Unternehmerdialog mit Prof. Kai Mertins für die Bayreuther Dialoge 2011

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Wissen. Gewissen. Nichtwissen. Unternehmerdialog

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Unternehmerdialog mit Prof. Kai Mertins für Deutschlands einzigartiges Symposium für Philosophy & Ökonomie im Jahre 2011. Titel der Veranstaltung: Wissen. Gewissen. Nichtwissen.

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Wissen. Gewissen. Nichtwissen.Unternehmerdialog

mit Prof. Kai Mertins

Herr Prof. Mertins, was ist die Wissens-bilanz?

Unternehmen setzen Kapital ein um ihre Produkte oder Dienstleistungen herzustellen. Dieses Kapital wurde in der Vergangenheit entsprechend optimiert, um sinnvolle Ergeb-nisse zu bekommen: Maschinen, Geld etc. Intellektuelles Kapital wurde in der Vergan-genheit kaum gemanagt. Dieses intellek-tuelle Kapital soll in einer Wissensbilanz erfasst werden. Dabei geht es um Humanka-pital, Strukturkapital, Beziehungskapital. Humankapital sind die Kompetenzen der Mitarbeiter, ihre Erfahrung, ihre Ausbildung. Das wird schon heute relativ gut gemanagt. Aber daneben gibt es auch Führungsver-halten und Motivation. Die Motivation wird

bei allen Nutzern einer Wissensbilanz als zweitwichtigster Einflussfaktor genannt, um ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Motivation ist also ein sehr wichtiger Einflussfaktor für das Humanka-pital. Im Strukturkapital geht es darum, dass Unternehmen, die unterschiedlich gestaltet sind, unterschiedlich funktionieren. Es gibt Betriebe, in denen alles funktioniert: Eine Anfrage wird schnell bearbeitet, man versteht den Kunden und kann seine Fragen beantworten. Aber es gibt auch andere Unternehmen, in denen die Prozesse stocken. Die Strukturen eines Unternehmens sind also ein Kapital und dieses Kapital muss eben entsprechend systematisch entwickelt werden. Im dritten Bereich, den wir „Bezie-hungskapital“ nennen, geht es um Kontakte

Prof. Kai Mertins (64) ist stellvertre-tender Leiter des „Fraunhofer Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktions-technik“ (IPK). Seit 1988 leitet er dort das Geschäftsfeld Unternehmensmanagement. Er ist Gründungsmitglied des „Arbeitkreises Wissensbilanz“ und Herausgeber und Autor verschiedener Bücher zum Thema Wissens-bilanz und Wissensmanagement.

zu außenstehenden Unternehmen, auch um internationale Vernetzung. Diese sind in unserer globalisierten Welt nötig. Wir müssen wissen, was andere wissen. Wir müssen Kernkompetenzen bündeln können, um das beste Angebot am Markt zu machen. Die Wissensbilanz erfasst den Einfluss des intellektuellen Kapitals auf einen Betrieb. Sie beantwortet also die Fragen: Wie gut bin ich? und: Wie muss ich meine Prioritäten setzen, um besser zu werden?

Wie wird so eine Bilanz durchgeführt?

Das geschieht in einem sogenannten parti-zipativen Arbeitsverfahren: Wir gründen eine für das Unternehmen repräsentative Arbeitsgruppe. Das heißt, dass wir Leute

aus allen Arbeitsbereichen und Hierarchie-ebenen des Unternehmens einbeziehen. In einem 200-Mann-Betrieb wären das ungefähr acht Personen. Diese Mitarbeiter erarbeiten anhand eines Leitfadens in zwei oder drei Workshops die Wissensbilanz. Wir empfehlen zur Unterstützung einen externen Moderator hinzuzuziehen. Das Ziel ist ein moderierter Prozess zur Selbstbewertung.

Mittelständische Unternehmen sind in Deutschland bekannt für ihre Innovations-fähigkeit. Ist die Wissensbilanz ein Tool, das explizit für den Mittelstand entwickelt wurde?

Bei der Entwicklung der Wissensbilanz sind wir unter anderem vom Bundeswirt-

schaftsministerium unterstützt worden. Das Ministerium fördert natürlich nur kleine und mittlere Unternehmen. Insofern ist die Methode darauf ausgelegt, dass sie speziell für kleine und mittlere Unternehmen durch-führbar ist. Das schließt die großen Unter-nehmen aber natürlich nicht aus.

Welche Bedeutung hat die Wissensbilanz ihrer Meinung nach für den Wirtschafts-tandort-Deutschland?

Sie hat deshalb eine sehr große Bedeutung, da die kleinen und mittleren Unternehmen einen großen Teil der Arbeitsplätze stellen, sie meist aber keine großen Forschungsab-teilungen haben: Sie produzieren oft keine Hightech-Produkte. Die Unternehmen

müssen sich heute so aufstellen, dass sie auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb bestehen können. Sie müssen die Fähigkeit entwickeln, innovativ zu sein. Genau diese Fähigkeit wird durch intellektuelles Kapital und somit durch die Wissensbilanz unter-stützt.

Wie viele deutsche Unternehmen haben bereits eine Wissensbilanz durchgeführt?

Wir haben einen Leitfaden und eine Software zur Durchführung einer Wissensbilanz entwickelt, mit denen Unternehmen selbst-ständig eine Wissensbilanz durchführen können. Dieses Material ist bis heute über 100.000 mal angefragt worden. Das ist für uns natürlich ein großer Erfolg in Sachen

Aufmerksamkeit. Jetzt geht es aber darum die Wissensbilanz auch einzuführen. Nach unseren Ermittlungen gibt es etwa 1.000 Unternehmen in Deutschland, die mindestens eine Wissensbilanz erstellt haben. Das ist gemessen an unseren Vorstel-lungen von 30.000 Zielunternehmen in Deutschland noch relativ wenig, aber jede Innovation braucht Zeit, bis sie bei den Menschen ankommt.

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