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Hexenjagd von Arthur Miller MATERIALIEN ZUR INSZENIERUNG VON KATHARINA KREUZHAGE

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Hexenjagd von Arthur Miller

MATERIALIEN ZUR INSZENIERUNG

VON KATHARINA KREUZHAGE

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Liebe LehrerInnen, ErzieherInnen,

Theaterbegeisterte…

Willkommen in der Spielzeit 2013/14 am Theater Paderborn! Mit dieser Materialmappe zu

unserer Eröffnungsinszenierung HEXENJAGD von Arthur Miller sollen kreative Impulse für die

Vor- und Nachbereitung der Inszenierung von Katharina Kreuzhage in Schulen und

Bildungseinrichtungen vermittelt werden. Neben Informationen zur Inszenierung stellt die

Materialmappe Ihnen Wissenswertes zu den historischen Hintergründen sowie Bezüge zur

Gegenwart zusammen. Über weiterführende Literaturlisten haben Sie die Möglichkeit einer

Recherche zu den verschieden Themenfeldern des Stückes. In den unterschiedlichen Bereichen

der Mappe finden sich allerlei praktische Übungsanregungen zur Verankerung und Übersetzung

der Themenbereiche im Unterricht – die sogenannten AKTIV-BOXEN (mit Angaben zu

Gruppengröße, Schwierigkeitsgrad, etc.)

Zu HEXENJAGD bieten wir zusätzlich noch Vor- und Nachgespräche mit Theaterpädagogen und

Dramaturgen an. Termine für dramaturgische Einführungen werden im Monatsspielplan im

Internet und im Leporello bekannt gegeben. Des Weiteren gibt es auch die Möglichkeit an einem

inszenierungsspezifischen Workshop teilzunehmen. Fester Termin für Einzelpersonen ist hierzu

der 09.11.2013 von 16:00-18:00 Uhr im Theater im Riemeke, in der Fürstenbergstraße 21a.

Diesen Workshop können Sie auch gern für ihre Klassen / Gruppen buchen!

Anmeldungen unter [email protected]

Bei Fragen rufen Sie uns gerne an!

Viel Freude beim Stöbern und Entdecken!

Marguerite Windblut

Kontakt:

Marguerite Windblut

Leitung Theaterpädagogik

05251/ 2881209 | [email protected]

NÄCHSTE PREMIERE:

Othello von William Shakespeare / Inszenierung. Katharina Kreuzhage / 05.09.2013 / 19:30 Uhr im Großen Haus

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Inhalt

Besetzung 5 / 6

Über Arthur Asher Miller 8

Über McCarthy & Miller 10

Über das Stück 11

Salem historisch 12

Über Puritanismus 13

Über Pilgerväter 14

Über Themen des Stückes / Übungen 15 /16 / 17

Über das Böse 19/20

Über die Cautio Criminalis 21 / 22 / 23

Literaturverzeichnis / Weiterführendes

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Besetzung

HEXENJAGD von Arthur Miller

Premiere am 27.09.2013 / 19:30 Uhr im Großen Haus

Übersetzung von Hannelene Limpach und Dietrich Hilsdorf

Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag GmbH, Theater & Medien

4 Akte

Pastor Parris Alexander Wilß

Thomas Putnam Wilhelm Hagemeier

Mrs. Ann Putnam Jennifer Münch

John Proctor David Lukowczyk

Rebecca Nurse Beate Leclercq

Pastor Hale Stephan Weigelin

Rachel Proctor Kirsten Potthoff

Ezekiel Cheever Max Rohland

Giles Correy Lars Fabian

Richter Harthorne Thomas Cermak

Sarah Good Birgit von Rönn

Abigail Williams Natascha Heimes

Mary Warren Maria Thomas

Susanna Wallcott Anne Bontemps

Betty Parris Linda Meyer

Mädchenstatisterie Theresa Blöthner / Hanna Fortsröer / Sophia

Josephs / Annika Kordes / Julia Lukaszewicz /

Julia Öczan / Thea Schwierk / Antonia

Stiegemann / Angelika Straschek

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Regie

Katharina Kreuzhage

Bühne Ariane Scherpf

Kostüme Katrin Wolfermann

Dramaturgie Nikolaos Boitsos

Regieassistenz 1 Chiara Nassauer

Regieassistenz 2 Karolin Dieckhoff

Kostümassistenz Annika Stahl

Inspizienz Robert Stark

Bühnenmeister Paul Discher

Beleuchtungsmeister Hermenegild Fietz

Musikalische Einrichtung Heiko Giering

Ton Martin Zwiehoff

Requisite Annette Seidel-Rohlf

Kristiane Szonn

Maske Ramona Foerder

Beatrix Mittelstaedt-Schnücker

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Natascha Heimes als Abigail Williams

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Über Arthur Asher Miller

* geboren am 17.10.1915 in Harlem/New York City als Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten, 3

Brüder

1929 Bankrott der Familie & Umzug nach Brooklyn/New York City

1934 Immatrikulation an der University of Michigan in Ann Arbor, Studienfach

Journalismus

1936 Wechsel des Studienfachs: Anglistik

Gewinn eines Preises für sein Theaterstück „No Villain“, Aufführung mehrerer

Stücke

1938 Universitätsabschluss

1940 Erste Ehe mit Mary Grace Slattery

1944 Geburt der Tochter Jane Ellen

1947 Geburt des Sohnes Robert

1949 Verleihung des Pulitzer-Preises für „Death of a Salesman“ (Tod eines

Handlungsreisenden: Zwei Akte und ein Requiem)

Mitglied der kommunistischen Partei der USA (CPUSA)

1953 „The Crucible“ (Hexenjagd), Uraufführung am Broadway New York,

Verweigerung der Ausreise zur Premiere in Belgien seitens der USA

1956 Zweite Ehe mit Marilyn Monroe

Im Visier der Kommunistenjagd McCarthys, verweigerte Nennung ihm bekannter

Kommunisten, Gerichtsprozess und Gefängnisstrafe

1957 Drehbuch „Misfits. Nicht gesellschaftsfähig“

1958 Aufhebung des Gerichtsurteils

1961 Scheidung von Monroe

1961 Verfilmung seines Stückes „Blick von der Brücke“ unter Regie von Sidney Lumet

Verfilmung „Misfits. Nicht gesellschaftsfähig“ unter Regie von John Huston

1962-2002 Dritte Ehe mit Fotografin Ingeborg Morath

1962 Geburt der Tochter Rebecca

1966 Geburt des Sohnes Daniel

+ gestorben am 10.Februar 2005 in Roxbury/Connecticut an Krebs

AKTIV – BIOGRAPHIE [für Gruppen, ca. 25 TeilnehmerInnen, leicht/mittel]

Was sind Auffälligkeiten an der Biographie Millers?

Versuchen Sie ihre SchülerInnen in die Lage eines Theaterschaffenden zu versetzen, der

nicht an der Premiere seines neuesten Werkes teilnehmen darf. Dazu sollen in einem

Zeitfenster von 10 Minuten freie Gedanken aufgeschrieben werden. Die entstandenen

Texte können dann in der Gruppe vorgetragen und besprochen werden.

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Arthur Asher Miller

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Über Miller-McCarthy

Arthur Miller kam nach der Veröffentlichung seines Dramas HEXENJAGD im Jahre 1953

mehrere Male mit dem Staatsapparat in Berührung. Zur Zeit der Veröffentlichung war Joseph

McCarthy Politiker im amerikanischem Senat. Der Republikaner setzte 1950 eine Kampagne

gegen die angebliche kommunistische Unterwanderung des amerikanischen

Regierungsapparates in Gang. Zur Rolle Millers in diesem politischen Ränkespiel erzählt

folgender Text. Auch als der Höhepunkt der McCarthy-Periode vorüber war, sah sich Miller noch immer

Bedrohungen und Schikanen durch die Kommunistenfresser in Washington ausgesetzt. 1954 wurde ihm ein Reisepass verweigert, den er benötigt hätte, um einer belgischen Aufführung von

Hexenjagd beizuwohnen - seine Anwesenheit dort sei „nicht im nationalen Interesse“.

Im Juni 1956 wurde der Schriftsteller aus völlig fadenscheinigen Gründen vor das Komitee für

Unamerikanische Umtriebe (HUAC) gezerrt: „Unbefugter Gebrauch eines US-Reisepasses“

[…] Miller zog sich vor dem sechsköpfigen Komitee ehrenhaft aus der Affäre, wenn auch nicht

mit der gleichen aufsässigen Haltung wie Robeson. Auf den Smith-Act (Ein Gesetz, dass allen Einreisenden über 14 eine Registrierung vorschrieb), erklärte der Autor, er sei dagegen, dass

„irgendwer für das Eintreten für irgendetwas bestraft wird". Im selben Zusammenhang gefragt, ob ein kommunistischer Dichter das Recht haben sollte, für den Sturz der Regierung einzutreten,

antwortete er: „Ich würde sagen, ein Mann sollte das Recht haben, ein Gedicht über einfach

alles zu schreiben... Ich bin gegen jede Begrenzung der Freiheit des Schreibens."

Als der Anwalt des Komitees, Richard Arens, verlangte, Miller solle enthüllen, wer gemeinsam

mit ihm an „Treffen der Kommunistischen Partei“ teilgenommen habe, verweigerte der Dramatiker dies mit Würde. Am Ende fragte ein Kongressabgeordneter, ob Miller sich „mehr

oder weniger betrogen“ fühle, da er kommunistisch beeinflussten Organisationen beigetreten sei. Aus Millers ehrlicher und geradliniger Antwort sprechen Merkmale seiner Persönlichkeit: „Das

würde ich nicht sagen, denn ich war ein erwachsener Mann und kein Kind mehr. Ich war auf der

Suche nach der perfekten Welt. Ich halte es für notwendig, dass ich das tat. […] Wollte ich mich zum Schriftsteller entwickeln. Ich schäme mich dessen nicht. Ich akzeptiere mein Leben. Das

habe ich getan, und ich habe viel dabei gelernt."

Schließlich wurde Miller wegen „Missachtung des Kongresses“ zu einer zur Bewährung

ausgesetzten Strafe verurteilt, da er sich geweigert hatte, Namen zu nennen. 1956 hob der

Oberste Gerichtshof das Urteil auf.3

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Über das Stück:

Salem, Neuengland, im Jahre 1692.

Während eines nächtlichen Rituals im Wald werden Abigail Williams sowie einige andere

Mädchen überrascht.

Mit von der Partie ist auch Betty Parris, Tochter des örtlichen Gemeindepastors. Salem ist eine

puritanische Gemeinde, geprägt von einem calvinistischen Religionsbild, mit starker

Gottesfurcht. Die Bewohner der Gemeinde waren zur damaligen Zeit englische Aussiedler.

Nach der Entdeckung werden bei einigen der Mädchen seltsame Veränderungen festgestellt.

Betty Parris spricht nicht mehr. Andere sind ohnmächtig und krank. Ärzte vor Ort können keine

organischen Gründe feststellen. Gerüchte von einer übernatürlichen Ursache und Hexerei

werden laut.

Ein Teufelsspezialist wird beauftragt, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Den Ernst der Lage erkennend, beginnen die Mädchen mit Beschuldigungen diverser

Dorfbewohner. Ein Geständnis der eigenen Besessenheit sowie die Benennung weiterer dem

Teufel Verfallener ermöglicht den Mädchen das Entkommen vor Strafe und Tod – eine Welle von

Verhaftungen ist die Folge.

Auch verhaftet wird Rachel Proctor, Frau des Bauern John Proctor.

Was niemand weiß: Abigail Williams hatte vor geraumer Zeit eine sexuelle Beziehung zu John

Proctor. Ob Sie die Beschuldigung nur als Methode benutzt, um sich Proctor zu angeln oder

Rache an ihm zu üben, bleibt unklar. In der streng gläubigen Gemeinschaft und der damaligen

Zeit eine gefährliche Angelegenheit, da sich Gerüchte schnell verbreiten und Unwahrheiten,

gemischt mit Aberglaube durch strikte religiöse Dogmen, schnell zu Wahrheiten und Gesetzen

werden.

Es kommt zu einer Gerichtverhandlung. John Proctor, der Hexerei angeklagt, könnte dem Tod

entkommen, indem er „gesteht“. Zwischen Selbstverrat und Todesangst stehend, muss er eine

Entscheidung fällen…

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Salem historisch:

Die Hexenprozesse von Salem waren der schlimmste Ausbruch des Hexenwahns westlich des

Atlantiks und veränderten das amerikanische Bewusstsein. Die Tragödie von Salem begann

1692, als bei acht Mädchen zwischen elf und zwanzig Jahren Anzeichen dämonischer

Besessenheit auftraten. Vermutlich waren sie von sensationellen Druckschriften über das

Hexenunwesen beeindruckt und standen unter dem Einfluss einer von den westindischen Inseln

stammenden Sklavin, die sie mit haarsträubenden Schauergeschichten faszinierte. Ob diese

Sklavin auch magische Zeremonien, z.B. Vodoo-Zaubereien, praktizierte ist nicht bekannt. In

dem puritanischen Neuengland-Staat wäre damals schon ein harmloser Tanz um ein nächtliches

Feuer als schweres Vergehen betrachtet worden. Zuerst erlitten zwei Mädchen Anfälle, schrien

und krümmten sich am Boden, glaubten sich in Tiere verwandelt.

Bald sprang die Hysterie auf weitere über, bis 15 Mädchen davon erfasst waren.

Die Geistlichen vermuteten Hexerei, und der hilflose Dorfarzt, der keine Erklärung für die

Psychosen fand, stimmte ihnen zu. Die Mädchen wurden befragt, und nannten die Namen einiger

Außenseiterinnen, von denen sie angeblich gepeinigt wurden und deren Nähe Krampfanfälle

auslöste. Die Richter glaubten den psychisch gestörten Anklägerinnen und hörten nicht auf die

Unschuldsbeteuerungen der Beklagten. Dann erweiterte sich der Kreis der Beschuldigten auf

angesehene Bürger. Frauen und Männer, die in den Verdacht der Hexerei gerieten, waren so gut

wie verurteilt; Unschuldsbeteuerungen wurden zuerst wie Schuldgeständnisse gewertet. Später

war das Gericht bereit, die „reuigen Sünder” zu begnadigen und nur solche hinzurichten, die

sich standhaft weigerten, ihre Schuld einzugestehen. Insgesamt wurden einunddreißig

Angeklagte zum Tode verurteilt, 19 davon tatsächlich gehängt. Ein Aussageverweigerer wurde zu

Tode gefoltert. Die Salemer Hexenverfolgung ging zu Ende, als immer mehr Angeklagte sich

weigerten, sich durch ein falsches Schuldgeständnis zu retten, und mehr und mehr Menschen

klar wurde, dass die Anschuldigungen aus der Luft gegriffen waren. Die Mädchen, deren

erfundene Beschuldigungen dieses Unheil verursacht hatten, gingen straffrei aus und zeigten

kaum Reue.

In der Gesellschaft Neuenglands gab es noch viele Debatten über die Bereitschaft des Salemer

Gerichtes, jede noch so absurde Anklage zu akzeptieren, sowie über die Problematik der

Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen, besonders wenn eine sachliche Überprüfung der Fakten

nicht möglich ist. Die Suche nach den Ursachen der Psychosen hält bis heute an. Neben

psychischen Störungen wird sogar eine mysteriöse Virusinfektion als Auslöser der Hysterie für

möglich gehalten.4

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Über Puritanismus:

Der Puritanismus war eine vom 16. bis zum 18. Jahrhundert wirksame Reformbewegung in

England, Schottland und den Dreizehn Kolonien des Britischen Empire in Nordamerika (den späteren Vereinigten Staaten von Amerika), die für eine weitreichende Reformation der Kirche

nach calvinistischen Grundsätzen eintrat. Die Bezeichnung „Puritaner“ wurde zunächst als Spottname gegen derart gesinnte Laien und Geistliche verwendet und leitet sich von ihren

Forderungen nach einer „Reinigung“ (engl. to purify) der Kirche von „papistischen“, also

römisch-katholischen Lehren her.

[…] Seinen Höhepunkt erreichte er mit dem Sieg im Englischen Bürgerkrieg und einer Errichtung einer puritanisch geprägten Republik unter Oliver Cromwell. Nach der Restauration

König Karls II. im Jahr 1660 erschöpfte sich der englische Puritanismus als intellektuelle und

politische Kraft recht bald, blieb aber insbesondere in den neuenglischen Kolonien bis in das frühe 18. Jahrhundert prägend.

Der Ausdruck Puritanismus wird heute gelegentlich als Synonym für „Moralismus“ verwendet und besonders im amerikanischen Sprachgebrauch auch für etwas, was „kalt, blutleer,

kleingeistig, selbstverleugnend, heuchlerisch und nachtragend“ erscheint.5

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Über Pilgerväter:

Als Pilgerväter (englisch Pilgrim Fathers oder Pilgrims) werden die ersten englischen Siedler in

Neuengland bezeichnet. Sie segelten 1620 auf der Mayflower über den Atlantik und gründeten die Kolonie Plymouth (Plymouth Colony) im heutigen Massachusetts.

Der Name „Pilgerväter“ kam erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf und wurde William Bradfords

Buch „History of Plimoth Plantation“ („They knew they were pilgrims“) entnommen. Die

„Pilgerväter“ selbst nannten sich nach dem Sprachgebrauch des Apostels Paulus „Heilige“ („saints").

Obwohl die Pilgerväter keineswegs die ersten englischen Siedler auf dem späteren Staatsgebiet der Vereinigten Staaten waren – so war in Virginia bereits 1607 die Jamestown Colony

entstanden –, spielen die Pilgerväter als Pioniere in der amerikanischen Folklore, etwa im Hinblick auf das Thanksgiving-Fest, eine herausragende Rolle.

[…] Das Bischofsamt war für die „Pilgerväter“ eine „Erfindung Satans“, das Kreuzzeichen ruchlos und Weihnachten ein heidnischer Aberglaube, da sie ihrer Ansicht nach nicht in der

Bibel bezeugt waren.

Nachdem sie erkannt hatten, dass sie zum Erreichen ihres ursprünglichen Ziels eine weitere

lange Seereise unternehmen müssten, entschlossen sich die Kolonisten, ihren Plan zu ändern und an dem Ort, an dem sie nun waren, eine Niederlassung zu gründen. Da das Landpatent für

Virginia ausgestellt war und deshalb die künftigen Siedler nicht das Recht hatten, das Gebiet in

Neuengland zu kolonisieren, befürchteten mehrere „Fremde", sie würden in der Kolonie nicht fair behandelt werden. Deshalb verfassten 41 Separatisten eine eigene Satzung, die als Mayflower-

Vertrag bekannt ist. Darin legten sie unter anderem fest, dass sie eine sich selbst regierende

Gemeinschaft (self-rule, self-government) bilden wollten und dass alle Einwohner denselben „gerechten Gesetzen" unterstehen würden („just and equal laws").

Den ersten Winter überlebte die Kolonie nur durch die Unterstützung der Native Americans, die

den Kolonisten mit Lebensmitteln aushalfen und ihnen die eigenen, dem örtlichen Klima und

Boden besser angepassten landwirtschaftlichen Techniken beibrachten; diese friedliche Kooperation wird bis heute im Thanksgiving-Fest gefeiert. Mit zunehmendem Erstarken der

Kolonie, spätestens ab dem Pequot-Krieg 1637, war das Verhältnis der beiden Gruppen jedoch

vielfach von exzessiver Gewalt auf beiden Seiten geprägt.6

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Über Themen und Übungen

HEXENJAGD beinhaltet als Stückvorlage, wie auch auf der Bühne, eine ganze Reihe an

unterschiedlichen Themen und Themenfeldern. Einige von Ihnen sind an die Handlungszeit des Stückes gebunden, andere zeitlos. Die folgenden Felder stellen eine lose Sammlung von

Begriffen dar, die assoziativ solche Themen benennen. Passend zu diesen Begriffen gibt es eine Reihe von Übungen, die Ihnen hier erklärt werden.

Religion Gesellschaft

Massenbewegung

Denunziation / Angriff

Glaube

Spiritualität Intrige

Lüge

Gesetz / Richten / Gericht

Schuld und Strafe

Teufel

Gut und Böse

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AKTIV – ALLGEMEIN – THEMENMINDMAPPING [für Gruppen, ca. 25 TeilnehmerInnen, leicht]

Wir bieten hier einen kleinen Anreiz zu möglichen Themen aus HEXENJAGD. Dies sollte aber nicht

davon abhalten selbst auf Themensuche in dem Stoff zu gehen:

Lesen Sie das Stück oder einzelne Szenen mit Ihrer Klasse / Gruppe. Am nächsten Tag

sollten Materialien zu Themen im Stück mitgebracht werden. Zeitungen, Artikel, Bilder aus

popkulturellen Magazinen. Entweder in der großen Gruppe oder in Kleingruppen

assoziative Bildercollagen entstehen lassen.

Nach dem Lesen des Stückes ein fixes Begriffs-Mindmapping zu Schlagwörtern erarbeiten

Nach dem Lesen mit der Gruppe einen Kreis bilden. Ein paar verbleiben außerhalb des

Kreises und schreiben im Folgenden einige der Begriffe auf. Die anderen im Kreis

beginnen mit einer Assoziationskette. Eine Person spricht ein Wort, dass ihr/ihm assoziativ

zu HEXENJAGD einfällt – die Kette nimmt ihren Lauf, da die/der folgende ein weiteres, sich

darauf beziehendes Wort spricht. Diejenigen, die außerhalb der Gruppe sind, beobachten

das Geschehen und schreiben sich die gefallenen Wörter auf.

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AKTIV – VORBEREITUNG [Allgemeines]

Bevor Sie die praktischen theateraktiven Spiele mit ihren SchülerInnen ausprobieren, sollten

Sie sicherstellen, dass Sie den Raum davor vorbereitet haben. Ein leerer Raum ist für

Übungen sehr vorteilhaft.

Machen Sie zur Einstimmung der Gruppe ein kleines Kreis-Warm-Up mit einem

„Klatschkreis“ oder „Impuls weiter geben“. In beiden Fällen steht die Gruppe im Kreis und

ein Klatschen oder ein Berührungsimpuls wird an die jeweils folgende Person weiter

gegeben.

AKTIV – RELIGION [für Gruppen, ca. 25 TeilnehmerInnen, leicht/mittel]

Schaut in der Gruppe Videos / Bildmaterial von Menschen an, die beten oder sich in

spirituellen Situationen befinden. Dann geht die Gruppe in den Raum und jeder findet für

sich eine körperliche Geste bzw. versucht die Gesten der Bilder zu imitieren. Experimentiert

auch mit Stimme. Wie verändert sich die Stimme durch die Körperlichkeit? Reflektiert in der

Gruppe was die unterschiedlichen Körperhaltungen für Gefühle und Stimmungen in Euch

selbst hervorrufen und wie sie nach außen wirken.

AKTIV – MASSENBEWEGUNG [für Gruppen, ca 25 TeilnehmerInnen, leicht]

Die Gruppe läuft im Raum. Jeder im persönlichen Tempo. Im Wechsel gibt es immer eine

Person, die „führt“. Die anderen imitieren alles was diese führende Person macht (Stimme,

Gang, Tempo).

Sammelt typische Parolen von wichtigen „Massenbewegungen“ in der Geschichte. Jeder in

der Gruppe erhält eine Parole. Die Gruppe läuft im Raum und jeder Einzelne spricht die

Parole nacheinander laut und deutlich im Laufen. Der Rest spricht die Worte im Chor und

gleichzeitig nach. Gibt es Gemeinsamkeiten in den unterschiedlichen Parolen?

AKTIV – GESETZ / RICHTEN / GERICHT [für Gruppen / Duo, leicht/mittel]

Improvisation: die Gruppe sitzt im Kreis. Zwei in der Mitte, in neutraler Anfangsposition. Das

Gericht wird als „Ort“ festgelegt. Die im Kreis sitzenden zählen gemeinsam ein und die

Szene beginnt. Die beiden SpielerInnen beginnen mit der Improvisation zum Thema

„Gericht“ und spielen fiktive Figuren und Handlungen. Nach spätestens einer Minute

klatscht einer im Kreis und wechselt einen der Spielenden aus. Eine neue Gerichtsszene

beginnt.

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Stuhlimprovisation: Gericht. Eine Spielfläche wird bestimmt, ein Stuhl aufgestellt. Eine

Person befindet sich sitzend auf dem Stuhl. Die anderen bilden eine Reihe am Rand,

außerhalb der Spielfläche. Die/Der erste der Reihe betritt die Spielfläche und beginnt

die/den Sitzenden mit Fragen zu einer „fiktiven Tat“ unter Druck zu setzen. Die sitzende

Person antwortet zügig. Immer mehr Fragende treten auf, nach der Reihe, bis die

Spielfläche voll mit fragenden SpielerInnen ist. Die Fragen kommen immer heftiger, auch mit

wechselnden Emotionen, wie Wut oder Trauer hinterlegt. Ziel des Spiels ist es, die Person

auf dem Stuhl vom Stuhl weg zu bekommen. Ist der Stuhl frei, kann sich die/derjenige, der

dies geschafft hat, auf den Stuhl setzen und das Spiel beginnt von Neuem.

AKTIV – LÜGE [für Gruppen / Einzel, ca. 25 TeilnehmerInnen, leicht/mittel]

Die Gruppe sitzt im Kreis, jeder erzählt eine kurze Geschichte, die fiktiv oder wahr sein

kann. Die anderen sollten sich genau auf Körpersprache und Ausdrucksweise der/des

Erzählenden konzentrieren und dann nach der Geschichte erraten, ob diese wahr oder

falsch ist.

AKTIV - FIGUREN AUS HEXENJAGD [für Gruppen / Duo, ca 25 TeilnehmerInnen, mittel/schwer]

Die Gruppe sollte sich über die historische Person Abigail Williams mittels verschiedener

Quellen informieren. Wie steht diese im Verhältnis zu der Figur aus Millers Stück? Wo

liegen Gemeinsamkeiten / Unterschiede in den Ereignissen um die Hexenprozesse?

Dialogimprovisation Abigail / Proctor (höherer Schwierigkeitsgrad): die Gruppe nimmt die

bereits in Millers Stück angelegten Situationen als Grundlage einer szenischen

Improvisation. Die Gruppe teilt sich in Duos auf (möglichst ein Mann, eine Frau). Eine

Person übernimmt den Part der Abigail, die andere Person den Proctor. Jedes Duo beginnt

einen kleinen Dialog einzuüben, in dem beide Spielpartner mit konträren Haltungen

aufeinander treffen. Abigail sucht die Nähe zu Proctor, dieser ist kühl und abweisend. Im

Anschluss sollten die Haltungen in den Figuren getauscht werden. Die entstandenen

Szenen können final innerhalb der Gruppe vorgespielt werden. Diese Übung kann auch über

Standbilder ablaufen. Hier müssen keine Szenen gespielt werden sondern für die Haltungen

Körper-Standbilder gefunden werden.

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Kirsten Potthoff als Rachel Proctor / David Lukowczyk als John Proctor

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Über das Böse:

Der folgende Auszug aus einem Essay von Stefan Orth, stammt aus der Zeitschrift HERDER

KORRESPONDENZ. Die 1946 gegründete Zeitschrift widmet sich Fragen aus den Bereichen Religion und Gesellschaft. Der Beitrag untersucht die Rolle des „Bösen“ in der heutigen

Gesellschaft.

Lust am Bösen

[…]die bildhaften Vorstellungen vom Bösen sind dort besonders zutreffend und aussagekräftig,

wo die Bestreitung der Menschlichkeit des Menschen „in perfider Weise betrieben wird, indem

physisch und psychisch gedemütigt, erniedrigt und enttäuscht wird, ohne dass diese Formen von Integritätsbeschädigungen und ihre Konsequenzen immer offensichtlich sind". Das Böse sei

attraktiver und faszinierender, als es einem humanistischen Menschenbild genehm sein könne (vgl. zu diesen Abgründen des Bösen auch die kleine, aber sehr eindringliche Schrift von Heinz-

Günther Stobbe, Vom Geist der Übertretung und Vernichtung. Der Ursprung der Gewalt im

Denken des Marquis de Sade, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2002).

Die insgesamt anregendsten Überlegungen der gegenwärtigen Beschäftigung mit dem Bösen

finden sich ebenfalls bei einem Protestanten: beim Zürcher Religionsphilosophen und Theologen Ingolf U. Dalferth, der im vergangenen Jahr gleich zwei Bände zum Thema veröffentlicht hat.

Während im ersten Fall das Nachdenken über das Böse im Kontrast zum Guten im Vordergrund steht (Das Böse. Essay über die Denkform des Unbegreiflichen, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen

2006), wird im anderen Fall die Fragestellung dezidiert auf das Thema des Leidens ausgedehnt

(Leiden und Böses. Vom schwierigen Umgang mit Widersinnigen, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2006). Leiden sei nicht zwangsläufig Böses (wie Böses nicht zwangsläufig Leiden), in

jedem Fall aber der Ort, an dem das Böse unabweisbar als Phänomen in den Blick trete. Der Primat des Bösen liege nicht im Wollen, sondern in der "Erfahrung des Bösen im Widerfahrnis

des Üblen" (Burkhard Liebsch).

In beiden Fällen geht es auch Dalferth darum, das Thema aus den kantischen Engführungen zu

befreien. „Wer nur in den Kategorien von Tätern und Opfern denkt und alles Böse nach der

Logik des Handelns zu verstehen sucht, der wird ihm nicht auf die Spur kommen, sondern in moralisierenden Übervereinfachungen stecken bleiben. Das ist in der Neuzeit weithin

geschehen" (Leiden und Böses, 50). Er begründet dies ebenfalls damit, dass Moralisch-Böses im 20. Jahrhundert ein Ausmaß angenommen habe, das Kant sich nicht vorzustellen vermochte.

Es gebe weiterhin „eine Lust am Bösestun und eine 'Joy of Hurting', die sich im Sadismus und

den Perversitäten von Psychopathen und Soziopathen manifestieren, bei denen die Schranken der üblichen physischen, psychischen und moralischen Aversion gegen solches Tun fehlen oder

gefallen sind" (Das Böse, 113).

Beide Bände stecken das Feld mit - gelegentlich ausufernden - sprachanalytischen

Beobachtungen ab. Vor allem der zweite Band zeigt bei der „Neuvermessung" des Felds zwischen Leiden, Bösem und Übel jedoch eine Sensibilität bei der Beschreibung der

Phänomene, die das Buch besonders lesenswert macht. Auch hier spielt die

Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus eine maßgebliche Rolle. Das Ausmaß und der Charakter des Grauens ließen sich nicht fassen und begreiflich machen, indem man die

nationalsozialistischen Vernichtungslager auf das böse Handeln böser Menschen aus bösen

Absichten zurückzuführen suche.

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Es seien eben in vielen Fällen nicht Sadismus, Hass, Bösartigkeit oder antisemitischer Vorsatz, sondern kleinbürgerlicher Karrierismus, Feigheit, Routine, Pflichtgehorsam oder Frontangst

gewesen, die die Untaten ermöglicht hätten.

Das Böse müsse deshalb in einem weiten Sinne verstanden werden, es sei umfassender,

unvermeidlicher und unverständlicher, als es die Orientierung am Leiden und Handeln Einzelner nahe lege. Allerdings wird das Verständnis des Bösen bei Dalferth unnötigerweise eingeschränkt

auf das, was - gewissermaßen rein subjektiv - als böse empfunden wird. Sollte beispielsweise

eine Übervorteilung, nur weil der Geschädigte dies nicht bemerkt, nicht böse genannt werden

dürfen?7

AKTIV - DAS BÖSE IN DER HEUTIGEN ZEIT [für Gruppen, ca. 25 TeilnehmerInnen, mittel]

Als Idee für eine Diskussionsrunde in der Gruppe: Wo liegen im aktuellen

Zeitgeschehen international Ereignisse oder Geschehnisse vor, die das „Böse“

verkörpern können? Als Formen abstrakter Bedrohung.

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Über die Cautio Criminalis:

Die „Cautio Criminalis“ ist ein Werk des katholischen Dichters und Jesuiten Friedrich Spee. Dieser wirkte von 1623 bis 1626 als Dozent an der Jesuiten-Universität in Paderborn. Sein Werk

trug entscheidend zum Ende des Hexenwahns in Deutschland bei. Das Buch wurde 1631 in der

Universitätsdruckerei von Petrus Lucius in Rinteln an der Weser gedruckt und erschien zunächst anonym. Hier ein Ausschnitt:

CAUTIO CRIMINALIS

ODER Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse

1. FRAGE Ob es wirklich Hexen, Zauberinnen oder Unholde gibt?

Ich antworte: Ja. Zwar weiß ich wohl, daß das von manchen, auch Katholiken und Gelehrten, auf

deren Namen es hier nicht ankommt, bezweifelt worden ist; wohl wird auch manch einer nicht

von ungefähr meinen können, daß es in der Geschichte der Kirche einstmals Zeiten gegeben hat, wo man nicht an Hexensabbate glaubte; und wohl bin ich endlich selbst, da ich in den

Kerkern mit verschiedenen dieses Verbrechens 'Beschuldigten häufig und aufmerksam, um nicht

zu sagen wißbegierig, umging, des öfteren in solche Verwirrung geraten, daß ich zuletzt kaum mehr wußte, was ich von der Sache halten sollte. Wenn ich dann aber das Ergebnis dieser

widerstreitenden Überlegungen zusammenfasse, so glaube ich trotz allem daran festhalten zu müssen, daß es wirklich etliche Zauberer auf der Welt gibt und nur Leichtfertigkeit und Torheit

dies leugnen können. Man lese da die Schriftsteller nach, die darüber berichten: Remigius,

Delrio, Bodinus und andere; es ist nicht unsere Aufgabe, hierbei zu verweilen. Daß es aber so viele und alle die sind, die seither in Glut und Asche aufgegangen sind, daran glaube ich, und mit

mir auch viele fromme Männer, nicht. Es wird mich so leicht auch keiner zu solchem Glauben bekehren, der nicht mit mir in lärmendem Ungestüm und mit dem Gewicht von Autoritäten

streiten sondern mit vernünftiger Überlegung die Frage prüfen will. Und das ist's, worum ich den

Leser inständig bitte um der Liebe willen, die unser Gesetzgeber Christus so leidenschaftlich unter seinen Anhängern zu entfachen wünschte. Wer ungestüm und über das Verbrechen der

Hexerei empört ist, der mag sich einstweilen bezähmen und zur Leidenschaft die Weisheit und

Besonnenheit hinzunehmen, die ihm vielleicht noch fehlt. Nicht jeder Eifer rührt von der Tugend her, es gibt auch solchen, der seinen Ursprung in der bloßen Natur hat. Die Tugend ist maßvoll

und bescheiden, sie läßt sich gern belehren und fürchtet darum nicht, geringer zu werden, wenn sie unterrichteter wird. Wenn wir uns voller Eifer überstürzen und, da wir alles schon zu wissen

wähnen, nichts lernen wollen, ist es da ein Wunder, wenn uns in vielen Dingen die Wahrheit

verborgen bleibt? So folge mir denn, mein Leser, unvoreingenommen und gefügig, wohin ich dich behutsam an meiner Hand führen will. Es soll dich einmal nicht gereuen, viele Dinge schön

langsam und eingehend durchdacht zu haben.

2. FRAGE

Ob es in Deutschland mehr Hexen und Unholde als anderorts gibt?

Ich antworte: Das weiß ich nicht. Aber ich will, um keine Zeit zu vertun, kurz sagen, wie sich mir

die Sache darstellt. Danach scheint es jedenfalls so und wird es angenommen, daß sich in Deutschland mehr Hexen finden als Woanders. Man weiß ja, daß es besonders in Deutschland

allerorts von Scheiterhaufen raucht, die diese Pest vertilgen sollen, und das ist doch gewiß ein überzeugender Beweis dafür, wie sehr man alles für verseucht hält.

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Das geht so weit, dass der Ruf Deutschlands nicht wenig an Glanz bei unsern Feinden

eingebüßt hat, und, wie die Heilige Schrift (2. Mos. 5. v. 21) sagt, wir unsern Geruch haben.

Stinkend gemacht vor Pharao und seinen Knechten. Dieser Glaube an eine Unmenge von Hexen

in unserem Lande wird aus zwei wichtigen Quellen genährt. Deren erste heißt Unwissenheit und Aberglauben des Volkes. Alle Naturforscher lehren, daß auch solche Erscheinungen auf ganz

natürlichen Ursachen beruhen, die bisweilen ein wenig vom gewöhnlichen Lauf der Natur

abweichen, und die man als außerordentlich bezeichnet, wie beispielsweise ein übermäßiger Platzregen, besonders starker Hagel und Frost, ein übergewaltiger Donnerschlag und Ähnliches.

Es lehren auch die Mediziner, daß das Vieh nicht minder als die Menschen seine Krankheiten hat; daß bei Mensch und Tier häufig mancherlei neue Leiden auftreten, die von den Ärzten noch

nicht genügend erforscht sind; daß die Natur viel Wunderbares birgt, das dann zum Erstaunen

derer ans Tageslicht kommt, die nichts ahnen von ihrem Reichtum; und daß auch die größten Gelehrten der vergangenen Jahrhunderte nicht den ganzen Umfang ihrer Kräfte haben ermessen

können. Aber laß einmal irgend so etwas in Deutschland, besonders unter der Landbevölkerung,

sich Zeigen; bewölkt sich der Himmel, und stürmt es einmal heftiger als gewöhnlich; kennt einmal der Arzt nicht eine neue Krankheit, oder weicht ein altes Leiden nicht gleich unter seiner

Behandlung; — kurz, laßt irgendein Unglück sich ereignen, das ungewöhnlich erscheint, und schon überläßt man sich Gott weiß welchem Leichtsinn, Aberglauben und Unsinn, denkt nur an

Hexenwerk und schiebt die Schuld auf die Zauberer. Da behauptet man denn, den wahren

Schlüssel in der Hand zu halten. Sah man sodann vielleicht jemanden unterdes vorbeigehen, in der Nähe herumstehen oder kommen, der dies oder das sagte oder tat (irgendetwas muß ja

doch immer vorhergegangen, gleichzeitig oder hinterher geschehen sein), so legt man alles übel aus, erklärt ihn für den Schuldigen und trägt in seiner Nichtswürdigkeit die Verdächtigung in der

ganzen Nachbarschaft umher. Da ist es denn kein Wunder, wenn das immer mehr um sich

greifende Gerede uns in wenig Jahren Hexen in so reichlicher Anzahl schafft, zumal Prediger und Geistliche nichts hiergegen unternehmen, sondern eher noch selbst mit schuld daran sind, und

sich, soviel ich weiß, noch keine Obrigkeit in Deutschland gefunden hat, die ihr Augenmerk auf

diese unseligen Klatschereien gerichtet hätte. (Vgl. dazu auch unten 35. Frage.) In anderen Ländern ist man da vorsichtiger, und wir sollten uns schämen, ihnen hierin nachzustehen. Denn

wenn dort ein Kind oder ein Stück Vieh krank wird, ein Baum vom Blitz getroffen wird, die Ernte mißrät, die Witterung eine Not verursacht, Heuschrecken oder Mäuse die Felder kahl fressen, —

so suchen sie des ganzen Unglücks Ursprung bei Gott oder in der Natur und führen dann einzig

nur das auf Zauberei zurück, was unverkennbar und nach dem Urteil der Wissenschaft den Gesetzen der Natur widerspricht.

Die zweite Quelle des Glaubens an die unzähligen Hexen heißt Neid und Mißgunst des Volkes.

In jedem anderen Land wird man zugeben, daß es immer wieder Leute gibt, die

der Herrgott ein wenig reichlicher mit irdischen Gütern gesegnet hat, die ihre Waren rascher absetzen, mit mehr Glück einkaufen, kurz, eher zu Einfluß und Reichtum kommen als

andere. Geschieht dies aber einmal im deutschen Volk, so stecken gleich ein paar Nachbarn,

denen das Glück weniger hold ist, die Köpfe zusammen und setzen, von Hexerei raunend, haltlose Verdächtigungen in die Welt. Die verdichten sich dann, wenn einer von denen, die man

beneidet, besondere Andacht in der Kirche merken läßt, wenn er seinen Rosenkranz außerhalb der Kirche betet, wenn er vielleicht auf dem Felde oder in seiner Schlafkammer zum

Beten niederkniet, und so fort.

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Nichtswürdig ist so etwas und in andern Ländern ganz unbekannt! Sie haben diese beiden

Quellen verstopft, und deshalb gibt es dort weniger Zauberer als bei uns. Indessen will ich nicht

behaupten, daß es bei uns gar keine wirklichen Hexen gebe. Ich gebe zu, daß es welche gibt, aber ich sage weiter, ein besonnener Leser wird leicht aus dem, was ich noch zu sagen habe,

ersehen, wie bei dem

Verfahren, das ich nun beschreiben will, es ganz unvermeidlich ist, daß unter der gewaltigen Menge seither verbrannter Hexen viele Unschuldige sind, und wie in Deutschland nichts

zweifelhafter ist, als die Zahl der wirklich Schuldigen.

3. FRAGE

Was die Hexerei oder Zauberei für ein Verbrechen ist?

Ich antworte: Sie ist ein besonders ungeheuerliches, schweres und abscheuliches Verbrechen, denn in ihr treffen die schlimmsten Vergehen zusammen, wie Abfall von Glauben, Ketzerei,

Religionsfrevel, Gotteslästerung, Mord, ja sogar Vatermord, oft auch widernatürliche Unzucht mit

einem Geschöpf der Geisterwelt und Haß gegen Gott, welches die denkbar gräßlichsten Verbrechen sind. So steht es bei Delrio lib. 5. sect I; indessen will ich das in einer anderen

Abhandlung eingehender untersuchen. Die Frage bedarf erneuter sorgfältiger Prüfung, und man

könnte sagen wie Dan. 13. v. 49: „Richtet noch einmal.8

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Literaturverzeichnis

1/ http://img.wallpaperstock.net:81/die-letzten-exorzismus-wallpapers_22376_1920x1200.jpg

2 / http://bookhaven.stanford.edu/wp-content/uploads/2012/09/miller.jpg

3 / http://www.wsws.org/de/articles/2005/04/mill-a15.html

4 / http://www.siegfriedhagl.com/merkwuerdige-geschichten/die-hexenjagd-von-salem

5 / http://de.wikipedia.org/wiki/Puritanismus

6 / http://de.wikipedia.org/wiki/Pilgerv%C3%A4ter

7/ http://www.schattenblick.de/infopool/geist/philo/gpeth019.html

8 / Friedrich von Spee / „Cautio Criminalis oder Rechtliches Bedenken wegen der

Hexenprozesse“ / dtv-Verlag / 9. Auflage 2012

Weiterführendes

Literatur

Harold Bloom / „Arthur Miller´s The crucible“ / Chelsea House Pub. / New York 2008

Terry Eagleton / „Das Böse“ / List Taschenbuch / Berlin 2011

Marco Frenschkowski / „Die Hexen – Eine kulturgeschichtliche Analyse“ / Marixverlag /

1. Auflage 2012

Brian P. Levack / „Hexenjagd: die Geschichte der Hexenverfolgung in Europa“. / München 1995

Paul Ricoeur / „Das Böse. Eine Herausforderung für Philosophie und Theologie“ / Theologischer

Verlag Zürich / Zürich 2006.

Filme

Good Night, and Good Luck / Regie: George Clooney / USA 2005 / Film über die McCarthy-

Ära

Hexenjagd (The Crucible) / Regie: Nicholas Hytner / USA 1996 / Verfilmung des Stückes

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IMPRESSUM

Herausgeber Theater Paderborn – Westfälische Kammerspiele GmbH

Neuer Platz 6

33098 Paderborn

Intendanz und Geschäftsführung Katharina Kreuzhage

Vorsitzender des Aufsichtsrates Heinz Paus

Redaktion Theaterpädagogik / Marguerite Windblut / Theresa Blöthner

Gestaltung Marguerite Windblut (CI Kleon Medugorac / www.better-new-world.com)

Probenfotos Marcel Diemer / www.mdphoto.org

Theaterkasse

Tel.: 05251/ 2881100 / Neuer Platz 6 / 33098 Paderborn / Di-Sa: 10:00-13:30 Uhr / Di-Fr: 14:30-18:00 Uhr

„Der Teufel lebt von solchen Vertraulichkeiten. Ohne Vertraulichkeiten

gäbe es keine Verschwörung, Euer Ehren! Sie muss zerstört werden.“

Pastor Parris in HEXENJAGD, 3. Akt