NSU | National-sozialistischer Untergrund Jena / Zwickau

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 Drei Bombenbastler und ein Todesfall Rechtsterrorist in Lobeda? Neue Fragen zum Hintergrund eines Unfalls  Von Günter Platzdasch (in: Thüringische Landeszeitung,  8. Juli 2000) Jena. (tlz/GPl) Nachdem sich 1998 in Jena-Lobeda ein junger Mann in die Luft ge- sprengt hatte, hatte man den Eindruck, dass hier ein Einzelgänger, vielleicht beim un- sachgemäßen Hantieren mit seinem Chemiebaukasten oder bei der Vorbereitung des Milleniumfeuerwerks zu Tode gekommen sei. Beunruhigend genug für die noch einmal davongekommene Nachbarscha ft im Plattenbau. Inzwischen muß man aber fragen, ob der Vorfall einen politischen Hintergrund hat. Offenbar sind auch nicht „nur“ Linke und Ausländer, das rechte Feindbild, in Ge- fahr. Mittwochabend war Jena bundesweit auf der Mattscheibe: „Unter Waffen – Der Rechtsterrorismus formiert sich“, hieß der Beitrag des Rechtsextremismusexperten Dr. Rainer Fromm in der ZDF-Sendung „Kennzeichen D“. Gezeigt wurden die Jenaer Bombenbauer Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, die dringend ver- dächtig sind, im September 1997 auf dem Theaterplatz einen Sprengsatz mit Haken- kreuz abgelegt zu haben. Nach einer Razzia in Burgau, bei der Waffen, Sprengstoff, Rohrbomben und Nazipropagandamaterial sichergestellt wurden, tauchten die Drei, nach denen noch gefahndet wird, unter. Gehört auch das tödliche Sprengstoffexperi- mentieren in Lobeda in diesen Zusammenhang? „Das wäre ein Hammer“, meint der Fernsehjournalist Fromm, von der TLZ tags darauf auf mögliche Verbindungen hingewiesen. Fromm, dessen Filme und Bücher über Rechtsextremis mus in Thüringen in der Bildungsarbeit einge setzt werden, kennt den Lobedaer Todesfall. Auch ihm ist bisher nur die Version „unpolitischer Einzeltäter“ bekannt. Aber aus dem Landesamt für Verfassungsschutz gibt es anderslautende, der TLZ vorliegende Hinweise. Der inzwischen nach einem anderen Fernsehbericht Fromms über die Zusam- menarbeit der Verfassungsschützer mit dem Neonazi Dienel vom Amt suspendierte Thüringer Verfassungsschutzchef Dr. Helmut Roewer hat in einem Vortrag in seinem  Amt am 13. März 2000 über Rechtsextremismus selbst das flüchtige Trio mit dem Lo- bedaer Toten in einem Atemzug genannt: „Hierher gehört auch ein weiterer Jenaer – er sprengte sich bei einem Bombenbauversuch selbst in die Luft“, so der Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschu tz. Während das Landeskriminalamt in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft mitteilte, dass zwischen dem Fahndungstrio und dem Toten „kein Bezug“ und beim Sprengstofftoten kein rechtsextremer Hintergrund „erkennbar sind“, war vom Innenmi- nisterium, dem der Verfassungsschutz untersteht, bis Redaktionsschluß keine Aufklä- rung zu erhalten. „Sie wissen doch, dass Herr Roewer derzeit nicht im Dienst ist“, so eine Ministeriumssprecherin – als seien die Erkenntnisse über Rechtsextremisten hierzulande allein im Kopf des geschassten Verfassungsschutzchefs gespeichert.  

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neonazi-zelle zwickau / jena, heilbronner polizistenmord, döner-morde. Artikel in Thüringische Landes-Zeitung 2000 über Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.

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Drei Bombenbastler und ein Todesfall 

Rechtsterrorist in Lobeda?Neue Fragen zum Hintergrund eines Unfalls

■ Von Günter Platzdasch (in: Thüringische Landeszeitung, 8. Juli 2000) 

Jena. (tlz/GPl) Nachdem sich 1998 in Jena-Lobeda ein junger Mann in die Luft ge-sprengt hatte, hatte man den Eindruck, dass hier ein Einzelgänger, vielleicht beim un-sachgemäßen Hantieren mit seinem Chemiebaukasten oder bei der Vorbereitung desMilleniumfeuerwerks zu Tode gekommen sei. Beunruhigend genug für die noch einmaldavongekommene Nachbarschaft im Plattenbau.

Inzwischen muß man aber fragen, ob der Vorfall einen politischen Hintergrundhat. Offenbar sind auch nicht „nur“ Linke und Ausländer, das rechte Feindbild, in Ge-

fahr.Mittwochabend war Jena bundesweit auf der Mattscheibe: „Unter Waffen – Der 

Rechtsterrorismus formiert sich“, hieß der Beitrag des Rechtsextremismusexperten Dr.Rainer Fromm in der ZDF-Sendung „Kennzeichen D“. Gezeigt wurden die Jenaer Bombenbauer Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, die dringend ver-dächtig sind, im September 1997 auf dem Theaterplatz einen Sprengsatz mit Haken-kreuz abgelegt zu haben. Nach einer Razzia in Burgau, bei der Waffen, Sprengstoff,Rohrbomben und Nazipropagandamaterial sichergestellt wurden, tauchten die Drei,nach denen noch gefahndet wird, unter. Gehört auch das tödliche Sprengstoffexperi-mentieren in Lobeda in diesen Zusammenhang?

„Das wäre ein Hammer“, meint der Fernsehjournalist Fromm, von der TLZ tagsdarauf auf mögliche Verbindungen hingewiesen. Fromm, dessen Filme und Bücher über Rechtsextremismus in Thüringen in der Bildungsarbeit eingesetzt werden, kenntden Lobedaer Todesfall. Auch ihm ist bisher nur die Version „unpolitischer Einzeltäter“bekannt. Aber aus dem Landesamt für Verfassungsschutz gibt es anderslautende, der TLZ vorliegende Hinweise.

Der inzwischen nach einem anderen Fernsehbericht Fromms über die Zusam-menarbeit der Verfassungsschützer mit dem Neonazi Dienel vom Amt suspendierteThüringer Verfassungsschutzchef Dr. Helmut Roewer hat in einem Vortrag in seinemAmt am 13. März 2000 über Rechtsextremismus selbst das flüchtige Trio mit dem Lo-bedaer Toten in einem Atemzug genannt: „Hierher gehört auch ein weiterer Jenaer –

er sprengte sich bei einem Bombenbauversuch selbst in die Luft“, so der Präsidentdes Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz.Während das Landeskriminalamt in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft

mitteilte, dass zwischen dem Fahndungstrio und dem Toten „kein Bezug“ und beimSprengstofftoten kein rechtsextremer Hintergrund „erkennbar sind“, war vom Innenmi-nisterium, dem der Verfassungsschutz untersteht, bis Redaktionsschluß keine Aufklä-rung zu erhalten. „Sie wissen doch, dass Herr Roewer derzeit nicht im Dienst ist“, soeine Ministeriumssprecherin – als seien die Erkenntnisse über Rechtsextremistenhierzulande allein im Kopf des geschassten Verfassungsschutzchefs gespeichert. 

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Ex-Verfassungsschutzchef Roewer 

Ein rechter HintergrundNeues zum Sprengstoffunfall in Lobeda

■ Von Günter Platzdasch (THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG – Freitag, 17. Nov. 2000) 

Jena. (tlz/GPl) In keiner Rechtsextremismusstatistik taucht auf, daß sich 1998 in Jena-Lobeda ein junger Mann in die Luft sprengte. Recherchen der TLZ führten zur Vermutung, daß der Vorfall einen in der Öffentlichkeit unbekannten politischen Hin-tergrund hatte („Drei Bombenbastler und ein Todesfall – Rechtsterrorist in Lobeda?“ -TLZ vom 8.7.).

Der Thüringer Ex-Verfassungsschutzchef Helmut Roewer hat jetzt diese Ver-mutungen bestätigt. Am Rande einer Veranstaltung über den umstrittenen Extremis-

musfilm Reyk Seelas, einer Auftragsarbeit des Verfassungsschutzes, wie Seela zu-gab, erläuterte Roewer auf Fragen des TLZ-Mitarbeiters seine Erkenntnisse zum To-desfall in Lobeda. „Es ist offenbar so, dass sich viele Leute meiner Kodderschnauzeerinnern“, meinte der politische Beamte, der ohne weitere Begründung in den Ruhe-stand versetzt werden konnte. Innenministerium und Strafverfolgungsbehörden hattensich seinerzeit auf TLZ-Anfragen wortkarg gezeigt und ausweichend geantwortet.

Roewer verteidigte, daß er den Lobeda-Täter amtsintern in einem Atemzug mitden drei Jenaer Bombenbauern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe,nach denen wegen eines Sprengsatzes mit Hakenkreuz auf dem Theaterplatz immer noch gefahndet wird, genannt hat. „Es gibt keinen Muster-Rechtsextremisten, sonderndas Problem ist vielschichtig. Den Muster-Rechtsextremisten der Marke Groß-stark-arbeitslos-und-kann-nicht-bis-drei-zählen gibt es nur in den Köpfen selbsternannter Experten.“ Es gebe auf der Rechten auch „eine Anzahl nicht zu unterschätzender Einzeltäter und Kleinstgruppen“, warnte Roewer. Das dürfe nicht vergessen werdenbei der NPD-Verbotsdiskussion. Roewer behauptete übrigens, daß „die Diskussionvon mir ausgegangen ist“, nicht vom bayerischen Innenminister Beckstein oder Bun-desinnenminister Schily – er habe bereits vor anderthalb Jahren ein NPD-Verbot ge-fordert, sei aber dafür „heftig gescholten“ worden. „Die Partei gehört ohne längeresZucken abgeräumt.“

Der Lobedaer Sprengstoffbastler sei solch ein nicht minder gefährlicher Einzel-täter. Zwar ein Einzelgänger, aber durchaus bekannt in der lokalen Naziszene. Man

habe das „mühsam nach seinem Tod rekonstruiert“. Denn zunächst habe man nur einen linken Finger gehabt, um die Identität zu ermitteln. Der junge Mann habe sichdurchaus um Kontakte ausgerechnet zur rechten Szene, nicht zu Kaninchenzüchternoder Linken bemüht, sei dort aber „abgeblitzt“, da er wohl als unberechenbarer „Spin-ner“ erschienen sei.

Roewer widersprach kursierenden Gerüchten, daß der Mann beimExperimentieren mit einer (vielleicht „nur“ gefundenen) Panzerfaust umgekommen sei.Auch von einer gewollten Selbsttötung sei nicht auszugehen. „Nein, das warenSprengstoffexperimente“. Da habe einer wohl „sein großes Ding“ vorbereiten wollen.Und so sei es Glück im Unglück, daß es wegen der mißratenen Vorbereitungenschließlich nur ein Opfer gab. 

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