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Theoretische Mechanik Jens Kortus [email protected] TU Bergakademie Freiberg Literatur: 1. Torsten Fließbach: Mechanik 2. Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 1 3. Joos: Lehrbuch der Theoretischen Physik 4. Goldstein: Klassische Mechanik 5. Stephani + Kluge: Theoretische Mechanik

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Theoretische Mechanik

Jens [email protected]

TU Bergakademie Freiberg

Literatur:1. Torsten Fließbach: Mechanik2. Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 13. Joos: Lehrbuch der Theoretischen Physik 4. Goldstein: Klassische Mechanik5. Stephani + Kluge: Theoretische Mechanik

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Die vorliegende Vorlesung ist garantiert nicht fehlerfrei.Es wird sehr empfohlen, alle Herleitungen und Formeln selbständigzu überprüfen.

Hinweise und Anregungen bitte an: [email protected]

Bildernachweis: Soweit die Quelle nicht explizit angegeben ist, stammen dieBilder von http://de.wikipedia.org/ oder wurden selbst erstellt.

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1. Prinzipien der Mechanik1.1. Grundbegriffe

Unter Bewegung versteht man die Änderung des Ortes als Funktion der Zeit. Die Bewegung erfolgt unter dem Einfluss von Kräften, die in der Mechanik als bekannt vorausgesetzt werden.

Bezugssystem● Die Bewegung eines Körpers können wir nur als Bewegung zu etwas anderem beschreiben (relativ zu anderen Gegenständen).● Ein einzelner Körper in einem an sonst leeren Universum kann nicht mit Bewegungsgleichungen beschrieben werden.● Ein mögliches Bezugssystem ist z. B. der Hörsaal.

• Wir wählen einen beliebigen Punkt als Ursprung.

• Alle anderen Punkte können durch Ortskoordinaten r = (x,y,z)

beschrieben werden.

r

x

y

z

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• Ein Bezugssystem mit bestimmten Koordinaten heißt Koordinatensystem.• Zusätzlich soll die Zeit t durch eine geeignete Uhr angezeigt werden. t wird

auch als Zeitkoordinate bezeichnet.

Massenpunkt:Ein Massenpunkt ist ein Körper, für dessen Bewegung nur sein Ort relevant (oder von Interesse) ist.-> Die Bewegung eines Massenpunktes ist vollständig beschrieben durch die

Angabe des Ortes r zu jeder Zeit t: r(t) = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez

Diese Abhängigkeit nennt man Bahnkurve.

Beispiele für Massenpunkte: Elementarteilchen (Elektronen, Protonen) Atome in einem Gas Billardkugeln (manchmal) Planeten im Sonnensystem Sonnen in Galaxie Galaxien in Galaxienhaufen

Kugelsternhaufen M80

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--> Massenpunkt ist die Idealisierung (Modellvorstellung), dass die Bahnkurve nur von der Gesamtmasse abhängt und nicht von anderen Eigenschaften.

r(t) bezieht sich auf den Schwerpunkt des Körpers.

(Drehung einer Billardkugel hat wesentlichen Einfluss auf die Bahn, Drehung der Erde ist vernachlässigbar auf die Planetenbahn).

Eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des Modells „Massenpunkt“ ist, dass die Abmessung des Körpers klein gegenüber den anderen Abmessungen des Systems ist. (z. B. Erdradius ist klein gegenüber den Halbachsen der Erdbahn)

● Die Definition einer Bahnkurve in Form r(t) = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez

setzt bereits ein Bezugssystem mit kartesischen Koordinaten und eine bekannte Zeitkoordinate voraus. Diese Definition benötigt also eine Längen-und Zeitmessung, um brauchbar zu sein.

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Zeitmessung„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“

Albert Einstein

Die Definition der Zeit erfolgt durch die Festlegung eines Verfahrens zur Messung durch eine Uhr.Eine Uhr ist ein Instrument, dass die Periodenzahl eines periodischen, kontinuierlichen Vorgangs anzeigt.

Periodische Vorgänge:● Pulsschlag● Erdrotation (Tag – Nacht)● Pendeluhr● Atomfrequenz

SI Definition der Sekunde:Die Sekunde ist die Dauer von 9 192 631 770 Perioden der Strahlung, die dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes des Atoms Zäsium 133 entspricht.

* 14. März 1879 in Ulm† 18. April 1955 in Princeton, USA) Nobelpreis Physik 1921

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Euklidischer Raum● Ein kartesisches Koordinatensystem ist ein orthogonales Koordinatensystem, dessen Koordinatenlinien Geraden in konstantem Abstand sind.● Ein kartesisches Koordinatensystem existiert nur im euklidischen oder ebenen

Raum.● In gekrümmten Räumen, z.B. auf einer Kugeloberfläche, sind keine

kartesischen Koordinaten möglich.● Die Umkehrung gilt aber nicht. Im euklidischen Raum kann man auch

gekrümmte Koordinaten (z. B. Kugelkoordinaten) verwenden. Der Raum bleibttrotzdem eben.

Euklid von Alexandria * ca. 365 v. Chr. † 300 v. Chr. griechischer Mathematiker, der in Alexandria lebte

Summe der Innenwinkel größer bzw.kleiner als 180°.

René Descartes* 31. März 1596 in La Haye/Touraine, Frankreich† 11. Februar 1650 in Stockholm, Schweden

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1.2. Newtons Axiome

1687 Philosophiae Naturalis Principia Mathematica

1. Axiom (lex prima)Es existieren Bezugssysteme, in denen die kräftefreie Bewegung durch beschrieben wird.

● Diese Bezugssysteme heißen Inertialsysteme (IS).● besagt, dass die gleichförmige Bewegung (oder Ruhe) ein Zustand ist, in dem ein Körper verharrt.

r t = v = const.

r = const.

Sir Isaac Newton nach Gregorianischem Kalender: 4. Januar 1643 in Woolsthorpe-by-Colsterworth in Lincolnshire;† 31. März 1727 in Kensington

nach dem damals in England noch geltenden Julianischen Kalender: 25. Dezember 1642; † 20. März 1727

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2. Axiom (lex secunda) (Kräfte ändern die Bewegung)

(im IS)

● p ist der Impuls, definiert als Produkt von Masse m und der Geschwindigkeit v

p = mv● Wenn die Masse m sich nicht mit der Zeit ändert, ist

Das 2. Axiom beinhaltet:1. Definition der Masse2. Definition der Kraft3. Aussagen über die Bahn

● Wenn Länge und Zeit als Messgrößen definiert sind, dann ist die Beschleunigung eine messbare Größe.

d pd t

= F

m r = m a = F

a = r

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Wir definieren nun willkürlich die Masse eines bestimmten Körpers als Masseneinheit (Ur-Kilogramm in Paris).

Seit 1889 bildet das Urkilogramm in Paris den Vergleichswert für die Maßeinheit Kilogramm. Seine Masse beträgt per Definition 1 kg. Es wird in einem Tresor des Internationalen Büros für Gewichte und Maße (BIPM) in Sèvres bei Paris aufbewahrt.

Es handelt sich um einen Zylinder von 39 Millimetern Höhe und Durchmesser, der aus einer Legierung von 90 % Platin und 10 % Iridium besteht. Länder, die dem metrischen System beigetreten sind, sind im Besitz von Kopien dieses Urkilogramms.

Definition der Masseneinheit Kilogramm

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Nach dem 2. Axiom ist die Masse ein Maß für den Widerstand, den ein Körper der Änderung seiner Geschwindigkeit entgegensetzt. Je größer m ist, umso kleiner (bei gegebener Kraft) die Änderung der Geschwindigkeit.

Die Größe m nennt man deshalb auch träge Masse.

Die schwere Masse ist proportional zur Stärke der Gravitationskraft.Die schwere Masse wird experimentell durch Kraftmessung festgelegt.Mit einer relativen Genauigkeit von 10-12 wurde experimentell gefunden, dass das Verhältnis von träger zu schwerer Masse immer gleich groß ist.

Die Gleichheit von schwerer und träger Masse ist die zentrale Annahme für die Allgemeine Relativitätstheorie.

Im Rahmen der Newtonschen Mechanik und Gravitationstheorie ist diese Gleichheit zufällig und kann nicht erklärt werden.

m r = m a = F

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● Das 2. Axiom liefert auch eine Aussage über die Dynamik:

sind 3 gekoppelte Differenzialgleichungen 2. Ordnung, deren Lösung mit

den entsprechenden Anfangsbedingungen die Bahnkurve r(t) zu allen Zeiten t liefert.● Für Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit ist das 2. Axiom

falsch. --> Einschränkung auf

3. Axiom (lex tertia)

● Diese Aussage gilt im allgemeineren Sinn in allen Teilen der Physik. Jede Wirkung, die die Umgebung auf einen Körper ausübt, ruft eine entsprechendeGegenwirkung hervor.

m a = m r = F

∣v∣

c≪ 1

F actio = −F reactio

F 12

F 21

F 12 = −F 211

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Die drei Newtonschen Axiome sind im strengen mathematischen Sinne, dass aus ihnen alle Aussagen der Theorie folgen, keine Axiome.

1. Zusatz: Kräfte, die zwei Massenpunkte aufeinander ausüben, wirken entlang der Verbindungslinie der Massenpunkte.

2. Zusatz: Wirken mehrere Kräfte Fi auf einen Massenpunkt, so ist die Gesamtkraft die Summe der Einzelkräfte

(Superpositionsprinzip der Kräfte)

In der Mechanik beschränken wir uns auf Kräfte, die nur vom Ort, der Geschwindigkeit des Teilchens und der Zeit abhängen

Geschwindigkeitsabhängige Kräfte sind z. B. die Reibungskraft und die Lorentzkraft.

F = ∑i

F i

F = F r t , r t , t

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Zur Lösung eines Problems der Newton'schen Mechanik:

1. Aufstellen des Kraftgesetzes2. Lösung der Differenzialgleichung 2. Ordnung

3. Bestimmung der Integrationskonstanten durch Anfangsbedingungen für Ort und Geschwindigkeit zu einer bestimmten Zeit t.

4. Diskussion der Lösung (graphische Darstellung, Erhaltungsgrößen)

m r t = F r t , r t , t

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1.3. Erhaltungssätze, Potenzial, konservative Kräfte

Impulserhaltung: wirkt auf ein Teilchen keine Kraft, so ist sein Impuls konstant

2. Axiom

Drehimpulserhaltung:Def. Drehimpuls

Def. Drehmoment

Drehimpuls und Drehmoment beziehen sich auf den Ursprung des gewählten Inertialsystems. Bei einer Verschiebung des IS ändern sich l und M (im Gegensatz zu p und F, die sich nicht ändern).

d pdt

= F , F = 0 d pdt

= 0 p = const.

l = r t × p t = r × m r

M = r × F

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da (Vektorprodukt zweier paralleler Vektoren)

--> Wenn das Drehmoment Null ist, dann ist der Drehimpuls erhalten.

d ldt

=ddt

r × m r = r × m r r × m r

r × r = 0

d ldt

= r × m r = r × F = M

l = r t × p t = r × m r

Drehimpuls für Bewegung auf einem Kreis

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● Wenn l = const. können wir die z-Achse unseres Koordinatensystems in Richtung von l legen

--> Flächensatz: In gleichen Zeitintervallen überstreicht der Fahrstrahl gleiche Flächen

l = l e z = m r × r

Zentralkräfte:Für F ≠ 0 ist M = r x F nur dann gleich Null, wenn F parallel zu r ist. Die Kraft muss also in Richtung des Zentrums (Ursprung) des Bezugssystems wirken. Der Drehimpuls für ein Teilchen, das sich auf Grund einer Zentralkraft bewegt, bleibt erhalten.

rpsl = r × p

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Arbeit:Ein Teilchen bewege sich unter dem Einfluss einer äußeren Kraft von r nach r + dr. Das Skalarprodukt dW = F•dr ist die Arbeit dW, die die Kraft an dem Teilchen leistet. Die längs eines endlichen Weges C von r1 nach r2 geleistete Arbeit ist dann

Energie: Die Arbeit W ist gleich der Energie, die vom Kraftfeld F auf das Teilchen übertragen wird.

Leistung: Pro Zeit verrichtete Arbeit wird Leistung genannt.

Kinetische und potenzielle Energie:Wir multiplizieren die Newtonsche Bewegungsgleichung skalar mit

W = ∫c

dW = ∫r1

r2

F⋅d r

P =dWdt

=F⋅d rdt

= F⋅r

r

m r⋅r = F⋅r

ddt m r 2

2 = F⋅r = P

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P ist die an das System übertragene Leistung. Die zu- oder abgeführte Energie ändert die Geschwindigkeit des Teilchens. Damit definieren wir als kinetische Energie des Teilchens

Diese Form der kinetischen Energie folgt also direkt aus dem 2. Axiom.

Wir teilen die Kraft in einen konservativen und dissipativen Anteil auf. Der konservative Anteil enthält alle Anteile für die gilt:

Eine konservative Kraft besitzt ein Potenzial U(r)

Beispiel:

T =m2

r 2

F kons⋅r = −dU r

dt

m x = −mg− x 1D

F kons = −mg U x = mg x

F kons⋅x = −mg x = −dUdt

= −d mg xdt

= −mg x

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, für Fdiss kann kein Potenzial U(x) existieren, da

quadratisch in ist, während nur linear in ist.

Damit erhalten wir

Energieerhaltungssatz:Für konservative Kräfte ist die Summe aus kinetischer Energie T und potenzieller Energie U erhalten.Dissipative Kräfte führen zu einer Umwandlung von mechanischer Energie (T+U) in andere Energieformen (Wärme, Reibung ...).

Potenzial: Die vollständige Zeitableitung für lautet:

F diss = − x F diss⋅x

x dU x

dtx

ddt m r

2 U r = F diss⋅r

U r = U x , y , z

F kons⋅r = −ddtU r = −

∂U∂ x

dxdt

−∂U∂ y

dydt

−∂U∂ z

dzdt

= − gradU ⋅r

gradU = ∂U∂ x

,∂U∂ y

,∂U∂ z

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Hieraus können wir schließen, dass

B ist ein beliebiges Vektorfeld.

Ein Beispiel für den zweiten Term ist die Lorentzkraft auf ein geladenes Teilchen im Magnetfeld B

Diese Kraft ist konservativ, weil sie die Energie erhält und erfüllt mitU = const.

F kons = − gradU r×B r ,t

r×B ⋅r = 0, da r×B ein Vektor ist, der senkrecht auf r steht.

F Lorentz = q v×B

F kons⋅r =−dUdt

Hendrik Antoon Lorentz * 18. Juli 1853 in Arnhem † 4. Februar 1928 in HaarlemNobelpreis für Physik 1902

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Im Folgenden beschränken wir uns auf konservative Kräfte der Form

ohne den Index „kons“.

Notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass eine gegebene Kraft F(r) eine Potenzialkraft ist, ist das Verschwinden von rot F

Beweis:A) Wenn F = - grad U --> rot F = rot (-grad U) = 0, da stets gilt

rot grad = 0

B) Wir betrachten zwei unabhängige Wege Ca und Cb, die beide von r0 nachr führen.

F =− gradU r

rot F = 0 ⇔ F r =− gradU r

ca

cbr0

r

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Die Differenz der beiden Integrale

Stokes'scher Integralsatz:

da rot F = 0

ist die mathematisch hinreichende Bedingung, das für ein totales Differenzial, also ein Potenzial existiert.Wenn dieses Integral Null ist, dann

Die Arbeit W, die diesem Integral entspricht, hängt damit nicht vom Weg ab, sondern nur von den Anfangs- und Endpunkten des Weges. Das Potenzial U(r) kann nun als die Arbeit -W bestimmt werden, die man aufbringen muss, um das Teilchen gegen die Kraft F von r0 zum Punkt r zu bringen

∮F⋅d r ' = ∫A

rot F⋅d A = 0

∮F⋅d r ' = 0F⋅d r

∫Ca

F⋅r ' = ∫Cb

F⋅d r ' = W

U r −U r0 = −W = −∫r0

r

F⋅d r '

∫Ca

F⋅d r ' −∫Cb

F⋅d r ' = ∮F⋅d r '

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Äquipotenzialflächen sind Flächen gleichen Potenzials U(r) = const.Die Kraft F = - grad U steht senkrecht auf diesen Äquipotenzialflächen. Sie ist groß, wo das Potenzial U sich stark ändert.

Beispiel: U(x,y) = x2 + y2 gradU = ∂U

∂ x,∂U∂ y = 2x ,2y

F =−gradU =−2 x , y

x

y

x

U

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1.4. System von Massenpunkten

● Verallgemeinerung auf ein System von N MassenpunktenDie Bahn des v-ten Massenpunktes sei rv(t), seine Masse mv, die auf ihn wirkende Kraft Fv

● Bei den Kräften unterscheiden wir innere und äußere Kräfte.

Innere Kräfte sind Kräfte, die die Massenpunkte aufeinander ausüben (z. B. Coulombkraft bei geladenen Teilchen). Wir beschränken uns auf

Zweikörperkräfte Fvµ, die nur von den Koordinaten der Teilchen v und µ abhängen und nicht von den anderen Teilchen.

Äußere Kräfte Fv(a) sind alle Kräfte, die von außen auf das System

wirken (z. B. Schwerkraft).

mv rv t =F v v=1, ... , N

mv r v=F va ∑

µ=1µ≠v

N

F µv

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Def. Schwerpunkt:

mit als Gesamtmasse des Systems.

Die Bewegungsgleichung für den Schwerpunkt ergibt sich als

M=∑=1

N

m

∑=1

N

m r=M R= ∑=1

N

∑µ=1µ≠

N

F µ

Null wegen Newtons 3. Axiom

∑=1

N

F

a

R=1M ∑

=1

N

m r

∑v , µv≠µ

F vµ =⇔

∑µ, vµ≠v

F µv = ∑v ,µv≠µ

F µv = −∑v ,µµ≠v

F v µ

Beweis durch Vertauschung der Indizes und Anwendung des 3. Axioms

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Der Schwerpunkt eines Systems bewegt sich so, als ob die Masse im Schwerpunkt vereinigt ist und die Summe der äußeren Kräfte auf ihn wirkt.

Für ein abgeschlossenes System (keine äußeren Kräfte) ist der Gesamtimpuls

Drehimpuls: Wir multiplizieren die Bewegungsgleichungen vektoriell mit und summieren über .

M R = ∑v=1

N

F va

= F

P = M R = const.

rv

∑v=1

N

rv×mv rv = ∑v=1

N

rv×F v

ddt ∑v=1

N

mv rv×rv = ∑v=1

N

rv×F va

∑v=1

N

rv×∑µ=1µ≠v

F vµ

mv r v=F va ∑

µ=1µ≠v

N

F µv

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Gesamtdrehimpuls

Der Term mit den inneren Kräften gibt

Mit Hilfe des 1. Zusatzes

Die inneren Kräfte ergeben kein resultierendes Drehmoment.

Für ein abgeschlossenes System ist L = const.

L = ∑v=1

N

l v = ∑v=1

N

mv rv×r v

∑v , µµ≠v

N

rv×F vµ =v⇔

∑v , µµ≠v

N

rµ×F µv =3.Axiom

−∑v , µµ≠v

N

rµ×F vµ

r1−r2×F 12 = 0

∑v , µµ≠v

N

rv×F v µ = ∑v , µµ≠v

12

rvrv×F vµ =12∑v , µµ≠v

r v− rµ×F v µ = 0

d Ldt

= ∑v=1

N

rv×F va

= M

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Energie: völlig analog zum einzelnen Massenpunkt

sei eine Kraft, für die ein Potenzial U existiert, so dass

mit der partiellen Ableitung nach dem Vektor

Für die Energie gilt dann

In Abwesenheit dissipativer Kräfte gilt der Energieerhaltungssatz.Nur konservative Kräfte: T + U = E = const.

T =12 ∑

v=1

N

mv rv2

F v ,kons

∑v=1

N

F v ,kons⋅rv = −dU r1, r2, ... , rN

dt= −∑

v=1

N∂U∂ rv

⋅r v

rv= xv , y v , z v

ddt

TU = ∑v=1

N

F v ,diss⋅r

∂U r1, ... , rN

∂ rv=

∂U∂ xv

e x ∂U∂ yv

e y ∂U∂ zv

e z

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1.5. Freiheitsgrade und Nebenbedingungen

Ein frei beweglicher Massenpunkt hat drei Freiheitsgrade.Wenn er gezwungen ist, in einer Ebene (oder Fläche) zu bleiben, besitzt er zwei Freiheitsgrade.Wenn er an eine Gerade (oder Kurve) gebunden ist, besitzt er nur einen Freiheitsgrad.Jede Einschränkung der Bewegung entspricht einer Nebenbedingung, die gleichzeitig erfüllt werden muss. Damit verringert sich der Freiheitsgrad.

● N Massenpunkte, die durch r Bedingungen gekoppelt sind, habenf = 3 N – r

Freiheitsgrade.

a) starrer Körper (= N fest miteinander verbundene Massenpunkte)

Ein beliebiger Punkt des Körpers besitzt 3 Freiheitsgrade. Ein zweiter Punkt kann sich wegen der konstanten Entfernung nur noch auf einer Kugel um den ersten Punkt bewegen, was 2 weiteren Freiheitsgraden entspricht.

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Um die Achse durch diese beiden Punkte kann ein dritter eine Kreisbahn beschreiben, was einem Freiheitsgrad entspricht.

F = 3 + 2 + 1 = 6b) Pendel (starrer Körper mit fester Achse)

f = 1c) sphärisches Pendel = punktförmiger Körper, der an eine Kugeloberfläche gebunden ist.

f = 2d) deformierbarer Körper oder Flüssigkeit

f = ∞Die Zahl der Freiheitsgrade ist gleich der Zahl der unabhängigen Koordinaten, die zur Bestimmung der Bewegung des Systems benötigt werden.● Diese Koordinaten müssen nicht rechtwinklig sein, z. B. bietet sich der Winkel φ für das Pendel an.

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● Diese Koordinaten werden im Allg. mit q bezeichnet und heißen verallge- meinerte Koordinaten. Für f Freiheitsgrade benötigen wir f verallgemeinerte Koordinaten q1, q2, ..., qf .● Die verallgemeinerten Koordinaten werden so gewählt, dass die Nebenbedingungen automatisch erfüllt sind. In diesem Fall tauchen die Nebenbedingungen bei der weiteren Behandlung des Systems nicht auf.

1.5.1. Holonome NebenbedingungenBedingungen der Form heißen holonom.● Massenpunkt auf Kugel: x2 + y2 + z2 = R2

● Massenpunkt auf einem Tisch: z = 0

Für r holonome Nebenbedingungen benötigen wir r Gleichungen der Form

r1,... , rN , t =const.

r1, ... , rN , t=const.

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Die Bewegung erfolgt auf Schnittflächen im 3N-dimensionalen Raum.Die holonomen Bedingungen lassen sich auch in differenzieller Form schreiben

da

Für einen sich bewegenden Körper sind , so dass eine Beziehung zwischen den räumlichen und zeitlichen Veränderungen existiert.

dr = 0 = ∑i

∂r

∂ xidxi

∂r

∂ yidyi

∂r

∂ zidz i

∂r

∂ tdt

gradi = ∂∂ xi

,∂∂ y i

,∂∂ z i , d ri = dxi , dy i , dzi

dr = ∑i

gradir⋅d r i ∂r

∂ tdt = 0

d ri ≠ 0 und dt ≠ 0

d r

dt= 0 = ∑

i

gradir⋅d r idt

∂r

∂ t

0 = ∑ gradir⋅ vi ∂r

∂ t

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Damit geben holonome Nebenbedingungen Einschränkungen für die Koordinaten und Geschwindigkeiten.

1.5.2. Nicht-holonome Nebenbedingungen

Bei nicht-holonomen Nebenbedingungen existieren nur Bedingungen für die Geschwindigkeiten, aber nicht für die Orte (z. B. scharfkantiges Rad auf einer rauhen ebenen Fläche).

Die Lage des Rades ist bestimmt durch1. Koordinaten x,y des Berührungspunktes zur Fläche2. Winkel φ zwischen Radachse und z-Achse3. Schnitt der Radebene und Fläche ψ (Tangente)4. Winkel α zwischen dem zum Berührungspunkt gerichteten Radius und einem vorher gewählten festen Radius.

xy

z

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Die Bedingung des Rollens (ohne Gleiten) schränkt jedoch die Bewegung weiter ein, da der in der Fläche zurückgelegte Weg(arad = Radius des Rades) betragen muss.

(Projektion auf die Koordinatenachsen)Diese Bedingungen lassen sich nicht in der Form ausdrücken.

1.5.2. Skleronome NebenbedingungenSkleronome Nebenbedingungen sind zeitunabhängige Nebenbedingungen.

1.5.3. Rheonome NebenbedingungenRheonome Nebenbedingungen sind zeitabhängige Nebenbedingungen.

s= arad

x= a rad cos , y= a rad sin

x , y , ,= 0

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1.6. Begriff der Wirkung

„Die Natur wählt unter allen möglichen Bewegungen diejenige aus, die ihr Ziel mit dem kleinsten Aufwand von Aktion (Wirkung) erreicht.“

Maupertuis 1747

1. Was ist mit dem Begriff „Wirkung“ gemeint?2. Was bedeutet „alle möglichen Bewegungen“?

Wirkung ist eine Größe von der Dimension Energie x Zeit.Das Plancksche Wirkungsquantum h besitzt zum Beispiel diese Dimension

h = 6.626 * 10-34 JsDas Prinzip der kleinsten Wirkung besagt, dass die Bewegungen einem Minimum des Produktes von Energie mal Zeit folgen.

Pierre Louis Moreau de Maupertuis * 7. Juli 1698, Saint-Malo† 27. Juli 1759, Basel

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Wir ordnen jeder Bahnkurve q(t) das Wirkungsfunktional

zu.L ist eine Funktion mit der Dimension der Energie (L = T – U). Das Prinzip der kleinsten Wirkung (auch Hamilton'sches Prinzip) fordert eine Bahnkurve q(t), für die die Wirkung S ein Minimum darstellt.

Solche Minimalprinzipien besitzen eine sehr große Bedeutung in der Physik in praktisch allen Teilbereichen der Physik.

● Prinzip der kürzesten Ankunft (Fermat) beschreibt die Brechung und Reflexion des Lichtes

Prinzip des kürzesten Weges, welches die kräftefreie Bahn eines Masse- punktes auf einer krummen Fläche als geodätische Linie bestimmt, führt zur allgemeinen Relativitätstheorie. (Die Eigenzeit eines Körpers wird minimiert.)

S [q ]= 0

S = S [q ] = ∫t1

t2

dt Lq , q , t

Lichtgeschwindigkeit in Glas < Vakuum