RWTHinsight 2/2011

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1 Ein leerer Raum so groß wie eine Garage, die Wände und der Boden sind überdimensionale Projektionsflächen. Menschen bewegen sich darin mit futuristisch anmutenden Brillen: Die CAVE ist als „Cave Automated Virtual Environment“ eine tech- nisch sehr aufwändige Einrichtung zur Erzeugung dreidimensio- naler Illusionswelten. Durch die Brille, versehen mit Polarisati- onsfiltern, betrachtet der Besucher die hochaufgelösten Projek- tionen. Kameras, verbunden mit Computern, registrieren seine Bewegungen: „So können die Rechner der jeweiligen Situation angepasste Bilder liefern, wie man sie in der wirklichen Umge- bung sehen würde“, erläutert Diplom-Informatiker Frank We- fers vom Institut für Technische Akustik, kurz ITA genannt. Doch reicht allein das Seherlebnis, um den Sinnen eine künstliche Welt echt erscheinen zu lassen? „Der Realität kommt man nur sehr nahe, wenn man gleichzeitig akustische Eindrücke erhält“, betont Diplom-Ingenieur Sönke Pelzer, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter des ITA. Darum wollen die Aachener Akustikexperten für den guten Ton in virtuellen Welten sorgen. Sie erforschen den Umgang mit Akustik im VRCA, dem Virtual Reality Center Aachen. Den in diesem Zu- sammenschluss kooperierenden Hochschuleinrichtungen ste- hen die VR-Einrichtungen des Rechen- und Kommunikations- zentrums der RWTH zur Verfügung. In Wechselwirkung mit den visuellen Systemen können in der hier installierten CAVE Ereignisse auch über akustische Signale dargestellt werden. Wenn beispielsweise die Vorbeifahrt eines Zuges von rechts nach links simuliert wird, soll der Besucher dies auch hörend nachvollziehen können. Ebenso muss auf das Werfen eines Hammers gegen eine virtuelle Scheibe ein deutliches Klirren fol- gen. Diese künstlichen Klangerzeugungen mit dem Ziel, Hör- Der RWTH-Antrag für einen Forschungsbau „Center for Wind Power Drives (CWD) mit Systemprüfstand für On-Shore Wind- energieanlagen“ wurde vom Wissenschaftsrat am 8. Juli positiv begutachtet. Das Aachener Vorhaben gehört nun zu insgesamt 16 Anträgen, die der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz im Oktober 2011 zur Bewilligung vorliegen. Es ist davon auszuge- hen, dass die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz die Vorha- ben genehmigen wird. Der Wissenschaftsrat hat in seine Reihung nur solche Vorha- ben aufgenommen, die herausragend oder sehr gut bewertet wurden. Zur Verfügung stehen insgesamt 426 Millionen Euro, die Kosten des RWTH-Gebäudes - inklusive des Prüfstandes - sind mit 25,3 Millionen Euro beziffert. Das neue Gebäude soll Raum für 55 wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter bieten. Die Wissenschaftler eindrücke möglichst realistisch abzubilden, sind kein einfaches Unterfangen, berichten die jungen Ingenieure. Simulation in Echtzeit Von der erfolgreichen Forschung in diesem Bereich können aber viele profitieren. Architekten zum Beispiel, die einen gro- ßen Konzertsaal planen. Wie verändert sich der Klang einer So- pranstimme, wenn ein zusätzlicher Reflektor eingebaut wird oder wenn Teppich statt Marmorboden ausliegt? Am ITA wird bereits seit 15 Jahren unter der Leitung von Prof. Michael Vor- länder intensiv erforscht, wie sich die Schallübertragung mit Hilfe von Algorithmen zur raumakustischen Simulation berech- nen lässt. Schwierigkeiten bereiteten dabei die hohen Rechen- zeiten. Die komplexen Raumverhältnisse machen eine Vorverar- beitung der Daten erforderlich. „Wir wollen das in Echtzeit möglich machen“, betont Wefers. „Zudem wollen wir im virtu- ellen Konzertsaal nicht nur einmal exemplarisch, sondern konti- nuierlich hören, während wir uns durch ihn bewegen.“ Das mache die akustische Berechnung aufwändig: „Aber es gibt nicht das probate Akustik-Design für einen Saal. Die genaue Er- mittlung der Ursachen für gute oder schlechte Klangqualitäten von Räumen ist schwierig.“ Und damit der Architekt das aus- probieren kann, untersuchen Wefers und Pelzer die Klangwir- kungen in 3D-Welten. „Wir wollen jede einzelne Reflexion, je- de einzelne Wand so nachbilden, dass der am Trommelfell an- kommende Schall dem der echten Welt entspricht.“ Dazu rechnen die Forscher mit physikalischen Größen. Pel- zer erläutert ein Verfahren: „Ich schicke einfach 100.000 Schall- teilchen durch den Raum. Und dann schaue ich mir an, wie die Teilchen durch die Luft fliegen, sich an Wänden reflektieren und ihre Flugrichtung ändern.“ Er verfolgt die Teilchen so lange, bis sie entweder keine Energie mehr haben oder aber an das Ohr vorgedrungen sind. Mit den gewonnenen Daten können die Forscher dann das Hörerlebnis in der virtuellen Welt simulieren. Forschen für den perfekten Konzertsaal Damit die Nutzerinnen und Nutzer der Cave nicht den Be- schränkungen durch das Tragen von Kopfhörern ausgesetzt werden, wollen die Aachener Wissenschaftler den Einsatz bi- nauraler Wiedergabe, bekannt als Kunstkopftechnik, unter Ver- wendung von Lautsprechern in virtuellen Systemen optimieren. Das Problem des unerwünschten sogenannten Übersprechens – beide Ohren hören jeweils auch die Signale, die für das andere Ohr bestimmt sind – wird von ihnen mittels eines dynamischen Kompensators unterdrückt. Somit ist es möglich, den Schall- druck an jedem Ohr des Hörers unabhängig zu kontrollieren, so dass die Geräusche als räumlich und damit als realitätsnah wahrgenommen werden. Noch sind es vor allem die Forscher, die mit akustischer virtueller Realität arbeiten, berichten Wefers und Pelzer. Aber das Interesse auf dem Markt ist vorhanden, und das Potenzial der Anwendungen groß. Und das gilt nicht nur für den Wunsch der Schaffung eines perfekten Konzertsaals beispielsweise für einen Live-Auftritt von Robbie Williams. Vir- tuell kann ebenso getestet werden, wie ein Klassenzimmer aus- zustatten ist, damit die Stimme des Lehrers geschont wird, ein Konferenzraum zu gestalten ist, der keine vertraulichen Gesprä- che nach außen lässt, oder wie Start- und Landebahnen zu bauen sind, damit die Lärmbelästigungen für die Anwohner ei- nes Flughafens möglichst niedrig bleiben. Christina Diels / Renate Kinny beschäftigen sich dort mit der Antriebstechnik von On-Shore- Windenergieanlagen. So stehen die Ermittlung der Gebrauchs- dauer und die Entwicklung neuer Antriebskonzepte im Mittel- punkt des Interesses. Der Systemprüfstand erlaubt die Untersu- chung der Antriebe von Windenergieanlagen im Labor. Die Windlasten und Netzrückwirkungen können dabei durch geeig- nete Simulatoren sehr flexibel aufgeprägt werden. Bosch finanziert Lehrstühle 125 Jahre Bosch nahm das Unternehmen zum Anlass, mit 50 Millionen Euro die Hochschulforschung in Deutschland, China, Indien und USA zu fördern. Drei deutsche Hochschulen wur- den für das „Bosch InterCampus Program“ ausgewählt, zu ih- Forschung für Windkraft nen gehört die RWTH: An der Aachener Hochschule sollen zukunftsträchtige Tätigkeitsfelder mit rund fünf Millionen Euro gefördert werden. Mittel in gleicher Höhe gehen an das KIT, das Karlsruher Institut für Technologie, und an die Uni- versität Stuttgart. An der RWTH fördert Bosch die Einrichtung eines Lehrstuhls für Erneuerbare Energien mit dem Schwer- punkt Antrieb für Windkraftanlagen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem bestehenden Institut für Maschi- nenelemente und Maschinengestaltung, das bereits im Be- reich Windenergie aktiv ist. Weitere Mittel stellt Bosch für den Aufbau eines Lehrstuhls für Produktionstechnik für Kom- ponenten der Elektromobilität innerhalb des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ zur Verfügung. Zeitung der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Das Institut für Technische Akustik forscht für den perfekten Konzertsaal. Foto: Peter Winandy Guter Ton 22011 s in virtuellen Welten

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Zeitung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen

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1Ein leerer Raum so groß wie eine Garage, die Wände und derBoden sind überdimensionale Projektionsflächen. Menschenbewegen sich darin mit futuristisch anmutenden Brillen: DieCAVE ist als „Cave Automated Virtual Environment“ eine tech-nisch sehr aufwändige Einrichtung zur Erzeugung dreidimensio-naler Illusionswelten. Durch die Brille, versehen mit Polarisati-onsfiltern, betrachtet der Besucher die hochaufgelösten Projek-tionen. Kameras, verbunden mit Computern, registrieren seineBewegungen: „So können die Rechner der jeweiligen Situationangepasste Bilder liefern, wie man sie in der wirklichen Umge-bung sehen würde“, erläutert Diplom-Informatiker Frank We-fers vom Institut für Technische Akustik, kurz ITA genannt.

Doch reicht allein das Seherlebnis, um den Sinnen einekünstliche Welt echt erscheinen zu lassen? „Der Realitätkommt man nur sehr nahe, wenn man gleichzeitig akustischeEindrücke erhält“, betont Diplom-Ingenieur Sönke Pelzer,ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter des ITA. Darum wollendie Aachener Akustikexperten für den guten Ton in virtuellenWelten sorgen. Sie erforschen den Umgang mit Akustik imVRCA, dem Virtual Reality Center Aachen. Den in diesem Zu-sammenschluss kooperierenden Hochschuleinrichtungen ste-hen die VR-Einrichtungen des Rechen- und Kommunikations-zentrums der RWTH zur Verfügung. In Wechselwirkung mitden visuellen Systemen können in der hier installierten CAVEEreignisse auch über akustische Signale dargestellt werden.Wenn beispielsweise die Vorbeifahrt eines Zuges von rechtsnach links simuliert wird, soll der Besucher dies auch hörendnachvollziehen können. Ebenso muss auf das Werfen einesHammers gegen eine virtuelle Scheibe ein deutliches Klirren fol-gen. Diese künstlichen Klangerzeugungen mit dem Ziel, Hör-

Der RWTH-Antrag für einen Forschungsbau „Center for WindPower Drives (CWD) mit Systemprüfstand für On-Shore Wind-energieanlagen“ wurde vom Wissenschaftsrat am 8. Juli positivbegutachtet. Das Aachener Vorhaben gehört nun zu insgesamt16 Anträgen, die der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz imOktober 2011 zur Bewilligung vorliegen. Es ist davon auszuge-hen, dass die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz die Vorha-ben genehmigen wird.

Der Wissenschaftsrat hat in seine Reihung nur solche Vorha-ben aufgenommen, die herausragend oder sehr gut bewertetwurden. Zur Verfügung stehen insgesamt 426 Millionen Euro,die Kosten des RWTH-Gebäudes - inklusive des Prüfstandes -sind mit 25,3 Millionen Euro beziffert.

Das neue Gebäude soll Raum für 55 wissenschaftliche undnichtwissenschaftliche Mitarbeiter bieten. Die Wissenschaftler

eindrücke möglichst realistisch abzubilden, sind kein einfachesUnterfangen, berichten die jungen Ingenieure.

Simulation in EchtzeitVon der erfolgreichen Forschung in diesem Bereich könnenaber viele profitieren. Architekten zum Beispiel, die einen gro-ßen Konzertsaal planen. Wie verändert sich der Klang einer So-pranstimme, wenn ein zusätzlicher Reflektor eingebaut wirdoder wenn Teppich statt Marmorboden ausliegt? Am ITA wirdbereits seit 15 Jahren unter der Leitung von Prof. Michael Vor-länder intensiv erforscht, wie sich die Schallübertragung mitHilfe von Algorithmen zur raumakustischen Simulation berech-nen lässt. Schwierigkeiten bereiteten dabei die hohen Rechen-zeiten. Die komplexen Raumverhältnisse machen eine Vorverar-beitung der Daten erforderlich. „Wir wollen das in Echtzeitmöglich machen“, betont Wefers. „Zudem wollen wir im virtu-ellen Konzertsaal nicht nur einmal exemplarisch, sondern konti-nuierlich hören, während wir uns durch ihn bewegen.“ Dasmache die akustische Berechnung aufwändig: „Aber es gibtnicht das probate Akustik-Design für einen Saal. Die genaue Er-mittlung der Ursachen für gute oder schlechte Klangqualitätenvon Räumen ist schwierig.“ Und damit der Architekt das aus-probieren kann, untersuchen Wefers und Pelzer die Klangwir-kungen in 3D-Welten. „Wir wollen jede einzelne Reflexion, je-de einzelne Wand so nachbilden, dass der am Trommelfell an-kommende Schall dem der echten Welt entspricht.“

Dazu rechnen die Forscher mit physikalischen Größen. Pel-zer erläutert ein Verfahren: „Ich schicke einfach 100.000 Schall-teilchen durch den Raum. Und dann schaue ich mir an, wie dieTeilchen durch die Luft fliegen, sich an Wänden reflektieren und

ihre Flugrichtung ändern.“ Er verfolgt die Teilchen so lange, bissie entweder keine Energie mehr haben oder aber an das Ohrvorgedrungen sind. Mit den gewonnenen Daten können dieForscher dann das Hörerlebnis in der virtuellen Welt simulieren.

Forschen für den perfekten KonzertsaalDamit die Nutzerinnen und Nutzer der Cave nicht den Be-schränkungen durch das Tragen von Kopfhörern ausgesetztwerden, wollen die Aachener Wissenschaftler den Einsatz bi-nauraler Wiedergabe, bekannt als Kunstkopftechnik, unter Ver-wendung von Lautsprechern in virtuellen Systemen optimieren.Das Problem des unerwünschten sogenannten Übersprechens –beide Ohren hören jeweils auch die Signale, die für das andereOhr bestimmt sind – wird von ihnen mittels eines dynamischenKompensators unterdrückt. Somit ist es möglich, den Schall-druck an jedem Ohr des Hörers unabhängig zu kontrollieren, sodass die Geräusche als räumlich und damit als realitätsnahwahrgenommen werden. Noch sind es vor allem die Forscher,die mit akustischer virtueller Realität arbeiten, berichten Wefersund Pelzer. Aber das Interesse auf dem Markt ist vorhanden,und das Potenzial der Anwendungen groß. Und das gilt nichtnur für den Wunsch der Schaffung eines perfekten Konzertsaalsbeispielsweise für einen Live-Auftritt von Robbie Williams. Vir-tuell kann ebenso getestet werden, wie ein Klassenzimmer aus-zustatten ist, damit die Stimme des Lehrers geschont wird, einKonferenzraum zu gestalten ist, der keine vertraulichen Gesprä-che nach außen lässt, oder wie Start- und Landebahnen zubauen sind, damit die Lärmbelästigungen für die Anwohner ei-nes Flughafens möglichst niedrig bleiben.

Christina Diels / Renate Kinny

beschäftigen sich dort mit der Antriebstechnik von On-Shore-Windenergieanlagen. So stehen die Ermittlung der Gebrauchs-dauer und die Entwicklung neuer Antriebskonzepte im Mittel-punkt des Interesses. Der Systemprüfstand erlaubt die Untersu-chung der Antriebe von Windenergieanlagen im Labor. DieWindlasten und Netzrückwirkungen können dabei durch geeig-nete Simulatoren sehr flexibel aufgeprägt werden.

Bosch finanziert Lehrstühle125 Jahre Bosch nahm das Unternehmen zum Anlass, mit 50Millionen Euro die Hochschulforschung in Deutschland, China,Indien und USA zu fördern. Drei deutsche Hochschulen wur-den für das „Bosch InterCampus Program“ ausgewählt, zu ih-

Forschung für Windkraftnen gehört die RWTH: An der Aachener Hochschule sollenzukunftsträchtige Tätigkeitsfelder mit rund fünf MillionenEuro gefördert werden. Mittel in gleicher Höhe gehen an dasKIT, das Karlsruher Institut für Technologie, und an die Uni-versität Stuttgart. An der RWTH fördert Bosch die Einrichtungeines Lehrstuhls für Erneuerbare Energien mit dem Schwer-punkt Antrieb für Windkraftanlagen. Dies geschieht in engerZusammenarbeit mit dem bestehenden Institut für Maschi-nenelemente und Maschinengestaltung, das bereits im Be-reich Windenergie aktiv ist. Weitere Mittel stellt Bosch fürden Aufbau eines Lehrstuhls für Produktionstechnik für Kom-ponenten der Elektromobilität innerhalb des Exzellenzclusters„Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ zurVerfügung.

Zeitung der Rheinisch-

Westfälischen TechnischenHochschule

Aachen

Das Institut für Technische Akustik forscht

für den perfekten Konzertsaal.

Foto: Peter WinandyGuter Ton

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in virtuellen Welten

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HumTec bewegt die Forschung

Zukunftsorientierte Forschung nutzt historische Gemäuer: Imehemaligen Regierungsgebäude am Theaterplatz in Aachensind im so genannten Projekthaus HumTec viele Kompetenzenunter einem Dach vereint. Der Name ist hier Programm und dieFörderung humaner Technologien das Ziel. Dabei trifft die Philo-sophie auf Technik, die Literaturwissenschaft kooperiert mit derInformatik und weitere Disziplinen wie Psychologie, Medizin,Kommunikationswissenschaft, Architektur oder Medizintechniksind vernetzt.Als Maßnahme zur Stärkung der interdisziplinären Zusammen-arbeit im Zukunftskonzept „RWTH 2020: Meeting Global Chal-lenges“ ist HumTec Bindeglied zwischen der PhilosophischenFakultät und den technischen und naturwissenschaftlichen Fa-kultäten der Hochschule. Die Projektbeteiligten sehen ihre ge-sellschaftliche Verantwortung: Sie orientieren sich an den globa-len Herausforderungen, denen sich die RWTH mit ihrem Zu-kunftskonzept auch während der nächsten beantragten Förder-phase der Exzellenzinitiative stellen will. Dazu gehören Themenwie Energieerzeugung und -verteilung, die medizinische Versor-gung einer alternden Gesellschaft oder der Klimawandel. Geför-dert wird das interdisziplinäre Projekthaus bereits aus Mitteln derExzellenzinitiative des Bundes und der Länder.„HumTec hat Bewegung in die Philosophische Fakultät ge-bracht. Durch das Projekthaus ist es gelungen, geistes- und sozi-alwissenschaftliche Kompetenzen an der RWTH sichtbarer zu

HumTec bewegt die Forschung

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Rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Disziplinen sind im Projekthaus HumTec vernetzt.

Foto: Peter Winandy

Am Samstag, 2. Juli, lud die RWTH zum so genannten Erst-info-Tag ein, organisiert durch die Zentrale Studienberatung.Dieser ersetzte den bisherigen Studieninformationstag undstand unter dem Motto „Entdecke die Welt des Studiums“. Er fand von 10 bis 15 Uhr im Kármán-Auditorium und imHauptgebäude statt.

Aufgrund der Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasiensollte eine jüngere Zielgruppe angesprochen. Im Fokus stan-den die Jahrgangstufen 9 bis 11, also die 14- bis 17-Jährigensowie deren Eltern. Ihnen wurden erste Begegnungen mit denThemen Studieren, Wissenschaft und Berufe geboten.

In der „Studienwelt“ konnten sich die Schülerinnen undSchüler in Vorträgen allgemein über die Studienfächer infor-mieren. Beratungsstände der Fachgruppen, studentische Bera-tungsstände sowie Informationsstände der Zentralen Einrich-tungen der Hochschule beantworten weitere Fragen. In der„Forschungswelt“ wurden Exponate und Forschungsprojektepräsentiert. Wissenschaftliche Vorträge, interaktive Präsenta-tionen und Institutsbesuche boten die Möglichkeit, Vorlesun-gen zu erleben oder Forschungsergebnisse anschaulich erklärtzu bekommen. In der „Berufewelt“ präsentierten sich Berufs-verbände. Zudem berichteten Absolventen aus ihrem Berufs-alltag und beantworteten Fragen zu ihrem Werdegang.

Foto: Martin Lux

Erstinfo-Tag

Zukunftsorientierte Forschung nutzt historische Gemäuer: Imehemaligen Regierungsgebäude am Theaterplatz in Aachen sindim so genannten Projekthaus HumTec viele Kompetenzen untereinem Dach vereint. Der Name ist hier Programm und die För-derung humaner Technologien das Ziel. Dabei trifft die Philoso-phie auf Technik, die Literaturwissenschaft kooperiert mit der In-formatik und weitere Disziplinen wie Psychologie, Medizin,Kommunikationswissenschaft, Architektur oder Medizintechniksind vernetzt.

Als Maßnahme zur Stärkung der interdisziplinären Zusam-menarbeit im Zukunftskonzept „RWTH 2020: Meeting GlobalChallenges“ ist HumTec Bindeglied zwischen der Philosophi-schen Fakultät und den technischen und naturwissenschaftlichenFakultäten der Hochschule. Die Projektbeteiligten sehen ihre ge-sellschaftliche Verantwortung: Sie orientieren sich an den globa-len Herausforderungen, denen sich die RWTH mit ihrem Zu-kunftskonzept auch während der nächsten beantragten Förder-phase der Exzellenzinitiative stellen will. Dazu gehören Themenwie Energieerzeugung und -verteilung, die medizinische Versor-gung einer alternden Gesellschaft oder der Klimawandel. Geför-dert wird das interdisziplinäre Projekthaus bereits aus Mitteln derExzellenzinitiative des Bundes und der Länder.

„HumTec hat Bewegung in die Philosophische Fakultät ge-bracht. Durch das Projekthaus ist es gelungen, geistes- und sozi-alwissenschaftliche Kompetenzen an der RWTH sichtbarer zumachen. Es werden neue Wege, Perspektiven und Forschungs-felder formuliert“, berichtet Geschäftsführerin Simone Pierick.Inhalte der Forschungsprogramme – zurzeit sind es sieben mitrund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sind nicht alleinFragen zur Machbarkeit technischer Entwicklungen. Man suchtganzheitliche Lösungen: So befasst sich das Projekt eHealth mitdem Problem, wie bei drohendem Pflegenotstand und ökonomi-schen Engpässen für die immer mehr werdenden älteren Men-

schen eine medizinische Versorgung im häuslichen Umfeld er-reicht werden kann. Diese soll zudem mit den Fähigkeiten, Be-dürfnissen und Lebenswelten der Bewohner harmonisieren.Hierfür wurde ein intelligentes Wohnzimmer als Living Lab auf-gebaut, das verschiedene medizinische Produkte und Servicesenthält. Die Technik ist nicht sichtbar integriert, Wände, Fußbodenoder gar Möbel sind die intelligenten Schnittstellen nach außen.

Mit den Menschen entwickelnZugleich stellt dieses Wohnzimmer auch sinnliche und sozialeFunktionen zur Verfügung. Ein Beispiel ist das preisgekrönte Pro-jekt myGreenSpace, das den Nokia Ubimedia Award 2010 er-hielt. Es ist eine interaktive Anwendung, die für einen nicht mehrmobilen älteren Menschen die Natur ins Haus holt. „Stellen Siesich vor, Sie vermissen die Natur. Und Sie können Ihre Wohnungnicht verlassen“, heißt es in der Projektbeschreibung. Die Wis-senschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln daher einwandgroßes Display, das im Wohnbereich installiert Naturszenenvirtuell erfahrbar macht.

Damit der Nutzen für die potenziellen Anwender ebenso wieihre Bedürfnisse, Wünsche und Fähigkeiten im Umgang mitTechniken berücksichtigt sind, werden sie in alle Prozessschritteeinbezogen: „Systeme für den Menschen können nicht ohne ihngemacht werden“, erläutert Pierick. Weitere Voraussetzung istein breites Methodenspektrum: Mediziner definieren gesund-heitsspezifische Faktoren, die das Leben im Alter oder mit einerchronischen Krankheit beeinflussen; Informatiker, Architektenund Medizintechniker optimieren technische Fragestellungen.Psychologen und Kommunikationswissenschaftler reagieren aufverschiedene Nutzungskontexte und analysieren akzeptanzför-dernde oder -hemmende Faktoren.

Dass die Forschung in HumTec Fachgrenzen überschreitetund gar überwindet, wird auch an der Arbeit des Forschungs-

programms „ethics for energy technology“ deutlich. Hier wirddie Kluft zwischen empirischen Wissenschaften und philosophi-scher Analyse überbrückt, um verschiedene Energieversorgungs-trategien möglichst umfassend bewerten zu können. Dies ge-schieht weltumfassend und mit Blick auf zukünftige Generatio-nen. Ethische Aspekte werden ebenso behandelt wie Aspekteder technischen und ökonomischen Realisierbarkeit, wenn eszum Beispiel um die Potenziale regenerativer Energien geht.Zum Team gehören Philosophen, Verfahrenstechniker, Elektro-techniker, Wirtschaftsingenieure, Physiker und Biologen.

Räumliche Nähe ist wichtigViele erfolgreiche Projekte und die wachsende internationaleSichtbarkeit bestätigen das interdisziplinäre HumTec-Konzept: Soveranstaltet das Forschungsprogramm Brain/Concept/Writing -kurz BCW – im kommenden November bereits das zweite inter-nationale Symposium in Kooperation mit dem Centre for Manu-script Genetics der Universität von Antwerpen. Das Projekt BCWbefasst sich mit kreativen künstlerischen Schaffensprozessen ausSicht der Literaturwissenschaften, der Neurowissenschaften undder Informatik. Drei Gastwissenschaftler aus den USA, Italienund Großbritannien engagieren sich im ForschungsprogrammNatural Media and Engineering. Sie nutzen dort die Chance, ander RWTH in einem der modernsten Gestik-Labore forschen zukönnen.

„HumTec bietet räumliche Nähe mit gemeinsamen Bürosund Laboren, die sehr unterschiedliche wissenschaftliche Heran-gehensweisen in den sieben Forschungsprogrammen werdenunter einem Dach zusammengebracht“, betont Simone Pierick.Doktorandin Nadine Witt untersucht im ForschungsprogrammHUMIC derzeit diese spannende Interdisziplinarität aus soziolo-gischer Perspektive. Sie erforscht, wie fachübergreifende Arbeits-prozesse in den Forschungsprojekten organisiert sind. HumTechofft nun auf positive Resonanz für die nächste Förderphase derExzellenzinitiative. Zu ihrer erfolgreichen Fortführung wird umzusätzliche Drittmittelförderung der Forschungsprogramme ge-worben, auch neue sollen hinzukommen. HumTec zeigt sichschwungvoll in Bewegung – innovativ, zukunftsfähig und inter-disziplinär.

Gabriele Renner

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Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften undder Künste nahm Ende Mai mit den Professoren Rudolf Matharund Matthias Wuttig gleich zwei neue Mitglieder aus derRWTH auf. Die renommierte Institution wurde 1970 als Nach-folgeeinrichtung der Arbeitsgemeinschaft für Forschung desLandes Nordrhein-Westfalen gegründet. Ministerpräsident KarlArnold hatte diese 1950 ins Leben gerufen, damit sie die Lan-desregierung beim damaligen Wiederaufbau von NRW beriet.

Heute ist die Nordrhein-Westfälische Akademie in die dreiwissenschaftliche Klassen Geisteswissenschaften, Ingenieur- undWirtschaftwissenschaften, Naturwissenschaften und Medizinsowie in eine Klasse der Künste gegliedert. Nach wie vor gehörtzu ihren im Akademiegesetz festgelegten Aufgaben, als Gelehr-tengesellschaft die Regierung des Landes NRW bei der For-schungsförderung zu beraten und wissenschaftliche Forschunganzuregen. Darüber hinaus betreut die Akademie auch selbstlangfristige Forschungsvorhaben. Die ordentlichen Mitgliederder Akademie wählen aus dem Kreis der herausragenden Wis-senschaftler und Künstler Nordrhein-Westfalens neue Mitglie-der hinzu.

Dazu gehört jetzt Professor Dr. Rudolf Mathar, Leiter des Instituts für Theoretische Informationstechnik und Prodekan derFakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik. DenGrundstein für seinen beruflichen Werdegang legte er mit ei-nem Studium der Mathematik und anschließender Promotionsowie Habilitation an der RWTH. Mathar war als Gastprofessorin Melbourne, Bangkok und Brüssel sowie als Erskine Fellow ander Universität Christchurch, Neuseeland, tätig. Zudem ist Mat-har aktiv als Principal Investigator im Leitungsgremium des Ex-zellenzclusters UMIC – kurz für Ultra High-Speed Mobile Infor-mation and Communication.

Professor Dr. Matthias Wuttig ist Leiter des I. PhysikalischenInstituts. Er studierte zunächst Physik in Köln, die Promotion er-folgte, an der Aachener Hochschule. Neben seinen Tätigkeiten

in der NRW-Akademie

NRW-WissenschaftsministerinSvenja Schulze kam zur Gratulation, das Foto zeigt außerdem von links Akademiepräsident ProfessorHanns Hatt sowie die RWTH-Professoren Matthias Wuttig und Rudolf Mathar.

Foto: Rainer Hotz

NEUan der RWTH war er als Gastprofessor in Berkeley, Hangzhou,Marseille, Nairobi, Shanghai, Singapur und Stanford. Als Spre-cher des Strategierates der Hochschule engagiert er sich derzeitunter anderem bei der Antragstellung zum Zukunftskonzept imbundesweiten Exzellenz-Wettbewerb.

Im September 2006 hat die Nordrhein-Westfälische Akade-mie gemeinsam mit der Stiftung Mercator und dem NRW-Mini-sterium für Innovation, Wissenschaft und Forschung das „Jun-

ge Kolleg“ gegründet. Zurzeit gehören dem Kolleg seitens derRWTH die Professorinnen Anke Schmeink und Karen Veroy-Grepl sowie Professor Marc Spehr an. Bis zu 30 Nachwuchswis-senschaftler erhalten hier zeitlich befristet eine Plattform für in-terdisziplinären Austausch, finanzielle und ideelle Unterstützungihrer Forschungsvorhaben.

Renate Kinny

Zum 1. September wird die RWTH im Rahmen der Exzel-lenzinitiative einen Fortsetzungsantrag für das Zukunftskon-zept „RWTH 2020: Meeting Global Challenges“ einreichen.Rektor Ernst Schmachtenberg informiert ausführlich in derHochschule über den Antrag.

Da es sich um einen Fortsetzungsantrag handelt, ist eineWeiterentwicklung des ersten erfolgreichen Konzeptes an-stelle eines völlig neuen Wurfes geboten. Darüber hinausmüssen die Erfolge aus den Maßnahmen des ersten Zu-kunftskonzeptes die Messlatte für die angestrebten Ziele deszukünftigen Maßnahmen-Spektrums erkennbar erhöhen. Esgilt, den Spagat zwischen einem möglichst ambitionierten,wettbewerbsfähigen Antragskonzept und der Zumutbarkeitsowie Glaubwürdigkeit einzelner Maßnahmen zu meistern.Wettbewerbssituation und hochschuleigene Gesamtstrategiesind dabei stets im Blick zu halten. Mit komplexen und kon-zeptionellen Überlegungen, die sich aus diesem Spannungs-feld ergeben, beschäftigen sich die Lenkungsgruppe, zahlrei-che Arbeitsgruppen und das AixIni-Team seit mehreren Mo-

3Zukunftskonzept – wie geht es weiter?

naten intensiv. Die konzeptionellen Überlegungen sind mitt-lerweile in einen umfassenden Antragstext eingeflossen.

Workshop zeigt positive ResonanzAm 21. Mai fand ein Workshop mit gut 60 Vertreterinnenund Vertretern aller Gruppen statt, in dem ein erster Rohent-wurf konstruktiv geprüft wurde. Der Antragsgliederung fol-gend ging es dabei um drei Themenblöcke: „Status Quo“: Was wurde in der ersten Förderperiode der Exzellenzinitiati-ve erreicht? Neue Maßnahmen: Wie wird das Zukunftskon-zept in der zweiten Phase weitergeführt?

Langfristige Planung der HochschuleIm Ergebnis haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer desWorkshops den Entwurf in seinen wesentlichen Elementenfür geeignet befunden; die grundlegenden Maßnahmen sindmit Blick auf die Vorgaben von DFG und Wissenschaftsratund die starke Konkurrenzsituation bestätigt worden. Dieverbleibende Zeit bis zur Antragseinreichung wird zurzeit in-

tensiv genutzt, um dem Antragstext den „letzten Fein-schliff“ zu geben.

Nach Antragsabgabe am 1. September sind die nächstenMeilensteine bereits greifbar: Die Hochschule bereitet sichdann intensiv auf den Begehungstermin durch den Wissen-schaftsrat am 10. und 11. Januar 2012 vor. Im Novemberwird bereits die erste Probegehung mit internen Gutachternsowie im Dezember die zweite Probebegehung inklusive ex-terner Gutachter stattfinden.

AixIni-TeamKontakt:[email protected]

„Wir denken Zukunft.”

stalten. Das Rektorat folgte dabei der Aufforderung der exter-nen Experten, das zentrale Logo als Dachmarke vehementereinzusetzen“, betont Rektor Ernst Schmachtenberg im Vorwortder Broschüre. Dazu werden Möglichkeiten aufgezeigt, wiedie verschiedenen Identitäten der Hochschuleinrichtungenauf einheitliche Weise mit der Marke RWTH verbunden wer-den können. „In einem aufwändigen Gestaltungsprozess wur-de aus meiner Sicht ein gangbarer Weg gefunden, der es denLehr- und Forschungseinrichtungen der Hochschule erlaubt, ih-re Eigenständigkeit zu bewahren und gleichzeitig ihre Zugehö-rigkeit zur RWTH zu zeigen“, führt der Rektor weiter aus. Die-sem Grundsatz ist auch der neue Claim verpflichtet – „Wirdenken Zukunft.”, im Englischen „Thinking for the Future.”

Ein wesentliches Ziel der RWTH-Strategie 2020 ist, dass dieHochschule in Zukunft international sichtbarer als starke Ge-meinschaft auftritt. Auch das Zukunftskonzept der RWTH gibtdie Entwicklung einer Dachmarke vor, unter der alle Einheitenihre Individualität bewahren können. Dabei soll die MarkeRWTH für ihre Hauptzielgruppen – Studierende, Wirtschaft undwissenschaftliche Community – gleicher-maßen attraktiv sein.

Das Rektorat befasste sich daher mit der Agentur Scholz &Friends in moderierten Workshops und Expertengesprächenmit den Themen Ziele, Zielgruppen, Claim und Markenauf-tritt. Um ein noch stringenteres Erscheinungsbild der RWTHzu erreichen, wurde die Agentur außerdem mit der Entwick-lung eines Manuals zum einheitlichen Corporate Design derHochschule beauftragt. Diese Richtlinien für die Gestaltungder Kommunikationsmittel wurden vom Rektorat verabschie-det und im Juni öffentlich gemacht. Sie wurden innerhalb derHochschule als so genannter Styleguide in gedruckter Form,auf CD und online zur Verfügung gestellt.

„In der Anwendung der CD-Richtlinien liegt die Chance,den Außenauftritt der Hochschule deutlich homogener zu ge-

Das neue Corporate Design

Die CD-Richtlinien sind mit ihrer Veröffentlichung in Kraftgetreten, allerdings können noch vorhandene Drucksache bisEnde April 2012 verwendet werden. Dann ist die Umstellungauf die Angaben im Styleguide vorzunehmen. Um dies allenHochschuleinrichtungen zu erleichtern, wurde ein abgestimm-ter Verfahrensablauf eingerichtet. Außerdem stehen Ansprech-partner seitens der zentralen Hochschulverwaltung zur Ver-fügung. Alle Informationen und Kontakte finden sich unter der Webadresse:www.rwth-aachen.de/cd-richtlinien

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Die Überraschung war perfekt – statt eines Arbeitstreffenserwartete Professorin Dr. Martina Ziefle eine kleine Feier alsDank für ihr „famoses“ Verhalten. Ihre Mitarbeiterinnen

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Den Telefonhörer zwischen linkem Ohr und linker Schulter ein-geklemmt, mit dem linken Daumen eine SMS ins Handy ge-tippt und mit der rechten Hand per Mausklick das E-Mail-Pro-gramm geöffnet. Für viele scheint Multitasking längst normal.Doch kann der Mensch überhaupt mit seinem kognitiven Sys-tem mehr als eine Aufgabe zugleich meistern? Dr. Iring Koch,Professor am Institut für Psychologie, erforscht in experimen-tellen Laborstudien, wie Menschen Informationen aufnehmenund sie verarbeiten. Dabei beobachtet er Probanden, die zweiAufgaben parallel bearbeiten sollen. Ob sie das überhauptkönnen, hängt natürlich von der Art der Aufgabe ab. „Es istkein Problem, einen Reiz zu sehen und einen Reiz zu hören“,sagt Koch. Auf der Wahrnehmungsebene gebe es kaum Inter-ferenz, also keine Leistungsverschlechterung. „Aber“, betontder Experte, „sobald irgendetwas entschieden werden muss,kann man nur noch eine Sache machen.“

Er erläutert das anhand des leidlich bekannten Beispiels desTelefonierens am Steuer. „Die meisten sagen, dass Telefonierenund gleichzeitiges Autofahren kein Problem ist“, berichtet derPsychologe. Dem widersprechen zahlreiche Studien: Sie zei-gen, dass Telefonieren am Steuer zu längeren Bremslatenzenführt, mehr Auffahrunfälle verursacht und die Fahrer Verkehrs-zeichen schlechter wahrnehmen. Wenn die Situation kritischwird - beispielsweise beim Hineinfahren in einen Kreisel - wer-de der Fahrer im Telefongespräch stocken. Es sei also ein Irr-tum, anzunehmen, Telefonieren und Strecke zurücklegen er-spare in jedem Fall Zeit. „Es geht, aber die Leistung wird be-einträchtigt“, warnt Koch.

Cross-Talk sorgt für FehlerHäufig praktiziert wird auch das Bügeln beim Fernsehen.„Wenn es wirklich spannend wird, hört man auf zu bügeln“,meint der Wissenschaftler. Dabei sei es bei diesen beiden Tä-tigkeiten nicht folgenschwer - von Bügelfalten abgesehen -wenn eine schlechter ausgeführt wird. „Aber beim Autofahren

Der Reihe nach statt Multitasking

Jubilare der RWTH

Foto: Martin Lux

ist es fatal, wenn man im entscheidenden Moment abgelenktist und nicht bremst.“ Wichtige Dinge sollten also lieber schönder Reihe nach erledigt werden. Und Koch betont, dass selbsteine Freisprechanlage keine Lösung ist: „Auch das Telefonierenüber die Freisprechanlage beeinträchtigt die Leistung im Auto-fahren.“

Ist das menschliche Gehirn also einfach nicht dafür geschaf-fen, Aufgaben parallel zu bearbeiten? „Das menschliche Ge-hirn ist ein Organ, in dem alles massiv parallel verschaltet ist. Esgibt also grundsätzlich keinen Grund anzunehmen, warum dasGehirn das nicht könnte“, so Koch. Und doch zeigen Studien,dass die Bearbeitung von zwei Aufgaben zu einer Überforde-rung führen kann. „Nicht nur, weil zwei Prozesse im Gehirnauf begrenzte Kapazitäten zugreifen. Sondern auch, weil indem Maß, in dem Aufgabe 1 Verarbeitungskapazität fordert,sie für Aufgabe 2 nicht zur Verfügung steht.“ Hinzu kommeein Phänomen, das der Experte „Cross-Talk“ nennt. „Daschleicht sich eine Information, die für eine Aufgabe relevantist, in die andere Aufgabe ein und sorgt für einen Fehler.“Koch bleibt beim Beispiel Handy und Autofahren: Wenn dasGespräch während der Autofahrt zum Beispiel den Satz bein-haltet „da habe ich nach links geschaut“, dann würde maneinen Fußgänger, der links an die Straße tritt, vermutlichschneller sehen, einen am rechten Straßenrand dagegen erstviel später.

In den 1970er Jahren, berichtet Koch, wurde in Studien un-tersucht, ob sich Multitasking erlernen lässt. Allerdings habeman in der damaligen Forschungstradition Aufgaben ausge-wählt, wie beispielsweise ein Gedicht vorlesen und Klavierspie-len. Und das seien kontinuierliche Aufgaben. „Die Übungsef-fekte sind nicht überraschend“, führt Koch aus. „Wenn ichzwei Aufgaben übe, ist es nicht mehr als die Summe der Ver-besserung der Einzelaufgaben.“ Unklar sei dagegen, ob dabeiFertigkeiten gelernt werden, die spezifisch für die Koordinationder Aufgaben sind, also für das Multitasking.

Psychologe Koch vermeidet MultitaskingKoch hält nichts von Multitasking, auch nicht am Arbeitsplatz.Viele Arbeitgeber erwarten, dass ihre Arbeitnehmer parallel mitHandy, Telefon und Laptop arbeiten. Wer ständig unterbro-chen wird bei seiner Arbeit, muss sich immer wieder neu fo-kussieren. „Oft bekommt man nicht mit, wie sich die Zeitenaufsummieren“, sagt Koch. „Und hat natürlich nie eine Ver-gleichssituation, wie schnell und gut man wäre, wenn in Ruhedie Aufgaben nacheinander gemacht würden. Nur irgendwannmerken man, dass der Kopf schwirrt.“

Laut Medienveröffentlichungen schätzen manche Forscherlaut Koch, dass Multitasking am Arbeitsplatz das Bruttosozial-produkt schmälert. Er hält diese Meinungen nicht für unwahr-scheinlich, verlässt sich als experimentalpsychologischer Grund-lagenforscher aber nur auf seine objektiven Verhaltens- undLeistungsmessungen. „Ob sie länger brauchen, wenn sie Auf-gaben parallel statt nacheinander abarbeiten, ist unter Alltags-bedingungen schwer zu messen.“ Genauso schwer wie dernegativen Einfluss des Telefonierens auf das Autofahren. Nacheinem Unfall lasse sich Alkohol leicht im Blut nachweisen, nichtaber die Kausalbeziehung zwischen Telefonieren und schlech-ter Fahrleistung.

Koch selbst vermeidet weitgehend Multitasking. „ Wennich einen Aufsatz schreibe, mache ich nur das“, erzählt er.„Außer atmen und essen verdränge ich alles in den Hinter-grund und fokussiere mich völlig auf den Text, bis er fertig ist.“Und wenn es sich mal nicht vermeiden lässt, Aufgaben parallelzu bearbeiten? Wichtig sei, „den Wechsel im Griff zu haben“.Es mache einen Unterschied, ob man die Aufgabe bewusst un-terbricht, weil man etwa eine Pause einlegen will. Aber wennman ungewollt beispielsweise durch eine SMS, eine E-Mailoder einen Anruf gestört wird, könne das mental belasten undStress verursachen. Und das will Koch vermeiden.

Christina Diels

Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter der RWTH Aachen wurden imGästehaus als Dienstjubilare im Jahr2011 geehrt. Dazu gratulierten RektorErnst Schmachtenberg und KanzlerManfred Nettekoven persönlich. Das 40-jährige Dienstjubiläum feiertenWilma Borngraeber, Matthias Hilden, Erwin Janas, Peter Kordt, Jure Krznaric,Robert Lührmann, Dieter Müller, Mechthild Pies, Franz-Josef Plum, Peter Pütz, Alexander Schultz-Grunow,Jiri Silny, Marie-Luise Strobel, Maria-Anna Vorhagen, Wilhelm Weiss,Axel Wieger, Peter Diedrich, HedwigPennartz, Albert Pitz, Heinz Wollgarten.Bereits seit 25 Jahren im Amt sindEsther-Maria Allstadt, Anna-Maria Arslan, Volker Baumgartner, Heidi Bouje,Norbert Breuer, Uwe Cockx, Desiree Gilliam, Helmut Hammers, Andreas Hanisch, Karl-Heinz Hellberg, Bernd Hillemacher, Peter Hodiamont, GiselaJansen, Helga Jussen, Jürgen Kremer,Wilhelm Krott, Christof Kulka, ThomasMüller, Dirk Ortmanns, Andreas Pre-scher, Hermine Roentgen-Shoukry, Marlies Schewe, Marie-Luise Schubert,Dietmar Sodar, Horst Tschammer, Michael Wiggers, Manfred Willems, Renate Bertrand, Thomas Bungert, Doris Eggermann, Jutta Friedrich, Gabriele Hutschenreuter, AnnetteSchaaf, Helga Schleutzer, Rudolf PeterSchmitz, Ralf Seifener, Jürgen Troschke,Manfred Vonderbank.

Martina Ziefle ist famos für Familien

Foto: Martin Lux

und Mitarbeiter hatten sie mit der Preisverleihung überraschtund einen fiktiven Termin vorgegeben.

Jährlich wird an der RWTH eine Führungspersönlichkeitausgezeichnet, die sich über das normale Maß hinaus für fa-milienfreundliche Arbeitsbedingungen in ihrem Umfeld ein-setzt. Alle Beschäftigten der Hochschule können Vorgesetztefür diesen Preis vorschlagen. Eine Jury, die sich aus Vertrete-rinnen und Vertretern des Rektorats, des Gleichstellungsbü-ros, des Integration Teams, des Familienservice und der Per-sonalräte zusammensetzte, wählte als Preisträgerin die Kom-munikationswissenschaftlerin aus.

Damit erhielt in diesem Jahr erstmals eine weibliche Füh-rungskraft den Titel „Famos für Familie“. Begründet wurdedie Entscheidung damit, dass Ziefle der Pluralität der Lebens-formen in ihrem Institut mit einer großen Wertschätzung be-gegne. Anerkennenswert sei insbesondere ihr sehr familien-freundliches Verhalten. Obwohl sie selbst keine Kinder oderzu pflegende Angehörige hat, ermöglicht sie ihren Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität undindividuelle Wege einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Die Verleihung fand am internationalen Tag der Familieim Mai statt. Kanzler Manfred Nettekoven überreichte dieUrkunde. Prorektorin Heather Hofmeister gehörte zu den er-sten Gratulantinnen. Ziefle ist seit September 2008 Universi-tätsprofessorin für das Fach „Communication Science“ undLeiterin des eHealth-Forschungsprogramms im ProjekthausHumTec.

Page 5: RWTHinsight 2/2011

Maßnahmenkatalog für NRWDie Ergebnisse der Auswertung hat Volkenhoff in einemMaßnahmenkatalog zusammengefasst, den das RWTH-Insti-tut als Empfehlung an das Land NRW gibt. Verkehrspsycholo-gisch ungünstig finden die Wissenschaftler die Überlagerungvieler Baustellenelemente z. B. auf Steigungsstrecken. Sieempfehlen, hier besser keine Eingriffe vorzunehmen, da Ver-kehrsteilnehmer sonst oft überfordert seien. Das gelte auchfür die Situation, bei der in einer Baustelle zwei Fahrspurenauf die Gegenfahrbahn zu verschwenken sind und gleichzei-tig die Spuren verengt werden. „Es entsteht ein Trichter, dieFahrer erschrecken, treten heftig auf die Bremse und provo-zieren Auffahrunfälle oder Stauwellen“, so Volkenhoff. EineVerlegung von Ausfahrten sollte deutlich und vor allem früh-zeitig - schon 500 Meter vorab - beschildert werden. Undbeim Einfahren in Baustellen müsse die Beschleunigungsspur100 Meter oder besser noch länger sein. Die Verkehrsteilneh-mer entlasten würde auch die Verbreiterung der linken Spurauf 2,75 Meter statt der üblichen 2,50 Meter. Zumindest,wenn eine Baustelle länger als 500 Meter lang ist: „Auf 500Metern schafft man es, sich zu konzentrieren, aber bei meh-reren Kilometern wird das stressig“, erläutert Steinauer.

Entspanntes Fahren mit AssistenzsystemEr hält für die Zukunft eine intelligente Kamera, wie sie schonin Tunneln eingesetzt wird, für einsetzbar. Sie erkennt aufsensiblen Autobahnstrecken, wenn der Verkehr steht. „DieMeldung schickt sie automatisch an eine Zentrale, die sofortreagieren kann.“ Die Technik sei vorhanden, in zwei, drei Jah-ren schätzt er, sei sie in der Praxis anwendbar. Er ist über-zeugt, dass man über die Bilderauswertung die volkswirt-schaftlichen Schäden, die durch einen Stau entstehen, enormreduzieren kann. Unabhängig davon will Steinauer die Zahlder Erneuerungsarbeiten reduzieren: „Langlebige und unter-haltungsarme Straßenkonstruktionen sollten nur noch etwaalle 100 und nicht wie heute alle 15 Jahre eine Baustelle er-forderlich machen.“ Statt für Reparaturen sollten mehr Mittelfür die Entwicklung eines besseren Straßenbelages aufge-wandt werden.

Und hier setzt der Professor mit einer weiteren Forderungan: „Wir müssen dazu beitragen, die Straßen intelligent zumachen. Denn nur die Fahrbahn kennt die angemessene Ge-schwindigkeit des Fahrzeugs.“ So wird in seinem Institut einin der Fabrik zu fertigender, synthetischer Belag entwickelt,der auf dem Asphalt aufgebracht wird. In ihn sollen Sensoreneingebracht werden, die den Verkehrsfluss oder Gefährdun-gen wie Gegenstände oder Blitzeis auf der Straße registrieren.Über funkverbundene Leitpfosten können die Autofahrerhierüber informiert werden. Und nutzt man diese Entwicklunggemeinsam mit intelligenten Fahrerassistenzsystemen, könn-ten die Nutzer von Autobahnen ihre Urlaubsziele ganz ent-spannt erreichen. „In 50 Jahren fahren wir alle mit 200 Stun-denkilometern im Abstand von zwei Metern“, prognostiziertSteinauer, „dann müssen wir nicht mehr bremsen und nichtmehr lenken.“

Christina Diels

In den Urlaub ohne Stau!Eingekeilt zwischen provisorischen Schutzplanken am linkenund großen Lkw am rechten Außenspiegel: Auf einer vereng-ten Überholspur schlängeln sich die Pkw durch die Baustelle.Die Asphaltdecke neben der rechten Spur ist aufgerissen,doch die Arbeiten stehen still. Professor Bernhard Steinauervom Institut für Straßenwesen kennt das Bild der ruhendenBaustelle auf den Autobahnen. Und es ärgert ihn als Autofah-rer und als Forscher. „Seit 20 Jahren moniere ich immer wie-der bei den verantwortlichen Behörden, dass die Bautätigkei-ten schlecht koordiniert sind“, berichtet er und äußert sichüberzeugt, dass viele Staus vermeidbar wären. Jedes Jahr gibtes 1.000 länger dauernde Baustellen auf deutschen Autobah-nen, dazu kommen rund 100.000, die stundenweise einge-richtet werden. Diese gehören neben Unfällen und Überlas-tungen der Straße nicht nur zu Urlaubszeiten zu den dreihauptsächlichen Stauursachen. Die Folgen sind längere Fahr-zeiten, Kosten und zusätzlich Emissionen. Das wollen die Aa-chener Verkehrsexperten ändern: Sie erforschen, wie man mitorganisatorischen Maßnahmen den Verkehrsablauf auf Straßenverbessern kann.

Im Frühsommer dieses Jahres haben sie ihre Arbeiten fürdas deutschlandweit einmalige Pilotprojekt „Videobeobach-tung in Baustellen“ der Bundesanstalt für Straßenwesen inKooperation mit dem Landesbetrieb Straßenbau NRW abge-schlossen. Auf einem sechs Kilometer langen Teilstück der A1hat ein Team des RWTH-Instituts 29 Kameras an 15 Stand-orten installiert. Damit wurde der Verkehr Tag und Nacht inbeiden Fahrtrichtungen zwischen Wermelskirchen und Rem-scheid ein halbes Jahr lang aufgezeichnet. „Wir wollten her-

ausfinden, welches die häufigsten Gründe sind, warum es sichan Baustellen staut. Und das kann man nicht erreichen, indemman ab und zu hinfährt“, erläutert Steinauer.

Kameras retten MenschenlebenZiel des Projekts war, die Potenziale und die Einsatzgrenzenvon Webkameras in Arbeitsstellen auf Autobahnen zu unter-suchen. Dafür werteten die Forscher 90.000 Stunden Filmma-terial aus. Rund 250 besondere Ereignisse wie Unfälle, Pannenund Staus konnten beobachtet und analysiert werden. DieAufnahmen dienen ausschließlich wissenschaftlichen Zweckenund sind öffentlich nicht zugänglich. Sie sind auch datenschutz-rechtlich unbedenklich, da ihre Qualität das Erkennen von Per-sonen oder Kennzeichen nicht ermöglicht.

Diplomingenieur Tobias Volkenhoff, wissenschaftlicher Mit-arbeiter, ist begeistert über die Möglichkeit der modernen op-tischen Erfassungssysteme, die zuverlässig über die Geschwin-digkeit des Verkehrsflusses informieren. „Bislang gibt es oftdas Problem, dass die normale Verkehrsdatenerfassung überZählschleifen in Baustellen nicht funktioniert“, erläutert derWissenschaftler. Die Kameras hingegen zeigen, wo genau sichder Stau befindet und wie er sich aufbaut. Die Autobahnnut-zer können sich über die Verkehrslage informieren, Polizei undRettungskräfte sehen den Ort des Unfallgeschehens und sindschneller dort: „Das kann einige Menschenleben retten“, be-tont Steinauer. Und auch der Abschleppdienst kann aufgrundder Bilder beurteilen, mit welchem Gerät er anrücken muss,wenn beispielsweise ein Lkw aus der Böschung gezogen wer-den muss.

Neuer Sonderforschungsbereich mit JARADie erfolgreiche Zusammenarbeit von Naturwissenschaftlernund Ingenieuren der RWTH sowie dem ForschungszentrumJülich wird jetzt auch in einem neuen Sonderforschungsbe-reich fortgeführt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft be-willigte im Frühjahr für die nächsten vier Jahre den SFB 917„Resistiv schaltende Chalkogenide für zukünftige Elektronik-anwendungen“. Langfristig könnten die Forschungsergeb-nisse dazu führen, dass sich die Computertechnik vom Rech-nen mit 0 und 1 löst.: „Dies würde einen Paradigmenwechselin der Halbleiterelektronik bedeuten,“ betont Professor Dr.Matthias Wuttig, Leiter des I. Physikalischen Ins-tituts undSprecher des SFB. Möglich wird dies durch die memristiven

Schatzkarten für Datenspeicher

Heutzutage sind die Datenmengen so groß, dass auch im pri-vaten Bereich oft ein Einzellaufwerk nicht mehr ausreicht.„Experten gehen von jährlichen Wachstumsraten von etwa60 Prozent aus. Schnellere und mobilere Speichermedien sinddaher dringend erforderlich“, fordert Physiker Peter Zalden.Der 28-jährige wissenschaftliche Mitarbeiter forscht gemein-sam mit Kollegen vom I. Physikalischen Institut und Wissen-schaftlern des Forschungszentrums Jülich an so genanntenPhasenwechselmaterialien. Ihnen werden beste Speicherei-genschaften zugeschrieben.

Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Bestimmung der Schalt-geschwindigkeit – und damit der Schreibraten – von verschie-denen Phasenwechselmaterialien. Nachwuchsforscher derRWTH haben im Rahmen einiger Promotionsarbeiten an-spruchsvolle Messtechnik geplant, um Schaltprozesse auf derNanosekundenskala zu untersuchen. Weiterhin wurden dieatomaren Eigenschaften analysiert, um Designregeln aufzu-stellen. Sie erlauben ein gezieltes Testen neuer Materialien.Bislang wurden sie lediglich empirisch gefunden.

Schnellste SchaltzeitDabei konnte festgestellt werden, dass eine extrem kurzeWärmezufuhr in einem kleinen Bereich die Anordnung derAtome verändert. Der geordnete kristalline Zustand vor derWärmezufuhr stellt dem elektrischen Stromfluss nur einenkleinen Widerstand entgegen. Der ungeordnete amorphe Zu-stand hat nach der Wärmezufuhr einen millionenfach höhe-ren Widerstand. Durch lokal begrenzte Wärmezufuhr kanndas Material reversibel geschaltet werden und erlaubt somitdie Speicherung von Informationen. Auf dieser Basis entwik-

kelte Dipl.-Phys. Dominic Lencer gemeinsam mit Kollegen ei-ne so genannte Schatzkarte: Mit deren Hilfe lassen sich neuePhasenwechselmaterialien einfach identifizieren und Eigen-schaftentrends erfolgreich vorhersagen. „Unser Ziel ist es, dasoptimale Material vorherzusagen. Dieses muss vor allem zweistabile Phasen mit signifikant verschiedenen elektrischen Ei-genschaften besitzen“, berichtet Zalden.

Auch bei den Schaltgeschwindigkeiten konnten bereits Er-folge erzielt werden: So gelang es Dipl.-Phys. Gunnar Brunseine Speicherzelle aus einem Phasenwechselmaterial in weni-ger als vier Nanosekunden zu schalten. Dies ist eine derschnellsten je gemessenen Schaltzeiten für einen solchen Da-tenspeicher.

Die Beobachtung des Verkehrsflusses auf Autobahnen mit optischen Erfassungssystemenkann Staus verhindern und Menschenleben retten.Das Foto zeigt Professor Bernhard Steinauer und Ingenieur Tobias Volkenhoff vom Institut für Straßenwesen bei der Installation der Kameras.

Foto: Peter Winandy

Elemente, die nicht nur Widerstandswerte für ON- und OFF-Zustände speichern können, sondern auch beliebige Zwi-schenwerte. Auch der Lehrstuhl für Werkstoffe der Elektro-technik unter Leitung von Professor Dr.-Ing. Rainer Waser istam neuen Sonderforschungsbereich beteiligt, der in der JARA-Sektion “Fundamentals of Future Information Technology“angesiedelt sein wird.

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Vorhang auf für schnelleSchaltungen – die Mitar-beiter des I. Physikalischen Instituts verfolgen an einemVersuchsaufbau Pulse voneiner Nanosekunde.

Foto: Peter Winandy

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Page 6: RWTHinsight 2/2011

Neue Professoren

Rüdiger Bachmann, Ph. D., ist seit April 2011 Universitätsprofessor für das Fach Wirtschaftswissenschaften an der RWTH. Seine Rückkehr aus den USA wird durch ein Stipendium der German Scholars Organization großzügig gefördert. Sein Haupt-interesse gilt der Makroökonomik. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Makroökonomik mit heterogenen Haushalten und Firmen. Methodisch bedient er sich aufwendiger numerischer Simulationsmodelle sowie neuartigen Mikrodaten-sätzen, deren Relevanz für makroökonomische Fragestellungen er erforscht. Zur Zeit arbeitet er an theoretischen und empirischen Projekten zu makro- und mikroökono-mischer Unsicherheit.

geboren am 29. Dezember 1974 in Alzenau i. Ufr.

Ausbildung1995 bis 2001 Studium der VWL, Philosophie und Spanisch an der Universität Mainz2001 bis 2007 PhD Programm an der Yale University

Berufliches2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft der Universität Mainz

2007 bis 2011 Assistant Professor of Economics an der University of MichiganSeit 2010 Externer Forschungsprofessor am ifo Institut

PersönlichesFamilie meine Frau und eine transatlantische Fernbeziehung (Skype macht’s erträglich)Freizeit Lesen

Manuel Angst

Foto

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David P. DiVincenzoDr. David P. DiVincenzo ist seit Januar 2011 Universitätsprofessor für Theoretische Physik in der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften und Leiter des Insti-tuts für Quanteninformation der RWTH. Im Rahmen der Jülich Aachen Research Alliance (JARA) leitet er ebenso das Institut für Theoretische Nanoelektronik am Forschungszen-trum Jülich.

geboren am 15. April 1959 in Philadelphia, USA

Ausbildung1983 Promotion (PhD) in Elektrotechnik an der University of Pennsylvania, USA

1983 bis 1985 Postdoc an der Cornell University, USA

Berufliches1985 bis 2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IBM Watson Research Center, Yorktown Heights,

New York, USA2011 Erhalt der Alexander von Humbolt-Professur

PersönlichesFamilie verheiratet mit Professorin Dr. Barbara Terhal, Vater von Ida (9), Esther (6) und Nadia (6)Freizeit liest gerne in verschiedenen Sprachen und werkelt leidenschaftlich im und am Haus

„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält”

(J. W. von Goethe, Faust I)

„The curious task of economics is to demonstrate to men how little they really know about what

they imagine they can design.” (Friedrich August von Hayek)

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Rüdiger Bachmann

Hendrik Bluhm

„Le mieux est l’ennemi du bien.“ (Voltaire)

Dr. Manuel Angst ist seit April 2011 Juniorprofessor für Experimentalphysik der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung von funktionalen Oxyd-Materialen mit Synchrotron-Strahlung und Neutronen.

geboren 1971 in Uster, Schweiz

Ausbildung1998 Diplom in Experimentalphysik, ETH Zürich2003 Doktorat in Naturwissenschaften; ETH Zürich

Berufliches1998 bis 2003 Wissenschaftlicher Assistent, ETH und Universität Zürich2003 bis 2005 Postdoc, Ames Lab des US-DoE (bis 2004 Stipendiat des schweizerischen

Nationalfonds)2005 bis 2008 Research Associate, Oak Ridge National Laboratory

seit 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit April 2009 Leiter der Helmholtz-Hoch-schul-Nachwuchsgruppe „Complex Ordering Phenomena in Multifunctional Oxides“, Forschungszentrum Jülich GmbH

PersönlichesFamilie ledigFreizeit Bücher, Reisen, Filme

Dr. Hendrik Bluhm ist seit März 2011 Universitätsprofessor für das Fach Physik der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH und Leiter des II. Physikalische Instituts C. Er erforscht Halbleiter-Spinqubits für die Quanteninformationsverarbeitung und nutzt magnetische Rastersonden-verfahren für Experimente in der mesoskopischen Physik.

geboren 1979 in Konstanz

Ausbildung1999 bis 2002 Studium der Physik, Albert-Ludwigs Universität Freiburg2002 bis 2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Stanford University

2008 Promotion ebenda

Berufliches2008 bis 2011 Postdoctoral Fellow, Department of Physics, Harvard University

PersönlichesFamilie ledigFreizeit Segeln, Radfahren, Wandern

Page 7: RWTHinsight 2/2011

Robert Svendsen

Dr. rer. nat. Robert Svendsen ist seit November 2010 Universitätsprofessor für das Fach Werkstoffmechanik der Fakultät für Geores-sourcen und Materialtechnik. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Materialwissenschaften sowie in der Modellierung undSimulation von Werkstoffverhalten.

geboren am 19. März 1958 in Castro Valley, California

Ausbildung1982 MS, Geophysik, Caltech, USA1987 PhD, Geophysik, Caltech, USA1992 Habilitation, Mechanik, TU Darmstadt

Berufliches1987 bis 1989 Postdoktorand, Eismechanik, ETH Zürich, Schweiz 1989 bis 1995 Hochschulassistent (C1), Fachbereich Mechanik, TU Darmstadt1995 bis 2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Bundesanstalt für Materialforschung, Berlin 1995 bis 2000 Privatdozent, Institut für Mechanik, TU Berlin 2000 bis 2010 Universitätsprofessor, Institut für Mechanik, TU Dortmund2006 Ruf, Professur (W3), Angewandte Mechanik, TU Braunschweig

PersönlichesFamilie verheiratet mit Stefanie ReeseFreizeit Sport, Lesen, Forschung

„The difficulty lies, not in the new ideas, but in escaping the old ones…„(John Maynard Keynes)

Christine Harbring

„Et kütt wie et kütt.”(Artikel 2, Kölsches Grundgesetz)

Neue Professoren Fo

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Impressum

Herausgeber im Auftrag des Rektors:Pressestelle der RWTH AachenTemplergraben 5552056 AachenTelefon 0241/80-9 43 26Telefax 0241/80-9 23 [email protected]

Redaktion:Renate Kinny (ky)

Verantwortlich:Toni Wimmer

Ständige Mitarbeit:Sabine BusseAngelika HamacherThomas von SalzenPeter Winandy

Layout:Monika Zahren

Druck:schmitz druck & medien,Brüggen

Erscheinungsweise:Viermal jährlich.Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

ISSN 1864-5941

Barbara Maria Terhal, Ph. D., ist seit Dezember 2010 Universitätsprofessorin für Theoretische Physik in der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissen-schaften der RWTH. In ihrer Forschung beschäftigte sie sich mit verschiedenen Bereichen der Quanteninformationstheorie, von der Quantenverschränkung und Quantenkryptographie bis hin zu Quantenalgorithmen. Ihre derzeitigen Forschungs-interessen liegen auf den Gebieten der Quantenkomplexitätstheorie und der Quanten-Fehlertoleranz. Sie ist Fellow der American Physical Society und Associate Editor der Zeitschrift Quantum Information and Computation.

geboren am 4. Juni 1969 in Leiden, Niederlande

Ausbildung1999 Promotion (PhD) in Theoretischer Physik an der Universität von Amsterdam

Berufliches1999 bis 2001 Gastwissenschaftlerin am IBM Watson Research Center, Yorktown Heights,

New York, USA2001 Postdoc, California Institute of Technology (Caltech), USA

2001 bis 2010 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IBM Watson Research Center, Yorktown Heights, New York, USA

PersönlichesFamilie verheiratet mit Professor Dr. David DiVincenzo, Mutter von Ida (9),

Esther (6) und Nadia (6)Freizeit Wandern, Lesen, Zeit mit der Familie verbringen

Barbara Terhal

Dr. Martin Hoefer ist seit April 2011 Juniorprofessor für das Fach Algorithmische Spiel-theorie der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH. Seine Forschungsschwerpunkte sind Entwurf und Analyse von Algorithmen, insbesondere für Kommunikationsnetzwerke und Systeme mit rationalen Agenten.

geboren am 23. September 1978 in Osterode/Harz

Ausbildung1998 bis 2004 Informatikstudium an der TU Clausthal

2007 Promotion an der Universität Konstanz

Berufliches2004 bis 2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz2007 bis 2010 Mitarbeiter an der RWTH, PostDoc im Graduiertenkolleg „AlgoSyn“ und im

Exzellenzcluster „UMIC“2008 PostDoc-Stipendiat des DAAD an der Stanford University, USA

seit 2010 Leitung einer eigenen DFG- Forschungsgruppe an der RWTH

PersönlichesFreizeit Reisen, Musik, Ausdauersport

Martin Hoefer

Dr. Bettina S. Wiese ist seit April 2011 Universitätsprofessorin für das Fach Personal- und Organisationspsychologie an der Philoso-phischen Fakultät der RWTH. Ihre Forschung behandelt verschiedene Phasen der beruflichen Entwicklung und berufliche Transitionen sowie Fragen des Selbstmanagements im Arbeitsleben.

geboren am 2. Juni 1968 in Herzebrock

Ausbildung1994 Diplom in Psychologie an der Universität Marburg1999 Promotion an der Freien Universität Berlin2006 Habilitation an der Universität Zürich, Schweiz

Berufliches1994 bis 1999 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut

für Bildungsforschung, Berlin1999 bis 2001 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Darmstadt2001 bis 2005 Wissenschaftliche Assistentin an der Universität Koblenz-Landau2005 bis 2009 Oberassistentin an der Universität Zürich, Schweiz2009 bis 2011 Professorin für Psychologie an der Universität Basel, Schweiz

PersönlichesFamilie verheiratet, ein Sohn (14) Freizeit Ausflüge und Reisen mit Freunden und Familie

Bettina S. Wiese 7

„Es ist nicht das Wissen, sondern das Lernen, nicht das Besitzen, sondern das Erwerben,

nicht das Dasein, sondern das Hinkommen, was den größten Genuss gewährt.“

(Carl Friedrich Gauß)

“Il faut cultiver notre jardin.“ (Candide ou l’ Optimisme, Voltaire)

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S C H L A G L I C H T E Rhalb Jahren für die Ausbildung von zwölf besondersqualifizierten Doktorandinnen und Doktoranden zurVerfügung. Professor Stefan Schael vom Lehrstuhlfür Experimentalphysik ist Sprecher des Graduierten-kollegs, an dem zehn Professorinnen und Professo-ren beteiligt sind.

Rekord bei DrittmittelnIm Haushaltsjahr 2010 konnten die Drittmittel derRWTH – inklusive des Anteils der Medizinischen Fa-kultät – auf 258 Millionen Euro gesteigert werden.Die im Vergleich zum Vorjahr zusätzlich eingenom-men 31 Millionen Euro entsprechen einer Steige-rung von 13,6 Prozent. Die drei größten Geldgeberwaren die DFG mit 79 Millionen Euro, die Industrieund Wirtschaft mit 69 Millionen Euro und das Bun-desministerium für Bildung und Forschung mit 20Millionen Euro.

Herausragende Elektrotechnik und InformationstechnikIm Forschungsrating des Wissenschaftsrats liegt dieFakultät für Elektrotechnik und Informationstechnikin der Spitzengruppe der Universitäten. In den Lei-stungsdimensionen Forschung, Nachwuchsförde-rung und Wissenstransfer wurden fast durchgängigherausragende Leistungen - und damit die höchsteBewertung - bescheinigt. Untersucht wurden alsForschungsschwerpunkte die Bereiche Energie undUmwelt, Mikro- und Nanoelektronik, Informations-und Kommunikationstechnik sowie Medizintechnik.

Hillerbrand vor EthikkommissionDie Ethikkommission Sichere Energieversorgung hat-te Professorin Rafaela Hillerbrand Ende April nachBerlin eingeladen. Sie gab dort ein Statement zum

Thema „Wissenschaftliche und technische Aspekteeiner sicheren Energieversorgung“ ab und diskutier-te mit Experten. Der Fernsehsender Phoenix über-trug die Veranstaltung live. Die RWTH-Wissen-schaftlerin ist Juniorprofessorin für das Fach Ange-wandte Technikethik. Sie leitet die ArbeitsgruppeEET - Ethics for Energy Technologies im ProjekthausHumTec, das im Rahmen der Exzellenzinitiative ge-gründet wurde. Hillerbrand studierte Physik undPhilosophie und arbeitete zunächst als senior re-search fellow über globale Risiken an der Universityof Oxford.

Erstes An-Institut der MedizinDas 1998 gegründete Aachener Centrum für Tech-nologietransfer in der Ophthalmologie e.V. , kurzACTO, ist das erste medizinisches An-Institut derHochschule. Zu den wichtigsten Ergebnissen desCentrums gehört die Entwicklung einer Methode,die viele Versuche am lebenden Tier überflüssigmacht: Mit dem „Ex Vivo Eye Irritation Tests“(EVEIT) werden Toxizitätsbestimmungen, die fürdie Klassifikation von Substanzen notwendig sind,an den Hornhäuten von geschlachteten Kaninchengetestet. Eine von ACTO entwickelte Hornhautkul-tur hält den Stoffwechsel der Präparate bis zu 28Tage stabil. So lassen sich sowohl die durch chemi-sche Substanzen geschädigten Areale analysierenals auch der Heilungsverlauf beim Einsatz neuerMedikamente beobachten.

Förderpreis für Hendrik BluhmProfessor Hendrik Bluhm vom Lehrstuhl für Experi-mentalphysik erhält den Alfried Krupp-Förderpreisfür junge Hochschullehrer 2011. Bluhm beschäftigtsich mit der Erforschung und Entwicklung so ge-nannter Halbleiter-Spinqubits. Diese elektronischen

Bauteile könnten eine revolutionäre Leistungs-steigerung von Computern für bestimmte An-wendungen ermöglichen. Darüber hinaus ent-wickelt Bluhm Verfahren, die durch Messungkleinster magnetischer Felder Einblicke in diemagnetischen Eigenschaften von Nanoobjektengewähren. Bluhm übernahm im März 2011 denRWTH-Lehrstuhl. Der Auszeichnung wird imOktober übergeben und ist mit 1 Millionen Eurodotiert.

Staatsbesuch aus ÄthiopienÄthiopiens Staatsminister für berufliche Bildung,Wondwossen Kiflu, und Professor Marold Wos-nitza, Rektoratsbeauftragter für die Lehramts-ausbildung, trafen sich zu einem ersten Erfah-rungsaustausch. Dabei informierte sich derStaatsminister über die Berufskollegausbildungder RWTH mit der Schnittstelle zu den Inge-nieurwissenschaften. Äthiopien mangelt es angut ausgebildeten Fachkräften. Aus diesemGrund, so erläuterte der Staatsminister, hat Pre-mierminister Meles Zenawi das Thema Bildungzur Chefsache erklärt.

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Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb: Als die RWTHim Jahre 2009 für ihr Konzept „Studierende im Fokus der Exzel-lenz“ ausgezeichnet wurde, war das erst der Auftakt. Jetztkonnte die Hochschule die Anschlussförderung von 16 MillionenEuro bis Herbst 2016 beantragen. Wenn die Evaluierung positivausfällt, können entsprechende Maßnahmen bis 2020 durchge-führt werden. „Unser entscheidender Vorteil ist, dass die RWTHseit 2008 eine Strategie für die Lehre hat, die alle Bereiche derHochschule einbezieht“, kommentiert Prorektor Aloys Krieg.„Die Förderung ermöglicht uns, die im Rahmen der ersten Aus-schreibungsrunde entwickelten Konzepte adäquat umzusetzen.“Unterstützung liefert dabei ein Verbundprojekt des Zentrum fürLern-und Wissensmanagement/Lehrstuhl für Informationsmana-gement im Maschinenbau, kurz ZLW/IMA. Das Bundesministe-rium für Bildung und Forschung bewilligte für den gemeinsammit den Universitäten Bochum und Dortmund entwickelten An-trag „Exzellentes Lehren und Lernen in den Ingenieurwissen-schaften“ - ELLI genannt - ebenfalls für maximal zehn Jahre eineFördersumme von 11,8 Millionen Euro.

Mehr Betreuung für StudierendeDas fortgeschriebene Konzept „RWTH 2020 Exzellente Lehre“richtet den Fokus auf die Eingangsphase des Studiums, da hierimmer noch zu viele das Handtuch werfen. Eine der drei Säulenist ein besseres Betreuungsverhältnisses. Das ermöglichen unteranderen vier neue Professuren in den Bereichen Wirtschaftsinge-nieurwesen, Maschinenwesen und Mathematik. WeitererSchwerpunkt ist die Beratung: Neben einem ab dem Winterse-mester für die ganze Hochschule zur Verfügung stehenden An-gebot zum Self Assessment wird ein umfassendes Netzwerk in-stalliert. „Wir gehen künftig auf die Studierenden zu, wenn Pro-

Keine Notlandung, sondern eine Promotionsaktion fliegenderStudierender fand im Mai vor dem SuperC statt. Die „Flug-wissenschaftliche Vereinigung Aachen 1920 e.V.“ – kurz FVAgenannt – ist eine Gruppe von Studentinnen und Studentender RWTH und FH Aachen. Sie haben sich der Forschung anSegelflugzeugen und anderen bemannten wie unbemanntenFluggeräten verschrieben. In ihrer über 90jährigen Geschichtekönnen sie auf eine Reihe erfolgreicher Entwicklungen zu-rückblicken – angefangen bei der FVA-1, dem „SchwatzenDüvel“. Dieser Prototyp hat die ersten offiziell anerkanntenSegelflug-Weltrekorde erflogen. Die FVA-10b überquerte alserstes Segelflugzeug die Alpen, die FVA-23 verfügte über dieerste lärmoptimierten Abgasanlage.

Auch in den aktuellen Projekten können Fähigkeiten er-worben werden, die vor allem für zukünftige Ingenieure vongroßem Wert sind. Dazu gehört der Bau der FVA-27, des Pro-totypen der Gruppe, und die Erprobung der Miniklappen. Andem Modell gibt es noch einige kleine Unterprojekte, an de-nen die Studierenden Konstruktions- und Entwicklungsfähig-keiten erwerben und anwenden können.

Zwei weitere Projekte sind die Fertigung von Seileinzugs-vorrichtungen für Schleppflugzeuge und die Reparatur einerG-109, eines Motorseglers. Bei der Seileinzugsvorrichtungwerden der Umgang und die Verarbeitung von Faserver-bundwerkstoffen erlernt. An dem Motorsegler kann das Re-parieren von Faserverbundteilen erprobt werden.

Voraussetzung für diese Aktivitäten ist eine Menge Idealis-mus und Arbeit der Mitglieder, viel davon bringen sie in dervereinseigenen Werkstatt im Industriegebiet Broichweiden amAachener Kreuz ein. Diese wurde sogar als Instandhaltungs-zentrum des Landes NRW anerkannt. Der Begeisterung fürdie Fliegerei wird natürlich auch Rechnung getragen - im Ge-genzug zur investierten Arbeit ist das Segelfliegen kostenlos.Die wissenschaftliche akademische Fliegergruppe ist Mitgliedder Idaflieg, der Interessengemeinschaft deutscher Akademi-scher Fliegergruppen. Im Foto zu sehen ist ein Segelflugzeugvom Typ DG1000, der Schulungsdoppelsitzer der Gruppe.www.fva.rwth-aachen.de

Forschen, Bauen, FliegenFo

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Behr erhält Preis WeihenstephanProfessor Marek Behr Ph.D. vom Lehrstuhl für Com-putergestützte Analyse technischer Systeme erhieltden „Wissenschaftspreis Weihenstephan der StadtFreising“. Er wurde gemeinsam mit Professor HeikoBriesen vom Lehrstuhl für Systemverfahrenstechnikam Wissenschaftszentrum Weihenstephan der TUMünchen ausgezeichnet. Die beiden Wissenschaft-ler analysierten im Rahmen eines von der DFG ge-förderten Schwerpunktprogramms „Kolloidalverfah-renstechnik“ mittels Computersimulation kolloidaleLösungen. Behr und Briesen erhielten jeweils einPreisgeld von 12.000 Euro.

Neues GraduiertenkollegDie DFG hat das Graduiertenkolleg „Teilchen- undAstroteilchenphysik im Lichte von LHC“ bewilligt.Sie stellt 2,5 Millionen Euro in den nächsten vierein-

bleme auftauchen“, betont Krieg. Dafür wurden 16 hauptamtli-che Mentoren fortgebildet, die in den Fakultäten mit allen Kon-takt aufnehmen, die ihre Studienleistungen nicht erfüllen. Impersönlichen Kontakt sollen sie nach Ursachen und Lösungensuchen. Gleichzeitig kümmern sie sich um überdurchschnittlichbegabte junge Leute, denen sie spezielle Förderungen vermit-teln. Dritter Bereich ist die Qualifikation der Lehrenden. „Hierwird das ZLW/IMA seine mediendidaktischen Kompetenzen ein-bringen und Fortbildungen anbieten. Dazu gehört beispielsweisedie Unterstützung beim Einsatz von neuen digitalen Lehrmit-teln“, berichtet Claudia Roemisch, Leiterin der Abteilung Lehreder Hochschulverwaltung.

Ein neuer Service für die Studienanfänger bietet fachlicheUnterstützung: Die Mathematik-Vorkurse werden ab dem kom-menden Wintersemester um ein studienbegleitendes Ganzjah-resangebot ergänzt.

Studienbeginn im MittelpunktWie für das RWTH-Projekt fällt auch für ELLI im Oktober derStartschuss. Hierbei wird man an die Erfahrungen des Vorläufer-projekts „TeachING-LearnING.EU – das Kompetenz- undDienstleistungszentrum für das Lehren und Lernen in den Inge-nieurwissenschaften“ anknüpfen. ELLI versteht sich als Kompe-tenzzentrum und Plattform in den Handlungsfeldern virtuelleLernwelten, Mobilitätsförderung und Internationalisierung sowieKreativität und Interdisziplinarität.

Auch bei ELLI steht die Studieneingangsphase im Mittel-punkt. Gerade für die Anfänger stellen anonyme Großveranstal-tungen ein Problem dar. Hier sieht das Konzept Kleingruppenar-beiten in virtuellen Laboren vor oder Wochenendseminare fürErstsemester im Maschinenwesen. Dabei simulieren die Teams

zwei Tage lang die Gründung eines Unternehmens oder bauenSeifenkisten. Dazu sollen angewandte Aufgabenstellungen dieStudierenden umfassender fördern. Das könnten beispielsweiseProjekte sein, wie sie die „Ingenieure ohne Grenzen“ bearbeiten.

Talk Lehre schafft TransparenzZiel des Projekts ist auch die Vielfalt: „Wir brauchen Barrierefrei-heit für alle – so für Menschen mit Behinderungen, für interna-tionale Studierende oder Frauen“, erläutert Ursula Bach vomZLW/IMA. Verbessert werden sollen auch die Übergänge inner-halb des so genannten student lifecycle. Zu den Aufgaben vonBach gehört daher die Knüpfung entsprechender Netzwerke.Neben dem International Office will sie Professoren mit Kontak-ten zu internationalen Universitäten ansprechen. Mentoren sol-len künftig Studierende über die Förder- und Studienmöglichkei-ten im Ausland informieren.

Im Mai gab der erste „Talk Lehre“ im SuperC einen umfas-senden Überblick über die Aktivitäten zur Verbesserung der Stu-dienbedingungen an der RWTH. „Der Termin hat Transparenzgeschaffen“, meint Bach. „Im Rahmen der beiden neuen Projek-te wollen wir synergetisch zusammenzuarbeiten. Junge Leute fürein Studium an der RWTH zu interessieren und ihnen zum Erfolgzu verhelfen, ist gerade im Hinblick auf die geburtenschwachenJahrgänge wichtig.“ Was auch der Prorektor für Lehre bestätigt:„ELLI und RWTH 2020 Exzellente Lehre ergänzen sich“, betontKrieg und führt weiter aus. „Wir werden keine Abstriche bei denAnforderungen machen, bieten aber umfangreiche Hilfe an, da-mit die jungen Menschen ein geeignetes Studienfach finden undsich dafür fit machen können.“

Sabine Busse

ELLI ergänzt das Lehrkonzept

Foto: Peter Winandy

Foto: RWTH Aachen