeiter in 25 Ländern beschäftigt. Das Unternehmen ist derzeit an 74Produktionsstandorten weltweit präsent. Das Kerngeschäft bilden Entwicklung, Herstellungund Vertrieb von chemischen Zwischenprodukten, Additiven, Spezialchemikalien und Kunst-stoffen. Das Unternehmen ist Mitglied in den führenden Nachhaltigkeitsindizes Dow Jones Su-stainability Index (DJSI World und Europe) und FTSE4Good.

LESSONS LEARNED INFO

• Neun Monate von der Konzeption bis zur Unterzeichnung sind knapp, aber machbar.

• Wahlmöglichkeiten sollten sich auf wesentliche Aspekte (etwa die Auszahlungsoptionen)konzentrieren, um unnötige Komplexität zu vermeiden.

• Folgende Kernfragen standen bei den Mitarbeitern im Raum: „Ist das System sicher?“ und„Was kommt als Altersvorsorge heraus?“

• Eine frühzeitige inhaltliche Einbindung der Arbeitnehmervertreter und der Mitarbeiter vonHuman Resources entpuppte sich als wesentlich für den Erfolg des Umgestaltungsprojektes.

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30 Guide 2018

ir haben 35 Mitarbei-ter. Bisher hatten nurfünf von ihnen einebAV“, berichtet PamelaSchmidt, geschäftsfüh-rende Gesellschafterinbei der Braun Aufzüge

GmbH & Co. KG. Braun ist kein Einzel-fall – trotz staatlicher Förderung bleibenviele Arbeiter und Angestellte beim Auf-bau einer betrieblichen Altersversorgung(bAV) außen vor. Dabei tut Vorsorge drin-gend not: Das Niveau der gesetzlichen

Rentenversicherung wird nach Angabender Bundesregierung von 55,1 Prozentdes durchschnittlichen Jahreseinkom-mens im Jahr 1990 bis auf 44,5 Prozentim Jahr 2030 sinken – bei 45 Versiche-rungsjahren und vor Steuern. Die gesetz-liche Rente sichert damit nicht einmalmehr den Lebensstandard.Mit einem neuen Konzept will HDI diesändern: „bAV Plus Cashback“ ermöglichtArbeitnehmern den Aufbau einer betrieb-lichen Altersversorgung ohne spürbarenKonsumverzicht. Arbeitgeber wie Braun

erhalten wiederum ein zusätz-liches Instrument, um Mitarbeiter zu ge-winnen und langfristig an sich zu bin-den. Grund genug für den Aufzugher-steller, das Konzept im August 2017einzuführen.

MITARBEITERBINDUNG PER KREDITKARTE

Kern des Konzepts ist eine Prepaid-Kre-ditkarte für Arbeitnehmer. Diese lädt derChef jeden Monat mit einem fixen Be-

trag auf, den der Mitarbeiter für Einkäufeseiner Wahl ausgeben kann. In der Ge-haltsabrechnung wird dieser Betrag alssteuer- und sozialabgabenfreier Sachbe-zug erfasst. Der Mitarbeiter kann im Ide-alfall den größten Teil der Aufwendun-gen für seine bAV kompensieren. DerArbeitgeber finanziert die Gutschrift teil-weise durch die Lohnnebenkosten, die ereinspart, weil die bAV-Beiträge seines Mit-arbeiters auch für ihn innerhalb gesetz-licher Grenzen sozialabgabenfrei sind.Pamela Schmidt von Braun Aufzüge: „Die

BEST PRACTICE BRAUN AUFZÜGE

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Bei vielen Beschäftigten führt die betriebliche Altersvorsorge zuspürbarem Konsumverzicht. Die Folge: Nur wenige entscheiden sich für eine bAV. Konzepte, die die staatliche Förderung maximieren,können das ändern, wie das Beispiel eines Aufzugherstellers aus dem hessischen Zierenberg zeigt.

MITARBEITERNETWAS GUTES TUN

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31Guide 2018

Prepaid-Kreditkarte ist mir sofort ins Augegefallen, als unser HDI-Berater das Kon-zept Cashback vorgestellt hat. Immer,wenn einer unserer Mitarbeiter mit die-ser Karte bezahlt, wird er daran erinnert,dass wir als Arbeitgeber ihm etwas Gutestun. Cashback fördert die Identifikationmit dem Unternehmen und stärkt dieMitarbeiterbindung. Das hat mich über-zeugt.“Zusätzliche Anreize schafft der Arbeitge-berzuschuss, der im neuen Betriebsren-tenstärkungsgesetz (BRSG) verankert ist.Chefs müssen ab 2019 neue bAV-Ver-träge ihrer Mitarbeiter mit 15 Prozentbezuschussen. Bei bestehenden bAV-Ver-trägen gilt das ab 2022. Für Arbeitneh-mer macht das das neue HDI-Modell zu-sätzlich attraktiv. Denn mit minimalemEffektivaufwand erreichen sie künftigeinen noch höheren monatlichen Spar-beitrag. Arbeitgeber können das Konzeptnutzen, um neue Mitarbeiter zu akqui-rieren und erfahrene Fachkräfte zu bin-den. Zwei gute Gründe, die künftigenAnforderungen des BRSG schon heuteumzusetzen, obwohl sie erst später ver-pflichtend werden. Ein weiterer Vorteil:Die Versorgungsordnung des Unterneh-mens kann heute schon zukunftsfest ge-staltet werden. Der Arbeitgeber muss siespäter nicht mehr an die neue Rechtslageanpassen.

SPAREFFEKT FÜR BEIDE SEITEN

Ein Beispiel, wie das Konzept nach neuerRechtslage umgesetzt werden kann: Einlediger Mitarbeiter ohne Kinder, der mo-natlich knapp 2800 Euro brutto ver-dient, schließt eine Direktversicherung

ab. Jeden Monat fließen 115 Euro inden Vertrag. Dafür wandelt er 100 Euroaus seinem Bruttogehalt um, weitere 15Euro legt der Chef als Arbeitgeberzu-schuss obendrauf. Weil die Entgeltum-wandlung für den Mitarbeiter steuer-und sozialabgabenfrei ist, zahlt er nettonur rund 50 Euro. Im Gegenzug lädt derArbeitgeber die Prepaid-Kreditkarte desMitarbeiters monatlich mit 40 Euro auf.So kostet die Direktversicherung den Ar-beitnehmer unter dem Strich nur nochzehn Euro. Der Arbeitgeber spart durchdie bAV seines Mitarbeiters in diesem Bei-spiel jeden Monat 19 Euro Lohnneben-kosten. Weiterhin kann er die 40 Euroals Sachkosten steuerlich geltend ma-chen und 15 Euro Arbeitgeberzuschussals Betriebsausgabenabzug realisieren.Damit reduziert sich der Nettoaufwandbeim Arbeitgeber auf bis zu 25 Euro proMonat.Die Prepaid-Kreditkarte bietet dem Ar-beitnehmer maximale Flexibilität, denner kann sie – anders als beispielsweiseTank- oder Essensgutscheine – an welt-weit rund 36 Millionen Akzeptanzstellengebührenfrei einsetzen. Lediglich Bar-geld abheben oder Überweisungen täti-gen ist nicht erlaubt, um steuerrechtlichden Charakter des Sachbezugs sicherzu-stellen. Für den Arbeitgeber wiederumist die Kreditkarte kostengünstig, flexibelund online zu verwalten.Das Cashback-bAV-Modell kann ab einemEntgeltumwandlungsbetrag von 100 Euround höchstens vier Prozent der Beitrags-bemessungsgrenze West (2017: 254 Euro)monatlich angeboten werden. Das Gut-haben auf der Prepaid-Kreditkarte ist aufmaximal 40 Euro im Monat beschränkt.

Um das Arbeitgeberimage zu fördern,wird die Karte werbewirksam mit demFirmenlogo des Arbeitgebers bedruckt.

BAV-QUOTE VON 15 AUF70 PROZENT GESTEIGERT

Eine solche Kreditkarte besitzen in-zwischen auch 25 Mitarbeiter von BraunAufzüge. „Die bAV-Durchdringungsquoteist bei uns von knapp 15 auf 70 Prozent gestiegen“, freut sich GeschäftsführerinPamela Schmidt und ergänzt: „Die weni-gen zuvor schon bestehenden Direktver-sicherungen konnten integriert werden.Deshalb nutzt jeder bei Braun, der eine bAVhat, gleichzeitig das neue Cashback-Mo-dell.“Auch beim Recruiting punktet Braun mitdem Konzept, wie Schmidt berichtet: „Wirspüren den Fachkräftemangel deutlich.Ein typischer Beruf bei uns ist der Service-techniker. Das sind Mitarbeiter, die Braun-Aufzüge montieren, in Betrieb nehmen,warten und bei Bedarf auch reparieren.Viele von ihnen sind gelernte Elektrikeroder Mechatroniker. Solche Fachleute vomMarkt zu rekrutieren, ist nicht leicht. Des-halb erwähnen wir Cashback in jedemVorstellungsgespräch. Den positiven Effekt

für die Marke und das Arbeitgeberimagebekommen wir sozusagen geschenkt.“Der Aufbau einer zusätzlichen Altersvor-sorge ist heute wichtiger denn je. Unter-nehmen, die dabei neue Wege gehen, pro-fitieren ebenfalls. Häufig wird die Verbreitung der bAV im Unternehmen vergrößert. DieHDI Lebensversicherung begleitet die Ein-richtung des Konzepts von A bis Z. Für dieanschließende Verwaltung der HDI Direkt-versicherungen wird auf Wunsch zusätz-lich ein kostenfreies Online-Portal zur Ver-fügung gestellt. Pamela Schmidt von BraunAufzüge resümiert: „Das Konzept war innerhalb von etwa zwei Monaten ein-gerichtet. HDI hat uns umfassend begleitet,sodass wir als Arbeitgeber letztlich über-haupt keinen administrativen Aufwand hat-ten. Uns entstehen kaum zusätzliche Kos-ten. Das heißt: Mit Cashback können wirunseren Mitarbeitern quasi zum Nulltarifetwas Gutes tun.“

UNTERNEHMEN INFO

Die Braun Aufzüge GmbH & Co. KG mit Sitz in Zierenberg bei Kassel ist ein inhabergeführtes,mittelständisches Familienunternehmen in zweiter Generation. 35 Mitarbeiter planen, produzieren, montieren und modernisieren deutschlandweit Aufzugsanlagen, die sie darüberhinaus auch instand halten. Braun ist seit mehr als 30 Jahren am Markt und hat sich, nebenStandardlösungen, auf individuelle Aufzugsanlagen mit gehobenen technischen und optischenAnsprüchen spezialisiert.

Sandra Spiecker, Expertin für be-triebliche Altersversorgung, HDI Lebensversicherung AG, Köln,[email protected]

AUTORIN

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32 Guide 2018

ie Voit Automotive Gruppehat in den letzten Jahreneinen starken Wandlungs-prozess durchlaufen. Umihr verändertes Selbst- undLeitbild dahingehend klarzu definieren, was das Un-

ternehmen stark, erfolgreich und attraktiv macht und somit auf den

Märkten der Zukunft gut aufstellt, erar-beiteten seine Mitarbeiter eine neue Leitvision zu den essenziellen ThemenUnternehmenszweck, Geschichte, Tech-nologie, Märkte, Kunden, Umwelt, sozialeVerantwortung und Mitarbeiter. Dabeiwill das Unternehmen in jedem dieserBereiche – statt reiner Lippenbekennt-nisse – Taten sprechen lassen.

Aus dieser Perspektive war es nur fol-gerichtig, beim Thema betriebliche Al-tersversorgung 2017 einen eigenenWeg zu gehen – insbesondere auch imHinblick auf die aktuelle Gesetzesent-wicklung im Rahmen des Betriebsren-tenstärkungsgesetzes. Genau der rich-tige Zeitpunkt, um den Mitarbeiternund dem Unternehmen eine verläss-

liche, transparente und zukunftsfä-hige Lösung zu bieten. Das Ergebnis istdie Voit-Zukunftsvorsorge. Diese Al-tersvorsorge, hausintern auch „Voit-Sparbuch“ genannt, garantiert denMitarbeitern eine weit über dem der-zeitigen Marktniveau angesiedelte Ver-zinsung bei absoluter Flexibilität bei derEinzahlung.

BEST PRACTICE VOIT AUTOMOTIVE

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Auf die Instrumente des Kapitalmarkts verzichten und trotzdem eine garantierte Verzinsung bei der Altersvorsorge zusichern?Wie das funktioniert, macht ein Familienunternehmen im Saarland vor.

DEN EIGENEN WEGGEHEN

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33Guide 2018

FLEXIBILITÄT UND SICHERHEIT

Bei der Umsetzung eines Betriebsren-tensystems kommt es auf eine guteZusammenarbeit mit dem Dienstleis-ter an. Im Vorfeld hat sich die Ge-schäftsführung intensiv über die un-terschiedlichen Durchführungswegeund ihre Vor- und Nachteile infor-miert sowie über Produktanbieter, ihreExpertise und Referenzen. Letztlichfiel die Entscheidung für das Betriebs-rentensystem von Auxilion, das ausUnternehmenssicht den MitarbeiternSicherheit und eine gute Rendite bie-tet, alles in allem eine sehr gute Zu-kunftsvorsorge. Wichtig war bei der Einführung derZukunftsvorsorge eine gute Vorberei-tung. Auxilion begleitete diesen Pro-zess schon in der Entscheidungsphase,von der Vorbereitung und Präsenta-tion betriebswirtschaftlicher Analysenbis zur Einbindung aller Beteiligten. Zu-nächst war es für die Geschäftsleitungwichtig, die wirtschaftlichen Auswir-kungen zu prüfen, da es sich bei einerbetrieblichen Altersversorgung um einlangfristiges Thema handelt, das kal-kulierbar und über Jahrzehnte be-herrschbar sein muss. Am Anfang wurde eine gründliche Ana-lyse erhoben, bei der insbesondere Risiken und Potenziale beleuchtet wur-den. Ebenso wurden Worst-Case-Sze-narien nicht ausgespart. Mittelständi-sche Betriebe können so anhand vonZahlen überprüfen, was sie später ihrenMitarbeitern anbieten. Nach einer po-sitiven Grundsatzentscheidung folgtenInformationsgespräche mit dem Be-

triebsrat und Führungskräften, die imUnternehmen eine Multiplikator-Funk-tion ausüben. Ziel dieser Vorgehens-weise ist es, dass sich möglichst vieleMitarbeiter im Vorfeld mit dem Systembeschäftigen, ohne dass ganze Abteilun-gen blockiert werden. Bei der anschlie-ßenden Einführung übernahm derDienstleister die Beratung jedes Mitar-beiters. Diese haben ein eigenes „Vor-sorgesparbuch“ im Layout des Unter-nehmens erhalten.Besonders das Thema Sicherheit warund ist ein Herzensanliegen für RolandMarx, langjähriger Betriebsratsvorsit-zender von Voit: „Die Diskussionen in-nerhalb des Betriebsrats waren zunächsteher kritisch, bis wir uns intensiver mitdem Modell auseinandergesetzt haben.Die Informationen waren überzeugend,sodass sich der Betriebsrat dann rechtschnell dazu entschieden hat, dass wirdiesen Weg mitgehen wollen. Es ist einevernünftige und sichere Vorsorge – ab-gesichert über den Pensions-Sicherungs-Verein – eine Sicherheit, die man nichtüberbieten kann.“

GARANTIERTE VERZINSUNG GESICHERT

Bei der Altersvorsorge von Auxilion in-vestieren Mitarbeiter einen flexibel fest-legbaren Teil ihres Bruttoeinkommensin die finanzielle Absicherung im Ru-hestand. Anders als bei den in der Ver-gangenheit genutzten Lösungen in derbetrieblichen Altersversorgung wird die-ses Geld nicht über Versicherungen ver-waltet, sondern dem Familienunterneh-men zur Verfügung gestellt. Der Zinssatz

wird dabei von den Unternehmen selbstfestgelegt und orientiert sich an derenFinanzstruktur und Unternehmensphi-losophie. Voit bietet seinen Mitarbei-tern beispielsweise eine garantierte Ver-zinsung von vier Prozent.

Bei einem Familienunternehmen wieVoit spielt zudem die Verantwortungden Mitarbeitern gegenüber eine großeRolle. Jeder mittelständische Betrieb,der dieses System nutzt, hat so dieMöglichkeit, ein maßgeschneidertes

UNTERNEHMEN INFO

Die Voit Automotive GmbH ist ein Systemlieferant für die Automobilindustrie. Das Unternehmen zählt zu den 20 größten Arbeitgebern im Saarland. Als international agierenderSystemlieferant für die Automobilindustrie beschäftigt der Unternehmensverbund am Hauptstandort St. Ingbert rund 1000 und weltweit an sechs Produktionsstätten mehr als 2000 Mitarbeiter. Das Technologieunternehmen mit Familientradition entwickelt und fertigthochpräzise kundenspezifische Aluminium-Druckgussteile für die Bereiche Triebwerk, Kraftstoffversorgung, Antriebsstrang, Abgassystem, Fahrwerk und Karosserie.

ELEMENTE DER VOIT-ZUKUNFTSVORSORGE INFO

• Garantierte Verzinsung von vier Prozent

• Absolute Flexibilität für die Mitarbeiter bei der Einzahlung

• Hohe Mitarbeiterakzeptanz und Stärkung der Arbeitgebermarke

• Zusätzliche Liquidität für die Unternehmensfinanzierung

HERAUSFORDERUNGEN INFO

• Alle Stakeholder einzubeziehen, ohne gleich ganze Abteilungen zu blockieren.Nach der positiven Grundsatzentscheidung agierten Betriebsrat und Führungskräfte als Multiplikatoren.

• Anfängliche Skepsis in Bezug auf zusätzlichen Aufwand in der Personal- und Lohnbuchhaltung. Durch persönliche Betreuung und intelligente EDV wurden die Bedenken der Mitarbeiter aus diesen Bereichen aufgefangen.

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34 Guide 2018

bAV-System mit eigenen Spielregeln zuentwickeln. Das Identifikationspoten-zial ist durch die Vermarktung im Cor-porate Design des Unternehmens im-mens. Auf diesem Weg wird auch dieArbeitgebermarke nachhaltig gestärkt. Die Voit-Zukunftsvorsorge wird beiEinstellungsgesprächen und Interviewselementarer Bestandteil sein, da sichdas Unternehmen im Vergleich zu an-deren Arbeitgebern der Region unter-scheidet. Damit steigen die Chancen,neues Personal und hochqualifizierte

Mitarbeiter für das Haus zu gewinnen.Das unternehmensspezifische Vorsor-gesystem ist somit ein sehr wichtigerBestandteil im Employer Branding undzeigt seine Wirkung nach außen undnach innen. In Zeiten zunehmendenFachkräftemangels und im War for Ta-lents, also im Wettbewerb, talentiertejunge Menschen für ein Unternehmenzu begeistern, zeigt die eigene Zukunfts-vorsorge Voit als attraktiven und sehrverantwortungsvollen Arbeitgeber.

BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHER NUTZEN

Voit kommt damit aber nicht nur sei-nem gesetzlichen Anspruch auf einebetriebliche Altersvorsorge nach, son-dern verbessert gleichzeitig seine ei-gene langfristige Finanzsituation, dadas Kapital im Unternehmen verbleibt.Mit den zusätzlichen Mitteln könnenKredite abgelöst, neue Produkte entwi-ckelt oder Expansionschancen genutztwerden. Ebenso ist es möglich, die Li-quidität in Krisenzeiten zu nutzen, umdie Resilienz der Firma durch eine ver-besserte Kapitalsituation zu stärken.Das Betriebsrentensystem von Auxi-lion verzichtet ganz bewusst auf die In-strumentarien und Prognosen der glo-balen Finanzindustrie. Stattdessengarantiert das Auxilion-System den Ar-beitnehmern eine feste Verzinsung. Ver-sicherungstypische Kosten wie Provisio-nen und Verwaltungsgebühren fallenfür Mitarbeiter nicht an. Alle über dieLaufzeit eingezahlten Beträge und Zin-sen sind über den Pensions-Sicherungs-Verein insolvenzgeschützt.

HOHE BETEILIGUNGSQUOTE

Mit der Voit-Zukunftsvorsorge kanndas Unternehmen als attraktiver undsehr verantwortungsvoller Arbeitgeberauftreten. Die hohe Beteiligungsquotespricht für sich.Rund 70 Prozent der beratenen Mitar-beiter nutzen das System schon kurznach der Einführung im April 2017.Dazu trägt neben der unternehmensin-dividuellen Vermarktung vor allem auchdie umfassende Beratung der Mitarbei-

ter bei. Auch nach der Umsetzung fin-den im Rahmen der dauerhaften Be-treuung regelmäßige Beratungstage fürneue Mitarbeiter statt. Erfahrungsge-mäß erhöht sich dadurch die Beteili-gungsquote stetig.Die Entscheidung für den eigenen Wegfiel nicht nur, weil das Unternehmenseine Verantwortung gegenüber seinenMitarbeiter ernst nimmt. Durch dieVoit-Zukunftsvorsorge entsteht auchein gewisser Liquiditätszufluss für dieZukunft, der die Bankenabhängigkeitetwas verringert und Spielraum lässt, umam Markt besser reagieren zu können.

Joachim Bangert, Vorstand, auxilion AG, Heppenheim,[email protected]

Alexander Wörner, Personalleiter, VOIT-Gruppe, St. Ingbert,[email protected]

AUTOREN

SPAREN MIT SYSTEM ABBILDUNG

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TRENDSBEST PRACTICE VOIT AUTOMOTIVE

Die Beträge des Arbeitnehmers und die Garantieverzinsung des Arbeitgebers sind über denPensions-Sicherungs-Verein abgesichert.

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51Guide 2018

IMPRESSUMBAV GUIDE 2018

VERLAG UND REDAKTIONWolters Kluwer Deutschland GmbH, Luxemburger Straße 449, 50939 Köln, Tel.: 0221/94373-7311, Fax: 0221/94373-7292, E-Mail: [email protected], www.personalwirtschaft.de

HERAUSGEBER: Jürgen Scholl, Erwin Stickling

CHEFREDAKTEUR: Cliff Lehnen

REDAKTION: Christiane Siemann (Projektleitung), Erwin Stickling, Sarah Dornwald

ANZEIGENKarin Kamphausen (Verkaufsleitung), Tel.: 0221/94373-7324, E-Mail: [email protected] Dany (Anzeigendisposition), Tel.: 0221/94373-7425, Denise Fei (Anzeigendisposition),Tel.: 0221/94373-7323, E-Mail: anzeigen-personalwirtschaft@ wolterskluwer.com

HERSTELLUNG: Nicole Holubicka

GESTALTUNG: www.auhage-schwarz.de

BILDNACHWEIS: i-stock/gettyimages

TITELFOTO: i-stock/gettyimages

ISSN: 0341-4698

DRUCKEREI: Williams Lea & Tag GmbH, München

COPYRIGHT: Luchterhand, eine Marke der Wolters KluwerDeutschland GmbH.

© 2018 Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln.Mit Namen gekennzeichnete Beiträge stellen nicht unbedingtdie Meinung der Redaktion oder des Verlages dar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte übernehmen wir keine

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WOLTERS KLUWER DEUTSCHLAND GMBHSitz der Gesellschaft: Luxemburger Straße 449, 50939 KölnTelefon +49 (0) 221 94373-7000, Fax +49 (0) 221 94373-7201, E-Mail: [email protected]äftsführer: Martina Bruder, Michael Gloss, ChristianLindemann, Adrianus Gerardus Verhoef, Ralph Vonderstein,Stephanie WalterHandelsregister beim Amtsgericht Köln: HRB 58843Umsatzsteuer-ID-Nummer: DE 188836808Zur außergerichtlichen Beilegung von verbraucherrechtli-chen Streitigkeiten hat die Europäische Union eine Online-Plattform („OS-Plattform“) eingerichtet, die Sie unterec.europa.eu/consumers/odr/ erreichen.

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