GALLER - Wenn der Regenwurm zur Plage wird - Bauernjournal 3 2015

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BAUERNJOURNAL GRÜNLAND IV AUSGABE 3/2015 Regenwürmer sind nützlich und fördern die Bodenfruchtbarkeit. Aber selbst beim Regenwurm gilt, dass die Dosis entscheidend ist. Speziell der eingeschleppte Schwarzkopfwurm ist gebietsweise zur Plage geworden. Wie man Regenwürmer fördern, aber auch bei Bedarf wieder zurückdrängen kann, schildert folgender Beitrag. DIPL.-HLFL-ING. JOSEF GALLER Im Grünland leben je Hekt- ar bis zu 4 Mill. Würmer, das sind bis zu 400 Würmer pro Quadratmeter. Regenwürmer sind Zwitter, werden zwei bis acht Jahre alt und paaren sich vorrangig im Frühjahr. Sie werden frühestens mit sechs Monaten geschlechtsreif, was an der Ausbildung der Gürtel- manschette erkennbar ist, wo auch die Kokons mit den Eiern gebildet werden. 8 GVE Würmer je Hektar Grünlandböden enthalten nor- malerweise 2.000 bis 4.000 kg Regenwürmer pro Hekt- ar (Ackerböden nur etwa die Hälfte), was umgerechnet bis zu acht Großvieheinheiten (Ba- sis 500 kg LG) bedeutet. Regen- wurmkot fördert die Dauerhu- musbildung. Sie ernähren sich von abgestorbenen Pflanzen- teilen, Ernterückständen, ver- rottetem Stallmist, Zwischen- begrünungen und humusrei- cher Erde. Zu tief untergepflügtes Pflan- zenmaterial verfault hingegen wegen Sauerstoffmangel ins- besondere bei verdichteten Böden. Die Regenwurmröh- ren bewirken eine gute Durch- lüftung des Bodens, wodurch auch der Grobporenanteil er- höht wird. Regenwürmer sind auch an der Bildung stabiler Bodenkrümel beteiligt. Sie können aber zu tief un- tergepflügte, d. h. vergrabene Pflanzenreste, nicht mehr ver- dauen, wodurch es dann zur Matratzenbildung kommen kann. Arten von Regenwürmern Bei uns können bis zu 30 ver- schiedene Regenwurmarten vorkommen, die vereinfacht in drei große Gruppen, nämlich Streubewohner, Flachgräber und Tiefgräber, unterteilt wer- den. In der obersten Streuschicht leben vor allem im Grünland und in den Waldböden die „Streubewohner“ wie der Rot- bzw. Braunwurm, auch als Laubfresser bekannt. Sie ver- hindern durch den Abbau von Streu- und Mulchschichten die Bildung einer verstärkten Rohhumusauflage. Die „Flachgräber“ wie der Klei- ne Wiesenwurm oder auch der Große Ackerwurm kommen in humosen Mineralböden vor- rangig in einer Tiefe von 40 cm vor. Sie graben horizontale Gänge. „Tiefgräber“ wie der Tauwurm oder der gebietsweise zur Plage gewordene Schwarzkopfwurm können hingegen vertikal bis in eine Tiefe von 1 bis 3 m vor- dringen. Auch der Große Wie- senwurm zählt zu den Tiefgrä- bern. Sie können verdichtete Bodenschichten durchbohren und lockern und den Regenab- fluss wieder verbessern. Tiefgräber breiten sich aus Der Schwarzkopfwurm (Ni- codrilus nocturnus) kommt wie der Tauwurm (Lumbricus ter- restris), auch als Aalwurm oder Gemeiner Regenwurm bekannt, als Tiefgräber bevorzugt auf Lehmböden vor. Regenwürmer haben weder Augen noch Oh- ren, sind sehr lichtempfindlich und reagieren auf jede Erschüt- terung des Erdbodens. Sie sind daher auf Dauerweiden deut- lich weniger vertreten als auf Wiesen. Ihre Schleimhaut er- leichtert den Regenwürmern das Kriechen am Boden und schützt auch ihre empfindliche Haut vor Austrocknung. Der wertvolle Tauwurm kann bis zu 25 cm lang werden, ist am vorderen Kopfteil rotbraun und hat am Ende des vorderen Körperdrittels eine verdickte, hell gefärbte Halsmanschet- te, während der hintere Teil schwächer pigmentiert ist und heller erscheint. Der Schwarz- kopfwurm ist etwas dünner, vorne am Kopf schwarz und ab dem Gürtel graubraun gefärbt (siehe Fotos). Speziell der problematische Schwarzkopfwurm, der über Wurzelballen von Ziersträu- chern eingeschleppt wurde, produziert viel Kot und beför- dert 8 bis 10 cm hohe Kothäuf- chen an die Erdoberfläche. Da- durch wird die Bewirtschaf- tung schwierig bis unmöglich, weil der Boden weich und glit- schig wird. Es entstehen ver- stärkt Trittschäden und Fahr- spuren und ein Befahren am Hang ist wegen der Abrutsch- gefahr gefährlich. Hauptaktivitätszeit Die größte Aktivität haben Tiefgräber im Frühjahr und Herbst. Sie kommen speziell nach längeren Regenperio- den an die Oberfläche, wenn die Gänge und Röhren über- flutet werden. Die klebrigen Kothäufchen an der Boden- oberfläche bleiben nicht nur an Schuhen und Traktorreifen kleben, sondern führen auch bei der Ernte zu einer enormen Futterverschmutzung, was zu hohen Buttersäuregehalten in Grassilagen und nicht zuletzt auch zu massiven Euterent- zündungen führen kann. Der Starke Grünlandverschmutzung durch den Regenwurmkot Fotos: Galler SCHWARZKOPFWURM GEFäHRDET DAS GRüNLAND Wenn der Regenwurm zur Plage wird Regenwurmkot

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Bauernjournal grünlandIV Au s g A b e 3/2015

Regenwürmer sind nützlich und fördern die Bodenfruchtbarkeit. Aber selbst beim Regenwurm gilt, dass die Dosis entscheidend ist. Speziell der eingeschleppte Schwarzkopfwurm ist gebietsweise zur Plage geworden. Wie man Regenwürmer fördern, aber auch bei Bedarf wieder zurückdrängen kann, schildert folgender Beitrag.

Dipl.-Hlfl-ing. josef galler

Im Grünland leben je Hekt-ar bis zu 4 Mill. Würmer, das sind bis zu 400 Würmer pro Quadratmeter. Regenwürmer sind Zwitter, werden zwei bis acht Jahre alt und paaren sich vorrangig im Frühjahr. Sie werden frühestens mit sechs Monaten geschlechtsreif, was an der Ausbildung der Gürtel-manschette erkennbar ist, wo auch die Kokons mit den Eiern gebildet werden.

8 GVE Würmer je HektarGrünlandböden enthalten nor-malerweise 2.000 bis 4.000 kg Regenwürmer pro Hekt-ar (Ackerböden nur etwa die Hälfte), was umgerechnet bis zu acht Großvieheinheiten (Ba-sis 500 kg LG) bedeutet. Regen-wurmkot fördert die Dauerhu-musbildung. Sie ernähren sich von abgestorbenen Pflanzen-teilen, Ernterückständen, ver-rottetem Stallmist, Zwischen-begrünungen und humusrei-cher Erde. Zu tief untergepflügtes Pflan-zenmaterial verfault hingegen wegen Sauerstoffmangel ins-besondere bei verdichteten

Böden. Die Regenwurmröh-ren bewirken eine gute Durch-lüftung des Bodens, wodurch auch der Grobporenanteil er-höht wird. Regenwürmer sind auch an der Bildung stabiler Bodenkrümel beteiligt.Sie können aber zu tief un-tergepflügte, d. h. vergrabene Pflanzenreste, nicht mehr ver-dauen, wodurch es dann zur Matratzenbildung kommen kann.

Arten von RegenwürmernBei uns können bis zu 30 ver-schiedene Regenwurmarten vorkommen, die vereinfacht in drei große Gruppen, nämlich Streubewohner, Flachgräber und Tiefgräber, unterteilt wer-den. In der obersten Streuschicht leben vor allem im Grünland und in den Waldböden die „Streubewohner“ wie der Rot- bzw. Braunwurm, auch als Laubfresser bekannt. Sie ver-hindern durch den Abbau von Streu- und Mulchschichten die Bildung einer verstärkten Rohhumusauflage. Die „Flachgräber“ wie der Klei-ne Wiesenwurm oder auch der Große Ackerwurm kommen in humosen Mineralböden vor-rangig in einer Tiefe von 40 cm vor. Sie graben horizontale Gänge.

„Tiefgräber“ wie der Tauwurm oder der gebietsweise zur Plage gewordene Schwarzkopfwurm können hingegen vertikal bis in eine Tiefe von 1 bis 3 m vor-dringen. Auch der Große Wie-senwurm zählt zu den Tiefgrä-bern. Sie können verdichtete Bodenschichten durchbohren und lockern und den Regenab-fluss wieder verbessern.

Tiefgräber breiten sich ausDer Schwarzkopfwurm (Ni-codrilus nocturnus) kommt wie der Tauwurm (Lumbricus ter-restris), auch als Aalwurm oder Gemeiner Regenwurm bekannt, als Tiefgräber bevorzugt auf Lehmböden vor. Regenwürmer haben weder Augen noch Oh-ren, sind sehr lichtempfindlich und reagieren auf jede Erschüt-terung des Erdbodens. Sie sind daher auf Dauerweiden deut-lich weniger vertreten als auf Wiesen. Ihre Schleimhaut er-leichtert den Regenwürmern das Kriechen am Boden und schützt auch ihre empfindliche Haut vor Austrocknung. Der wertvolle Tauwurm kann bis zu 25 cm lang werden, ist am vorderen Kopfteil rotbraun und hat am Ende des vorderen Körperdrittels eine verdickte, hell gefärbte Halsmanschet-te, während der hintere Teil schwächer pigmentiert ist und

heller erscheint. Der Schwarz-kopfwurm ist etwas dünner, vorne am Kopf schwarz und ab dem Gürtel graubraun gefärbt (siehe Fotos).Speziell der problematische Schwarzkopfwurm, der über Wurzelballen von Ziersträu-chern eingeschleppt wurde, produziert viel Kot und beför-dert 8 bis 10 cm hohe Kothäuf-chen an die Erdoberfläche. Da-durch wird die Bewirtschaf-tung schwierig bis unmöglich, weil der Boden weich und glit-schig wird. Es entstehen ver-stärkt Trittschäden und Fahr-spuren und ein Befahren am Hang ist wegen der Abrutsch-gefahr gefährlich.

HauptaktivitätszeitDie größte Aktivität haben Tiefgräber im Frühjahr und Herbst. Sie kommen speziell nach längeren Regenperio-den an die Oberfläche, wenn die Gänge und Röhren über-flutet werden. Die klebrigen Kothäufchen an der Boden-oberfläche bleiben nicht nur an Schuhen und Traktorreifen kleben, sondern führen auch bei der Ernte zu einer enormen Futterverschmutzung, was zu hohen Buttersäuregehalten in Grassilagen und nicht zuletzt auch zu massiven Euterent-zündungen führen kann. Der

Starke Grünlandverschmutzung durch den Regenwurmkot Fotos: Galler

SChwarzkopfwurm Gefährdet daS Grünland

Wenn der Regenwurm zur Plage wird

regenwurmkot

Grünland BauernjournalAu s g A b e 3/2015 V

Einsatz eines Mähaufbereiters ist nicht mehr möglich. Auch der Rohaschegehalt im Futter steigt stark an und dement-sprechend sinkt der Energie-gehalt. Wenn es trocken und warm ist, ziehen sich die Regenwürmer in tiefere Bodenschichten zu-rück und machen einen Som-merschlaf, da sie sehr emp-findlich auf direkte Sonnen-einstrahlung und Hitze reagie-ren. Im Herbst, wenn es kühler und feuchter wird, wachen sie wieder auf und kommen spezi-ell nach Regen an die Oberflä-che. Auch im Winter können sie bei frostfreien Tagen wieder aktiv werden.Damit über die Haut ein Sauer-stoff-Gasaustausch stattfinden kann, muss die Haut ausrei-chend Feuchtigkeit aufweisen, weshalb sich Regenwürmer vor allem in feuchten Boden-schichten oder auf taufeuch-ten Oberflächen aufhalten. Ihr Körper wird von einem Feuch-tigkeitsfilm umgeben, wo auch der Sauerstoff für die Atmung gelöst wird und dann schließ-lich ins Blut wandert.

Regenwürmer verdrängenFlachgründige oder sandig-schottrige Böden hemmen die Regenwürmer, da sie aufgrund ihrer feuchtigkeitsliebenden Schleimhaut empfindlich auf Austrocknung sowie auf Säu-ren oder auf Ammoniak re-agieren. Die Düngung sowohl mit schwefelsaurem Ammoni-ak als auch mit unverdünnter Dickgülle kann die Würmer infolge von Ammoniakabga-sung schädigen und vertrei-

ben, sofern sie sich an der Bo-denoberfläche befinden. Beim Verdünnen der Gülle mit Was-ser auf 1:1 wird hingegen das leicht flüchtige Ammoniak zu Ammoniumlauge (Ammoni-umhydroid) gebunden und damit wieder neutralisiert.

BodenbearbeitungJede Bodenbearbeitung schä-digt die Regenwürmer. Eine Bodenbearbeitung sollte nor-malerweise nur auf tragfähi-gen und abgetrockneten Bö-den erfolgen, wo sich die Würmer wieder in tieferen Schichten befinden. Intensive Bodenbearbeitung, insbeson-dere der Einsatz einer Fräse, sollte in den regenwurmakti-ven Zeiten (März/April und September/Oktober), wo sich die Würmer an der Oberfläche befinden, vermieden werden. Regenwürmer mögen keine luftarmen, verdichteten oder vernässten sowie sauren Bö-den mit pH-Werten unter 5,5. Saure Böden hemmen die Re-genwürmer.Ackerböden haben infolge der Bodenbearbeitung einen ge-ringeren Regenwurmbesatz als Grünlandböden. Wichtig für die Ernährung der Regen-würmer ist ein „Immergrüner Acker“, d. h. Bracheperioden sollten vermieden werden.Bodenbearbeitung, insbeson-dere mit rotierenden Werkzeu-gen, schädigt den Regenwurm am stärksten. Aus einem zer-schnittenen Regenwurm gibt es übrigens nicht zwei Wür-mer, wie das gerne behauptet wird. Im besten Fall überlebt der Vorderteil.

Der Pflugeinsatz bewirkt Ver-lustraten um 25 %, während bei rotierenden Geräten (Frä-sen) die Verluste bis auf 70 % ansteigen.

reGenwürmer pro m² (n. fIBl, 2013)Mehrschnittwiesen 250 bis 350Ackerböden 120 bis 250Laubwald 150 bis 250Magerwiesen 30 bis 50saurer Fichtenwald 10 bis 15

Besatz kontrollierenRegenwürmer sind Bodenver-besserer. In Einzelfällen kann speziell der Schwarzkopfwurm in Hausgärten, Golfrasen oder im Dauergrünland zur Plage werden, da er sich mit unglaub-licher Inbrunst durchs Erdreich frisst. Speziell nach Regenperi-oden kann er sich rasant aus-breiten. Die Anzahl der Losun-gen pro Quadratmeter kann auf 30 bis 40 und darüber anstei-gen. So können sie weit über 100 t Kot pro Hektar verschie-ben und ablagern.

Austreibung von WürmernEine Austreibung von Regen-würmen zur Auszählung der Population ist mit Senfsaat oder einer verdünnten Formal-dehydlösung (0,2- bis 0,4%ig) möglich, die im Handel, aber auch in Apotheken (z. B. in 10 %iger Form) erhältlich ist. Wichtig: 1 l einer 10%igen Formaldehydlösung, verdünnt mit 50 l Wasser ergibt eine Konzentration von 0,2 % bzw. mit 25 l Wasser, von 0,4 %.Formaldehyd ist der Trivialna-me für „Methanol“, welcher als Grundstoff in verschiedensten Bereichen der chemischen In-dustrie (z. B. Kunststoffe, kos-metische Produkte etc.) einge-setzt wird. Alternativ ist auch der Einsatz einer Senflösung, d. h. einer gemahlenen Senfsaat oder von Senfmehl (z. B. Gelbsenf), das über Nacht in Wasser einge-weicht wird, möglich. Auch der Anbau Senf, Dill, Zwiebel, Paprika oder Chili führt zur Auswanderung von Regenwürmern.Schwarzkopfwurm wiesenwurm

Maßnahmen zur ReduktionFolgende Maßnahmen die-nen der Reduktion der Regenwurmpopulation:n  Schnittgutabfuhr Wichtig ist, dass auf stark hu-mosen Böden das Mulch- oder Schnittgut im Spätherbst ab-gefahren wird. Dadurch wird das Nahrungsangebot verrin-gert und auch eine Verfilzung des Bodens (verstärkte Rohhumusauflage) verhindert. Ebenso ist die Bekämpfung der Gemeinen Rispe oder der wasserhaltenden Moospolster wichtig.n  Längere Frosteinwirkung verringert Populationn  Austreiben mit Senf- oder Formaldeyhdlösungn  Saure Düngung Auf alkalischen Böden führt eine physiologisch saure Düngung durch Absenkung des pH-Wertes auf etwa 5,5 zur Dezimierung der Regenwürmer, da die Tiere auf sauren Böden schlechter gedeihen. Sie bevorzugen ei-nen pH-Wert von 6 bis 7. n  Besandung Auf Rasen- und Sportflächen hilft eine jährliche Besandung mit scharf-kantigem, gewaschenem Quarzsand mit einer Körnung von 1 bis 2 mm (5 l/m²), da dies die Schleimhäute der Würmer austrocknet und ein Abwandern in tiefere Schichten bewirkt.n  Branntkalk und Kalkstickstoff Bei Problemfällen kann im Frühjahr auch eine Behandlung mit Branntkalk (1.000 bis 1.500 kg/ha) oder der Einsatz von Kalkstickstoff (Cyanamidphase) sinnvoll sein, sobald sich die Würmer an der Oberfläche (0 bis 15 cm Tiefe) befinden. Ein Einsatz von Insektiziden gegen Regenwürmer ist verboten. n  Bodenbearbeitung Als mechanische Bekämpfungsmaßnahme ist bei verstärkten Schäden eine intensive Bodenbearbeitung mit einer anschließenden Neuansaat die wirksamste Maßnahme.

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