archithese 3.15 – Balkan Beats

17
archithese Den Balkan gestalten Zwischen Aufbruchsstimmung und Stagnation Junge Büros suchen nach regionalen Ansätzen Urbane Hot Spots Entwicklungen in Tirana, Belgrad und Split Über die Konstruktion nationaler Narrationen Neuausrichtungen und Kontinuitäten Transformation von Städten, Küsten und Denkmälern Umgang mit dem sozialistischen Architekturerbe Architektur als Kampfzone Wirkungsmächte des Neokapitalismus Kirchen und Moscheen als territoriale Marker 3.2015 Juni Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur International thematic review for architecture Balkan Beats

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architheseDen Balkan gestaltenZwischen Aufbruchsstimmung und StagnationJunge Büros suchen nach regionalen Ansätzen

Urbane Hot SpotsEntwicklungen in Tirana, Belgrad und SplitÜber die Konstruktion nationaler Narrationen

Neuausrichtungen und KontinuitätenTransformation von Städten, Küsten und DenkmälernUmgang mit dem sozialistischen Architekturerbe

Architektur als KampfzoneWirkungsmächte des NeokapitalismusKirchen und Moscheen als territoriale Marker

3.2015 Juni

Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

International thematic review for architecture

Balkan Beats

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Die Evolution der Tür.Purismus erschliessen. Design eröffnen.

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Page 2: archithese 3.15 – Balkan Beats

archithese 3.2015 Juni 45 . Jahrgang

Titelbild: 51N4E/Sannah Belzer, Beitrag zum Wettbewerb zur Umgestaltung des Skanderbeg Platzes, Tirana, 2008.

2 Editorial

B A L K A N B E A T S

10 Was ist ‹ der Balkan › ?

Kategorien wie Osteuropa, Ostmitteleuropa

oder Südosteuropa sind keine neutralen

geografischen Bezeichnungen

Ulf Brunnbauer

16 Städtebauliche Setzung

und behutsame Transformation

Split baut sich um

Maroje Mrduljaš

24 Tirana ist (k)eine Insel

Das experimentelle Rahmenwerk für Raum- und

Architekturinterventionen in der albanischen Hauptstadt

Kristo Saimir

32 Urbanisierung der Strände

Transformation spätmoderner

Tourismusarchitekturen in Bulgarien und Kroatien

Anke Hagemann und Michael Zinganel

40 Designing the Balkans

Nine portraits of new and established

architectural practices

Daniela Meyer

52 Don’t Drown Belgrade

A report from Belgrade Waterfront

Iva Cukic, Dubravka Sekulic,

Ljubica Slavkovic, Ana Vilenica

58 Identity Edits

Flagging territories with religious architecture

Azra Akšamija

64 Legendendichtung statt Zukunftsmusik

Denkmäler als politische Werkzeuge

in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens

Jørg Himmelreich

70 Spannungsfelder

Tendenzen in der zeitgenössischen

Architektur Bulgariens

Aneta Vasileva

76 Agenten des Wandels

Wie Architekten und Urbanisten

in Südosteuropa ihre Städte verändern

Kai Vöckler

A R C H I T E K T U R A K T U E L L

82 Modular und flexibel

Bruno Fioretti Marquez Architekten

Kindergarten Cassarate, Lugano

Katharina Jacobi

86 Tektonische Schichtung statt Big Box

Meyer Stegemann Architekten

Gewerbepark Morgenstern, Frauenfeld

Richard Zemp

R U B R I K E N

90 Neues aus der Industrie

93 Premium Brands Online

96 Vorschau und Impressum

Page 3: archithese 3.15 – Balkan Beats

2 archithese 4.2015

architheseInternationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

International thematic review for architecture

archithese_ankuendigung_auf-4.2015.indd 1 16.07.15 13:21

Page 4: archithese 3.15 – Balkan Beats

2 archithese 3.2015

E D I T O R I A L

Balkan Beats

Als die Redaktion der archithese im letzten Winter am Fresh-Europe-Heft arbeitete, kristal-

lisierte sich ein besonderes Interesse am Architekturgeschehen der Balkanregion heraus. In

Kunst und Musik werden die Kreativen dieser Länder hoch gehandelt – doch was passiert in

der Architektur ? Krise und Stillstand oder Boom und Aufbruchsstimmung ? Welche Trends

zeichnen sich in Albanien, Bulgarien oder Rumänien ab ? Die Lage scheint zwei Jahrzehnte

nach den Kriegen zwischen den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken zwar stabilisiert,

doch erweist sich diese Ruhe bei genauerem Hinsehen als trügerisch. Gelöst sind die ethni-

schen und kulturellen Konflikte nämlich nicht ; Ländergrenzen wurden mitunter einfach auf

historischen Linien eingefroren und schmerzvolle Erinnerungen an die gewaltsamen Kon-

flikte versperren vielerorts den Blick in die Zukunft. Umso wichtiger ist es, den Alltag räum-

lich zu verbessern und progressiv an den Städten zu arbeiten, um Perspektiven für ein künf-

tiges Zusammenleben herauszuarbeiten.

Aktuelle Publikationen über die Architektur der Region schauen vor allem zurück – vor-

rangig auf die faszinierende moderne Avantgarde der 1960 er und 1970 er Jahre. In der dis-

tanzierten Reflexion scheint es möglich, die totalitären Kontexte ihrer Entstehung auszu-

blenden und insbesondere auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens ihre Qualitäten

als faszinierende Verräumlichungen multiethnischer, aufgeklärter und moderner Gesell-

schaftsvisionen zu lesen. Um nicht in Nostalgie zu schwelgen, haben wir im Heft den Blick

jedoch vor allem auf gegenwärtige Strömungen gerichtet und beleuchten lediglich für ihre

Verortung schlaglichtartig den historischen Kontext. Balkan Beats nimmt einzelne Orte und

Akteure ins Visier und versteht die vielschichtigen Realitäten und Geschichten als inspirie-

renden Nährboden.

Die kulturellen und ökonomischen Unterschiede zwischen den Balkanländern sind grös-

ser geworden; dies spiegelt sich auch in der Architektur. Slowenien und Kroatien konnten

eine hochstehende Architekturproduktion entwickeln und entlang der Adriaküste etabliert

sich ein High-End-Tourismus. An anderen Orten wird hingegen versucht, mit kleineren Bud-

gets zeitgemässe Lösungen zu finden. Trotz schwacher Ökonomien gleisen einige Regierun-

gen der jungen Nationalstaaten auf der Suche nach Prestige ehrgeizige Projekte auf. Planun-

gen wie zur Belgrader Waterfront oder dem Stadtumbau von Skopje 2014 versuchen im

Eiltempo die Gesichter der Hauptstädte zu liften und deren Geschichte neu zu erfinden.

Dafür werden mitunter fragwürdige finanzielle und politische Klimmzüge unternommen.

Auch für gesamteuropäisch gesinnte, säkulare und aufgeklärte Zeitgenossen erscheinen

einige Entwicklungen befremdlich: So spriessen in Bosnien und Herzegowina religiöse Bau-

ten aus dem Boden – nicht nur, um die vielen kriegszerstörten Kirchen und Moscheen zu

ersetzen. Nach der Strategie gezielter Zerstörung wird das Bauen zum Instrument territori-

aler Konfliktführung.

archithese versucht zudem subtilere Ansätze in Architektur und Urbanismus aufzuspüren

und beleuchtet dafür etwa, wie Architektinnen und Aktivisten Dialoge aufspannen im Ver-

such, Stadtbewohnern bei der Artikulation ihrer Bedürfnisse zu helfen und diese politisch

und räumlich zu implementieren. Balkan Beats will aufzeigen, dass die komplexe Geschichte

der Region als inspirierende Folie dienen kann, um eine aktuelle, reiche architektonische

und urbanistische Zukunft zu gestalten.

Die Redaktion

Superblock, Winterthur46 391 m² Gebäudefläche2300 Arbeitsplätze18 Wohnungen1 Gebäude

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Das belgische Büro XDGA gewann 2014 den Wettbe-werb für die Umgestaltung der Uferpromenade der albanischen Stadt Vlora. Die landestypische Flora soll an der Promenade fortge-führt werden. ( Foto: Ignat Igev © XDGA )

Page 5: archithese 3.15 – Balkan Beats

4 archithese 4.2015

Der Herbst wird scharf.archithese 5.2015 erscheint in bekannter Präzisionund mit geschärftem Layout

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K L I N K E R K R E AT I O N

Page 6: archithese 3.15 – Balkan Beats

8 archithese 3.2015 9

Bevk Perovic arhitekti

dekleva gregoric arhitekti

Anke Hagemann und Michael ZinganelURBANISIERUNG DER STRÄNDE

Aneta VasilevaSPANNUNGSFELDER

Azra AkšamijaIDENTITY EDITS

Anke Hagemann und Michael ZinganelURBANISIERUNG DER STRÄNDE

Bansk

o

Bistric

a

Kolarov

o

Glozhene

Lozenec

Sonnenstran

d

Druzh

baAlbena

Goldstran

d

Ustiko

lina

Malinsk

aPetro

va G

ora

Jace

novac

Kozara

Koprivnica

Rovinj

Saimir KristoTIRANA IST (K)EINE INSEL

Jørg HimmelreichLEGENDENDICHTUNG STATT ZUKUNFTSMUSIK

Kai VöcklerAGENTEN DES WANDELS

24

58

76

Iva Cukic, Dubravka Sekulic, Ljubica Slavkovic, Ana VilenicaREPORT FROM BELGRADE WATERFRONT

52

64

70

Vibbet44

32

32

Durrës

STUDIO UP

Studio 3LHD

studio AUTORI

MIT – arh studio

studioBASAR

FILTER ARHITEKTURA

49

48

42

41

46

47

16

50

51

Maroje MrduljašSTÄDTEBAULICHE SETZUNG UND BEHUTSAME TRANSFORMATION

Ulf BrunnbauerWAS IST DER ‹DER BALKAN›?

10

Ljubljana

Zagre

b

Split

Mostar

Saraje

vo

Višegra

d

Dugopolje

Bukarest

Skopje

Belgrad

Tirana

SofiaPris

tina

Cacak

Mokrin

Mitrov

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Page 7: archithese 3.15 – Balkan Beats

8 archithese 3.2015 9

Bevk Perovic arhitekti

dekleva gregoric arhitekti

Anke Hagemann und Michael ZinganelURBANISIERUNG DER STRÄNDE

Aneta VasilevaSPANNUNGSFELDER

Azra AkšamijaIDENTITY EDITS

Anke Hagemann und Michael ZinganelURBANISIERUNG DER STRÄNDE

Bansk

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Bistric

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Rovinj

Saimir KristoTIRANA IST (K)EINE INSEL

Jørg HimmelreichLEGENDENDICHTUNG STATT ZUKUNFTSMUSIK

Kai VöcklerAGENTEN DES WANDELS

24

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Iva Cukic, Dubravka Sekulic, Ljubica Slavkovic, Ana VilenicaREPORT FROM BELGRADE WATERFRONT

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32

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Durrës

STUDIO UP

Studio 3LHD

studio AUTORI

MIT – arh studio

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FILTER ARHITEKTURA

49

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41

46

47

16

50

51

Maroje MrduljašSTÄDTEBAULICHE SETZUNG UND BEHUTSAME TRANSFORMATION

Ulf BrunnbauerWAS IST DER ‹DER BALKAN›?

10

Ljubljana

Zagre

b

Split

Mostar

Saraje

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Višegra

d

Dugopolje

Bukarest

Skopje

Belgrad

Tirana

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Page 8: archithese 3.15 – Balkan Beats

24 archithese 3.2015 25

TIRANA IST [K]EINE INSELÜber experimentelle architektonische Eingriffe und deren Rahmenbedingungen in der

albanischen Hauptstadt Nach Jahrzehnten der Isolation und Unterdrückung in einer der restriktivsten

kommunistischen Diktaturen hat sich Albanien für Modernisierung und Freiheit geöffnet. Obwohl

das Land mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpft wie seine Nachbarn, geht es einen eigenen Weg. Auf der Suche

nach spezifischen Lösungen und einer neuen Identität wurde Tirana zu einem Ort, an dem rationale und bizarre

Elemente koexistieren und dessen Identität einem ständigen Wandel unterworfen ist.

Autoren: Joana Dhiamandi und Saimir Kristo

Viele Städte in den ehemals kommunistischen Ländern des

Westbalkans, die früher für ihre strenge öffentliche Raum-

planung bekannt waren, haben sich in den letzten Jahren

durch unkontrolliertes Wachstum stark verändert. Nach 30

Jahren des Übergangs halten viele Länder immer noch nach

Wegen Ausschau, um neue Raumplanungskulturen zu etab-

lieren – in einer Region, in der sich nicht nur die Bewohner,

sondern bisweilen auch die Planenden von den räumlichen

Entwicklungen ausgeschlossen fühlen.

Tirana liegt auf einer wichtigen Transitroute, die Südeu-

ropa mit dem Nahen Osten verbindet, und ist geografisch

wie wirtschaftlich eng mit der nahen Hafenstadt Durrës ver-

bunden. Als Treiberin der wirtschaftlichen und kulturellen

Entwicklungen des Landes wächst sie kontinuierlich zu ei-

ner Metropole mit überregionaler Bedeutung heran. Dieser

Artikel ist ein Versuch, Albaniens Entwicklung mit Fokus auf

den Grossraum Tirana 1 darzustellen – eine Stadt, die Ambi-

tionen hat, zu einem der attraktivsten Metropolitanräume

des Balkans zu werden. Die Chancen, dass Tirana zu einer

innovativen ‹Insel› werden könnte, sind durchaus gross,

denn die meisten vormals kommunistischen Länder der Re-

gion verschliessen sich einem Wandel und stecken in der

Vergangenheit fest.

Saimir Kristo ist Architekt und Stadtplaner. Er ist Lehrbeauftragter an der POLIS Universität Tirana und arbeitet an einer Dissertation über Stadtmorphologie und urbane Katalysatoren. Er setzt sich für die Entwicklung einer gemeinsamen Diskussionsplattform im Bereich Architektur und Stadtplanung für die Stadt Tirana ein und bemüht sich um öffentliche Partizipationsprozesse. Zudem ist er Kurator der Tirana Architecture Week 2014 und der Tirana Design Week 2015.

Joana Dhiamandi ist Architektin und Lehrbeauftragte für Architektur und Design an der POLIS Universität Tirana. Derzeit beschäftigt sie sich im Rahmen ihres Doktoratsstudiums mit der Architektur von Kultbauten. Vor Kurzem wurde sie zur Kuratorin der Tirana Design Week 2015 ernannt. Sie unterstützte Saimir Kristo bei seinen Recher-chen zu diesem Artikel.

1 Bashkia e Tiranes, Plani Strategjik I Tiranës së madhe. Tirana: 2002.

2 Kristo Frashëri, Historia e Tiranës si qytet deri në 1920. Vol. 1. Tirana: 2002.

Fassade des TID-Towers, ein neues Hochhaus des belgischen Büros 51N4E im Zentrum Tiranas ( Foto: Filip Dujardin )

Zwischen Spontaneität und strikter Planung

Tirana wurde im 17. Jahrhundert gegründet und pendelte

seitdem zwischen spontaner organischer Entwicklung und

gezielter Planung hin und her. 2 Das Resultat ist eine un-

scharfe und fragmentierte Situation. Tirana hat sich jedoch

in den letzten Jahren stark gewandelt und bietet der Stadt-

planung und -entwicklung einzigartige Möglichkeiten.

Während des autoritären Regimes von Enver Hoxha

[ 1944 –1985 ] kam es zu tiefgreifenden Veränderungen in der

Stadtstruktur. Architektur und Stadtplanung waren aufge-

fordert, an der Schaffung einer neuen gesellschaftlichen Re-

alität mitzuwirken. Historische Quartiere und religiöse

Zentren wurden abgerissen, um für Siedlungen des Massen-

wohnungsbaus Platz zu schaffen. Diese Stadtplanung durch

Abriss passte zur autoritären Führung Albaniens, die über

40 Jahre lang Redefreiheit und gesellschaftliche Partizipa-

tion unterdrückte.

1990 konnte die Diktatur in Albanien gestürzt werden.

Der Übergang zu einer demokratischen Ordnung verlief cha-

otisch und mehrere Rückschläge mussten weggesteckt wer-

den – etwa die Unruhen von 1997 im Zuge des wirtschaftli-

chen Zusammenbruchs, ausgelöst durch die sogenannten

‹ Pyramidenspiele ›. Bedingt durch einer massive Landflucht

in jenen Jahren sah sich Tirana mit dem Phänomen einer

umfangreichen informellen Bautätigkeit konfrontiert. Es

kam zu einer starken, ausufernden Zersiedelung, die für die

Qualität des urbanen Lebens in der Stadt eine grosse Gefahr

darstellte.

Wiedererlangung der Kontrolle

Mit derzeit nahezu einer Million Einwohnern ist Tirana vier-

mal so gross wie vor 20 Jahren und nimmt über ein Viertel

der Gesamtbevölkerung des Landes auf. Ungefähr 60 Pro-

zent der albanischen Bevölkerung leben in städtischen Zen-

tren. Der Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus hat

die soziale, wirtschaftliche und räumliche Struktur Tiranas

unmittelbar geprägt. Ihr Stadtraum hat sich rasch verändert,

wobei vor allem zwei Phänomene auffallen: Einerseits zogen

im Stadtzentrum und entlang der Hauptverkehrsachsen

zahlreiche Büros, Geschäfte und die Unterhaltungsindustrie

ein. In zentraler Lage sind neue Wohnbauprojekte entstan-

den. Andererseits hat sich die Stadt seit den frühen 1990er

Jahren durch informelle Bauten an den Stadtgrenzen ausge-

dehnt; zuerst waren es nur kleine Wohnhäuser, später ka-

men auch Wohnungsbau im grossen Massstab hinzu. Diese

allmähliche Entwicklung geschah ohne Planung, ohne die

Bereitstellung sozialer und technischer Infrastrukturen oder

öffentlicher Räume, was zu einem schwachen Stadtraum

führte. Diese Entwicklungen machten nicht halt vor dem

existierenden Stadtgefüge: Ehemals öffentliche Grundstü-

cke wurden in Besitz genommen und bestehende Strukturen

durch die Errichtung kleiner, mittlerer, aber auch grosser

Bauten, mitunter Durchgänge blockieren, rücksichtslos ver-

dichtet. Die grossmassstäblichen Wohn- und Geschäftsbau-

ten in der Peripherie wurden vom privaten Sektor realisiert.

Aktuell wird nach Wegen gesucht, um sie nachträglich zu

legalisieren.

Die Stadtverwaltung versuchte in den 2000er Jahren mit

verschiedenen Verschönerungskampagnen und einer Reihe

internationaler Wettbewerbe, zu denen verschiedene Starar-

chitekten geladen waren, die Kontrolle wiederzugewinnen

und eine neue Identität zu schaffen. Strassen, Parks und

Flussufer wurden von illegal errichteten Kiosken befreit und

Tausende Bäume gepflanzt. Grosse internationale Aufmerk-

samkeit zog Tirana im Jahr 2001 auf sich. Der damalige Bür-

germeisters und Künstler Edi Rama versuchte der Stadt ein

neues Image zu verschaffen, indem er den heruntergekom-

menen Strassenzügen ein radikales farbiges Facelifting ver-

passte und durch verschiedene Eingriffe die wichtigsten

öffentlichen Räume und Infrastrukturen verbesserte. Dies

sollte neue Aktivitäten und Investitionen anlocken und der

Stadt zur Regeneration verhelfen. Zudem unternahm er erste

Schritte zur Verwirklichung der Vision von der Verschmel-

zung Tiranas mit der nahegelegenen Hafenstadt Durrës zur

Metropole ‹ Durana ›. Heute ist Tirana eine der dynamischs-

ten Städte Albaniens und kann als Labor für experimentelle

Architektur und Raumplanung im ganzen Land betrachtet

werden.

Page 9: archithese 3.15 – Balkan Beats

24 archithese 3.2015 25

TIRANA IST [K]EINE INSELÜber experimentelle architektonische Eingriffe und deren Rahmenbedingungen in der

albanischen Hauptstadt Nach Jahrzehnten der Isolation und Unterdrückung in einer der restriktivsten

kommunistischen Diktaturen hat sich Albanien für Modernisierung und Freiheit geöffnet. Obwohl

das Land mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpft wie seine Nachbarn, geht es einen eigenen Weg. Auf der Suche

nach spezifischen Lösungen und einer neuen Identität wurde Tirana zu einem Ort, an dem rationale und bizarre

Elemente koexistieren und dessen Identität einem ständigen Wandel unterworfen ist.

Autoren: Joana Dhiamandi und Saimir Kristo

Viele Städte in den ehemals kommunistischen Ländern des

Westbalkans, die früher für ihre strenge öffentliche Raum-

planung bekannt waren, haben sich in den letzten Jahren

durch unkontrolliertes Wachstum stark verändert. Nach 30

Jahren des Übergangs halten viele Länder immer noch nach

Wegen Ausschau, um neue Raumplanungskulturen zu etab-

lieren – in einer Region, in der sich nicht nur die Bewohner,

sondern bisweilen auch die Planenden von den räumlichen

Entwicklungen ausgeschlossen fühlen.

Tirana liegt auf einer wichtigen Transitroute, die Südeu-

ropa mit dem Nahen Osten verbindet, und ist geografisch

wie wirtschaftlich eng mit der nahen Hafenstadt Durrës ver-

bunden. Als Treiberin der wirtschaftlichen und kulturellen

Entwicklungen des Landes wächst sie kontinuierlich zu ei-

ner Metropole mit überregionaler Bedeutung heran. Dieser

Artikel ist ein Versuch, Albaniens Entwicklung mit Fokus auf

den Grossraum Tirana 1 darzustellen – eine Stadt, die Ambi-

tionen hat, zu einem der attraktivsten Metropolitanräume

des Balkans zu werden. Die Chancen, dass Tirana zu einer

innovativen ‹Insel› werden könnte, sind durchaus gross,

denn die meisten vormals kommunistischen Länder der Re-

gion verschliessen sich einem Wandel und stecken in der

Vergangenheit fest.

Saimir Kristo ist Architekt und Stadtplaner. Er ist Lehrbeauftragter an der POLIS Universität Tirana und arbeitet an einer Dissertation über Stadtmorphologie und urbane Katalysatoren. Er setzt sich für die Entwicklung einer gemeinsamen Diskussionsplattform im Bereich Architektur und Stadtplanung für die Stadt Tirana ein und bemüht sich um öffentliche Partizipationsprozesse. Zudem ist er Kurator der Tirana Architecture Week 2014 und der Tirana Design Week 2015.

Joana Dhiamandi ist Architektin und Lehrbeauftragte für Architektur und Design an der POLIS Universität Tirana. Derzeit beschäftigt sie sich im Rahmen ihres Doktoratsstudiums mit der Architektur von Kultbauten. Vor Kurzem wurde sie zur Kuratorin der Tirana Design Week 2015 ernannt. Sie unterstützte Saimir Kristo bei seinen Recher-chen zu diesem Artikel.

1 Bashkia e Tiranes, Plani Strategjik I Tiranës së madhe. Tirana: 2002.

2 Kristo Frashëri, Historia e Tiranës si qytet deri në 1920. Vol. 1. Tirana: 2002.

Fassade des TID-Towers, ein neues Hochhaus des belgischen Büros 51N4E im Zentrum Tiranas ( Foto: Filip Dujardin )

Zwischen Spontaneität und strikter Planung

Tirana wurde im 17. Jahrhundert gegründet und pendelte

seitdem zwischen spontaner organischer Entwicklung und

gezielter Planung hin und her. 2 Das Resultat ist eine un-

scharfe und fragmentierte Situation. Tirana hat sich jedoch

in den letzten Jahren stark gewandelt und bietet der Stadt-

planung und -entwicklung einzigartige Möglichkeiten.

Während des autoritären Regimes von Enver Hoxha

[ 1944 –1985 ] kam es zu tiefgreifenden Veränderungen in der

Stadtstruktur. Architektur und Stadtplanung waren aufge-

fordert, an der Schaffung einer neuen gesellschaftlichen Re-

alität mitzuwirken. Historische Quartiere und religiöse

Zentren wurden abgerissen, um für Siedlungen des Massen-

wohnungsbaus Platz zu schaffen. Diese Stadtplanung durch

Abriss passte zur autoritären Führung Albaniens, die über

40 Jahre lang Redefreiheit und gesellschaftliche Partizipa-

tion unterdrückte.

1990 konnte die Diktatur in Albanien gestürzt werden.

Der Übergang zu einer demokratischen Ordnung verlief cha-

otisch und mehrere Rückschläge mussten weggesteckt wer-

den – etwa die Unruhen von 1997 im Zuge des wirtschaftli-

chen Zusammenbruchs, ausgelöst durch die sogenannten

‹ Pyramidenspiele ›. Bedingt durch einer massive Landflucht

in jenen Jahren sah sich Tirana mit dem Phänomen einer

umfangreichen informellen Bautätigkeit konfrontiert. Es

kam zu einer starken, ausufernden Zersiedelung, die für die

Qualität des urbanen Lebens in der Stadt eine grosse Gefahr

darstellte.

Wiedererlangung der Kontrolle

Mit derzeit nahezu einer Million Einwohnern ist Tirana vier-

mal so gross wie vor 20 Jahren und nimmt über ein Viertel

der Gesamtbevölkerung des Landes auf. Ungefähr 60 Pro-

zent der albanischen Bevölkerung leben in städtischen Zen-

tren. Der Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus hat

die soziale, wirtschaftliche und räumliche Struktur Tiranas

unmittelbar geprägt. Ihr Stadtraum hat sich rasch verändert,

wobei vor allem zwei Phänomene auffallen: Einerseits zogen

im Stadtzentrum und entlang der Hauptverkehrsachsen

zahlreiche Büros, Geschäfte und die Unterhaltungsindustrie

ein. In zentraler Lage sind neue Wohnbauprojekte entstan-

den. Andererseits hat sich die Stadt seit den frühen 1990er

Jahren durch informelle Bauten an den Stadtgrenzen ausge-

dehnt; zuerst waren es nur kleine Wohnhäuser, später ka-

men auch Wohnungsbau im grossen Massstab hinzu. Diese

allmähliche Entwicklung geschah ohne Planung, ohne die

Bereitstellung sozialer und technischer Infrastrukturen oder

öffentlicher Räume, was zu einem schwachen Stadtraum

führte. Diese Entwicklungen machten nicht halt vor dem

existierenden Stadtgefüge: Ehemals öffentliche Grundstü-

cke wurden in Besitz genommen und bestehende Strukturen

durch die Errichtung kleiner, mittlerer, aber auch grosser

Bauten, mitunter Durchgänge blockieren, rücksichtslos ver-

dichtet. Die grossmassstäblichen Wohn- und Geschäftsbau-

ten in der Peripherie wurden vom privaten Sektor realisiert.

Aktuell wird nach Wegen gesucht, um sie nachträglich zu

legalisieren.

Die Stadtverwaltung versuchte in den 2000er Jahren mit

verschiedenen Verschönerungskampagnen und einer Reihe

internationaler Wettbewerbe, zu denen verschiedene Starar-

chitekten geladen waren, die Kontrolle wiederzugewinnen

und eine neue Identität zu schaffen. Strassen, Parks und

Flussufer wurden von illegal errichteten Kiosken befreit und

Tausende Bäume gepflanzt. Grosse internationale Aufmerk-

samkeit zog Tirana im Jahr 2001 auf sich. Der damalige Bür-

germeisters und Künstler Edi Rama versuchte der Stadt ein

neues Image zu verschaffen, indem er den heruntergekom-

menen Strassenzügen ein radikales farbiges Facelifting ver-

passte und durch verschiedene Eingriffe die wichtigsten

öffentlichen Räume und Infrastrukturen verbesserte. Dies

sollte neue Aktivitäten und Investitionen anlocken und der

Stadt zur Regeneration verhelfen. Zudem unternahm er erste

Schritte zur Verwirklichung der Vision von der Verschmel-

zung Tiranas mit der nahegelegenen Hafenstadt Durrës zur

Metropole ‹ Durana ›. Heute ist Tirana eine der dynamischs-

ten Städte Albaniens und kann als Labor für experimentelle

Architektur und Raumplanung im ganzen Land betrachtet

werden.

Page 10: archithese 3.15 – Balkan Beats

32 archithese 3.2015 33

URBANISIERUNG DER STRÄNDETransformation spätmoderner Tourismusarchitekturen in Bulgarien und Kroatien In den letzten

Jahren des Sozialismus entstanden an den Küsten Jugoslawiens und Bulgariens touristische Ferien-

paradiese, die sowohl einheimische wie auch ausländische Touristen an die Strände lockten. Mit den poli-

tischen Umbrüchen Anfang der 1990er Jahre änderte sich auch der Umgang mit der Tourismusarchitektur.

Beide Regionen setzten auf unterschiedliche Konzepte, um sich ( wieder ) als Reiseziele zu etablieren.

1 Das 1972 von Boris Magaš geplante mondäne Luxus Hotel Haludovo auf der Insel Krk beher-bergte bis in die 1990er Jahre eine angesagte Bar, heute steht nur noch eine Ruine. ( Foto: Daniele Ansidei 2012 )

1

Autoren: Anke Hagemann und Michael Zinganel

Bereits in der Zwischenkriegszeit wurde in vielen Staaten

Europas – von Politikern und in Planungszirkeln – die Ent-

wicklung des modernen Massentourismus heftig diskutiert.

Erste Pilotprojekten entstanden beispielsweise in der Sow-

jetunion, im Frankreich der linksgerichteten Blum-Ära, in

den faschistischen Staaten Deutschland und Italien, im sozi-

aldemokratischen Schweden und im liberalen England. Die

tatsächliche ‹ Demokratisierung des Reisens › setzte aber erst

mit dem Wirtschaftswunder der 1950er Jahre ein, als Mas-

senverkehrsmittel auch für den breiten Mittelstand er-

schwinglich und gesetzlich verankerte Mindestlöhne sowie

das Recht auf bezahlten Urlaub in den meisten europäischen

Nationen durchgesetzt wurden. Auch die sich neu etablie-

renden staatssozialistischen Nationen erhoben – dem Bei-

spiel der Sowjetunion folgend – die Versorgung der eigenen

Arbeiterklasse mit leistbaren Urlaubsangeboten zum zentra-

len Element ihrer sozialpolitischen Programme und planten

mit grossem Ehrgeiz unzählige neue touristische Infrastruk-

turen. In den einzelnen Ländern wurden zwar verschiedene

Märkte adressiert und die Managementmethoden wichen

voneinander ab, die touristische Erschliessung der Küsten-

destinationen – im Osten wie im Westen – folgte aber dersel-

ben genuin fordistischen Konzeption von Freizeit: dem An-

gebot einer ausseralltäglichen Erfahrung; einer zeitlich be-

schränkten Flucht vor den Mühen und Zwängen der täglichen

Arbeits- und Lebenswelt aus einer als entfremdet empfunde-

nen, industrialisierten und urbanisierten Gesellschaft.

So begannen sowohl die kommunistische Volksrepublik

Bulgarien – streng zentralistisch regiert und treue Verbün-

dete der Sowjetunion – als auch das föderale Jugoslawien –

Mitbegründer der Bewegung blockfreier Staaten und Pionier

eines ‹ Dritten Weges › zwischen Kapitalismus und Sozialis-

mus – in den 1950er Jahren im grossen Stil moderne touris-

tische Einrichtungen zu entwickeln und diese auch bald in-

ternational zu vermarkten. Die Eigentumsstrukturen, die

Planung und Organisation der Tourismuswirtschaft trugen

dabei jeweils landesspezifische, sozialistische Züge. Einer-

seits wurden damit Erholungsmöglichkeiten für die einhei-

mischen Werktätigen geschaffen – hauptsächlich in Form

staatlich geförderter Kuraufenthalte in Ferienheimen von

Betrieben oder Gewerkschaften, dem sogenannten Sozial-

tourismus. Andererseits wurde auch ein marktfähiges Pro-

dukt hergestellt, das eine internationale Klientel ansprechen

und benötigte Devisen ins Land bringen sollte.

Die Küstenlandschaften Bulgariens und Jugoslawiens

unterscheiden sich deutlich voneinander und wurden archi-

tektonisch und städtebaulich in unterschiedlicher Weise zu

Tourismuszwecken erschlossen. Bulgariens 380 Kilometer

lange Küstenlinie am Schwarzen Meer bietet vor allem lang-

gezogene Sandstrände und sanfte grüne Hänge. Diese Topo-

grafie lud geradezu ein, Ferienresorts von städtischen Di-

mensionen zu errichten. So plante und baute Glavproekt, das

zentrale staatliche Planungsinstitut für Architektur und Ur-

banismus in Sofia, bis Ende der 1960er Jahre insgesamt vier

grosse Ferienresorts – Sonnenstrand, Goldstrand, Druzhba

und Albena –, die Kapazitäten von bis zu 30 000 Betten er-

reichten. Im Rahmen eines ganzheitlichen Entwicklungs-

plans konzentrierte man die touristischen Anlagen bewusst

auf wenige Zonen, um andere Landschaftsabschnitte ent-

lang der Küste weiträumig unberührt zu erhalten. Die Feri-

enresorts wurden ursprünglich als weitläufige, durchgrünte

Anlagen kleinerer Hotels konzipiert, dann aber schrittweise

verdichtet und dabei durch architektonische und städtebau-

liche Mittel wie Punkthochhäuser, clusterartige Bautypen

oder in die Fläche ausladende raumbildende Ferienkomplexe

definiert, die visuelle und räumliche Akzente in den Kontrast

zur Landschaft setzten.

Page 11: archithese 3.15 – Balkan Beats

32 archithese 3.2015 33

URBANISIERUNG DER STRÄNDETransformation spätmoderner Tourismusarchitekturen in Bulgarien und Kroatien In den letzten

Jahren des Sozialismus entstanden an den Küsten Jugoslawiens und Bulgariens touristische Ferien-

paradiese, die sowohl einheimische wie auch ausländische Touristen an die Strände lockten. Mit den poli-

tischen Umbrüchen Anfang der 1990er Jahre änderte sich auch der Umgang mit der Tourismusarchitektur.

Beide Regionen setzten auf unterschiedliche Konzepte, um sich ( wieder ) als Reiseziele zu etablieren.

1 Das 1972 von Boris Magaš geplante mondäne Luxus Hotel Haludovo auf der Insel Krk beher-bergte bis in die 1990er Jahre eine angesagte Bar, heute steht nur noch eine Ruine. ( Foto: Daniele Ansidei 2012 )

1

Autoren: Anke Hagemann und Michael Zinganel

Bereits in der Zwischenkriegszeit wurde in vielen Staaten

Europas – von Politikern und in Planungszirkeln – die Ent-

wicklung des modernen Massentourismus heftig diskutiert.

Erste Pilotprojekten entstanden beispielsweise in der Sow-

jetunion, im Frankreich der linksgerichteten Blum-Ära, in

den faschistischen Staaten Deutschland und Italien, im sozi-

aldemokratischen Schweden und im liberalen England. Die

tatsächliche ‹ Demokratisierung des Reisens › setzte aber erst

mit dem Wirtschaftswunder der 1950er Jahre ein, als Mas-

senverkehrsmittel auch für den breiten Mittelstand er-

schwinglich und gesetzlich verankerte Mindestlöhne sowie

das Recht auf bezahlten Urlaub in den meisten europäischen

Nationen durchgesetzt wurden. Auch die sich neu etablie-

renden staatssozialistischen Nationen erhoben – dem Bei-

spiel der Sowjetunion folgend – die Versorgung der eigenen

Arbeiterklasse mit leistbaren Urlaubsangeboten zum zentra-

len Element ihrer sozialpolitischen Programme und planten

mit grossem Ehrgeiz unzählige neue touristische Infrastruk-

turen. In den einzelnen Ländern wurden zwar verschiedene

Märkte adressiert und die Managementmethoden wichen

voneinander ab, die touristische Erschliessung der Küsten-

destinationen – im Osten wie im Westen – folgte aber dersel-

ben genuin fordistischen Konzeption von Freizeit: dem An-

gebot einer ausseralltäglichen Erfahrung; einer zeitlich be-

schränkten Flucht vor den Mühen und Zwängen der täglichen

Arbeits- und Lebenswelt aus einer als entfremdet empfunde-

nen, industrialisierten und urbanisierten Gesellschaft.

So begannen sowohl die kommunistische Volksrepublik

Bulgarien – streng zentralistisch regiert und treue Verbün-

dete der Sowjetunion – als auch das föderale Jugoslawien –

Mitbegründer der Bewegung blockfreier Staaten und Pionier

eines ‹ Dritten Weges › zwischen Kapitalismus und Sozialis-

mus – in den 1950er Jahren im grossen Stil moderne touris-

tische Einrichtungen zu entwickeln und diese auch bald in-

ternational zu vermarkten. Die Eigentumsstrukturen, die

Planung und Organisation der Tourismuswirtschaft trugen

dabei jeweils landesspezifische, sozialistische Züge. Einer-

seits wurden damit Erholungsmöglichkeiten für die einhei-

mischen Werktätigen geschaffen – hauptsächlich in Form

staatlich geförderter Kuraufenthalte in Ferienheimen von

Betrieben oder Gewerkschaften, dem sogenannten Sozial-

tourismus. Andererseits wurde auch ein marktfähiges Pro-

dukt hergestellt, das eine internationale Klientel ansprechen

und benötigte Devisen ins Land bringen sollte.

Die Küstenlandschaften Bulgariens und Jugoslawiens

unterscheiden sich deutlich voneinander und wurden archi-

tektonisch und städtebaulich in unterschiedlicher Weise zu

Tourismuszwecken erschlossen. Bulgariens 380 Kilometer

lange Küstenlinie am Schwarzen Meer bietet vor allem lang-

gezogene Sandstrände und sanfte grüne Hänge. Diese Topo-

grafie lud geradezu ein, Ferienresorts von städtischen Di-

mensionen zu errichten. So plante und baute Glavproekt, das

zentrale staatliche Planungsinstitut für Architektur und Ur-

banismus in Sofia, bis Ende der 1960er Jahre insgesamt vier

grosse Ferienresorts – Sonnenstrand, Goldstrand, Druzhba

und Albena –, die Kapazitäten von bis zu 30 000 Betten er-

reichten. Im Rahmen eines ganzheitlichen Entwicklungs-

plans konzentrierte man die touristischen Anlagen bewusst

auf wenige Zonen, um andere Landschaftsabschnitte ent-

lang der Küste weiträumig unberührt zu erhalten. Die Feri-

enresorts wurden ursprünglich als weitläufige, durchgrünte

Anlagen kleinerer Hotels konzipiert, dann aber schrittweise

verdichtet und dabei durch architektonische und städtebau-

liche Mittel wie Punkthochhäuser, clusterartige Bautypen

oder in die Fläche ausladende raumbildende Ferienkomplexe

definiert, die visuelle und räumliche Akzente in den Kontrast

zur Landschaft setzten.

Page 12: archithese 3.15 – Balkan Beats

40 archithese 3.2015 41

DESIGNING THE BALKANS Nine portraits of new and established architectural practices

DEN BALKAN GESTALTEN Neun Porträts junger und

etablierter Architekturbüros

Author: Daniela Meyer

So far, only a few contemporary works by Balkan architects

have attracted international attention. Some architectural

practices, coming primarily from new EU countries, do op-

erate on an international level or have designed diverse fas-

cinating buildings; several nominated for the Mies van der

Rohe Award. There is much to discover – there are many

different approaches, which reveal how the adaption of in-

ternational trends, reinterpretation of regional traditions or

the use of interesting new concepts make it possible to ac-

tively design the architectural future of the region.

The editors of archithese undertook research, made use of

in-situ contacts and looked at extensive material. Our choice

is subjective and does not aim to be representative or even

complete. Instead, we wanted to create a collection that

makes the reader long to go and discover the creative impact

of architects on the Balkan Peninsula. With short texts writ-

ten on the basis of interviews, we provide the reader with an

insight into the work of nine protagonists. They tell of the

building culture found in the respective countries, high-

lighting the differences and similarities between the differ-

ent frame conditions, ways of working, issues and aims.

Imaginative approaches are often needed to make the

most of limited resources and to overcome systemic obsta-

cles. A great deal of patience and stamina is required to deal

with issues such as obstructive or inefficient bureaucracy,

an under-developed construction industry and low budgets.

Unlike Switzerland, there is a lack of public commissions in

many of these countries. If competitions do take place, this

does not mean that the projects will be carried out. Our pro-

tagonists would like the public to have more appreciation for

architecture and for the contribution that it can make to pub-

lic space and society. The desire for change exists, as does

the necessary creative potential – it is now necessary to cre-

ate the appropriate conditions to make it possible for our

protagonists to make ( even more ) valuable contributions to

the spatial transformation of their countries.

Daniela Meyer studied architecture at ETH Zurich and practiced as an

architect. In 2014 she went to work in Venice where she was responsible for

the implementation of the exhibition concept in the Swiss Pavilion for

the 14th International Architecture Exhibition. She is working as an editor

for archithese.

Autorin: Daniela Meyer

Bisher wurde nur wenigen zeitgenössischen Arbeiten von Architektin-nen und Architekten aus der Balkanregion internationale Aufmerksam-keit geschenkt. Dabei sind einige Büros – allen voran diejenigen aus den neuen EU-Ländern – international tätig und diverse spannende Bauten wurden für den Mies van der Rohe Award nominiert. Es gibt viel zu entdecken; verschiedene Ansätze sind erkennbar und zeigen auf, wie durch Adaption internationaler Strömungen, Neuinterpretationen regi-onaler Traditionen oder interessante neue Konzepte die architektoni-sche Zukunft der Region aktiv gestaltet werden kann.

Die Redaktion der archithese hat recherchiert, Kontakte vor Ort ak-tiviert und umfassendes Material gesichtet. Unsere Auswahl ist subjek-tiv und hat nicht den Anspruch, repräsentativ oder gar vollständig zu sein. Stattdessen soll sie Lust machen, das kreative Wirken der Archi-tekturschaffenden auf der Balkanhalbinsel zu entdecken. Mit kurzen Texten, die aus Interviews stammen, geben wir Einblicke in die Praxis von neun Protagonisten. Diese berichten von der Baukultur des jeweili-gen Landes und zeigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich Rahmenbedingungen, Arbeitsweisen und eigenen Fragestellungen und Zielen auf.

Häufig gilt es, mit einfallsreichen Ansätzen aus wenig viel zu ma-chen und systemische Hindernisse zu überwinden: Sperrige oder inef-fiziente Bürokratien, eine wenig entwickelte Bauindustrie und kleine Budgets erfordern viel Geduld und Durchhaltevermögen. Im Gegensatz zur Schweiz fehlt es in vielen dieser Länder an öffentlichen Aufträgen. Wenn Wettbewerbe stattfinden, heisst dies noch lange nicht, dass die Projekte auch ausgeführt werden. Unsere Protagonisten wünschen sich innerhalb der Bevölkerung mehr Wertschätzung für die Architektur und den Beitrag, welchen diese für den öffentlichen Raum und die Gesell .schaft leisten kann. Der Wille zu Veränderungen und das kreative Po-tenzial sind vorhanden – nun gilt es, die passenden Rahmenbedingun-gen zu schaffen, damit sie ( weitere ) wertvolle Beiträge zur räumlichen Transformation ihrer Länder leisten können.

MIT – arh studio

Place: Belgrade, SerbiaPartners: Branislav Mitrovic, Siniša TatalovicNumber of people: 8Founded in: 2006

We obtained our first projects through competitions. At the beginning, a higher percentage of our projects were obtained in this way and fewer through direct assignments. Now this relation has changed. Our fa-vorite architectural task would be to design public buildings like cul-tural centers, theatres or galleries. But currently our work primarily consists of housing projects or commercial buildings like shopping malls or banks. We still participate in competitions – by this means we try to fulfill the diversity of architectural themes. Furthermore, we see them as an important opportunity to trigger a critical dialogue and pres-ent our own professional approaches.We are trying to work with young people, students and architecture graduates fresh from university, combining youth and experience through continuous dialogue, bringing together opposed but not con-flicting views, with the aim of trying to prevent recurrence and habits in work. This also helps to create a healthy atmosphere and a regener-ating energy – two very important things in a studio.

Administrative BuildingOriginally, the new administrative building of the Hydroelectric Power Plants was supposed to be located next to the old stone bridge leading over the Drina, which is registered as a World Heritage Site. After hav-ing won the international competition organized by UNESCO, changes in the arrangement between the city administration and the investor led to a relocation of the building to the opposite bank of the river. It was to

become a part of newly designed Andricgrad, which was already under construction by that time. The program remained the same, but the context was totally different; now consisting of a development project led by director Emir Kusturica, whose intention was to construct possi-ble history or an assumption about it. A history that could have hap-pened in this part of the Balkans if there had been no turbulences, con-fessional misunderstandings, presence of occupiers or destruction. The architecture was to follow this idea by referencing historical styles, with a particular emphasis on the stone as a primary construction ma-terial. ( Today, Andricgrad is popularly called Kamengrad – the city of stone. ) We finally agreed to use stone for our building, but our goal was not to react to the task through a construction of possible history, but to try to revert to the autochthonous use of stone as building material. We understood that stone belongs to this territory and through its use we tried to show what, in our opinion, was to represent an archetype of a house built in a given region. In a small community and working with local builders it was not possible to apply advanced and complex tech-nological details. They had to be simplified to the level of feasibility. The result shows that stone can appear exciting and natural if it is shaped and arranged with an understanding of the material and a love for it, in this case realized by a local team of stonemasons. [ For a critical view on Andricgrad see also: Jørg Himmelreich, "Legen- dendichtung statt Zukunftsmusik", pp. 64 – 69. ]

Place: Višegrad, Bosnia and Herzegovina; Planning: 2013; Realization: 2014; Assignment: competition; Client: Andricgrad d.o.o. ( private ); Costs: EUR 460/m², gross floor area 3 140 m².

Photos © MIT – arh studio

“Our goal was not to react to the task through a

construction of possible history, but to try to revert to the

autochthonous use of stone as building material.”

Page 13: archithese 3.15 – Balkan Beats

40 archithese 3.2015 41

DESIGNING THE BALKANS Nine portraits of new and established architectural practices

DEN BALKAN GESTALTEN Neun Porträts junger und

etablierter Architekturbüros

Author: Daniela Meyer

So far, only a few contemporary works by Balkan architects

have attracted international attention. Some architectural

practices, coming primarily from new EU countries, do op-

erate on an international level or have designed diverse fas-

cinating buildings; several nominated for the Mies van der

Rohe Award. There is much to discover – there are many

different approaches, which reveal how the adaption of in-

ternational trends, reinterpretation of regional traditions or

the use of interesting new concepts make it possible to ac-

tively design the architectural future of the region.

The editors of archithese undertook research, made use of

in-situ contacts and looked at extensive material. Our choice

is subjective and does not aim to be representative or even

complete. Instead, we wanted to create a collection that

makes the reader long to go and discover the creative impact

of architects on the Balkan Peninsula. With short texts writ-

ten on the basis of interviews, we provide the reader with an

insight into the work of nine protagonists. They tell of the

building culture found in the respective countries, high-

lighting the differences and similarities between the differ-

ent frame conditions, ways of working, issues and aims.

Imaginative approaches are often needed to make the

most of limited resources and to overcome systemic obsta-

cles. A great deal of patience and stamina is required to deal

with issues such as obstructive or inefficient bureaucracy,

an under-developed construction industry and low budgets.

Unlike Switzerland, there is a lack of public commissions in

many of these countries. If competitions do take place, this

does not mean that the projects will be carried out. Our pro-

tagonists would like the public to have more appreciation for

architecture and for the contribution that it can make to pub-

lic space and society. The desire for change exists, as does

the necessary creative potential – it is now necessary to cre-

ate the appropriate conditions to make it possible for our

protagonists to make ( even more ) valuable contributions to

the spatial transformation of their countries.

Daniela Meyer studied architecture at ETH Zurich and practiced as an

architect. In 2014 she went to work in Venice where she was responsible for

the implementation of the exhibition concept in the Swiss Pavilion for

the 14th International Architecture Exhibition. She is working as an editor

for archithese.

Autorin: Daniela Meyer

Bisher wurde nur wenigen zeitgenössischen Arbeiten von Architektin-nen und Architekten aus der Balkanregion internationale Aufmerksam-keit geschenkt. Dabei sind einige Büros – allen voran diejenigen aus den neuen EU-Ländern – international tätig und diverse spannende Bauten wurden für den Mies van der Rohe Award nominiert. Es gibt viel zu entdecken; verschiedene Ansätze sind erkennbar und zeigen auf, wie durch Adaption internationaler Strömungen, Neuinterpretationen regi-onaler Traditionen oder interessante neue Konzepte die architektoni-sche Zukunft der Region aktiv gestaltet werden kann.

Die Redaktion der archithese hat recherchiert, Kontakte vor Ort ak-tiviert und umfassendes Material gesichtet. Unsere Auswahl ist subjek-tiv und hat nicht den Anspruch, repräsentativ oder gar vollständig zu sein. Stattdessen soll sie Lust machen, das kreative Wirken der Archi-tekturschaffenden auf der Balkanhalbinsel zu entdecken. Mit kurzen Texten, die aus Interviews stammen, geben wir Einblicke in die Praxis von neun Protagonisten. Diese berichten von der Baukultur des jeweili-gen Landes und zeigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich Rahmenbedingungen, Arbeitsweisen und eigenen Fragestellungen und Zielen auf.

Häufig gilt es, mit einfallsreichen Ansätzen aus wenig viel zu ma-chen und systemische Hindernisse zu überwinden: Sperrige oder inef-fiziente Bürokratien, eine wenig entwickelte Bauindustrie und kleine Budgets erfordern viel Geduld und Durchhaltevermögen. Im Gegensatz zur Schweiz fehlt es in vielen dieser Länder an öffentlichen Aufträgen. Wenn Wettbewerbe stattfinden, heisst dies noch lange nicht, dass die Projekte auch ausgeführt werden. Unsere Protagonisten wünschen sich innerhalb der Bevölkerung mehr Wertschätzung für die Architektur und den Beitrag, welchen diese für den öffentlichen Raum und die Gesell .schaft leisten kann. Der Wille zu Veränderungen und das kreative Po-tenzial sind vorhanden – nun gilt es, die passenden Rahmenbedingun-gen zu schaffen, damit sie ( weitere ) wertvolle Beiträge zur räumlichen Transformation ihrer Länder leisten können.

MIT – arh studio

Place: Belgrade, SerbiaPartners: Branislav Mitrovic, Siniša TatalovicNumber of people: 8Founded in: 2006

We obtained our first projects through competitions. At the beginning, a higher percentage of our projects were obtained in this way and fewer through direct assignments. Now this relation has changed. Our fa-vorite architectural task would be to design public buildings like cul-tural centers, theatres or galleries. But currently our work primarily consists of housing projects or commercial buildings like shopping malls or banks. We still participate in competitions – by this means we try to fulfill the diversity of architectural themes. Furthermore, we see them as an important opportunity to trigger a critical dialogue and pres-ent our own professional approaches.We are trying to work with young people, students and architecture graduates fresh from university, combining youth and experience through continuous dialogue, bringing together opposed but not con-flicting views, with the aim of trying to prevent recurrence and habits in work. This also helps to create a healthy atmosphere and a regener-ating energy – two very important things in a studio.

Administrative BuildingOriginally, the new administrative building of the Hydroelectric Power Plants was supposed to be located next to the old stone bridge leading over the Drina, which is registered as a World Heritage Site. After hav-ing won the international competition organized by UNESCO, changes in the arrangement between the city administration and the investor led to a relocation of the building to the opposite bank of the river. It was to

become a part of newly designed Andricgrad, which was already under construction by that time. The program remained the same, but the context was totally different; now consisting of a development project led by director Emir Kusturica, whose intention was to construct possi-ble history or an assumption about it. A history that could have hap-pened in this part of the Balkans if there had been no turbulences, con-fessional misunderstandings, presence of occupiers or destruction. The architecture was to follow this idea by referencing historical styles, with a particular emphasis on the stone as a primary construction ma-terial. ( Today, Andricgrad is popularly called Kamengrad – the city of stone. ) We finally agreed to use stone for our building, but our goal was not to react to the task through a construction of possible history, but to try to revert to the autochthonous use of stone as building material. We understood that stone belongs to this territory and through its use we tried to show what, in our opinion, was to represent an archetype of a house built in a given region. In a small community and working with local builders it was not possible to apply advanced and complex tech-nological details. They had to be simplified to the level of feasibility. The result shows that stone can appear exciting and natural if it is shaped and arranged with an understanding of the material and a love for it, in this case realized by a local team of stonemasons. [ For a critical view on Andricgrad see also: Jørg Himmelreich, "Legen- dendichtung statt Zukunftsmusik", pp. 64 – 69. ]

Place: Višegrad, Bosnia and Herzegovina; Planning: 2013; Realization: 2014; Assignment: competition; Client: Andricgrad d.o.o. ( private ); Costs: EUR 460/m², gross floor area 3 140 m².

Photos © MIT – arh studio

“Our goal was not to react to the task through a

construction of possible history, but to try to revert to the

autochthonous use of stone as building material.”

Page 14: archithese 3.15 – Balkan Beats

52 archithese 3.2015 53

DON’T DROWN BELGRADE!A report from Belgrade Waterfront Investor urbanism in Belgrade is taking place both on a small and a large

scale. In the past 15 years we have witnessed the announcement of several flagship projects. Iconic architecture and

‘urban renewals’ were presented for attractive locations in the city, promising a Bilbao effect. The latest incarnation

is the Belgrade Waterfront Project, more grandiose than any of its predecessors in terms of numbers and scale, whether

with regard to the cost for taxpayers, potential risks, or the frightening social consensuses that prevail. For the

first time, the Serbian Government becomes, not only an enabler of the project, but also its instigator – despite being

in conflict with the law and public interest.

1 The Serbian government wants to improve Bel- grades city shape and economies with the Belgrade Waterfront. The 1.8 million square meters large area is heading the Sava river. ( photos 1, 2 © Belgrade Water-front )

2 The development is meant to include opportunities for living, working and shopping.

Authors: Iva Cukic, Dubravka Sekulic,

Ljubica Slavkovic and Ana Vilenica

It can be said that Belgrade always had an uneasy relation-

ship with urban planning. A mixture of strict, rigid attitudes

among planners when making the plans and a relaxed atti-

tude towards their implementation is still one of the main

characteristics. The novelty is that these processes are no

longer part of a systematic and comprehensive way of think-

ing about cities. The idea that general urban planning lost

its role and an omnipresent servility in the profession to (po-

litical) power heralded a new era of megalomaniac visions of

the new investor’s city. Thus the city ceased to be a space

that seeks to establish, at least nominally, equality among

its inhabitants and becomes rather a place of increasing in-

equality and social and economic tensions.

These processes finally brought about the broad exclu-

sion of the public from decision-making, leaving the public

interest unprotected, on the margins of the new (absent) so-

1 2

ciety. As those with the official mandate to protect the public

interest abandon it to serve the interest of capital, the protec-

tion of the public interest becomes the focal point in the orga-

nization of independent initiatives concerning the spatial

transformation and production of cities known as ‘Don’t

Drown Belgrade’.

Historical context of the project

The Belgrade basin of the Sava River is an attractive location

in which various techno-bureaucratic elites have shown a

strong interest. It is hard to understand how this area could

stay dormant for so long in the first place. The amphitheater

looks like the natural center of the city, but it was not always

like that. Its position became central with the development

of New Belgrade across the river after World War II. The

amphitheater’s future was for decades tied to the untan-

Page 15: archithese 3.15 – Balkan Beats

52 archithese 3.2015 53

DON’T DROWN BELGRADE!A report from Belgrade Waterfront Investor urbanism in Belgrade is taking place both on a small and a large

scale. In the past 15 years we have witnessed the announcement of several flagship projects. Iconic architecture and

‘urban renewals’ were presented for attractive locations in the city, promising a Bilbao effect. The latest incarnation

is the Belgrade Waterfront Project, more grandiose than any of its predecessors in terms of numbers and scale, whether

with regard to the cost for taxpayers, potential risks, or the frightening social consensuses that prevail. For the

first time, the Serbian Government becomes, not only an enabler of the project, but also its instigator – despite being

in conflict with the law and public interest.

1 The Serbian government wants to improve Bel- grades city shape and economies with the Belgrade Waterfront. The 1.8 million square meters large area is heading the Sava river. ( photos 1, 2 © Belgrade Water-front )

2 The development is meant to include opportunities for living, working and shopping.

Authors: Iva Cukic, Dubravka Sekulic,

Ljubica Slavkovic and Ana Vilenica

It can be said that Belgrade always had an uneasy relation-

ship with urban planning. A mixture of strict, rigid attitudes

among planners when making the plans and a relaxed atti-

tude towards their implementation is still one of the main

characteristics. The novelty is that these processes are no

longer part of a systematic and comprehensive way of think-

ing about cities. The idea that general urban planning lost

its role and an omnipresent servility in the profession to (po-

litical) power heralded a new era of megalomaniac visions of

the new investor’s city. Thus the city ceased to be a space

that seeks to establish, at least nominally, equality among

its inhabitants and becomes rather a place of increasing in-

equality and social and economic tensions.

These processes finally brought about the broad exclu-

sion of the public from decision-making, leaving the public

interest unprotected, on the margins of the new (absent) so-

1 2

ciety. As those with the official mandate to protect the public

interest abandon it to serve the interest of capital, the protec-

tion of the public interest becomes the focal point in the orga-

nization of independent initiatives concerning the spatial

transformation and production of cities known as ‘Don’t

Drown Belgrade’.

Historical context of the project

The Belgrade basin of the Sava River is an attractive location

in which various techno-bureaucratic elites have shown a

strong interest. It is hard to understand how this area could

stay dormant for so long in the first place. The amphitheater

looks like the natural center of the city, but it was not always

like that. Its position became central with the development

of New Belgrade across the river after World War II. The

amphitheater’s future was for decades tied to the untan-

Page 16: archithese 3.15 – Balkan Beats

64 archithese 3.2015 65

LEGENDENDICHTUNG STATT ZUKUNFTSMUSIK Denkmäler als politische Werkzeuge in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens Der kriegerische Zerfall

des südslawischen Landes in kleinere Nationalstaaten und der Wechsel vom Sozialismus zur freien Marktwirtschaft

hat zu Spannungen und kulturellen Verwerfungen geführt. Sie manifestieren sich in Architektur und – besonders

augenfällig – bei Denkmälern im öffentlichen Raum. Grossplastiken werden ( auch ) im Balkanraum seit Jahrzehnten

als Medium eingesetzt, um politische Realitäten, Macht (-ansprüche ) oder Visionen abzubilden. Während unter

Josip Broz eine aufgeklärte und fortschrittliche Gesellschaft beschworen wurde, geht der Blick derzeit hauptsächlich

zurück – Skulpturen und Architektur werden eingesetzt, um Geschichte zu ( re- ) konstruieren. Eine fragwürdige

Tendenz, da sie auf Abgrenzung statt auf Integration setzt.

Autor: Jørg Himmelreich

Futurepop –

Sozialistische Denkmäler in Jugoslawien

Über Jahrhunderte meist fremdbestimmt aus Rom, Konstan-

tinopel / Istanbul, Wien und Venedig galt die Balkanregion

die längste Zeit als Peripherie; im letzten Jahrhundert, bezo-

gen auf den Modernisierungsprozess gar als eines der

Schlusslichter Europas. Dass eine periphere Lage jedoch

eine Chance sein kann, weil die Distanz zu den politischen

sen Massstab und Materialen wie Beton und Stahl eine Po-

sition zwischen Architektur, Plastik und Land Art ein.2 For-

men wie Obelisken, Zylinder und andere aufragende

Elemente wirken durchaus militant, künden aber zugleich

von einer stolzen, fortschrittlichen Gesellschaft. Insbeson-

dere in den Werken Bogdanovic überwiegt eine Ausstrah-

lung der Freude. Die Ornamentik seiner Werke umfasst zu-

dem archaisch und mythologisch wirkende Elemente. Unbe-

stimmt und rätselhaft verweisen sie jedoch bewusst nicht

auf identifizierbare Vorbilder, sondern auf das kulturelle

Kontinuum der Menschheit insgesamt. Bei anderen Monu-

menten, wie dem Makedonium in Kruševo [ 1974 ] wurden

Elemente der Pop-Ästhetik integriert. Eine Lichtorgel und

der Science-Fiction-Stil des kugeligen Bauwerks nehmen

Anleihen bei der Disco-Kultur und populären Kinofilmen,

wie beispielsweise Odyssee 2001. Die Ikonologie von Kampf,

Martyrium und Sieg bediente sich zugleich bewusst religiö-

ser Elemente. Als ‹ Wallfahrtsorte ›, zu denen Schulklassen

und Gruppen regelmässig pilgerten, etablierten diese Denk-

mäler Erinnerung als ein gemeinschaftlich konstituierendes

Ritual und wurden jährlich von bis zu einer Million Men-

schen besucht.

Identitätskrisen

Als 1989 die Berliner Mauer fiel und der Zusammenbruch der

kommunistischen Diktaturen Osteuropas einsetzte, began-

nen nationalistische Zentrifugalkräfte auch Jugoslawien

auseinanderzusprengen. Für die Staaten des Balkans be-

1 Das Denkmal von Vojin Bakic für im Zweiten Welt-krieg gefallene Partisanen in Petrova Gora wird sukzessive entklei-det und das Metall auf dem Schwarz-markt verkauft. ( Fotos 1 – 5: Jørg Himmelreich )

2 In Kozara, einem von drei bosnischen Nationalparks steht ein Denkmal für gefallene Partisa-nen von Bildhauer Dušan Džamonja.

3 Das umgangs-sprachlich Makedo-nium genannte Ilinden Denkmal in Kruševo wurde 1974 fertiggestellt und von Jordan Grabuloski und Iskra Grabuloska entworfen.

1 32

Zentren Freiheiten ermöglicht, hat die Sozialistische Födera-

tive Republik Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg auf-

gezeigt. Das Land hat sich aus dem Würgegriff des War-

schauer Paktes freigespielt und als blockfreier Staat den

sogenannten ‹ dritten Weg › eingeschlagen, um aus dem kul-

turellen Kosmos des Ostens und des Westens zugleich

schöpfen zu können. In der Folge wurde eine beeindru-

ckende Kreativität in den Bereichen Architektur und Kunst

freigesetzt. Ihnen kam eine wichtige Rolle bei der Neudefi-

nition des Landes zu.

Weil im Zweiten Weltkrieg die Volksgruppen – von den Ach-

senmächten angestachelt – gewaltsam aufeinander losgin-

gen, galt es eine neue verbindende Narration zu entwickeln,

die in der Lage war, diese Feindseligkeiten zu überbrücken.

Die neue transnationale Identität wurde daher nicht als Kon-

tinuität, sondern als Bruch mit der Vergangenheit insze-

niert – vor allem der Partisanenkampf gegen das Deutsche

Reich und Italien wurde als gemeinsame Basis herausgestri-

chen und die Unterschiede bezüglich der vier Religionen,

sechs Ethnien, drei offiziellen Sprachen, diversen südslawi-

schen Dialekten, zwei Alphabeten und fünfzehn anerkann-

ten Minderheiten entsprechend ‹ kleingeredet ›. Denkmälern

kam in dieser Erzählung eine bedeutende Kommunikations-

rolle zu. Zwischen 1945 und 1990 wurden im Auftrag von

Josip Broz, genannt Tito, hunderte Spomeniks, meist an den

Schauplätzen von Partisanenschlachten, Standorten von

Konzentrationslagern und Massengräbern errichtet, mitun-

ter aber auch auf Plätzen in den Stadtzentren. Waren sie an-

fänglich von der Ästhetik des akademischen Realismus ge-

prägt, wurden sie ab den 1960er Jahren abstrakter, struktu-

reller und architektonischer. Bedeutende Bildhauer wie

Dušan Džamonja, Vojin Bakic, Miodrag Živkovic, Jordan und

Iskra Grabul und Architekten wie Bogdan Bogdanovic und

Gradimir Medakovic wurden beauftragt. Die mitunter ge-

wagten Strukturen wirken ausserirdisch und fantastisch,

erinnern an gereckte Fäuste, Sterne, Flügel oder Blumen.1

Räumlich vielseitig laden sie zum Erkunden ein und ermög-

lichen vielfältige Deutungen. Sie nehmen durch ihren gros-

Page 17: archithese 3.15 – Balkan Beats

64 archithese 3.2015 65

LEGENDENDICHTUNG STATT ZUKUNFTSMUSIK Denkmäler als politische Werkzeuge in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens Der kriegerische Zerfall

des südslawischen Landes in kleinere Nationalstaaten und der Wechsel vom Sozialismus zur freien Marktwirtschaft

hat zu Spannungen und kulturellen Verwerfungen geführt. Sie manifestieren sich in Architektur und – besonders

augenfällig – bei Denkmälern im öffentlichen Raum. Grossplastiken werden ( auch ) im Balkanraum seit Jahrzehnten

als Medium eingesetzt, um politische Realitäten, Macht (-ansprüche ) oder Visionen abzubilden. Während unter

Josip Broz eine aufgeklärte und fortschrittliche Gesellschaft beschworen wurde, geht der Blick derzeit hauptsächlich

zurück – Skulpturen und Architektur werden eingesetzt, um Geschichte zu ( re- ) konstruieren. Eine fragwürdige

Tendenz, da sie auf Abgrenzung statt auf Integration setzt.

Autor: Jørg Himmelreich

Futurepop –

Sozialistische Denkmäler in Jugoslawien

Über Jahrhunderte meist fremdbestimmt aus Rom, Konstan-

tinopel / Istanbul, Wien und Venedig galt die Balkanregion

die längste Zeit als Peripherie; im letzten Jahrhundert, bezo-

gen auf den Modernisierungsprozess gar als eines der

Schlusslichter Europas. Dass eine periphere Lage jedoch

eine Chance sein kann, weil die Distanz zu den politischen

sen Massstab und Materialen wie Beton und Stahl eine Po-

sition zwischen Architektur, Plastik und Land Art ein.2 For-

men wie Obelisken, Zylinder und andere aufragende

Elemente wirken durchaus militant, künden aber zugleich

von einer stolzen, fortschrittlichen Gesellschaft. Insbeson-

dere in den Werken Bogdanovic überwiegt eine Ausstrah-

lung der Freude. Die Ornamentik seiner Werke umfasst zu-

dem archaisch und mythologisch wirkende Elemente. Unbe-

stimmt und rätselhaft verweisen sie jedoch bewusst nicht

auf identifizierbare Vorbilder, sondern auf das kulturelle

Kontinuum der Menschheit insgesamt. Bei anderen Monu-

menten, wie dem Makedonium in Kruševo [ 1974 ] wurden

Elemente der Pop-Ästhetik integriert. Eine Lichtorgel und

der Science-Fiction-Stil des kugeligen Bauwerks nehmen

Anleihen bei der Disco-Kultur und populären Kinofilmen,

wie beispielsweise Odyssee 2001. Die Ikonologie von Kampf,

Martyrium und Sieg bediente sich zugleich bewusst religiö-

ser Elemente. Als ‹ Wallfahrtsorte ›, zu denen Schulklassen

und Gruppen regelmässig pilgerten, etablierten diese Denk-

mäler Erinnerung als ein gemeinschaftlich konstituierendes

Ritual und wurden jährlich von bis zu einer Million Men-

schen besucht.

Identitätskrisen

Als 1989 die Berliner Mauer fiel und der Zusammenbruch der

kommunistischen Diktaturen Osteuropas einsetzte, began-

nen nationalistische Zentrifugalkräfte auch Jugoslawien

auseinanderzusprengen. Für die Staaten des Balkans be-

1 Das Denkmal von Vojin Bakic für im Zweiten Welt-krieg gefallene Partisanen in Petrova Gora wird sukzessive entklei-det und das Metall auf dem Schwarz-markt verkauft. ( Fotos 1 – 5: Jørg Himmelreich )

2 In Kozara, einem von drei bosnischen Nationalparks steht ein Denkmal für gefallene Partisa-nen von Bildhauer Dušan Džamonja.

3 Das umgangs-sprachlich Makedo-nium genannte Ilinden Denkmal in Kruševo wurde 1974 fertiggestellt und von Jordan Grabuloski und Iskra Grabuloska entworfen.

1 32

Zentren Freiheiten ermöglicht, hat die Sozialistische Födera-

tive Republik Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg auf-

gezeigt. Das Land hat sich aus dem Würgegriff des War-

schauer Paktes freigespielt und als blockfreier Staat den

sogenannten ‹ dritten Weg › eingeschlagen, um aus dem kul-

turellen Kosmos des Ostens und des Westens zugleich

schöpfen zu können. In der Folge wurde eine beeindru-

ckende Kreativität in den Bereichen Architektur und Kunst

freigesetzt. Ihnen kam eine wichtige Rolle bei der Neudefi-

nition des Landes zu.

Weil im Zweiten Weltkrieg die Volksgruppen – von den Ach-

senmächten angestachelt – gewaltsam aufeinander losgin-

gen, galt es eine neue verbindende Narration zu entwickeln,

die in der Lage war, diese Feindseligkeiten zu überbrücken.

Die neue transnationale Identität wurde daher nicht als Kon-

tinuität, sondern als Bruch mit der Vergangenheit insze-

niert – vor allem der Partisanenkampf gegen das Deutsche

Reich und Italien wurde als gemeinsame Basis herausgestri-

chen und die Unterschiede bezüglich der vier Religionen,

sechs Ethnien, drei offiziellen Sprachen, diversen südslawi-

schen Dialekten, zwei Alphabeten und fünfzehn anerkann-

ten Minderheiten entsprechend ‹ kleingeredet ›. Denkmälern

kam in dieser Erzählung eine bedeutende Kommunikations-

rolle zu. Zwischen 1945 und 1990 wurden im Auftrag von

Josip Broz, genannt Tito, hunderte Spomeniks, meist an den

Schauplätzen von Partisanenschlachten, Standorten von

Konzentrationslagern und Massengräbern errichtet, mitun-

ter aber auch auf Plätzen in den Stadtzentren. Waren sie an-

fänglich von der Ästhetik des akademischen Realismus ge-

prägt, wurden sie ab den 1960er Jahren abstrakter, struktu-

reller und architektonischer. Bedeutende Bildhauer wie

Dušan Džamonja, Vojin Bakic, Miodrag Živkovic, Jordan und

Iskra Grabul und Architekten wie Bogdan Bogdanovic und

Gradimir Medakovic wurden beauftragt. Die mitunter ge-

wagten Strukturen wirken ausserirdisch und fantastisch,

erinnern an gereckte Fäuste, Sterne, Flügel oder Blumen.1

Räumlich vielseitig laden sie zum Erkunden ein und ermög-

lichen vielfältige Deutungen. Sie nehmen durch ihren gros-