Heft 7+8 Juli-August 2011
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AgrArforschung schweiz
J u l i – A u g u s t 2 0 1 1 | H e f t 7 – 8
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Pflanzenbau Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden Seite 304
Gesellschaft Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming Seite 342
Agrarwirtschaft Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung Seite 354
ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.
HerausgeberinAgroscope
Partnerb Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil
ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART)
b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bernb Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofenb Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,
Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften
Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agro-nomique Suisse, Forschungs anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]
Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: [email protected]
Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Evelyne Fasnacht (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich).
AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten),inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–** reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder [email protected]
AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: [email protected]
Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch
ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz
© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.
Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS
Berner FachhochschuleHaute école spécialisée bernoiseSchweizerische Hochschulefür Landwirtschaft SHLHaute école suisse d’agronomie HESA
Die meisten Acker- und Wiesenpflanzen sind mit einer Vielzahl von Arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen vergesell-schaftet. Diese Pilzarten reagieren stark auf Land-nutzungs intensität, Bewirtschaftungsform und/oder Bodenbeschaffenheit und eignen sich deshalb gut als Bioindikatoren, wie eine Studie von ART zeigt. (Foto: Gabriela Brändle, ART)
InhaltJuli – August 2011 | Heft 7 – 8
303 Editorial
Pflanzenbau
304 Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in
Schweizer Landwirtschaftsböden
Fritz Oehl, Jan Jansa , Kurt Ineichen, Paul Mäder
und Marcel van der Heijden
Pflanzenbau
312 Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz
(2005–2010)
Silvia Zanetti und Thomas Hebeisen
Pflanzenbau
320 Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sorten-
versuche mit Rotschwingel und Kammgras
Daniel Suter, Rainer Frick und Hans-Ulrich Hirschi
Pflanzenbau
328 Aktionsforschung: Obstproduzenten
suchen Lösungen
Esther Bravin, Mirjam Blunschi, Markus Leumann,
Ueli Straub, Timo Hirrle, Johannes Hanhart, Richard
Hollenstein und Bea Steinemann
Pflanzenbau
334 Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen-
schutzstrategien im Apfelanbau
Andreas Naef, Patrik Mouron und Heinrich Höhn
Gesellschaft
342 Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming
Sara Widmer und Hans Wydler
Agrarwirtschaft
348 Waldwirtschaft Schweiz:
Was Kooperation erfolgreich macht
Barbara Stöckli und Bernhard Pauli
Agrarwirtschaft
354 Projekt «Weidekuh-Genetik»:
Wirtschaftliche Bewertung
Christian Gazzarin und Valérie Piccand
Nutztiere
360 Feuchtheu mit Konservierungsmitteln
lagerfähig machen
Ueli Wyss
366 Porträt
367 Aktuell
371 Veranstaltungen
Sortenlisten
Beilage Liste der empfohlenen Getreidesorten für
die Ernte 2012
Jürg Hiltbrunner, Martin Anders, Lilia Levy Häner, Jean-François Collaud, Ruedi Schwärzel, Mario Bertossa, Peter Stoll, Thomas Weisflog, Pascal Toffel, Jonas Zürcher et André Chassot
Editorial
303Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 303, 2011
Willy Kessler, Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
Liebe Leserin, lieber Leser
Die Akteure des landwirtschaftlichen Wissenssystems setzen sich gemeinsam
dafür ein, mit dem vorhandenen Wissen und ihren Infrastrukturen möglichst
viel Nutzen zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes
zu schaffen.
Praxisbezug, Exzellenz, weltweite Netze
Die landwirtschaftliche Forschung ist bestrebt, ihren Nutzen zugunsten der
Land- und Ernährungswirtschaft trotz schwindender Mittel weiter zu stei-
gern. Dazu ist es nötig, sich nach fachlichen und strategischen Überlegungen
im Sinne von Interessengemeinschaften optimal zu vernetzen. Moderne For-
schende arbeiten im Team und richten den Forschungsinhalt nach aktuellen
oder künftigen Bedürfnissen. Sie sind bestrebt, anwendbare Erkenntnisse
und messbare Wirkungen zu erlangen. Die Kundschaft erwartet einen star-
ken Praxisbezug und gleichzeitig eine hohe Anerkennung in der internatio-
nalen wissenschaftlichen Gemeinschaft. Die schweizerische landwirtschaft-
liche Forschung ist daran, diese Dualität als ihre Stärke weiter auszubauen.
Keine Forscherin, kein Forscher kann dies alleine schaffen. Entsprechend
zwingend ist es, sich über Grenzen hinweg gezielt und geschickt zu vernet-
zen. Dafür bieten sich Plattformen an.
Vernetzung am Beispiel Futterbau
In der Schweiz gibt es seit 1934 die Vereinigung «Arbeitsgemeinschaft zur
Förderung des Futterbaues» (AGFF). Aufgabe der AGFF ist die Herbeifüh-
rung einer engeren Zusammenarbeit aller an einer nachhaltigen Nutzung
des Graslandes interessierten Vereinigungen, Institutionen, Betriebsinha-
benden und Forschenden. Den Praxisbezug stellt die AGFF mit speziell dafür
vorgesehenen Organen wie den technischen Kommissionen und mit Fach-
ausschüssen sicher.
Die auf der AGFF-Plattform umsetzbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse
entstammen hauptsächlich den Forschungsanstalten von Agroscope, der ETH
Zürich und der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft SHL, welche
sich ihrerseits auch international engagieren, beispielsweise in der European
Grassland Federaton (EGF). Dies begünstigt die eigene Weiterentwicklung
und die Entstehung von Netzwerken für internationale Forschungszusam-
menarbeit. Wenn es die AGFF und die EGF heute nicht gäbe, müssten sie erfunden werden!
Plattform für den Ackerbau
Die Schweiz hat seit 2008 die Plattform «Ackerbau – Grandes cultures»
(PAG-CH). Die PAG-CH ist wie die AGFF eine zeitgemässe und wertvolle Infor-
mationsdrehscheibe für den Austausch von Ackerbauwissen und Anliegen
zwischen Forschungsstellen und Wissens-Multiplikatoren und zudem ein
Fachgremium für die Erarbeitung und Beschaffung von Umsetzungswissen.
Ackerbaurelevantes Umsetzungswissen vermitteln etliche Beiträge der vor-
liegenden Nummer der Agrarforschung Schweiz. Es steht Ihnen, liebe Leserin,
lieber Leser, zur Verfügung.
Forschung vernetzen
304 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
P f l a n z e n b a u
Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer LandwirtschaftsbödenFritz Oehl1, Jan Jansa2 , Kurt Ineichen3, Paul Mäder4 und Marcel van der Heijden1
1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich2ETH Zürich, Institut für Agrarwissenschaften, 8315 Lindau 3Zürich-Basel Plant Science Center (PSC), Botanisches Institut der Universität Basel, 4056 Basel 4Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), 5070 Frick
Auskünfte: Fritz Oehl, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 73 21
Die meisten Acker- und Wiesenpflanzen sind mit einer
Vielzahl von AM-Pilzen vergesellschaftet. AM-Pilze
gehören zu den Glomeromycota (Knäuel- oder Arbus-
kelpilze), benannt nach der in dieser Pilzabteilung erst
entdeckten und häufigsten Gattung Glomus. Eine
andere bekannte Gruppe von Mykorrhizapilzen sind die
Ektomykorrhizapilze (z. B. Steinpilze, Basidiomycota),
die zum Beispiel mit mitteleuropäischen Waldbäumen in
sehr artspezifischer Symbiose leben.
E i n l e i t u n g
Bereits im 19. Jahrhundert wurden die positiven Wirkun-
gen der sogenannten Arbuskulären Mykorrhizapilze
(AM-Pilze) auf das Pflanzenwachstum erkannt. Heute
betrachtet man sie als die am weitesten verbreitete Sym-
biose: Über 80 Prozent der Landpflanzen können eine
Symbiose mit diesen Pilzen eingehen. Bisher sind welt-
weit etwa 230 AM-Pilzarten bekannt.
Abb. 1 | Arbuskuläre Mykorrhiza-Symbiose führt oft zu besserer Nährstoffaufnahme, erhöhtem Wachstum und früherem Blühen der Pflan-zen. Links: Rotklee ohne AM-Pilze in Wurzeln und Wurzelbereich, rechts: Boden geimpft mit AM-Pilzen zur zeitgleichen Aussaat. (Foto: ART)
Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau
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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
Die meisten Nutz- und Wildpflanzen bilden
eine Symbiose mit einer speziellen Gruppe
von Bodenpilzen, den Arbuskulären Mykor-
rhizapilzen (AM-Pilze). AM-Pilze übernehmen
in allen von Pflanzen besiedelten Ökosyste-
men wichtige Funktionen. Sie bilden ein
engmaschiges Pilzfadengeflecht im Boden
und geben lebensnotwendige Nährstoffe aus
dem Boden an die Pflanzen weiter und
schützen diese gegen Stress und Trockenheit.
Sie reduzieren Nährstoffverluste aus dem
Boden und können durch Lebendverbauung
Erosion vermindern und somit die Stabilität
von Ökosystemen erhöhen. AM-Pilze
scheinen als Bioindikatoren besonders
geeignet zu sein, da diese Pilzgruppe mit
bisher bekannten 230 Arten überschaubar
klein ist und sowohl häufige als auch seltene
Arten enthält. In der Schweiz sind bisher
mehr als 100 AM-Pilze nachgewiesen worden.
Viele dieser Pilze reagieren stark auf die
Landnutzungsintensität, die Bewirtschaf-
tungsform und/oder die Bodenbeschaffen-
heit (z. B. Glomus sinuosum und Acaulospora
paulinae). Diese spezialisierten AM-Pilzarten
sind deshalb sehr gut geeignet als Bio-
indikatoren. Andere Arten kommen in fast
allen Böden vor und können als Generalisten
bezeichnet werden (z. B. Gl. fasciculatum und
Archaeospora trappei). Unsere Studien
zeigen, dass sich eine Vielzahl von AM-Pilzen
als Bioindikatoren in landwirtschaftlich
genutzten Böden eignen.
Die AM-Pilze haben vielfältige Funktionen in Ökosyste-
men. Zum einen spielen sie bei der Nährstoffaufnahme
und -weitergabe an die Pflanzen eine zentrale Rolle,
was vor allem für Phosphor (P) (Jansa et al. 2005, Tchabi
et al. 2010), aber für weitere Nährelemente (z. B. N, K,
Zn) gilt. Unter N-Mangel quantifizierten Mäder et al.
(2000) den durch AM-Hyphen aufgenommenen Anteil
auf bis zu 40 Prozent. Bei Phosphor-Mangel können
Pflanzen bis zu 90 Prozent des P über AM-Pilze aufneh-
men. Vor allem Kleearten profitieren von den AM-Pilzen,
da Klee einen hohen P-Bedarf hat (Abb. 1). Weiterhin
kann vor allem der Befall von Pflanzen durch Wurzelpa-
thogene und -schädlinge vermindert werden. Mykorrhi-
zierte Pflanzen haben oft eine bessere Wasserver-
sorgung (vor allem während und nach kurzen
Trockenperioden, z. B. Neumann und George 2004).
Durch Lebendverbauung fördern sie die Strukturbildung
der Böden, was in der Regel zu einem höheren Erosions-
schutz, besserer Wasserinfiltration und -speicherung
und höheren Pflanzenauflaufraten führt (z. B. Rillig und
Mummey 2006; Schmid et al. 2008). Durch das engma-
schige Pilzfadengeflecht können Nährstoffe auch vor
Auswaschung geschützt werden (van der Heijden 2010).
Die Vielfalt dieser Pilze kann einen wichtigen Beitrag zur
Biodiversität und Produktivität von Wiesengesellschaf-
ten leisten (van der Heijden et al. 1998).
Die ökologisch und agronomisch bedeutsamen Funk-
tionen vieler AM-Pilze in Böden sind noch wenig
erforscht. Es wird erwartet, dass diese Pilze je nach Sym-
biose-Partner, Ökosystem und Standort ein recht unter-
schiedliches Leistungspotenzial haben. Dieser Artikel
hat deshalb zum Ziel, die erst in den letzten zwölf Jahren
durchgeführten AM-Pilz-Biodiversitätsstudien zusam-
men zu fassen und zu prüfen, ob diese Pilze allenfalls
als Bioindikatoren in Agrarökosystemen geeignet sind.
Bioindikatoren, auch Indikator- oder Zeigerarten ge-
nannt, sind Lebewesen, die auf Einflüsse des Menschen
mit der Veränderung der Lebensfunktionen oder ihres
Vorkommens/Fehlens reagieren (z. B. Zeigerpflanzen,
oder gewisse Flechtenarten, die als Indikatoren für Luft-
verunreinigungen benutzt werden). AM-Pilze scheinen
besonders geeignet als Bio-, Boden- und Landnutzungs-
indikatoren zu sein, da diese Pilzgruppe überschaubar
klein ist, häufige und seltene Arten enthält und in allen
von Pflanzen besiedelten Ökosystemen wichtige Funkti-
onen übernimmt.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Zwischen 1999 und 2011 wurde in der Schweiz eine
Reihe von Studien zur Erfassung der AM-Pilz-Biodiversi-
tät in landwirtschaftlichen Böden durchgeführt. Alle
drei Grossregionen der Schweiz wurden einbezogen:
Alpen, Mittelland und Jura. Die erste Studie befasste sich
mit den Auswirkungen der Bodenbearbeitung in Acker-
böden auf die Pilzgemeinschaften in einer Parabraun-
erde auf Moräne am Standort Tänikon, Thurgau, der
Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
(Jansa et al. 2002, 2003). Eine zweite Studie zielte auf die
Auswirkungen von biologischem und konventionellem
Anbau auf die Pilz-Gemeinschaften in einer Parabraun-
erde auf Löss im DOK-Versuch in Therwil, Baselland
(Oehl et al. 2004). Gleichzeitig wurden in der Umgebung
des DOK-Versuchs extensiv genutzte Wiesen und inten-
siv genutzte Maisäcker ohne Fruchtfolge in die Studie
mit einbezogen, um bei gleichen Böden einen möglichst
grossen Gradienten in der Landnutzungsintensität abzu-
decken (Oehl et al. 2003, 2009). Zusätzlich wurde die ver-
Pflanzenbau | Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden
306 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
tikale Verteilung der AM-Pilze in diesen Böden unter-
sucht (Oehl et al. 2005b), sowie die Studie auf mehrere
Bodentypen und Höhenstufen ausgeweitet (Oehl et al.
2010a), um den Einfluss des Bodens auf die Pilz-Gemein-
schaften besser einschätzen zu können. Die Resultate der
einzelnen Studien werden im Folgenden zusammenfasst.
Den Studien liegen zumeist morphologische Bestim-
mungen der Sporenpopulationen zugrunde (z. B. Oehl et
al. 2003, 2010a), oder es wurden molekularbiologische
Analysen direkt an der aus den Pflanzenwurzeln extrahier-
ten DNA der AM-Pilze vorgenommen (Jansa et al. 2003).
Bisher unbekannte Pilze wurden mit Hilfe von kombinier-
ten Analysen möglichst umfassend charakterisiert (z. B.
Jansa et al. 2002, Oehl et al. 2005a, 2006, 2010, 2011).
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Verbreitung der AM-Pilze in der Schweiz
Insgesamt wurden mehr als 100 der weltweit etwa 230
publizierten AM-Pilze in Schweizer Landwirtschaftsbö-
den gefunden. Davon gelten mehrere Arten weiterhin
als unbekannt, während mehr als zehn neue Arten in
den letzten zehn Jahren beschrieben wurden (z. B. Oehl
und Sieverding 2004, Gamper et al. 2009, Oehl et al.
2005a, 2006, 2010b, 2011). Für viele der Arten wurden
Daten der biogeographischen Verbreitung in der
Schweiz gesammelt. Sporen einiger ausgewählter AM-
Pilzarten sind in Abbildung 2 gezeigt.
Intensive Landnutzung mindert die AM-Pilz-Diversität
Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Landnut-
zungsintensität und das Anbausystem einen grossen
Einfluss auf die AM-Pilz-Diversität und die AM-Pilz-
Gemeinschaften haben (z. B. Abb. 3, Oehl et al. 2003).
Während in Graslandböden eine hohe Artenvielfalt
nachgewiesen werden kann, enthalten intensiv
genutzte Ackerböden oft deutlich weniger Arten. Am
Standort Tänikon hatten Minimalbodenbearbeitung-
Systeme und besonders pfluglose Systeme eine andere
AM-Pilz-Gemeinschaft als Systeme mit jährlichem
Pflugeinsatz (Jansa et al. 2002, 2003). Vor allem Giga-
spora-, Scutellospora-, Racocetra- und Cetraspora-Arten
scheinen unter häufiger Bodenbearbeitung zu leiden,
weil diese Arten zerschnittene Pilzfäden nur sehr
beschränkt wieder zu verknüpfen vermögen (de la Pro-
videnzia et al. 2005). Unter reduzierter Bodenbearbei-
tung auf einer Kalkrendzina in Baselland wurde hinge-
gen eine ähnlich hohe Artenzahl und ein ebenso hohes
Mykorrhizierungspotential gefunden wie in angren-
zenden Naturwiesen (Oehl et al. 2010a).
Abb. 2 | Sporen einiger ausgewählter Arbusku-lären Mykorrhizapilze: Ac. alpina ist weit ver-breitet auf den hochmontanen bis hochalpinen Rasen bei pH < 7,0. Pa. robigina ist ein typischer Vertreter der nivalen Kalkschuttfluren, während Pa. franciscana bei pH > 6,5 gelegentlich auch in tieferen Lagen bis in den submontanen Bereich gefunden werden kann. Gl. sinuosum ist in Böden mit pH > 6,5 vom Talgebiet bis in die mitt-lere montane Höhenstufe zu finden, während die Verbreitung von Gl. rubiforme bis in die hochal-pine Stufe reicht. Beide genannten Arten sind auch aus warmen Klimaten bekannt. Gl. badium hat in Mitteleuropa ein ähnliches Verbreitungs-muster wie Gl. sinuosum, ist aber auch sehr häu-fig in Äckern mit Minimalbodenbearbeitung zu finden und scheint beschränkt auf kühlere Kli-mazonen. Gl. aureum ist einer der am weitesten verbreiteten Pilze im europäischen Grasland un-terhalb der Waldgrenze. In Äckern wird dieser Pilz erst bei einseitiger Nutzung und häufiger Bodenbearbeitung zurückgedrängt. Gl. mosseae ist ein typischer Vertreter von Ackerstandorten mit pH > 6,0, gilt aber als einer der Generalisten, da er auch in Wiesen zu finden ist und weltweite Verbreitung hat. Allerdings scheint er in der al-
pinen Stufe vollständig zu fehlen. Gi. margarita ist ein Vertreter wärmerer Klimate. Bei uns ist diese Art aber auch heimisch, und zwar vor-zugsweise auf sauren Böden, in Glatthaferwiesen und nachhaltigen Ackerbausystemen mit fast ständiger Bodenbedeckung. Ra. castanea reagiert empfindlich auf intensive Bodenbearbeitung. (Fotos: ART).
Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau
307Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
Bioackerbau fördert AM-Pilzvielfalt
Bei gleicher siebenjähriger Fruchtfolge wurde unter bio-
logischer Bewirtschaftung im DOK-Langzeitversuch in
Therwil (BL) eine etwas höhere Artenvielfalt gefunden
als im konventionellen Anbau nach IP-Richtlinien (Oehl
et al. 2004). Die Unterschiede in den AM-Pilzgemein-
schaften konnten vor allem auf die geringere Düngung
in den biologischen Verfahren zurückgeführt werden,
können aber auch mit dem höheren Unkrautbesatz und
der höheren Unkrautvielfalt in den Bio-Parzellen zusam-
menhängen (Tab. 1). Dabei reagierten Nicht-Glomus-
Arten deutlich empfindlicher auf die Bewirtschaftung als
die Glomus-Arten (Tab. 1, Abb. 4). Interessanterweise
haben alle biologischen und auch die IP-Verfahren nur
etwas geringere Diversitätszahlen als die umliegenden
Naturwiesen (Oehl et al. 2003, 2004). In der Schweizer
wie in einer niederländischen Studie waren sich die AM-
Pilzgemeinschaften der Wiesen und des biologischen
Anbaus deutlich ähnlicher als die der Wiesen und kon-
ventionell bewirtschafteten Äcker (Oehl et al. 2003, Ver-
bruggen et al. 2010; Abb. 5). Eine hohe AM-Pilzvielfalt
mit vielen im Frühjahr, im Herbst und ganzjährig aktiven
AM-Pilzen (Oehl et al. 2009), interpretieren wir als einen
erhöhten biologischen Puffer und eine höhere biologi-
25
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MonokulturMais
Abb. 3 | Artenreichtum von AM-Pilzen an neun Standorten im Raum Basel. Die AM-Pilz-Artenzahlen nahm in der Reihenfolge extensiv bewirtschaftete Naturwiesen (W, V, G), Bio-Suisse (Bio-land; organisch-biologisches Verfahren des DOK-Versuchs in Ther-wil, BL; 7-jährige Fruchtfolge; O), IP-Suisse (7-jährige Fruchtfolge; L) und Mais-Monokulturen (Standorte F, S, R) deutlich ab (Oehl et al. 2003). Mittelwerte und Standardabweichungen von vier Feldwie-derholungen pro Standort sind gezeigt, sowie die statistischen Unterschiede zwischen den Verfahren nach Varianzanalyse und Fisher’s-LSD-Test (P < 0,05) durch verschiedene Buchstaben über den Säulen.
Tab. 1 | Lineare Regressionen zwischen ausgewählten Bodenparametern und den Sporendichten im DOK-Versuch (Therwil, BL) gefundener AM-Pilzarten (Oehl et al. 2004). * zeigt signifikante Zusammenhänge zwischen dem jeweiligen Bodenparameter und den Sporendichten des jeweiligen Pilzes; den Daten liegen Ergebnisse aus fünf Anbauverfahren und vier Feldwiederholungen pro Verfahren zugrunde).
AMF species pH (H2O) Humus-GehaltVerfügbarer
P-GehaltVerfügbarer
K-GehaltAnzahl
Unkrautarten
Glomus species
Glomus diaphanum –0,26 –0,48* 0,51* 0,42 0,26
G. caledonium –0,36 –0,21 0,56* 0,63* –0,36
G. etunicatum 0,19 0,09 –0,33 –0,36 0,34
G. fasciculatum 0,06 0,09 –0,16 –0,14 0,19
G. mosseae 0,28 0,08 –0,05 –0,1 0,06
Glomus sp. isolate BR9 0,1 0,26 –0,14 –0,09 0,2
G. geosporum 0 0,08 –0,09 0,16 –0,4
G. albidum & P. occultum 0,29 –0,19 –0,27 0,46 –0,25
G. constrictum 0,37 0,31 0,08 0,03 –0,03
G. invermaium 0,19 –0,03 –0,2 –0,3 –0,37
Nicht Glomus species
Pacispora dominikii 0,62* 0,21 –0,51* –0,2 0,61*
Scutellospora calospora 0,1 0,24 –0,48* –0,55* 0,32
Cetraspora pellucida –0,27 –0,28 –0,48* –0,58* 0,48*
Acaulospora paulinae 0,09 –0,14 –0,62* –0,67* 0,4
A. thomii 0,13 –0,24 –0,49* –0,55* 0,43
A. laevis 0,04 –0,15 –0,53* –0,57* 0,38
A. longula 0,23 0,26 –0,70* –0,58* 0,56*
A. scrobiculata 0,21 –0,42 –0,66* –0,57* 0,39
Pflanzenbau | Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden
308 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
sche Bodenfruchtbarkeit in diesen Anbausystemen. Dies
ist ganz im Sinne der ureigenen Ziele des ökologischen
Landbaus, mit Hilfe eines belebteren Bodens die Nach-
haltigkeit zu verbessern.
Bodenbeschaffenheit beeinflusst das AM-Pilzarten-
Spektrum
Die Studien aus der Region Basel haben gezeigt, dass
unterschiedliche Böden einer Landschaft zwar jeweils
eine hohe AM-Pilzvielfalt besitzen können, dass sich
aber AM-Pilzgemeinschaften in verschiedenen Böden
deutlich voneinander unterscheiden (Oehl et al. 2010a).
In sauren Wiesenböden gibt es in der Regel eine deutlich
höhere Gattungsdiversität als in kalkreichen (Oehl et al.
2003, 2005b, 2010a; Sýkorová et al. 2007a). Auffällig war
vor allem die Absenz bzw. äusserst schwache Präsenz der
Acaulospora, Scutellospora, Gigaspora und Cetraspora-
Arten in kalkreichen Böden, in denen neben vielen Glo-
mus-Arten zum Beispiel auch Pacispora dominikii deut-
lich präsenter war. Von den 61 in der Region gefundenen
AM-Pilzen wurden nur etwa ein Viertel (14 Arten) als
«Generalisten» eingestuft. Sie waren in allen Böden in
mehr oder weniger gleichen Sporendichten nachgewie-
sen worden. Die Mehrzahl der Arten (32) waren aber
eher «Spezialisten», die als Charakterarten für bestimmte
Abb. 4 | Beispiele für AM-Pilzarten (hier präsentiert mit ihren Dauersporen), die besonders empfindlich auf häufigen Pflugeinsatz (Scutellospora calospora, Cetraspora pellucida und Acaulospora paulinae; Jansa et al. 2002) oder auf ackerbauliche Nutzung mit höherer Düngung im Vergleich zu den organisch-biologisch und biologisch-dynamisch bewirtschafteten Verfah-ren des DOK-Versuchs reagierten (alle dargestellten Arten; Oehl et al. 2004). (Fotos: Fritz Oehl, ART).
Abb. 5 | Eine hierarchische Kluster-Analyse für die Ähnlichkeiten von AM-Pilzgemeinschaften landwirtschaftlich genutzter Löss-böden in der Region Basel ergab eine deutliche Gruppierung nach Nutzungsintensität. Die neun Standorte sind in Abbildung 3 erklärt. An jedem der Standorte wurden vier Teilparzellen (1−4) beprobt und untersucht (Oehl et al. 2003).
W1
W3
W4 0,2Extensives
G1
G4
GraslandW pH 8,0G pH
6,9
V 7,7
O2
V3V4V1O3
Bio-ORG
pH
L3 L4O1
O4
IP-SuisseL pH 6,9
O pH 6,4
S4F4
L1
L2
Mais -
R3
MonokulturenF pH 5,6S pH 6,8
S2
R2R pH 8,3
V2
F3
S3R1
R4S1F1
G2G3
W2
F2
Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau
309Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
Nutzungsintensitäten und/oder Bodenformen bezeich-
net werden können (Oehl et al. 2010a). Je neun Arten
wurden boden- oder bewirtschaftungsspezifisch einge-
stuft, und bei weiteren 14 Arten wurde eine Wechselwir-
kung zwischen Boden und der Landbewirtschaftung
festgestellt. Beispiele für «Spezialisten» sind in der
Abbildung 6 gezeigt. Während Gl. caledonium fast aus-
schliesslich in sauren Äckern zu finden ist und sogar eher
positiv auf eine höhere P-Düngung zu reagieren scheint
(Tab. 1), wurde Gl. sinuosum nur in Wiesen mit höherem
Boden-pH gefunden (Abb. 6). Cetraspora armeniaca ist
dagegen charakteristisch für saure Wiesen. Acaulospora
paulinae schliesslich kommt ebenfalls nur in sauren
Böden vor, wird zum Teil in Ackerböden mit weiten
Fruchtfolgen und reduzierter Düngung gefördert, fehlt
aber gänzlich in vergleichbaren Böden, die unter inten-
siv geführten Mais-Monokulturen ohne ganzjährige
Bodenbedeckung bewirtschaftet wurden.
Auch die Höhenlage prägt die AM-Pilzgemeinschaften
Eine über fünf Regionen der Schweizer Alpen angelegte
Studie zeigte, dass sich die AM-Pilzgemeinschaften auch
mit der Höhenstufe ändern. Während Pacispora-Arten
vor allem auf den alpinen und nivalen Kalkschuttfluren
zu finden sind (Oehl und Sieverding 2004), wurden
Ambispora-Arten vor allem in hochmontanen Rasen
nachgewiesen (Spain et al. 2006). Auch das Auftreten
von Acaulospora und Diversispora-Arten nimmt relativ
mit der Höhe zu (Oehl et al. 2006, Sýkorová et al. 2007b).
AM-Pilze als geeignete Boden- und Bioindikatoren
Eine wichtige Erkenntnis unserer Studien ist, dass land-
wirtschaftlich genutzte Böden durch ihre AM-Pilzge-
meinschaften charakterisiert werden können. Durch die
Präsenz oder Absenz von Charakterarten können die
AM-Pilzgemeinschaften als Boden- und Bioindikatoren
genutzt werden (Oehl et al. 2010a). Das gilt für Ökosys-
teme der gemässigten und kälteren (z. B. Palenzuela et
al. 2010), aber auch für wärmere Klimazonen (z. B. Tch-
abi et al. 2008, 2009; Goto et al. 2011). Wir nehmen an,
dass Ackerstandorte mit intensiver und einseitiger Nut-
zung, und ganz besonders gemüsebaulich genutzte Flä-
chen mit mehreren Kulturen pro Jahr defizitär hinsicht-
lich AM-Pilzvielfalt und Mykorrhizabildung sind. An
solchen Standorten können ökologische AM-Pilzgrup-
pen verloren gehen, wie wir es in Mais und auch Rebs-
chulen beobachtet haben (z. B. Oehl et al. 2003, 2005b,
2009). Um standortstypische Arten wieder zurückzufüh-
ren, sind Massnahmen wie Reduktion der Bodenbearbei-
tungsintensität, Umstellung zum ökologischen Landbau
und Anbausysteme mit limitiertem Düngereinsatz und
vielfältiger Fruchtfolge angezeigt.
Abb. 6 | Spezialisten: Glomus caledonium, Gl. sinuosum, Cetraspora armeniaca und Acaulospora paulinae mit Potenial als Bio-, Boden- und/oder Landnutzungsindikatoren. Je nach Landnutzungssystem (permanentes Grasland G, Äcker mit weiten Fruchtfolgen F, und Mais-Monokulturen M) und Boden wurden sie zahlreich, selten oder überhaupt nicht nachgewiesen (aus Oehl et al. 2010a). Sporendich-ten sind als Mittelwerte mit Standardfehler von vier Feldwieder-holungen pro Standort dargestellt.
Spor
endi
chte
(100
g-¹)
0
5
10
15
20
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50
Spor
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Spor
endi
chte
(100
g-¹)
0
5
10
15
20
25
30
35
Glomus caledonium
Acaulospora paulinae
Cetraspora armeniaca
Glomus sinuosum
GG G MG F G M FF G F G FGGBraunerde Fluvisol Rendzina
Sandstein Granit/Gneiss Kalkstein
310
Pflanzenbau | Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Mit etwa 230 AM-Pilzarten weltweit und mehr als 100 in
der Schweiz sind die AM-Pilze eine überschaubare
Gruppe von Bodenpilzen. Viele dieser Pilze sind weltweit
verbreitet, andere sind ökosystem- und bodenspezifisch
oder reagieren stark auf die Art der Landnutzung und
die Bewirtschaftungsintensität. Die spezifischen Pilze
eignen sich als Indikatoren für die Bodenbeschaffenheit
oder die Bewirtschaftungsintensität. Durch gezielte
Massnahmen könnte man standortstypische bzw. beson-
ders effektive Pilze besonders fördern. Biologisch und
integriert ausgerichteter Landbau mit weiter Frucht-
folge und schonender Bodenbearbeitung fördert die
Vielfalt der AM-Pilze. Allerdings braucht es mehr Detail-
kenntnisse, um das ökologische Leistungspotential die-
ser Pilze zum Beispiel für die Pflanzenernährung und die
Bodenstrukturbildung besser auszuschöpfen. n
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311
Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden | Pflanzenbau
Ria
ssu
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Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 304–311, 2011
Funghi micorrizici arbuscolari quali indicatori
biologici nei terreni agricoli svizzeri
La maggior parte delle piante coltivate e
selvatiche cresce in simbiosi con un gruppo
speciale di funghi, i funghi micorrizici
arbuscolari (funghi MA). I funghi MA svol-
gono funzioni importanti in tutti gli ecosi-
stemi popolati da vegetali. Per mezzo delle
ife miceliali si estendono nel terreno e
trasferiscono alle piante i nutrienti vitali ivi
presenti, proteggendole da stress e siccità.
Riducono le perdite di sostanze nutritive dal
terreno e possono limitare l'erosione attra-
verso l'inverdimento, accrescendo la stabilità
degli ecosistemi. I funghi MA sembrano
particolarmente adatti anche come bioindica-
tori dato che questo gruppo di funghi, che
conta attualmente 230 specie, è relativa-
mente piccolo e contiene specie sia comuni
che rare. In Svizzera ne sono state finora
rilevate oltre 100 specie. Molti di questi
funghi reagiscono in maniera considerevole
all'intensità della lavorazione del terreno, alla
forma di coltivazione e/o alle proprietà del
suolo (p.es. Glomus sinuosum e Acaulospora
paulinae). Queste specie di funghi MA
specializzate sono quindi molto adatte per
essere impiegate come indicatori biologici.
Altre specie sono presenti in quasi tutti i
terreni e possono essere indicate come specie
generiche (p.es. Gl. fasciculatum e Archaeo-
spora trappei). Dai nostri studi è emerso che
una moltitudine di funghi MA si addicono a
essere utilizzate quali indicatori biologici nei
terreni usufruiti a scopo agricolo.
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Arbuscular mycorrhizal fungi as bio-indicators
in Swiss agricultural soils
The majority of agricultural crops as well as
wild plants form a symbiotic relationship with a
special group of soil fungi, the arbuscular
mycorrhizal fungi (AM fungi). AM fungi
perform important functions in all ecological
systems colonised by plants. They form a dense
network of fungal hyphal mycelia in the soil
and transmit vital nutrients from the soil to the
plants and protect them against stress and
drought. AM fungi have the ability to reduce
nutrient loss from the soil and they can,
through biological stabilisation of the soil
structure, reduce erosion and thus contribute to
ecosystem stability. AM fungi would appear to
be particular suitable as bioindicators because
this group of fungi is small enough to be
manageable and includes both common and
rare species. To date more than 100 AM fungi
have been identified in Switzerland. Many of
these fungi respond specifically to land use
intensity, cultivation practices and/or soil type
(e.g. Glomus sinuosum and Acaulospora
paulinae). These specialised AM fungi are
therefore highly suitable as bioindicators. Other
species occur in almost every kind of soil and
may be described as generalists (e.g. Gl.
fasciculatum and Archaeospora trappei). Our
studies show that a large number of AM fungi
are suitable as bioindicators in agricultural soils.
Key words: arbuscular mycorrhizal fungi,
biodiversity, bioindicators, sustainable agricul-
ture, organic farming, conservation tillage.
312 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
E i n l e i t u n g
Gemäss den Angaben des Bundesamtes für Statistik BFS
gaben 2009 die Landwirtinnen und Landwirte 238 Milli-
onen Franken für die Deckung ihres Saatgutbedarfes
aus. Diese Aufwendungen sind leicht unter denjenigen
für Düngemittel und fast doppelt so hoch wie jene für
den Pflanzenschutz. Dank der hohen Inlandversorgung
beim Saatgetreide und den Pflanzkartoffeln generiert
somit die inländische Saatgutbranche einen wesentli-
chen Teil dieses Umsatzes.
Der schweizerischen Landwirtschaft sollen für hie-
sige klimatische und anbautechnische Verhältnisse sowie
für die nachgelagerte Verarbeitung geeignete Kultur-
pflanzensorten zur Verfügung stehen. Für die empfohle-
nen Sorten, die von der Branchenvertretung aufgrund
der Ergebnisse der Sortenprüfung ausgewählt werden,
muss gewährleistet sein, dass genügend qualitativ ein-
wandfreies Saatgut verfügbar ist. swisssem, der Verband
der schweizerischen Saat- und Pflanzgutproduzenten,
übernimmt mit elf Vermehrungsorganisationen (VO) die
Planung und die Organisation des Vertragsanbaues mit
Silvia Zanetti und Thomas Hebeisen, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich
Auskünfte: Thomas Hebeisen, E-Mail: [email protected], Tel. +41 44 377 71 11
Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)
P f l a n z e n b a u
Auszählen von normal entwickelten Raigras-Keimlingen. (Foto: ART)
Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau
313
Zusa
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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
In der Schweiz wurden von 2005 bis 2010
durchschnittlich über 50 000 Tonnen Saatgut
und Pflanzgut pro Jahr produziert. Die
Saatgutzertifizierung und das Saatgutprüf-
labor der Forschungsanstalt Agroscope
Reckenholz-Tänikon ART tragen dazu bei,
dass das in der Schweiz produzierte Saatgut
qualitativ einwandfrei ist und die sortenspe-
zifischen Eigenschaften über die Vermeh-
rungsschritte bis hin zum Saatguteinsatz
erhalten bleiben. Im Durchschnitt der
Kampagnen 2005 bis 2010 wurden 7620
Hektaren für die Saatgutproduktion (ohne
Pflanzkartoffeln) feldanerkannt. Professiona-
lität und Zuverlässigkeit der Produzenten
widerspiegeln sich in der hohen Feldanerken-
nungsrate von 95 % bei Getreide. Die
Analysen des Saatgutprüflabors zeigen, dass
die Qualität des Erntegutes ebenfalls hoch ist
– insbesondere beim Getreide mit einer
Anerkennungsquote von 95,6 %. Eine auf
Fachkompetenz und Eigenverantwortung
basierende Zusammenarbeit aller Akteure
sowie transparente und effiziente Prozesse
bilden die Voraussetzung, dass die Saat-
guterneuerungsrate hoch bleibt. So bleibt
die inländische Saatgutproduktion auch in
Zukunft hochwertig.
den Produzentinnen und Produzenten. Die Rahmenbe-
dingungen für die Saatgutproduktion sind in der Saat-
und Pflanzgutverordnung (SR 916.151.1) des Eidgenössi-
schen Volkswirtschaftsdepartements EVD festgelegt.
Von den in der Verordnung erwähnten Kulturpflanzen
darf nur zertifiziertes Saatgut von offiziell zugelassenen
Sorten in den Handel gebracht werden. Mindestanfor-
derungen an die Pflanzenbestände und an das Erntegut
sind für jede Kulturart in der Verordnung definiert. Das
Bundesamt für Landwirtschaft BLW hat der Forschungs-
anstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART die Feder-
führung für den Vollzug im Bereich Saatgut übertragen.
Somit nimmt ART eine zentrale Stellung in der Überwa-
chung der inländischen Saatgutproduktion ein. Pflanz-
gut wird von der Forschungsanstalt Agroscope Chan-
gins-Wädenswil ACW bearbeitet und in diesem Artikel
nicht berücksichtigt.
Ziel dieses Artikels ist es, die Entwicklung und die
Qualität der inländischen Saatgutproduktion in den letz-
ten fünf Kampagnen (2005–2010) darzustellen.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e
Beurteilung von Pflanzenbeständen, die der Saatgut-
produktion dienen
In der Saatgutproduktion involvierte Akteure (Tab. 1)
müssen gemäss der Saat- und Pflanzgutverordnung
zugelassen sein und über administrative, fachliche und
technische Kenntnisse verfügen. Darum wird das spezifi-
sche Wissen der Produzenten, der Feldbesichtiger sowie
der Probenehmer regelmässig in Ausbildungskursen
geschult.
Die VO schliessen mit ihren Produzenten einen Ver-
mehrungsvertrag ab. Die Vermehrungen werden mit den
geforderten Angaben (z.B. Sorte, Ausgangsposten, Vor-
früchte) in einer zentralen Datenbank erfasst. Pflanzen-
bestände, die der Saatgutproduktion dienen sollen, wer-
den von Feldbesichtungsexpertinnen und -experten
besichtigt und müssen die Mindestanforderungen der
Verordnung erfüllen. Vorbasis- und Basissaatgutbestände
werden von Mitarbeitenden der Forschungsanstalten
besichtigt. Bestände zur Produktion von Vermehrungs-
saatgut (VS) werden hingegen von zugelassenen Exper-
tinnen und Experten besichtigt. Beim VS wird zwischen
erster und zweiter Stufe unterschieden. Nur die erste
Stufe darf noch einmal vermehrt werden, die zweite
Stufe muss als zertifiziertes Saatgut in den Handel gelan-
gen. Bei der Feldbesichtigung wird aufgrund sortenspe-
zifischer morphologischer Merkmale geprüft, ob es sich
um die angemeldete Sorte handelt. Als Kriterien werden
zum Beispiel bei Weizen die Schulterform, -breite und
die Zahnlänge der Hüllspelzen begutachtet. Diese Krite-
rien wurden in der DHS-Registerprüfung (Unterscheid-
barkeit, Homogenität, Stabilität) anhand der UPOV-
Richtlinien (Internationaler Verband zum Schutz von
Pflanzenzüchtungen, geistiges Eigentum) beschrieben.
Diese Prüfung wird ausschliesslich im Ausland durchge-
führt. Weiter wird bei der Feldbesichtigung die Bestan-
desentwicklung beurteilt. Für eine Bestnote muss der
VO RS PR FB PN
Anzahl 11 25 1064 91 40
Tab. 1 | Anzahl Vermehrungsorganisationen (VO) und Reinigungsstellen (RS) sowie Anzahl Saatgutproduzenten (PR), Feldbesichtiger (FB) und Probenehmer (PN) in der Schweiz (gemäss CertiPRO, Stand April 2011).
Pflanzenbau | Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)
314 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
Bestand ausgeglichen und unkrautfrei sein, darf nicht
lagern und nur einen geringen Schädlings- und Krank-
heitsbefall aufweisen. Zudem ermittelt der Experte das
Auftreten von vom Sortentyp abweichenden Pflanzen
und das Auftreten anderer Pflanzenarten und Krankhei-
ten pro Flächeneinheit. Die Parzelle muss zudem genü-
gend isoliert sein, um Fremdbefruchtung und Verunreini-
gung durch Nachbarparzellen zu verhindern. Diese
Parameter werden auf einem Feldbesichtigungsrapport
festgehalten und der Experte entscheidet, ob das Feld
die Mindestanforderungen der Verordnung erfüllt und
somit zur Saatgutproduktion anerkannt ist. Die Feldaner-
kennung ist die Grundlage für die Auszahlung von Flä-
chenbeiträgen für die Vermehrung von Futterpflanzen
und Mais. Bei den übrigen Kulturen werden keine Bun-
desbeiträge für die Saatgutproduktion ausgeschüttet.
Beurteilung von Saatgutqualität
Eine Stichprobe des Erntegutes von im Feld anerkannten
Beständen muss vom Saatgutprüflabor (SPL) von ART auf
seine Qualität überprüft werden. Diese Untersuchungen
werden gemäss den Vorschriften der internationalen
Vereinigung für Saatgutprüfung (ISTA) vorgenommen.
Abweichungen in der Untersuchungsmethodik wurden
für Getreide im Einvernehmen mit der vorgesetzten
Stelle (BLW) und den Kunden festgelegt und beschrän-
ken sich auf die in der Tabelle 2 gelisteten Punkte. Bei
Poaceae (Gräsern) ist die Vermehrungseinheit eine
nackte oder bespelzte Karyopse. Der Einfachheit halber
wird in diesem Artikel für Karyopsen ebenfalls den
Begriff «Samen» verwendet.
Die maximalen Postengewichte, die Minimalge-
wichte für die Einsendeprobe und Untersuchungen sind
in der Verordnung definiert. Nach der Registrierung der
Einsendeprobe durch die Anerkennungsstelle von ART
(AKST) wird der Probeninhalt im SPL mit dem Riffelpro-
benteiler homogenisiert. Mit dem Riffelprobenteiler
werden anschliessend auch die Untersuchungsproben
gezogen. Die Beurteilung der reinen Samen zur Bestim-
mung der technischen Reinheit und des Fremdbesatzes
wird gemäss der Kriterien der ISTA-Vorschriften (ISTA
2011) und des ISTA-Handbuches «Definition reiner
Samen» (ISTA 2010) vorgenommen. Bei Weizen, Triticale
und Roggen gelten ganze Samen (also Karyopsen) sowie
Samenstücke, die grösser als die Hälfte der ursprüngli-
chen Grösse sind, als reine Samen (ISTA 2011). Wird ein
Samen einer anderen Pflanzenart in der Stichprobe
gefunden, wird dieser nur als Fremdbesatz erfasst, wenn
er der Definition eines reinen Samens seiner Gattung
entspricht. Ist dies nicht der Fall, wird er zur Fraktion der
unschädlichen Verunreinigung gerechnet. Für die Keim-
fähigkeitsprüfung werden reine Samen verwendet und
unter kontrollierten, optimalen Bedingungen (Wasser,
Temperatur, Licht) geprüft. Stichproben von unbespelz-
ten Getreidearten, die nicht aus einer Bioproduktion
stammen, werden nach einer Laborbeizung für die
Keimfähigkeitsprüfung angesetzt. Biologisch produzier-
tes Saatgut wird bei ungenügender Keimfähigkeit oder
auf Kundenwunsch nach einer Beizung mit Cerall (Bak-
terien-Präparat Pseudomonas chlorophoris) geprüft.
Nach einer fünftägigen Vorkühlung bei 10 °C und einer
dreitägigen Periode bei 20 °C werden die Keimlinge und
die ungekeimten Samen gemäss den Kriterien der ISTA-
Vorschriften (ISTA 2011) und des ISTA-Handbuches für
die Keimlingsbeurteilung (ISTA 2009) beurteilt. Keim-
linge werden in normale beziehungsweise anomal ent-
wickelte Keimlinge und ungekeimte Samen in tote,
harte oder frische Samen eingeteilt. Im Gegensatz zu
den anomal entwickelten Keimlingen haben die normal
entwickelten das Potential, sich unter Feldbedingungen
zu einer triebkräftigen Pflanze zu entwickeln. Bei nor-
malen Keimlingen sind die Organe einwandfrei und pro-
Untersuchungsgewicht für Keimfähigkeitsmethode
technische Reinheit Besatz mit fremden
Samen Anzahl geprüfter
Samen Vorkühlung Prüfdauer (20°C) Laborbeizung
ISTA 120 g 1000 g 400 (4 × 100) empfohlen 8d nein
ZertUntersuchungen werden an einem
Muster (500 g) durchgeführt200 (2 × 100) 10°C, 5d 3d
N: jaB: nein
Tab. 2 | Prüfmethodik der ISTA (ISTA) verglichen mit derjenigen im Rahmen der Saatgutzertifizierung (Zert) bei nackten (N) (Weizen, Roggen, Triticale) und bespelzten (B) (Gerste, Hafer, Dinkel) Getreidearten.
Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau
315Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
Agroscope und T&P entwickelt wurde. CertiPRO kam in
der letzten Kampagne erstmals zum Einsatz und löst die
Vorgängerdatenbank Info-EM ab. Ausser Mais sind alle
Kulturarten, von denen Saatgut in der Schweiz zertifi-
ziert wird, seit 2010 im System CertiPRO abgebildet. Die
Produktion wird von der Anmeldung bis zur Anerken-
nung über CertiPRO abgewickelt. Die administrativen
Arbeiten sind auf VO und Anerkennungsstelle (AKST)
von ART aufgeteilt, da die Produktion relevanten Daten
von der VO erfasst und der AKST zur Verfügung gestellt
werden.
Für diesen Artikel wurden die letzten fünf Saatgut-
kampagnen analysiert. Eine Saatgutkampagne startet
jeweils am ersten Juli und endet am dreissigsten Juni des
folgenden Jahres. Die einzelnen Kampagnen werden mit
05/06, 06/07, 07/08, 08/09 und 09/10 bezeichnet. Die erste
Zahl bezieht sich auf das Kalenderjahr des Kampagnen-
beginns, die zweite auf dasjenige des -endes. In der
Regel werden die Saatgutposten in ihrem Produktions-
jahr zur Qualitätsuntersuchung eingereicht.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Inländische Saatgutproduktionsfläche
Die von den Feldbesichtigungsexpertinnen und -exper-
ten anerkannte Fläche liegt im Durchschnitt bei 7620 ha
(Abb. 1), was zum Beispiel beim Saatgetreide 95 % der
angemeldeten Fläche entspricht. Die hohe Feldanerken-
nungsrate zeigt, dass die Produzenten die Saatbettvor-
bereitung dieser Parzellen besonders sorgfältig und den
notwendigen Aufwand für die Bestandesbereinigung
betreiben. Eine hohe Feldanerkennungsrate ist wichtig,
um die Produktionsplanung möglichst bedarfsgerecht
zu organisieren.
In der Kampagne 09/10 war die Saatgutproduktions-
fläche verglichen mit 05/06 um 4,5 % zurückgegangen.
Grund ist der Flächenrückgang um 6,3 % beim Getreide,
das im Schnitt mit über 92 % den grössten Anteil an der
Gesamtsaatgutproduktionsfläche verzeichnet. Vergli-
chen mit der anerkannten Fläche von 99/00 (Daten nicht
gezeigt) ging die Fläche von 09/10 beim Getreide um
19 % zurück. Der Bedarf an Getreidesaatgut konnte vor-
wiegend durch die inländische Produktion abgedeckt
werden, da die Flächen des Getreide- und insbesondere
des Futtergetreideanbaus ebenfalls rückläufig waren.
Die Getreideanbaufläche nahm in den letzten fünf
Anbaujahren um 9,5 % ab und diejenige von Futter-
getreide sogar um 24,7 % auf 46 650 ha. Infolge dessen
reduzierte sich auch der Bedarf an Getreidesaatgut und
widerspiegelt sich in der Abnahme der Saatgutproduk-
tionsfläche von Getreide. Diesem Trend wird mit dem
neuen Direktzahlungssystem des Bundes entgegen
portioniert zueinander oder nur minim mangelhaft aus-
gebildet. Bei verzögertem Wachstum kann die
Versuchsdauer um die Hälfte der vorgeschriebenen Prüf-
dauer verlängert werden. Grundsätzlich werden Keim-
linge, die zurückgeblieben sind und keinen Mangel auf-
weisen, als normal beurteilt (ISTA 2011). Als frische
Samen werden solche bezeichnet, die gequollen sind,
aber kein Anzeichen eines Keimlingswachstums aufwei-
sen. Frische Samen sind in der Keimruhe. Beträgt der
Anteil an frischen Samen mehr als 5 %, so werden diese
auf ihre Lebensfähigkeit mittels des Tetrazoliumtests
geprüft. Sind sie lebensfähig, werden sie als frische und
sonst als tote Samen beurteilt. Harte Samen haben unter
den angewendeten Bedingungen kein Wasser aufge-
nommen. Diese Kategorie wird insbesondere bei Legu-
minosenarten beobachtet. Ein maximaler Anteil an har-
ten Samen ist in der Verordnung festgelegt und kann zu
den normalen Keimlingen addiert werden (z. B. 20 % bei
Rotklee).
Datenbasis und Datenbank
Die Saatgutproduktionsflächen werden den Datenban-
ken Info-EM und CertiPRO entnommen, die für die
Abwicklung der Saatgutzertifizierung genutzt werden.
Probenspezifische Qualitätsergebnisse sind dem Labor-
informationsmanagementsystem (LIMS) entnommen.
Das LIMS beruht auf der Standardsoftware LISA (Triest-
ram und Partner, T&P) und dient der administrativen
Abwicklung von der Probenerfassung bis zur Erstellung
des Anerkennungsberichts. ART hat die Software auf die
Bedürfnisse des Saatgutprüflabors (SPL) angepasst und
entsprechend weiterentwickelt. CertiPRO ist ein inter-
netbasiertes Zusatzmodul innerhalb von LISA, das unter
der Projektleitung von swisssem in Zusammenarbeit mit
05/0606/07
07/0808/09
09/10
Aner
kann
te S
aatg
utflä
che
(ha)
100
200
300
6500
7000
7500
Getreide Mais Rotklee Gräserarten Proteinpflanzen
Abb. 1 | Anerkannte Saatgutproduktionsflächen von der Kampag-ne 05/06 bis 09/10 von Getreide, Mais, Rotklee, Gräserarten und Proteinpflanzen.
Pflanzenbau | Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)
316 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
gewirkt, da es gezielt den Ackerbau stärken soll. Dies
würde sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen
indirekt positiv auf die Saatgutproduktion auswirken.
Erfreulicherweise konnten die Saatgutproduktions-
flächen von Futterpflanzenarten von 05/06 bis 09/10 auf
385 ha (+29 %) ausgedehnt werden. Diese positive Ent-
wicklung kann unter anderem durch die geänderten
Rahmenbedingungen erklärt werden. Seit der Ernte
2009 wird die Produktion von Saatgut von Futterpflan-
zen mit tausend Franken pro Hektar durch den Bund
gestützt. Somit wurde dieser Betriebszweig konkurrenz-
fähiger. Trotz der starken Ertragsschwankungen (v. a.
beim Rotklee), die von den Produzenten eine erhöhte
Risikobereitschaft fordert, bleibt dies eine interessante
Nischenproduktion, die momentan 8 % des inländischen
Bedarfs (beim Rotklee beinahe 100 %) abdeckt. Zusätz-
lich konnte das Spektrum der Arten, von denen in der
Schweiz Saatgut produziert wird, auf 27 (Kampagne
09/10) erhöht werden. Seit kurzem wird – im sehr
beschränkten Ausmass – zum Beispiel auch Saatgut von
Phazelia, Bio-Raps, Knaulgras und Hornschotenklee pro-
duziert.
Entwicklung der Anzahl von Zertifizierungsproben
Die Anzahl Zertifizierungsproben gereinigter und unge-
reinigter Saatgutposten betrug im Durchschnitt über die
letzten fünf Kampagnen 47 % des totalen Probenanfalls
(6250) im ART-Saatgutprüflabor (SPL). Pro Kampagne
wurden im Durchschnitt knapp 2700 gereinigte Zertifi-
zierungsproben eingereicht (Tab. 3). Parallel zur Flä-
chenentwicklung nahm die Probenanzahl der Futter-
pflanzen zu und jene der Getreidearten ab. Die geringste
Anzahl an Zertifizierungsproben wurde in der Kampa-
gne 09/10 registriert. Die letzte Verordnungsrevision (Juli 2010) wurde die
Verpflichtung, überlagertes Saatgut einer Nachzertifizie-
Kampagne 05/06 06/07 07/08 08/09 09/10 Mittelwert Anteil
[n] [n] [n] [n] [n] [n] [%]
Getreidearten
Anzahl gereinigte Proben 2494 2608 2400 2531 2248 2456
Anzahl nicht anerkannte Proben insgesamt 99 159 147 91 49 109 4,4
wegen ungenügender Keimfähigkeit 56 103 97 45 23 65 2,6
wegen zu hohem Besatz mit anderen Getreidearten 37 53 45 41 23 40 1,6
wegen zu hohem Besatz mit anderen Arten als Getreide 6 3 5 5 3 4 0,2
Sojabohnen & Eiweisserbsen
Anzahl gereinigte Proben 59 47 32 51 42 46
Anzahl nicht anerkannte Posten 5 3 8 3 2 4 9,1
wegen ungenügender Keimfähigkeit 3 3 8 2 2 4 7,8
wegen zu hohem Besatz mit anderen Arten 2 0 0 1 0 1 1,3
Gräserarten
Anzahl gereinigte Proben 97 99 107 93 87 97
Anzahl nicht anerkannte Posten 15 20 11 7 3 11 11,6
wegen ungenügender Keimfähigkeit 11 20 8 4 2 9 9,3
wegen zu hohem Prozentsatz an fremden Samen 4 0 3 2 1 2 2,1
wegen zu niedriger technischer Reinheit 0 0 0 1 0 0 0,2
Kleearten
Anzahl gereinigte Proben 75 85 94 85 113 90
Anzahl nicht anerkannte Posten 16 18 28 28 19 22 24,1
wegen ungenügender Keimfähigkeit 10 6 12 5 14 9 10,4
wegen zu hohem Anteil an harten Samen 0 6 4 8 2 4 4,4
wegen zu hohem Prozentsatz an fremden Samen 3 1 5 4 1 3 3,1
wegen zu niedriger technischer Reinheit 3 5 7 11 2 6 6,2
Übrige Arten
Anzahl gereinigte Proben 0 0 0 3 5 2
Tab. 3 | Anzahl Zertifizierungsproben gereinigter Saatgutposten in fünf Kampagnen
Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau
317Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
Arten» zu erfüllen. Im Durchschnitt wurden 40 Getreide-
posten wegen zu hohem Besatz mit anderen Getreidear-
ten nicht anerkannt. Der Grund dafür ist wahrscheinlich
die Vorfrucht. Folgt nach einer Weizenvermehrung eine
Gersten- oder eine Triticaleproduktion, werden häufig
Weizenähren in den Folgebeständen beobachtet, da die
Stoppelbearbeitung nicht immer genügend wirksam ist.
Das Keimpotenzial dieses Getreidefremdbesatzes ist mit
75 % beträchtlich. Dies zeigte ein Tastversuch des SPL
(Daten nicht gezeigt). In der letzten Kampagne wurde
der Fremdbesatz (n = 57) an Getreidesamen, der in den
eingesandten Mustern gefunden wurde, zusätzlich auf
dessen Keimfähigkeit geprüft. Nur ein Viertel der Samen
keimte nicht. Weizensamen, die in Gerste- oder Triticale-
proben gefunden wurden, keimten gut. Da die Anzahl
geprüfter Samen (n = 57) sehr gering war, wird diese Fra-
gestellung in der neuen Kampagne in erweiterter Form
weiterverfolgt. Bei der inländischen Saatgutproduktion von Gräser- und
Kleearten hat swisssem mit ART vereinbart, dass für den
Besatz mit Blacken-, Seide- und Flughafersamen stren-
gere Qualitätsanforderungen angewandt werden sollen,
als dies die Verordnung vorsieht. Es werden die von
Swiss-Seed vorgeschriebenen Untersuchungsgewichte
und Normen (VESKOF-Normen) angewandt. Daher
passte die Arbeitsgruppe «Feldsamen» von swisssem
auch die Normen für die Feldbesichtigung an. Dank die-
ser Verschärfung wurden beim Gebrauchssaatgut von
Gras- und Kleearten weder Seide- noch Flughafersamen
festgestellt. Auch Blackensamen sind dank den strengen
Feldbesichtigungsnormen nur in wenigen Stichproben
festgestellt worden. 98,9 % der Gras- und 83,3 % der
Kleeproben waren frei von Blackensamen (Abb. 2). Keine
Gras- und nur 4,4 % der Klee-Zertifizierungsproben ver-
letzten bezüglich des Blackenbesatzes die VESKOF-Norm.
rung zu unterziehen, aufgehoben und die maximalen
Postengewichte bei Getreide von 25 auf 30 Tonnen ange-
hoben. Letzteres wird eine weitere Abnahme der Pro-
benzahl bewirken. Dies zeichnete sich in der Kampagne
10/11 ab. Ein Viertel aller Getreideproben stammten aus
Posten mit einem Gewicht über 25 Tonnen. Die VO schei-
nen diesen erhöhten Spielraum rege zu nutzen, um ihre
Produktion zu optimieren. Die Auswirkung der Strei-
chung der Nachzertifizierung kann noch nicht abge-
schätzt werden. Denn die Qualität von überlagertem
Saatgut soll weiterhin geprüft werden, dafür machte sich
die Koordinationsgruppe von swisssem stark (mündliche
Mitteilung Andreas Rüegger, Geschäftsführer swisssem).
swisssem wird mit ART eine für alle Beteiligten gewinn-
bringende Qualitätssicherung des überlagerten Saatguts
ausarbeiten und dieses ihren Kundinnen und Kunden
anbieten. Im Vergleich zur Kampagne 05/06 wurden
09/10 60 % weniger Proben von ungereinigten Posten
eingereicht (Daten nicht gezeigt). Ungereinigte Zertifi-
zierungsproben erlaubten den Kunden eine Qualitätsein-
schätzung vor der Aufbereitung. Nach der Aufbereitung
muss der Posten erneut beprobt und zur definitiven
Anerkennung eingesendet werden. Aus ökonomischen
Überlegungen ist es für die VO sinnvoll, diesen Proben-
typ nur für Risiko belastete Posten zu verwenden.
In der hier berichteten Periode nahm die Anzahl Zer-
tifizierungsproben von Klee- und Gräserarten um 16 %
zu und erreichte mit 200 Proben in der Kampagne 09/10
ihren Höchststand. Wegen kleineren Produktionseinhei-
ten und den Ertragsschwankungen dieser Arten werden
die Einzelposten zu Mischposten vermengt, um die maxi-
malen Postengewichte eher auszuschöpfen. Daher nahm
die Anzahl Proben nicht im gleichen Ausmass zu wie die
Saatgutproduktionsflächen. Den Rückgang an Getreide-
proben kann somit bei weitem nicht auffangen werden.
Die Qualitätsuntersuchungen von Gras- und Kleesamen-
proben verlangen vertiefte Fachkenntnisse seitens der
Saatgutprüfenden und sind wesentlich zeitintensiver in
der Bearbeitung. Für eine Rotkleeprobe wird das dreifa-
che an Zeitaufwand einer Getreideprobe benötigt.
Qualität der Zertifizierungsproben
Die Qualität des Saatgutes ist sehr hoch. 94,6 % der ein-
gesandten Zertifizierungsproben erfüllten die Mindest-
anforderungen der Verordnung im Durchschnitt der
letzten fünf Kampagnen. Die Anerkennungsrate vari-
ierte je nach Artengruppe von 96,6 % bei Getreide bis zu
75,9 % bei Kleearten (Tab. 3). Mit Pflegearbeiten in den
Beständen und dank optimaler Aufarbeitungseinrich-
tungen und -prozessen können Anstrengungen gemacht
werden, die direkt dazu beitragen, die Anforderungen
an die «technische Reinheit» und «Besatz mit fremden
Gräserarten
Anza
hl S
tichp
robe
n
0
50
100
150
200
250
300
ohne Blackenbesatzmit Blackenbesatz unterhalb der VESKOF-Normmit Blackenbesatz höher als die VESKOF-Norm
Kleearten
Abb. 2 | Vorkommen von Samen von grossblättrigen Blackenarten im Gebrauchssaatgut von im Inland produziertem Gräser- und Klee-arten.
318
Pflanzenbau | Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010)
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
Um den Blackenbesatz im Griff zu halten, lohnt es sich
vor der Ernte deren Samenständer zu säubern.
Bei allen Kulturarten war eine ungenügende Keim-
fähigkeit der häufigste Grund für eine Aberkennung
und zeigt zudem ausgeprägte Jahreseffekte. Witte-
rungs- oder erntebedingt kann der Anteil an normal
entwickelten Keimlingen wegen Pilzbefall oder Aus-
wuchs beziehungsweise mechanischen Kornbeschädi-
gungen einbrechen. Bei den Getreidearten war eine
ungenügende Keimfähigkeit im Durchschnitt in 59 %
der Fälle der Grund für eine Aberkennung, wobei die
Jahreseffekte mit einem Maximalwert von 66 % (07/08)
und einem Minimalwert von 47 % (09/10) prägnant sind.
Massive Schwierigkeiten zeigten sich in der Kampagne
09/10 bei der Keimfähigkeit von Rotklee. Bei den Saat-
gutposten mit einer zu geringen Keimfähigkeit wurde
ein sehr hoher Anteil an anomalen Keimlingen festge-
stellt. Die Anomalität beruhte vorwiegend auf gebroche-
nen Hypokotylen und zum Teil fehlenden Hauptwurzeln.
Grund dafür könnten mechanische Beschädigungen sein.
Solche Beschädigungen sind nur in seltenen Fällen am
Samen visuell erkennbar (Hill et al. 1998). Die Ursache
des Problems zu eruieren, ist schwierig. In Zusammen-
arbeit mit swisssem und den betroffenen VO untersucht
ART die Saatgutqualität von Stichproben, die auf dem
Feld, nach Drusch und Reinigung genommen wurden.
Diese detaillierten Analysen sollten dazu beitragen, zu
erkennen, wann die mechanische Einwirkung stattge-
funden hat.
Biologisch produziertes Getreidesaatgut
Im Durchschnitt beträgt der Anteil der Bio-Saatgutpro-
duktionsfläche 5 % der Gesamtfläche. Seit 1995 prüft
das SPL in Zusammenarbeit mit der ART-Forschungs-
gruppe «Ökologischer Pflanzenschutz» Bioproben auch
hinsichtlich des Gesundheitszustandes. Auf Grund des
Befalls mit den relevanten samenbürtigen Krankheiten
wird dem Kunden zusätzlich zum Anerkennungsent-
scheid mitgeteilt, ob eine unbehandelte Aussaat emp-
fohlen werden kann. Seit 2008 bietet ART seinen Kun-
den die Möglichkeit an, die Keimfähigkeit der Bio-Proben
mit Cerall behandelter Samen prüfen zu lassen. Cerall
(Wirkstoff: Bakterium Pseudomonas chlororaphis) ist
eine für den Biolandbau zugelassene Saatgutbehand-
lung, die eine Wirkung gegen Stinkbrand und eine Teil-
wirkung gegen Schneeschimmel aufweist.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die Saatgutzertifizierung und das Saatgutprüflabor tra-
gen dazu bei, dass das in der Schweiz produzierte Saat-
gut qualitativ einwandfrei ist und dass der spezifische
Mehrwert der Sorten über die Vermehrungsschritte bis
zum Einsatz des Saatgutes erhalten bleibt. Die Tatsache,
dass die Anerkennungsstelle und das Saatgutprüflabor
an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Täni-
kon ART eine organisatorische Einheit bilden, fördert
die Nutzung von Synergien und ist auch für die Kund-
schaft von Vorteil. Ein unabhängiges SPL mit hohem Pro-
benumsatz mit einem breiten Artenspektrum ist not-
wendig. Nur so kann das spezifische Fachwissen erhalten
und der inländischen Saatgutproduktion, dem Samen-
handel sowie den Züchtungsprogrammen und der Sor-
tenprüfung von Agroscope zur Verfügung gestellt wer-
den. Das SPL kann so auch dazu beitragen, ob und in
welchem Ausmass unerwünschte Pflanzen (z.B. Ambro-
sia, Samtpappel) über das im Inland gehandelte Saatgut
verbreitet wird. Qualitätskontrollen zeigen, dass das
aktuelle Zertifizierungssystem effizient und qualitativ
einwandfrei arbeitet. Diese Vorteile werden unter ande-
rem mit einem attraktiven Marketing (Z-Saatgut) durch
swisssem an der Basis vertreten. Diese Aspekte und die
pragmatische Zusammenarbeit aller Akteure tragen
dazu bei, dass die Saatgut-Erneuerungsrate in der
Schweiz mit über 90 % sehr hoch ist. n
319
Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010) | Pflanzenbau
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Sum
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y
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 312–319, 2011
Literatur b Saat- und Pflanzgutverordnung (SR 916.151.1) des Eidgenössischen Volk-wirtschaftdepartements (EVD). Zugang: http://www.admin.ch/ch/d/sr/9/916.151.1.de.pdf. [1. Juli 2010].
b ISTA‚ 2011. International Rules for Seed Testing, Edition 2011. Veröffent-licht durch The International Seed Testing Association (ISTA), CH-8303 Bassersdorf
b ISTA‚ 2010. ISTA Handbook on Pure Seed Definitions, 3rd Edition. Veröffentlicht durch The International Seed Testing Association (ISTA), CH-8303 Bassersdorf
b ISTA‚ 2009. ISTA Handbook on Seedling Evaluation, 3rd Edition. Veröffentlicht durch The International Seed Testing Association (ISTA), CH-8303 Bassersdorf
b Hill M.J., Hampton J.G. & Hill K.A., 1998. Seed Quality of Grasses and Legumes. In: Forage Seed Production (Ed. D.T. Fairey & J.G. Hampton). CAB INTERNATIONAL, Oxon, UK, 219–242.
Seed certification in Switzerland
(2005 – 2010)
An annual average of over 50,000 tons of
seed and propagation material was
produced in Switzerland between 2005
and 2010. Seed certification and the seed
testing laboratory at Agroscope Recken-
holz-Tänikon ART Research Station help
ensure that the quality of the seed
produced in Switzerland is flawless and
that variety-specific characteristics are
retained throughout the propagation
stages until seed usage. During the crop
seasons of 2005 to 2010, an average of
7620 hectares were successfully tested for
seed production (excluding seed pota-
toes). The high success rate of 95 % for
cereals reflects the professionalism and
reliability of producers. Seed testing
laboratory analysis shows that crop
quality is also excellent – particularly for
cereals, with an acceptance rate of 95,6 %.
A continuing high seed replacement rate is
contingent upon all players collaborating
on the basis of technical expertise and
individual responsibility, and upon
transparent and efficient processes. Thus
the future domestic seed production will
also remain of high quality.
Key words: seed certification, field
inspection, seed testing, quality insurance.
La certificazione delle sementi in Svizzera
(2005 – 2010)
Dal 2005 al 2010, in Svizzera sono state
prodotte, in media, più di 50 000 tonnel-
late di sementi e tuberi-seme all'anno. La
certificazione delle sementi e il laboratorio
d'analisi per le sementi della Stazione di
ricerca Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
fanno in modo che la produzione indigena
sia di qualità ineccepibile e che le peculia-
rità specifiche delle diverse varietà restino
intatte dalla fase di moltiplicazione fino al
loro impiego. Durante le campagne dal
2005 al 2010 sono stati riconosciuti, in
media, 7620 ettari di terreno per la
produzione di sementi (tuberi-seme
esclusi). Per i cereali, la professionalità e
l'affidabilità dei produttori è dimostrata
dall'elevata quota di riconoscimento dei
terreni campi annunciati, che è del 95 per
cento. Dalle verifiche del laboratorio di
analisi delle sementi emerge che anche la
qualità del raccolto è elevata, in partico-
lare per i cereali, la cui percentuale di
riconoscimento è del 95,6 per cento. Una
collaborazione basata su competenze
specialistiche e senso di responsabilità di
tutti i partecipanti, nonché processi
trasparenti ed efficienti costituiscono un
presupposto per tenere alta la quota
d’aggiornamento delle sementi. In questo
modo la produzione di sementi indigena
manterrà la propria qualità anche in
futuro.
320 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
E i n l e i t u n g
Rotschwingel
Wo in Wiesen und Weiden das Englische Raigras auf-
grund der Umweltbedingungen kaum mehr vor-
kommt (zu trockene Gebiete oder rauhe Lagen), ist
der Rotschwingel (Abb. 1) ein wichtiges rasenbilden-
des Gras. Das formenreiche Aggregat des Rotschwin-
gels (Festuca rubra aggr.) beinhaltet eine grosse Zahl
von Unterarten. Im Futterbau sind zwei Formgruppen
wichtig: Der Berg- oder Horst-Rotschwingel (F. nigre-
scens Lam.), der dichte Horste bildet und wie der
Daniel Suter1, Rainer Frick2 und Hans-Ulrich Hirschi1
1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich2Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 1
Auskünfte: Daniel Suter, E-Mail: [email protected], Tel.+41 44 377 72 79
Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sorten-versuche mit Rotschwingel und Kammgras
P f l a n z e n b a u
Abb. 1 | Rotschwingel (links) und Kammgras (rechts). Zeichnungen aus dem Handbuch «Wiesengräser» von Walter Dietl et al., Landw. Lehr-mittelzentrale, Zollikofen, 1998. (Zeichnungen: Manuel Jorquera, Zürich. Alle Rechte vorbehalten. Copyright: AGFF, Zürich. Mit freundlicher Genehmigung der AGFF).
Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau
321
Zusa
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ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
Von 2008 bis 2010 prüften die Forschungsan-
stalten Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
und Agroscope Changins-Wädenswil ACW
Neuzüchtungen und empfohlene Sorten von
Rotschwingel und Kammgras hinsichtlich
ihrer Anbaueignung. Die Beurteilung der
Sorten beruhte auf systematischen Erhebun-
gen von Ertrag, Güte des Bestandes, Jugend-
entwicklung, Konkurrenzkraft, Ausdauer,
Toleranz gegenüber Wintereinflüssen,
Resistenz gegen Blattkrankheiten sowie der
Anbaueignung für höhere Lagen. Beim
Kammgras wurde zudem die verdauliche
organische Substanz bestimmt. Bei beiden
Arten konnten die Neuzüchtungen keine für
eine Empfehlung genügenden Ergebnisse
erzielen. Dennoch könnten besondere
Eigenschaften der Neuzüchtung von Rot-
schwingel FR 0315 in bestimmten Fällen
einen Mehrnutzen bringen und somit eine
Empfehlung rechtfertigen. Leider erfüllt
FR 0315 noch nicht alle rechtlichen Voraus-
setzungen für ein Inverkehrbringen in der
Schweiz. Dieser Umstand verhindert eine
Empfehlung zum jetzigen Zeitpunkt.
Die bereits empfohlenen Sorten beider Arten
werden weiterhin auf der «Liste der empfoh-
lenen Sorten von Futterpflanzen» belassen.
Name sagt, eher in höheren Lagen anzutreffen ist.
Und der eigentliche Rotschwingel (F. rubra L. s.str.) mit
seinen meist unterirdischen Ausläufern, der auch als
Ausläuferrotschwingel bezeichnet wird.
Für den Kunstfutterbau ist vor allem der Ausläufer-
rotschwingel interessant, da er mit seinem Berasungsver-
mögen in der Lage ist, Lücken im Bestand zu schliessen.
In Mischungen erfüllt er somit die Funktion einer «Ver-
sicherung», um bei Ausfall eines Mischungspartners den
Bestand schliessen zu können (Abb. 2) und wenigstens
noch etwas Futterertrag zu gewährleisten (Suter et al.
2008). Bei Zuchtsorten wünscht man sich deshalb ein gutes
Berasungsvermögen und eine hohe Konkurrenzkraft.
Im Allgemeinen gedeiht der Rotschwingel am besten in
mässig mageren bis mässig nährstoffreichen Wiesen und
Weiden unter wenig- bis mittelintensiver Bewirtschaf-
tung. Durch einen nicht zu tiefen Schnitt kann dieses
Gras gefördert werden und sich auch unter einem inten-
siveren Nutzungsregime halten. Der Rotschwingel stellt
geringe Ansprüche an Wärme und Feuchtigkeit.
Kammgras
Das Kammgras (Cynosurus cristatus L.; Abb. 1) findet
man in Wiesen und vor allem in Weiden feucht-kühler
Lagen. Mit zunehmender Höhenlage übernimmt es die
Funktion, die im Mittelland dem Englischen Raigras
(Lolium perenne L.) zufällt. Das Kammgras erreicht aber
nicht das Ertragsniveau des Englischen Raigrases. Da es
auch nicht sehr hoch aufwächst, ist der Einsatzbereich
für das Kammgras auf Weiden begrenzt. So wird es in
Abb. 2 | Rotschwingel im Versuch in Oensingen: Der Rotschwingel bildet sehr dichte Bestände. Im Vordergrund die Sorten Pran-Solas (links) und Bargaret (rechts). (Foto: ART)
Pflanzenbau | Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras
322 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
Weidemischungen als Begleitart eingesetzt, damit der
Bestand besser gegen Umwelteinflüsse abgesichert ist
(Suter et al. 2008). Besonders wichtig ist diese Versiche-
rungsfunktion in höheren Lagen.
Verglichen mit dem Englischen Raigras entwickelt
sich das Kammgras nach der Saat langsamer. Das Kamm-
gras bildet kleine Horste, oft mit kurzen unterirdischen
Ausläufern. Für die Erhaltung der Art im Bestand genü-
gen diese Ausläufer in der Regel nicht. Deshalb ist es
wichtig, dass die Pflanzen gelegentlich versamen kön-
nen, obwohl die rauhen ährentragenden Halme vom
Vieh verschmäht werden. Die Blätter haben hingegen
einen guten Futterwert und werden gern gefressen. Oft
fällt es dem Betrachter schwer, das Kammgras vom Eng-
lischen Raigras zu unterscheiden, da die Blätter dieser
beiden Arten einander auf den ersten Blick stark ähneln.
Das Kammgras ist anspruchslos, weist jedoch eine
geringe Trockenheitsresistenz auf. Mit Ausnahme starker
Kahlfröste erträgt das Kammgras Wintereinflüsse gut.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Während dreier Jahre geprüft
Die Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-Tänikon
ART und Changins-Wädenswil ACW prüften von 2008 bis
und mit 2010 insgesamt acht Sorten Rotschwingel und
fünf Sorten Kammgras, davon je zwei Neuzüchtungen.
Die sieben beziehungsweise sechs Versuchsorte des Rot-
schwingels und des Kammgrases waren von 430 m ü. M.
bis auf 1850 m ü. M. verteilt, wobei die Mehrheit davon
im Mittelland lag.
Für die Erfassung der meisten agronomischen Eigen-
schaften, welche die Grundlage der Beurteilung der Sor-
ten bilden, wurden Reinbestände angelegt. Zusätzlich
dienten Gemenge der jeweiligen Sorte mit Rot- und
Weissklee der Abschätzung der Konkurrenzkraft. Diese
leitete sich vom Ertragsanteil der zu prüfenden Sorte in
diesen Gemengen ab. Die Angaben über die geographi-
sche Lage der Versuche und die Saat sind in Tabelle 1
zusammengestellt.
Zu jedem Aufwuchs erhielten die Reinbestände
40–50 kg Stickstoff pro Hektare in Form von Ammonsal-
peter. Da in den Gemengen der Klee schon einen gewis-
sen Anteil Stickstoff liefert, wurden diese jeweils nur mit
25–30 kg Stickstoff pro Hektare, gedüngt.
Damit die beurteilten Eigenschaften der Sorten ein-
facher in eine Gesamtbewertung mit einbezogen wer-
den konnten, wurden sämtliche Beobachtungen nach
einer Notenskala mit neun Klassen beurteilt. Dabei war
eine Eins die beste und eine Neun die schlechteste Note.
Die Eigenschaften Güte, die sich aus dem allgemeinen
Eindruck, der Bestandesdichte und dem Nachwuchsver-
mögen zusammensetzt, Jugendentwicklung des Bestan-
des, Befall mit Blattkrankheiten und Überwinterung
wurden mehrmals beobachtet und nach obiger Noten-
skala eingeschätzt. Die Ausdauer entspricht den Güteno-
ten des letzten Aufwuchses im zweiten Hauptnutzungs-
jahr. Die Gütenoten an den Versuchsorten über 1000 m
ü. M. bilden die Grundlage zur Bewertung der Anbau-
eignung für höhere Lagen (Abb. 3). Damit die Ertragsleistung mit in die Bewertung aufge-
nommen werden konnte, wurden die im Feld gemessenen
Rotschwingel Kammgras
Anzahl Wiederholungen
Ertrags -erhebungen
Anzahl Wiederholungen
Ertragser-hebungen
Ort, KantonHöhe
(m ü. M.)Saatdatum Reinsaat1) Mischungen2) 2009 2010 Reinsaat3) Mischungen4) 2009 2010
Changins, VD 430 07/05/2008 3 – 5 4 3 – 1 3
Reckenholz, ZH 440 08/05/2008 4 3 4 4 – – – –
Reckenholz, ZH 440 15/04/2009 (erneute Saat) – – – – 4 3 – 4
Oensingen, SO 460 09/05/2008 4 3 4 4 4 3 4 3
Ellighausen, TG 520 14/05/2008 4 3 4 4 4 3 4 4
Goumoens, VD 630 14/05/2008 3 3 5 4 – – – –
La Frêtaz, VD 1200 01/07/2008 4 – – – 4 2 – –
Maran, GR 1850 06/06/2009 2 – – 1 2 – – 1
Tab. 1 | Orte und Daten der im Jahre 2010 abgeschlossenen Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras
1) reinsaaten: 240 g/100 m² sorte «echo» als standard für die saatmenge 2) Mischungen: 180 g/100 m² sorte «echo» als standard für die saatmenge + 10 g/100 m² rotklee «Mont calme» + 25 g/100 m² weissklee, grossblättrig «seminole» + 15 g/100 m² weissklee, kleinblättrig «sonja»
3) reinsaaten: 200 g/100 m² sorte «cresta» als standard für die saatmenge 4) Mischungen: 150 g/100 m² sorte «cresta» als standard für die saatmenge + 10 g/100 m² rotklee «Mont calme» + 25 g/100 m² weissklee, grossblättrig seminole» + 15 g/100 m² weissklee, kleinblättrig «sonja»
Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau
323Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
methode nach Tilley und Terry (1963) diente der Validie-
rung der so ermittelten Werte. Für die anschliessende
Verwendung mussten die Messwerte in Noten umge-
rechnet werden. Dabei kam dieselbe Methode wie für
die Trockensubstanzerträge zur Anwendung.
Die Note für die Konkurrenzkraft liess sich aus dem
prozentualen Anteil der zu prüfenden Sorte am Gesamt-
ertrag der Mischung nach folgender Formel berechnen:
Note = 9 – 0,08 × Ertragsanteil %
Die Gesamtbeurteilung einer Sorte ermöglicht ein aus
allen erhobenen Merkmalen gemittelter Indexwert.
Dabei erhalten beim Rotschwingel der Ertrag, die Güte,
die Konkurrenzkraft, die Ausdauer und die Anbaueig-
nung für höhere Lagen doppeltes Gewicht. Beim
Kammgras werden zusätzlich die Überwinterung und
die Verdaulichkeit doppelt gewichtet.
Damit eine Sorte in die «Liste der empfohlenen Sor-
ten von Futterpflanzen» (Suter et al. 2010) aufgenom-
men werden kann, muss ihr Indexwert den Mittelwert
Trockensubstanzerträge mit Hilfe statistischer Methoden in
Noten umgerechnet: Der Mittlere Jahresertrag einer Sorte
wird mit dem Mittel des Versuches verglichen. Weicht er
um 1/3 der kleinsten gesicherten Differenz (KGD) auf dem
5-%-Signifikanzniveau von diesem Versuchsmittel ab, so
wird bei einer positiven Differenz eine Note 4 und bei einer
negativen Differenz eine Note 6 vergeben. Beträgt die
Abweichung 2/3 des KGD (5 %) so resultiert eine Note 3
beziehungsweise 7. Für eine Abweichung mit einem gan-
zen KGD (5 %) folgt die Note 2 respektive 8. Eine Note 1
oder 9 ist dann erreicht, wenn eine Differenz von mindes-
tens einem KGD auf dem 1-%-Niveau besteht.
Zusätzlich wurden in den Reinbeständen des Kamm-
grases am Standort Oensingen während der ersten drei
Aufwüchse des ersten Hauptnutzungsjahres Stichproben
zur Bestimmung der verdaulichen organischen Substanz
(VOS) gezogen. Die darauffolgenden Analysen im Labor
wurden mittels Nahinfrarot-Reflexionsspektroskopie
(Norris et al. 1976) durchgeführt und die Verdaulichkeit
als Gramm verdauliche organische Substanz pro Kilo-
gramm Trockensubstanz ausgedrückt. Die Pansensaft-
Abb. 3 | Kammgras auf 1850 m ü. M. im ersten Aufwuchs. Im Vordergrund die Sorte Rožnovská. (Foto: ART)
Pflanzenbau | Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras
324 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
der mitgeprüften bisher empfohlenen Sorten (Standard)
um mindestens 0,20 Indexpunkte unterschreiten (gerin-
gerer Wert = besser). Ebenso kann eine Sorte empfohlen
werden, wenn sie besonders wertvolle Eigenschaften
aufweist, auch wenn sie den für eine Empfehlung not-
wendigen Index nicht ganz erreicht.
Eine bis anhin empfohlene Sorte dagegen verliert
ihre Empfehlung und wird aus der Liste gestrichen, wenn
ihr Indexwert denjenigen des Standards um mehr als
0,20 Punkte überschreitet (höherer Wert = schlechter).
Weiter ist keine Empfehlung möglich, wenn in einem
wichtigen Einzelmerkmal der Standard um 1,50 Punkte
oder mehr überschritten wird.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Rotschwingel: Schwierige Situation
Sämtliche wiedergeprüften Sorten erreichten einen
Index, der eine Empfehlung weiterhin ermöglicht
(Tab. 2), obwohl im Vergleich zur letzten Prüfung (Suter
et al. 2004) gewisse Verschiebungen in der Rangfolge
stattgefunden haben.
Tab. 3 | Rotschwingel: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2008 bis 2010
Sortenname Ertrag1)* Güte* Jugendent-wicklung
Konkurrenz-kraft*
Ausdauer*Resistenzen/Toleranzen: Anbaueignung
für höhere Lagen*
Indexwert
Wintereinflüsse Blattkrankheiten
1 Echo 3,8 3,4 3,6 4,3 3,6 4,7 2,4 4,5 3,83
2 Roland 21 5,0 3,5 4,1 3,9 4,2 4,4 2,4 3,5 3,94
3 Reverent 4,6 3,8 4,6 3,5 3,1 5,6 2,4 4,7 4,00
4 Bargaret 4,3 3,9 4,6 4,2 4,1 5,1 2,9 4,5 4,19
5 Tagera 5,4 3,9 4,3 3,5 4,5 5,5 2,2 4,3 4,27
6 Pran-Solas 5,7 4,0 3,6 3,8 4,5 5,4 2,4 4,1 4,28
Mittel (Standard) 4,8 3,8 4,1 3,9 4,0 5,1 2,5 4,2 4,08
7 FR 0315 5,0 3,7 3,2 3,2 4,0 5,3 3,0 4,0 3,94
8 FRR 04206 6,0 3,8 2,9 3,6 4,3 5,4 2,0 3,5 4,05
fettschrift bei sortenname = bisher empfohlene sortennotenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht1) ertragsnoten von 5 Versuchsstandorten mit 4 bis 5 erhebungen 2009 und 6 Versuchsstandorten mit 1 bis 4 erhebungen 2010*hauptmerkmal mit doppelter gewichtung
Sortenname Antragsteller Frühreife-Index1) Kategorie2)
1 Echo DLF-Trifolium, DK 51b 1
2 Roland 21 SZ Steinach, DE 51b 1
3 Reverent SZ Steinach, DE 51b 1
4 Bargaret Barenbrug, NL 52a 1
5 Tagera Tagro, CZ 51a 1
6 Pran-Solas Schweizer, CH 52a 1
7 FR 0315 DSP/ART, CH 51b 3
8 FRR 04206 EURO GRASS, DE 51b 3
Tab. 2 | Geprüfte Sorten von Rotschwingel, Frühreife-Index und Kategorieeinteilung
fettschrift bei sortenname = bisher empfohlene sorten
1)frühreife-index: Die erste ziffer bezeichnet den Monat, die zweite ziffer die Dekade a bezeichnet die erste, b die zweite hälfte der Dekade. Beispiel: 52a = 11. – 15. Mai. Die frühreife wurde am standort changins erhoben.
2)Kategorieeinteilung der sorten aufgrund der ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: in der schweiz in der «Liste der empfohlenen sorten von futter pflanzen» geführt. Kategorie 3: zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte eigenschaften aus.
Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau
325Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
den Standard nicht ganz erreichen, war aber bei der
Güte und der Ausdauer durchaus auf dem Niveau des
Standards. In der Konkurrenzkraft zeigte FR 0315 die
beste Note der Versuchsserie und lag bei der Bewertung
der Anbaueignung für höhere Lagen auf Platz zwei. Dies
führte für FR 0315 zu dem insgesamt zweitbesten
Gesamtindex der Versuchsserie, was aber dennoch nicht
für eine Empfehlung reichte. Im Falle von FR 0315 ist es
überlegenswert, ob diese Sorte nicht trotz gewisser
Schwächen eine wertvolle Funktion erfüllen könnte:
FR 0315 ist aus in der Schweiz gesammeltem Material
hervorgegangen. Dies ist beim Rotschwingel als beson-
ders erwünschte Eigenschaft zu werten. Der Einsatz
Allen voran schnitt die Sorte Echo wiederum sehr gut
ab, vor allem wegen guter Noten in Ertrag, Güte und
Ausdauer. Da Tagera und Pran-Solas genau in diesen
wichtigen Eigenschaften Schwächen zeigten, konnten
sie sich trotz sehr guter Werte für die Konkurrenzkraft
erneut nur knapp halten. So erzielte Tagera lediglich
eine Ertragsnote von 5,4. Bei Pran-Solas lag diese Note
sogar bei 5,7 (Tab. 3). Eine sehr grosse Differenz, wenn
man mit der Note 3,8 von Echo vergleicht. Für Güte und
Ausdauer waren die Differenzen nicht so gross wie beim
Ertrag. So erzielte Echo eine Gütenote von 3,4 und war
in der Ausdauer mit 3,6 die zweitbeste Sorte. Von den
Neuzüchtungen konnte FR 0315 mit einer 5,0 im Ertrag
Sortenname Antragsteller Frühreife-Index1) Kategorie2)
1 Rožnovská Tagro, CZ 53a 1
2 Lena HBLFA, AT 53b 1
3 Cresta DSP/ART, CH 53a 1
4 CC 0405 DSP/ART, CH 53b 4
5 CC 0105 DSP/ART, CH 53b 4
Tab. 4 | Geprüfte Sorten von Kammgras: Frühreife-Index und Kategorieeinteilung
1)frühreife-index: Die erste ziffer bezeichnet den Monat, die zweite ziffer die Dekade; a bezeichnet die erste, b die zweite hälfte der Dekade. Beispiel: 53b = 26.-31. Mai. Die frühreife wurde am standort changins erhoben.
2) Kategorieeinteilung der sorten aufgrund der ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: in der schweiz in der «Liste der empfohlenen sorten von futterpflanzen» geführt. Kategorie 4: eignet sich nicht für den Anbau in der schweiz
Sortenname Ertrag1)* Güte* Jugendent-wicklung
Konkurrenz-kraft*
Ausdauer*Resistenzen/Toleranzen:
VOS2)* Anbaueignung für höhere Lagen*
Indexwert
Wintereinflüsse* Blattkrankheiten
1 Rožnovská 1,8 3,5 5,4 5,1 4,3 4,5 3,3 5,0 4,0 4,06
2 Lena 4,5 3,6 4,7 5,5 4,1 4,2 3,8 5,7 3,0 4,34
3 Cresta 6,3 4,4 5,4 5,6 5,3 4,9 4,3 4,3 3,7 4,92
Mittel (Standard) 4,2 3,8 5,2 5,4 4,6 4,6 3,8 5,0 3,6 4,44
4 CC 0405 6,8 4,4 4,5 6,2 5,4 4,4 4,3 5,0 3,4 4,97
5 CC 0105 7,3 5,5 6,4 6,5 6,2 5,8 3,9 5,3 4,3 5,73
Tab. 5 | Kammgras: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2008 bis 2010
fettschrift bei sortenname = bisher empfohlene sortennotenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht1) ertragsnoten von 3 Versuchsstandorten 2009 und 5 Versuchsstandorten 2010 mit je 1 bis 4 erhebungen2) Vos = Verdauliche organische substanz: Mittel von 3 Terminen im Jahre 2009, standort oensingen* hauptmerkmal mit doppelter gewichtung
326
Pflanzenbau | Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
einer solchen Sorte wäre vor allem in Wiesen denkbar,
die mit längerdauernden Gras-Weissklee-Mischungen
angelegt werden, um später in Dauerbestände über-
führt werden zu können. Wegen des Schutzes der gene-
tischen Ressourcen des vielfältigen Rotschwingels ist für
diesen Zweck die Verwendung einheimischen Materials
anstelle von Rotschwingelsorten mit unbekannter Her-
kunft zu begrüssen. Zum Zeitpunkt der Drucklegung
fehlen jedoch noch die Voraussetzungen für die Auf-
nahme von FR 0315 in einen offiziellen Sortenkatalog.
Sie kann deshalb trotz ihrer wertvollen Eigenschaft vor-
erst nicht empfohlen werden.
Kammgras: Basis bleibt dünn
Mit lediglich drei empfohlenen Sorten wurde beim
Kammgras bis anhin gerade ein Minimum erreicht,
damit eine Versorgung mit Saatgut von Zuchtsorten
dieser Art sichergestellt werden kann (Tab. 4). Die zwei
Sorten Rožnovská und Lena setzten sich in der Prüfung
deutlich von der dritten empfohlenen Sorte Cresta ab. In
Ertrag, Güte, Konkurrenzkraft und Ausdauer belegten
Rožnovská und Lena die beiden ersten Plätze aller fünf
geprüften Sorten (Tab. 5).
Leider konnten die zwei Neuzüchtungen CC 0105
und CC 0405 nicht überzeugen. In fast sämtlichen Para-
metern, vor allem aber hinsichtlich Konkurrenzkraft und
Ertrag, schnitten sie schlechter ab als der Standard und
werden nicht empfohlen. Somit können sie auch nicht
die Sorte Cresta ersetzen, die den für eine Weiteremp-
fehlung notwendigen Gesamtindex nicht erreichte und
mit einer Ertragsnote von 6,3 um mehr als 1,5 Punkte
schlechter war als der Standard. Diese Sorte wurde
ursprünglich in die empfehlende Liste aufgenommen,
damit die Verfügbarkeit von Zuchtsorten von Kammgras
gewährleistet werden kann. Aus demselben Grunde
wird diese Sorte, trotz ihrer Schwächen, weiterhin auf
der Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen
belassen.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die wenigen zur Prüfung angemeldeten Neuzüchtun-
gen bei beiden Arten scheinen den Trend zu bestätigen,
dass aufgrund hoher Kosten Zuchtprogramme von «klei-
nen Arten», also Arten mit geringer internationaler
Saatgutnachfrage, aufgegeben oder zumindest einge-
schränkt werden. Neben der spärlicheren Anzahl zur
Verfügung stehender Neuzüchtungen dürfte sich das
Niveau des Sortenspektrums dieser Arten zunehmend
weniger rasch heben als bei landwirtschaftlich wichtige-
ren Arten. n
327
Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sortenversuche mit Rotschwingel und Kammgras | Pflanzenbau
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 320–327, 2011
Literatur b Norris K.H., Barnes R.F., Moore J.E. & Shenk J.S., 1976. Predicting forage quality by infrared reflectance spectroscopy. Journal of Animal Science 43, 889–897.
b Suter D., Briner H.U., Mosimann E. & Stévenin L. 2004. Sortenversuche mit Wiesenschwingel und Rotschwingel. Agrarforschung 11 (7), 274–279.
b Suter D., Hirschi H.U., Frick R. & Bertossa M., 2010. Liste der empfohle-nen Sorten von Futterpflanzen 2010–2011. Agrarforschung Schweiz 1 (10), 1–16.
b Suter D., Rosenberg E., Frick R., & Mosimann E., 2008. Standardmischung für den Futterbau. Revision 2009 – 2012. Agrarforschung 15 (10), 1–12
b Tilley J. & Terry R., 1963. A two stage technique for the in vitro digestion of forage crops. Journal of the British Grassland Society 18, 104–111.
Results of red fescue and crested
dogstail variety trials
From 2008 to 2010, the Agroscope
Reckenholz-Tänikon ART and Agro-
scope Changins-Wädenswil ACW
research stations tested new breeds
and recommended varieties of red
fescue and crested dogstail. The
evaluation of the varieties was based
on systematic observations of yield,
vigour, juvenile development, competi-
tive ability, winter hardiness, resistance
to leaf diseases and the ability for
cultivation at higher altitudes. In
addition, the digestible organic matter
of crested dogstail was evaluated. No
new breed attained results allowing
for recommendation. Nevertheless, the
particular characteristics of the new
breed of red fescue FR 0315 may
provide a benefit in certain cases and
thus justify recommendation. Unfortu-
nately, FR 0315 does not meet all legal
requirements for trade yet and thus
cannot be recommended at this time.
All the varieties recommended so far
are still recommended.
Key words: Festuca rubra, Cynosurus
cristatus, red fescue, crested dogstail,
variety testing, yield, digestibility,
persistence.
Risultati dei test varietali su festuca
rossa e coda di cane
Dal 2008 al 2010, le stazioni di ricerca
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART e
Agroscope Changins-Wädenswil ACW
hanno esaminato l'idoneità alla coltiva-
zione di novità varietali e varietà racco-
mandate di festuca rossa e coda di
cane. Per valutare le varietà sono state
prese sistematicamente in considera-
zione le seguenti caratteristiche: resa,
aspetto generale, precocità, forza di
concorrenza, persistenza, idoneità allo
svernamento, resistenza a malattie
fogliari e idoneità alla coltivazione ad
alta quota. Nel caso della coda di cane
è stata determinata anche la digeribi-
lità della sostanza organica. In
entrambi i casi nessuna delle novità
varietali ha ottenuto i risultati neces-
sari per una raccomandazione. Ciono-
nostante, la novità varietale di festuca
rossa FR 0315 possiede particolari
proprietà che, in determinati casi,
potrebbero essere utilizzate in modo
più vantaggioso, giustificando così una
raccomandazione. Purtroppo FR 0315
non adempie ancora tutte le condizioni
legali per l'immissione in commercio in
Svizzera. Ciò impedisce una raccoman-
dazione al momento. Le varietà già
raccomandate saranno mantenute
nella Lista delle varietà raccomandate
di piante foraggiere.
328 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011
Besichtigung einer Apfelanlage in Süddeutschland. (Foto: Johannes Hanhart, AGRIDEA)
Esther Bravin1, Mirjam Blunschi1, Markus Leumann2, Ueli Straub3, Timo Hirrle4, Johannes Hanhart3,
Richard Hollenstein5 und Bea Steinemann3
1Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil2Landwirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen, Charlottenfels, 8212 Neuhausen am Rheinfall3Agridea, Eschikon 28, 8315 Lindau4Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee, Schuhmacherhof, 88213 Ravensburg, Deutschland5Kanton St. Gallen, Landwirtschaftliches Zentrum SG, 9230 Flawil
Auskünfte: Esther Bravin, E-Mail: [email protected], Tel. + 41 44 783 62 44
E i n l e i t u n g
2009 startete im Rahmen des Interreg-IV-Programms
das Projekt «Betriebsmanagement im Obstbau». Ziel des
Projektes ist die Förderung von Betriebsmanagement-
fähigkeiten im Erwerbsobstanbau der Bodenseeregion.
Im Projekt arbeiten acht Projektpartner aus den Kanto-
nen Thurgau, St. Gallen und Zürich und aus der süddeut-
schen Region Baden-Württemberg mit. Dabei sind
sowohl Forschung (Agroscope Changins-Wädenswil
ACW und Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee KOB),
Beratung (Beratungszentrale AGRIDEA, Beratung Kan-
ton Thurgau und St. Gallen) und private Treuhänder
(Agrotreuhand Thurgau, Steuerbüro Waggershauser
Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen
P f l a n z e n b a u
Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen | Pflanzenbau
329
Zusa
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ssu
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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011
Im Rahmen des Interreg-Projektes «Betriebs-
managament Obstbau» zur Förderung von
Betriebsmanagementfähigkeiten im Erwerbs-
obstanbau der Bodenseeregion konnten
90 Obstproduzenten aus Deutschland und
der Schweiz ihre zukünftigen Herausfor-
derungen ins Visier nehmen. Mithilfe der
Aktionsforschung konnten diese Herausfor-
derungen grenzüberschreitend mit der
Bildung von Arbeitskreisen bearbeitet
werden. Mit den erarbeiteten Informationen
wird ein Leitfaden für Obstproduzenten der
Bodenseeregion zusammengestellt. Der
Leitfaden soll Beratungs- und Schulungs-
zwecken dienen.
und Steuerbe ratungsgesellschaft Schnekenburger)
involviert (Abb.1). Diese heterogene Gruppe bringt Vor-
teile mit sich. So haben die Treuhänder und die kantona-
len Obstberater den direkten Kontakt zur Praxis. Sie
können Obstproduzenten animieren, am Projekt aktiv
teilzunehmen. Andererseits wissen sie, in welchen Berei-
chen die Obstproduzenten Schwierigkeiten haben und
wie ein Projekt im Bereich Betriebsmanagement eine
sinnvolle Unterstützung für die Obstproduzenten bereit-
stellen kann. Die Beratung wiederum kann die Resultate
des Projektes zur Umsetzung an die Praxis weitergeben.
Die Forschung übernimmt ihre Rolle bei der Bereitstel-
lung von Informationen, der Entwicklung von Inhalten
und dem Publizieren der Resultate.
Das Projekt «Betriebsmanagement im Obstbau» ist
aus der früheren Zusammenarbeit innerhalb des Inter-
reg-III-Projektes «Bodensee Gemüse- und Obstbau»
(BOGO) und aus der seit 2004 zwischen Forschung, Bera-
tung und Praxis bestehenden Zusammenarbeit im Rah-
men des Projektes «Support Obst Arbo» (SOA) entstan-
den. Am ersten Projekttreffen auf schweizer und
deutscher Seite des Bodensees haben die Projektpartner
vorerst gemeinsame Ziele für das Gesamtprojekt
«Betriebsmanagement im Obstbau» formuliert, die
durch vier Teilprojekte erreicht werden sollen. In die vier
Teilprojekte bringen die Partner ihre eigenen Kompe-
tenzen ein, wobei sie mit unterschiedlichem Zeitauf-
wand am Projekt beteiligt sind. Weil im Interreg-Pro-
gramm rund 50% durch Eigenleistung seitens der
Projektpartner und 50 % durch Interreg finanziert wird,
sollten die Ziele des Projektes möglichst mit den eigenen
Arbeitsbereichen übereinstimmen. Das Projekt wurde
Abb. 1 | Projektgebiet und Projektpartner.
möglichst nachhaltig geplant, was heisst, dass
in Zukunft einige Teilprojekte auch ohne
Finanzierung von Interreg weitergeführt wer-
den sollen. Zudem wurde bereits bei der Pla-
nung der Erkenntnistransfer in die Praxis stark
gewichtet.
Das Gesamtprojekt ist in vier Teile aufgebaut:
•• Teilprojekt 1 ⇒ Buchhaltung & Schlagkartei
•• Teilprojekt 2 ⇒ Controlling-Instrument
•• Teilprojekt 3 ⇒ Beratung & Schulung
•• Teilprojekt 4 ⇒ Doku-Service & Büro-
organisation
In diesem Bericht wird auf Teilprojekt 3 «Bera-
tung und Schulung» eingegangen.
Berufs- und Bildungszentrum Arenenberg
Landwirtschaftliches Zentrum St. Gallen
Steuerberatungs- Gesellschaft mbH Dr. Schnekenburger, Ravensburg
(Steuer-) Büro Waggershauser, Überlingen
ForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW
Pflanzenbau | Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen
330 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011
Kompetenzen von Obstproduzenten
Für eine erfolgreiche Obstproduktion heute und in
Zukunft sollten Obstproduzenten in folgenden Berei-
chen kompetent sein:
•• Produktionstechnik: Der Anbau von neuen Sorten
zum Beispiel bedingt eine gute Anbautechnik; die
Anwendung von Pflanzenschutzmitteln muss nach
fachlicher Beurteilung von klimatischer Situation,
Krankheitsdruck und Resistenzrisiko erfolgen; für die
Behangsregulierung muss der Einfluss von Klima und
sortenspezifischen Eigenschaften eingeschätzt werden.
•• Organisation: Zwischen August und Oktober findet
mit der Ernte 60 % (Arbokost, 2010) der gesamten
Arbeit im Obstbau statt. Diese grosse Arbeitsbelastung
wird hauptsächlich durch externe Arbeitskräfte
bewältigt, welche Lohnkosten verursachen. Die
Arbeitsorganisation ist sehr wichtig, um Leerläufe zu
vermeiden und eine hohe Ernteleistung sowie
Arbeitsproduktivität zu erreichen.
•• Strategie: Die Obstproduktion ist eine langfristige
Produktion, die auf 15 bis 20 Jahre geplant wird.
Entscheidungen müssen längerfristig erfolgen,
kohärent sein und für die Zukunft Bestand haben.
•• Finanzen/Betriebswirtschaft: Die Investitionen im
Obstbau betragen zwischen 60 000 CHF/ha (Apfel) und
130 000 CHF/ha (Kirschen) (total Investitionskosten
Ende des 3. Standjahres, Arbokost 2010). Für diese
beträchtlichen Investitionen sind also gute finanzielle/
betriebswirtschaftliche Kompetenzen gefragt. Eine
zusätzliche Herausforderung für Obstproduzenten ist,
dass sie Obstgeld erst nach der Auslagerung erhalten.
Von der Ernte bis zur Zahlung können zehn Monate
vergehen. Die Obstproduzenten müssen also diese
Zeit überbrücken und geschickt ihre Mittel einsetzen,
um weiterhin liquid zu bleiben und mindestens
kurzfristige, aber wichtige Ausgaben (z.B Arbeits-
kräfte) decken zu können. Zusätzlich sind auch Obstproduzenten mit immer neuen
Herausforderungen konfrontiert. In der Schweiz sind
dies zum Beispiel der mögliche Agrarfreihandel mit der
EU oder noch relativ neue Krankheiten (Feuerbrand,
Sharka, etc.). In Deutschland könnte in der Landwirt-
schaft die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab Mai 2011 für
EU-8-Länder (Huber 2011) ein Problem darstellen. Weder
die Forschung noch die Beratung kann aber ohne Einbe-
zug der Produzenten genau definieren, welches die drin-
gensten Herausforderungen für die Obstproduzenten
sind und welche Unterstützung sie brauchen, um weiter-
hin rentabel Obst zu produzieren. Um die wichtigsten
Herausforderungen zu identifizieren und Lösungen zu
entwickeln, die von den Produzenten tatsächlich ange-
wendet werden können, wurde im Interreg-IV-Projekt
«Betriebsmanagement Obstbau» nach dem Ansatz der
Aktionsforschung vorgegangen. Dieser Ansatz wurde
schon im Bergmilchprojekt (Durgiai et al. 2008) ange-
wandt. In Stähli und Egli-Schaft (2008) wird die Methode
der Aktionsforschung nach Moser (1997) geklärt. Dabei basiert die Aktionsforschung nach Moser auf
einem zyklischen Modell mit folgenden vier Elementen:
•• Informationssammlung: Am Anfang werden Informa-
tionen aus der Gruppe sowie theoretisches Wissen
zum Thema erfasst.
•• Diskurs: Die Gruppe analysiert und hinterfragt die
Informationen aus eigener Erfahrung. Die Gruppe
wird von Forschenden/Experten begleitet, die Empfeh-
lungen und Entscheidungsalternativen geben können.
•• Handlungsorientierung: Für das Handeln im Feld wird
ein Minimalkonsens mit einigen Grundsätzen für das
weitere Vorgehen bestimmt.
•• Handeln: Die Handlung wird realisiert
•• Aus der Realsierung sollten neue Impulse für neue
Zyklen entstehen.
Workshop Days
Um die wichtigsten Herausforderungen im Obstbau der
Bodenseeregion für die nächsten fünf Jahre zu identifizie-
ren, wurden in einer ersten Phase Ende 2009 Produzenten
zu so genannten Workshop Days eingeladen. Hier wurden
von Produzenten erste Informationen gesammelt.
90 Obstproduzenten, davon 67 vom schweizer und 23
vom deutschen Bodenseeufer haben an fünf Workshops
(siehe Abbildung unten) teilgenommen. Dabei entspre-
chen die 90 Teilnehmenden fast 20 % aller Obstproduzen-
ten im schweizer Projektgebiet (472 Obstbaubetriebe in
den Kantonen Zürich, Thurgau und St. Gallen > 1 ha Obst)
(BLW, 2011). In der Bodensee-Region auf deutscher Seite
gibt es 1759 Obstbaubetriebe, die Repräsentativität auf
deutsche Seiter entsprach somit rund 1 % (MLR, 2011).
Während der Workshops konnten die Obstproduzenten
folgende Fragen beantworten:
•• Wo sehen Sie Ihre Herausforderungen in den nächsten
fünf Jahren?
•• Wie wollen Sie darauf reagieren?
•• Welche Beratung brauchen Sie dazu?
Dabei konnten die Obstproduzenten in Gruppen zuerst
wichtige Herausforderung identifizieren. Am Ende der
Workshops konnten alle Teilnehmende zwei Themen pri-
orisieren. In Abbildung 2 sind die priorisierten Themen
dargestellt. Die Resultate zeigen, dass zwischen schweizer
und deutschen Betrieben einige Unterschiede bestehen:
Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen | Pflanzenbau
331Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011
2010 bis 2011 wurden die fünf Arbeitskreise parallel
durchgeführt. In allen Arbeitskreisen werden ähnliche
Methoden angewendet. Geplant waren für jeden Arbeits-
kreis vier bis fünf Treffen. Beim ersten Treffen konnten
die Teilnehmenden noch einmal die Themenbereiche
fokussieren und gewichten. Aus den groben Themenbe-
reichen der Workshop Days wurden fassbare Themen
definiert. In jedem Arbeitskreis hat man Regeln der
Zusammenarbeit definiert: die Vertraulichkeit der Gesprä-
che, die Erstellung eines Fotoprotokolls und die Verbind-
lichkeit der Teilnahme. Bis im Frühling 2011 wurden im
Rahmen der fünf Arbeitskreise 18 Treffen durchgeführt.
Die Anzahl an Teilnehmenden variiert je nach Arbeitskreis
und Workshops zwischen fünf und 15 Personen.
Durchführung Arbeitskreise
Die Arbeitskreise werden von Mitarbeitenden der Pro-
jektpartner geleitet. Das heisst von AGRIDEA, KOB, den
kantonalen Beratungen St. Gallen und Thurgau, von AT-
Thurgau oder von der ACW. Dabei ist für jeden Arbeits-
kreis ein gemischtes Team von zwei beziehungsweise.
drei Personen zuständig.
Die Arbeitskreise wurden so konzipiert, dass die
Obstproduzenten an jedem Treffen das Thema für das
nächste Treffen festlegen. Zusätzlich können sie sich sel-
Aus den Workshops in St. Gallen, Thurgau und Zürich
resultierte, dass Raumplanung und Betriebswachstum
sowie Personalführung und Arbeitsproduktivität in den
nächsten Jahren die grössten Herausforderungen für die
befragte Obstproduzenten darstellen. Die Ergebnisse
der deutschen Workshops zeigen, dass Work-Life-
Balance sowie Produktivität, Preisdruck und die Perso-
nalführung in den nächsten Jahren als die grösste Her-
ausforderungen angesehen werden.
Die Sortenfrage scheint vor allem für die Obstproduzen-
ten im Kanton Thurgau und im Raum Bodman sehr wich-
tig zu sein. Die Vermarktung und der Absatz ist für Obst-
produzenten im Kanton Zürich ein wichtiges Thema.
Fokus auf Arbeitskreise
Die von den Produzenten identifizierten Herausforde-
rungen wurden geordnet und bilden zusammen nun die
Themen für folgende Arbeitskreise:
•• Betriebsplanung, Zeitmanagement, Zusammenarbeit
•• Rationalisierung, Mechanisierung, Arbeitseffizienz•• Personalführung, Personalkosten, Personalrekru tierung
•• Sorten- und Unterlagenwahl, Anbausysteme
•• Zukunftsprognose, Hofnachfolge, Lebensqualität
Anfangs 2010 konnten sich Obstproduzenten aus der
Schweiz und Deutschland für die Arbeitskreise anmelden.
17%
14%
32%
6%
5% 3%
6%
11%
6%
Thurgau (CH)n = 37
8% 8%
17%
17%
50%
Baden Württemberg - Bodman (D)n = 8
16%
4%
20%
4% 28%
4%
24%
Baden Württemberg - Bavendorf (D)n = 15
Raumplanung und Betriebswachstum Personalführung
Produktivität und Arbeitsproduktivität Organisation und Zusammenarbeit Work life balance
Vermarktung und Absatz
Preisdruck / Preissturz
Nachfolge
Sorten
21%
18%
4% 14%
14%
25%
4%
Zürich (CH)n = 14
30%
37%
15%
6%
12%
St. Gallen (CH)n = 16
Andere
Abb. 2 | Resultate der Workshopdays.
332
Pflanzenbau | Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011
ber Hausaufgaben geben, welche die eigene Situation
zum betreffenden Thema auf dem Betrieb betreffen. Im
Arbeitskreis «Rationalisierung, Mechanisierung und
Arbeitseffizienz» wurde zum Beispiel das Thema Ernte
thematisiert. Die Obstproduzenten haben Bilder der
eigenen Ernte gemacht, am nächsten Treffen wurde
dann aufgrund der Bilder über Vor- und Nachteile der
verschiedenen Erntestrategien diskutiert. Die Arbeits-
kreis-Treffen finden auf Betrieben der Teilnehmenden in
Deutschland oder in der Schweiz statt.
Alle Arbeitskreis-Treffen folgenden in etwa folgendem
Ablauf:
1. Begrüssung
2. Aufwärmungsrunde (z.B. «im Moment beschäftigt
mich …»)
3. Informationsteil: Inputreferat von Fachexperten und/
oder Erfahrungen/Wissen von Obstproduzenten
4. Diskussion und Austausch über Inhalte des Informati-
onsteiles
5. Konsolidierung aus der Diskussion (z.B. «Was neh-
men wir mit?» – 3 Inputs)
6. Rundgang auf dem Betrieb
7. Rückmeldung an Gastgeber (Betriebsleiter) fokus-
siert auf das Tagesthema
8. Abschlussdiskussion
9. Themenwahl für nächstes Treffen
10. Kurzevaluation (z.B. «Was nehme ich für mein Betrieb
mit, was setzte ich in meinem Betrieb um?» …)
Die Teilnehmenden erhalten das Protokoll (Fotoproto-
koll) des Workshops. Es steht ihnen als Nachschlagewerk
für besprochene generelle Informationen und das kon-
solidierte Wissen zur Verfügung. Im Arbeitskreis wird
zudem über die Umsetzung und den praktischen Bezug
diskutiert. Somit sollte es dem Obstproduzent möglich
sein, das im Arbeitskreis erfahrene Wissen in seine Arbeit
einfliessen zu lassen. Zusätzlich haben sich die Obstpro-
duzenten im Rahmen der Arbeitskreise als Gruppe
selbstständig Hausaufgaben erteilt. Damit sollte die
Handlung auf dem eigenen Betrieb gefördert werden.
Leitfaden
Mit den von den Obstproduzenten definierten und in
den Protokollen erfassten Informationen wird für die
Obstbaupraxis der Bodenseeregion in Deutschland und
in der Schweiz ein Leitfaden zusammengestellt. Der Leit-
faden sollte als Übersicht über die für die Praxis wichti-
gen, aktuellen Themen dienen. Weil im Leitfaden
Lösungsansätze für die Herausforderungen der Obst-
branche vorgestellt werden, sollte der Leitfaden die
Obstproduzenten begleiten. Die Idee ist, dass bei spezi-
fischen Themen wie zum Beispiel Raumplanung, Ernte,
Sorten, Zusammenarbeit etc. Produzenten darin wich-
tige Informationen finden.
Der Leitfaden ist pro Thema steckbriefartig wie folgt
aufgebaut sein:
➢ Warum ist dieses Thema wichtig?
➢ Herausforderung für den Betriebsleiter
➢ Situation: Deutschland und Schweiz
➢ Was spricht dafür?
➢ Was spricht dagegen?
➢ Checkliste bei der Entscheidung
➢ Bemerkungen zu den vorliegenden Informationen
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die Produzenten, die an Arbeitskreis-Treffen teilgenom-
men haben, haben den grenzüberschreitenden Aus-
tausch mit Berufskollegen sehr geschätzt. Sie konnten
Ähnlichkeiten und Unterschiede feststellen und daraus
lernen. Viele Obstproduzenten haben geschätzt, dass
die Arbeitskreis-Treffen bei anderen Produzenten auf
dem Betrieb stattgefunden haben. Mit der Vorstellung
von Anlage und Betrieb konnten sie von den Berufskol-
legen einiges Neues lernen. Ein Teil der Obstproduzen-
ten, die an den Arbeitskreisen mitgearbeitet haben
wünschen sich auch in Zukunft zusammen in Workshops
zu spezifischen Themen arbeiten zu können. Die von
den Produzenten vorgeschlagenen Themen waren oft
sehr spezifisch. Die Bereitstellung von aufschlussreichen
und nützlichen Informationen der Inputreferate war
eine Herausforderung. Die Heterogenität der Themen
erschwert die Zusammenstellung des Leitfadens. Die
Methode der Aktionsforschung hat sich im Interreg-IV-
Projekt Betriebsmanagement Obstbau bewährt. n
333
Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen | Pflanzenbau
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 328–333, 2011
Literatur b Arbokost 2010. Betriebswirtschaftliches Simulationsprogramm, Agroscope Changins-Wädenswil. Zugang: www.arbokost.info-acw.ch [14.4.2011].
b Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), 2011. Statistik der Obstkulturen – Betriebsgrössenstruktur global. Zugang: www.blw.admin.ch [14.4.2011].
b Durgiai B., Blätter T., Etter L. & Hug-Sutter M., 2008. Strategie-Instru-mente für Bauern und Käsereibetriebe. Agrarforschung 15 (1), 7–12.
b Huber F., 2011. Saisonarbeitskräfte 2011 – nur begrenzte Erleichterung. Das Landwirtschaftliche Wochenblatt (LW) Hessen - Rheinland-Pfalz. Zugang: http://www.lw-heute.de/saisonarbeitskraefte-2011-begrenzte-erleichterung? [14.4.2011].
b Ministerium für Ländlichen Raum (MLR), Ernährung und Verbraucher-schutz Baden- Württemberg, 2011. Generelle Statistik Obstbaubetriebe 2011, Stuttgart
b Moser H., 1997. Praxis der Aktionsforschung. Kösel, München. 119 S. b Stähli R. & Egli-Schaft W., 2008. Aktionsforschung, eine Forschungsme-thode auch für die Landwirtschaft. Agrarforschung 15 (1), 4–6.
Ricerca mirata: frutticoltori alla ricerca
di soluzioni
Nell’ambito del progetto Interreg
«gestione frutticoltura» a sostegno del
miglioramento delle competenze di
gestione nella frutticoltura professio-
nale nella regione del lago di Costanza,
90 frutticoltori tedeschi e svizzeri
hanno potuto focalizzare le loro future
sfide. Con il sostegno di attività legate
ad una ricerca mirata, è stato possibile
elaborare a livello transfrontaliero
queste sfide mediante la formazione di
gruppi di lavoro. Le informazioni
elaborate hanno permesso di definire
delle linee guida per i frutticoltori della
regione del lago di Costanza, linee
guida le quali saranno utili anche per
la consulenza e la formazione.
Action research: Fruit growers search
for solutions
The objective of the Interreg project
«Fruit management» is to improve the
management competences of fruit
growers in the lake Constance region.
90 Swiss and German fruit growers
identified their future challenges. By
using the action research, fruit growers
identified theses challenges and
searched for solutions in working
groups. These informations will be
collected and published in a handbook
which will be used for extension and
instruction purposes.
Key words: action research, fruit
growers.
334
Mit schorfresistenten Apfelsorten und einer angepassten Pflanzenschutzstrategie können der Pflanzenschutzmitteleinsatz und dessen Auswirkungen auf die Umwelt reduziert werden. (Foto: ACW)
E i n l e i t u n g
Die EU möchte mit der Richtlinie 2009/128/EG eine nach-
haltige Nutzung von Pflanzenschutzmitteln und eine
Verringerung von deren Abhängigkeit erreichen (EU
2009). Mit nationalen Aktionsplänen sollen der integ-
rierte Pflanzenschutz sowie alternative Methoden und
Verfahren gefördert werden. Die entsprechenden Pflan-
zenschutzstrategien müssen umweltfreundlich und
dabei wirksam und wirtschaftlich sein. Eine Methodik
für die transparente Bewertung der ökonomischen und
ökologischen Nachhaltigkeit gab es bisher nicht. Etab-
lierte Methoden erfassen nur Teilaspekte wie Auswir-
kungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt.
Die Forschungsanstalten Agroscope ACW und ART ent-
wickelten im EU-Projekt ENDURE gemeinsam mit ande-
ren Europäischen Instituten (Bigler et al. 2011) eine
Methode, mit der die Nachhaltigkeit von verschiedenen
Pflanzenschutzstrategien verglichen werden kann. Die
Methodik nennt sich «SustainOS», wobei «Sustain» für
Andreas Naef1, Patrik Mouron2 und Heinrich Höhn1
1Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil2Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich
Auskünfte: Andreas Naef, E-Mail: [email protected], Tel. + 41 44 783 62 57
P f l a n z e n b a u
Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen-schutzstrategien im Apfelanbau
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau
335
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Nachhaltigkeit und «OS» für Orchard Systems steht.
SustainOS umfasst eine Systembeschreibung, eine quan-
titative Analyse von Teilaspekten der Nachhaltigkeit und
eine Aggregation zur Gesamtnachhaltigkeit. Im Rahmen
einer Fallstudie wurde SustainOS für einen Vergleich von
je vier Pflanzenschutzstrategien in fünf Europäischen
Apfelanbauregionen angewendet. Hauptziel dieser Fall-
studie war die Erarbeitung von innovativen Pflanzen-
schutzstrategien mit reduzierten ökotoxikologischen
Auswirkungen. Gleichzeitig wurde auf weitere Nachhal-
tigkeitskriterien geachtet und die nationalen Richtlinien
des integrierten Pflanzenschutzes wurden angewendet.
Wir stellen die Ergebnisse der Fallstudie für den Schwei-
zer Apfelanbau am Beispiel der Bodensee-Region vor.
M e t h o d e
Die neu entwickelte Methodik SustainOS besteht aus ver-
schiedenen Schritten, welche in einer Expertengruppe
durchgeführt werden. Das Ablaufschema ist in Abbil-
dung 1 dargestellt. Als Grundlage für die Beurteilung
werden verschiedene Anbausysteme beschrieben
(Abb. 1, a). Diese Beschreibungen enthalten die Daten,
welche für die Berechnung von Nachhaltigkeitskriterien
mittels quantitativer Analysemethoden wie Ökobilanz,
Umweltrisikoberechnung und Vollkostenrechnung
durchgeführt werden (Abb. 1, b). Die Nachhaltigkeitskri-
terien werden anschliessend bezüglich eines Referenzsys-
tems der jeweiligen Region bewertet (Abb. 1, c). Dazu
Zukünftige Pflanzenschutzstrategien müssen
wirksam, wirtschaftlich und umweltfreund-
lich sein. Mit der vorgestellten SustainOS-
Methodik kann die Nachhaltigkeit von
Pflanzenschutzstrategien für den Apfelanbau
untersucht werden. Die Methodik beinhaltet
eine Systembeschreibung, einen Berech-
nungsschritt für Teilkriterien der Nachhaltig-
keit und eine Aggregation der Teilkriterien
zur Gesamtnachhaltigkeit. In einer Fallstudie
wurde die Methode auf vier verschiedene
Pflanzenschutzstrategien für die Schweizer
Bodensee-Region angewendet. Die Strate-
gien reichten vom stark von Pflanzenschutz-
mitteln abhängigen System bis hin zu einem
innovativen System, in welchem Pflanzen-
schutzmittel weitgehend durch alternative
Pflanzenschutzmassnahmen ersetzt wurden.
Es zeigte sich, dass durch verfügbare alterna-
tive Pflanzenschutzmassnahmen die Ökoto-
xizität und andere Umweltauswirkungen des
Pflanzenschutzes verbessert werden kann.
Dieser ökologische Fortschritt war allerdings
mit ökonomischen Nachteilen verbunden.
Eine verbesserte ökonomische Situation
konnte mit zukünftigen, innovativen
Pflanzenschutzstrategien und neuen resisten-
ten Sorten unter Annahme von höheren und
stabileren Erträgen erreicht werden.
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
Beschreibung verschiedener Apfel-Anbausysteme Definition von regionalen Rahmenbedingungen, Zielen und Pflanzenschutzmassnahmen durch Experten
Quantitative Analysemethoden Ökobilanzierung, Umweltrisiko von Pflanzenschutzmitteln, Vollkostenrechnung
Gesamtnachhaltigkeit
Aggregation der Basiskriterien
Basiskriteren der Nachhaltigkeit Analyseresultate, die bezüglich einem regionalen Referenzsystem bewertet werden
c
a
b
d
Expe
rten
schä
tzun
g fü
r den
Ein
fluss
auf
Nüt
zlin
ge
Hierarchischer Kriterienbaum (Abb. 2)
Abb. 1 | Schritte der neu entwickelten SustainOS-Methodik zur Bewertung und Optimierung der Nachhal-tigkeit verschiedener Anbausysteme.
Pflanzenbau | Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau
336
wurde eine Bewertungsskala von 1 (viel schlechter) bis 5
(viel besser) verwendet. Die auf diese Weise bewerteten
Kriterien wurden anschliessend an der Basis eines hierar-
chischen Kriterienbaumes (Abb. 2) übernommen und
mittels gewichteten Mittelwerten über einen ökologi-
schen und einen ökonomischen Ast zu aggregierten Kri-
terien und schliesslich zu einem Wert für die Gesamt-
nachhaltigkeit verrechnet (Abb.1, d). Im Internet ist eine
detaillierte Beschreibung der Methode mit entsprechen-
den Literaturangaben abrufbar : http://www.agroscope.
admin.ch/obstbau/00878/index.html?lang=de, Rubrik
«Weitere Informationen».
R e s u l t a t e d e r A p f e l - F a l l s t u d i e i n d e r S c h w e i z
Das System «Baseline»
Da das Verbesserungspotenzial für jede Region aufge-
zeigt werden sollte, wurden alle Bewertungen in Rela-
tion zu einem regionalen Referenzsystem vorgenom-
men. Die Definition eines repräsentativen Anbausystems
erwies sich wegen der grossen betriebsspezifischen
Unterschiede als schwierig. Ein System mit durchschnitt-
lich pro Saison eingesetzten Pflanzenschutzmittel-
mengen ist nicht sinnvoll, da Risiken für Mensch und
Umwelt nur mit effektiv eingesetzten Wirkstoffmengen
zu bestimmten Behandlungszeitpunkten abgeschätzt
werden können. Obstbauexperten definierten deshalb
als Referenzsystem für die Bodenseeregion der Schweiz
eine konkrete Pflanzenschutzstrategie, die den Richtli-
nien für den integrierten Pflanzenschutz (SAIO 2009)
und den Pflanzenschutzempfehlungen von Agroscope
ACW (Höhn et al. 2008) im Jahr 2009 entspricht (Tab. 1).
Für eine schorfanfällige Marktsorte wurden ein Zieler-
trag von 35 t/ha und ein Anteil 1. Klasse von 75% ange-
nommen, was Erfahrungswerten bei integriertem Pflan-
zenschutz mit praxisüblicher Obstanlagenhygiene
entspricht. Vorhandene Warndienstinstrumente und
Toleranzschwellen wurden für den gezielten Einsatz der
Pflanzenschutzmittel angewendet. Die Schlüsselkrank-
heit der Region ist der Apfelschorf, für dessen Bekämp-
fung zwölf Fungizidanwendungen pro Saison angenom-
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
Tab. 1 | Pflanzenschutzstrategien für die vier Apfel-Anbausysteme
Anbausystem BaselineGAP 2009«chemisch»
Advanced 1GAP 2009alternative Massnahmen
Advanced 2alternative Massnahmen & Rückstandsreduktion
Innovative aktuelle Forschungs-ansätze
Beschreibung der Pflanzenschutz- massnahmen
• schorfanfällige Sorten • von ACW empfohlener Pflanzen-
schutz 2009*• Resistenzmanagement • keine alternativen Pflanzen-
schutzmassnahmen • Hygienemassnahmen
• schorfresistente Sorten • Pflanzenschutzmittel mit niedriger
Ökotoxizität • Hagelnetz • Feuerbrand-Antagonisten• Nützlingsförderung• Verwirrungstechnik • begrünter Baumstreifen ab Sommer • Hygienemassnahmen
• schorfresistente Sorten • biologische Fungizide nach Blüte• Heisswasserbehandlung nach
der Ernte • Totaleinnetzung • Feuerbrand-Antagonisten• Verwirrungstechnik • Nützlingsförderung • mechanische Unkraut-
bekämpfung • Hygienemassnahmen
• multigene-resistente Sorten
• Totaleinnetzung • Regenschutz • entomopathogene
Nematoden • Massenfang• push & pull• attract & kill• mechanische Unkraut-
bekämpfung • Pestizide ohne Neben-
wirkung • Hygienemassnahmen
Anzahl Einzelwirkstoffapplikationen und Durchfahrten (in Klammern)
Schädlings-bekämpfung
7 (2) 4 (1) 3 (1) 5 (4)
Krankheits-bekämpfung
25 (13) 16 (9) 21 (10) 3 (3)
Unkraut-bekämpfung
7 (3) 4 (2) 0 0
Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau
337
Das System «Advanced 1»
Neben dem Referenzsystem beschrieben Obstbauexper-
ten für die Schweizer Bodenseeregion ein bezüglich
Ökotoxizität des Pflanzenschutzes optimiertes, fort-
schrittliches System. In diesem System Advanced 1 wur-
den mehrere verfügbare alternative Pflanzenschutz-
massnahmen angewendet (siehe Tab. 1). Durch den
Einsatz von schorfresistenten Apfelsorten konnte die
Anzahl notwendiger Fungizidbehandlungen von zwölf
auf sieben gesenkt werden. Die verbleibenden Behand-
lungen waren für die Erhaltung der Schorfresistenz und
die Kontrolle von anderen Krankheiten notwendig. Zwei
Behandlungen wurden zur Kontrolle des Feuerbrandes
mit antagonistischen Bakterien durchgeführt, als Ersatz
für den Streptomycin-Einsatz im System Baseline. Durch
den Einsatz von Verwirrungstechnik und Nützlingsförde-
rung konnte auf die Insektizide Novaluron und Chlorpy-
rifos-ethyl und das Akarizid Tebufenpyrad, welche ein
relativ schlechtes ökotoxikologisches Profil aufweisen,
verzichtet werden. Eine Baumstreifenbegrünung ab
Mitte Juni ermöglichte die Einsparung von drei Herbizi-dapplikationen (Glyphosat nur ein- statt zweimal, Ver-
men wurden. Diese Spritzungen wurden wenn möglich
mit Fungzidanwendungen gegen andere Krankheiten
wie Mehltau und Lagerkrankheiten sowie mit Insektizid-
anwendungen gegen Apfelwickler und Blattläuse kom-
biniert. Zusätzlich wurde von sechs separaten Spritzun-
gen mit Herbiziden, Insektiziden und Bakteriziden
(Feuerbrandbekämpfung) ausgegangen. Mit dieser Stra-
tegie wurden in 18 Durchfahrten pro Saison 39 Einzel-
wirkstoffapplikationen ausgebracht. Bei der Mittelwahl
wurde auf eine gute Wirkung, eine Schonung von Nütz-
lingen und ein nachhaltiges Resistenzmanagement
geachtet. Fungizidgruppen mit hohem Risiko für Resis-
tenzentwicklung (Anilinopyrimidine, Strobilurine und
Sterolsynthesehemmer) wurden nur zweimal pro Saison
und in Mischung mit Captan mit geringem Risiko für
Resistenzentwicklung eingesetzt. Die einzelnen Insekti-
zide und Akarizide wurden nur einmal pro Jahr ange-
wendet und die Wirkstoffgruppen wurden zwischen
den Jahren gewechselt, was zu einer Rotation über vier
Jahre führte. Zur Abschätzung der Abdrift wurden der
Realität entsprechend Hagelnetze auf 40 % der Flächen
und Hecken bei 10% der Flächen angenommen.
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
Ökologisch-ökonomische Nachhaltigkeit
Ökologische Nachhaltigkeit Ökonomische Nachhaltigkeit
Ressourcen-verbrauch
Profitabilität Umweltqualität Humantoxizität Produktionsrisiko Autonomie
Energie Land Wasser Boden-schätze
Ökotoxi-zität
Einflussauf Nütz-lingen
Treib-haus-
laitnetop
Eutrophierungs-
laitnetop
Terrestrische Ökosystemqualität
Aquatische Ökosystemqualität
Terrestrisches Risiko
Aquatisches Risiko
Akutes Risiko Akutes Risiko ChronischesRisiko
Familieneinkom-men (pro
h)
Produk-tions-
netsok(pro kg)
Netto-gewinn (pro ha)
Einkom-mens-
schwan-kungen
Wahrschfür gr.
Ertrags-ausfall
Anlage-kapital (pro ha)
Kapital-erträge (pro ha)
Aquatische Ökotoxität
Terrestrische Ökotoxität
ChronischesRisiko
Abb. 2 | Hierarchischer Kriterienbaum: Die Gesamtnachhaltigkeit setzt sich aus verschiedenen Unterkriterien der ökologischen und der ökonomischen Nachhaltigkeit zusammen. Da die Optimierung der Ökotoxizität (gelb) das primäre Ziel dieser Studie war, wurde dieses Un-terkriterium in weitere Unterkriterien unterteilt. Blau: Basiskriterien, die auf quantitativen Analysemethoden beruhen.
Pflanzenbau | Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau
338 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
zicht auf Linuron und Diuron). Insgesamt konnte mit die-
ser Strategie die Anzahl Einzelwirkstoffapplikationen pro
Saison von 39 (Baseline) auf 24 reduziert werden. Diese
Wirkstoffe wurden in zwölf Durchfahrten pro Saison aus-
gebracht. Die Abdrift von Pflanzenschutzmitteln wurde
durch Hagelnetze auf 80 % der Flächen und Einsatz von
abdriftmindernden Düsen auf 50 % der Fläche weiter
reduziert. Um das Produktionsrisiko des Systems Baseline
zu erreichen, müssen Produzenten einen zeitlichen Mehr-
aufwand für zusätzliche visuelle Kontrollen im Feld und
Weiterbildung im Bereich Pflanzenschutz leisten.
Die Berechnungen mittels Ökobilanz und Umwelt-
risikobeurteilung zeigten, dass mit den gewählten alter-
nativen Pflanzenschutzmassnahmen (Tab. 1) die Ökotoxi-
zität und die Risiken für aquatische und terrestrische
Systeme deutlich gesenkt werden können (Abb. 3a). Auch
die Humantoxizität konnte gegenüber dem praxisübli-
chen System Baseline stark gesenkt werden. Diese Verbes-
serungen sind das Resultat des reduzierten Fungizid- und
Herbizideinsatzes und der abdriftmindernden Massnah-
men. Die Optimierung des Anbausystems bezüglich
Öko- und Humantoxizität führte allerdings nur zu einer
1
2
3
4
5
Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ
Bew
ertu
ngsk
lass
e
(c) Ökologische Nachhaltigkeit
1
2
3
4
5
Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ
Bew
ertu
ngsk
lass
e (d) Ökonomische Nachhaltigkeit
0%
20%
40%
60%
80%
100%
120%
Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ
(a) Beispiel: Aquatische Ökotoxizität
0%
20%
40%
60%
80%
100%
120%
Baseline Advanced 1 Advanced 2 Innovativ
(b) Beispiel: Produktionskosten pro kg
Ökologische Beurteilung Ökonomische Beurteilung
Aggregierte Kriterien
Abb. 3 | Vergleich der in Tabelle 1 beschriebenen Apfelanbausysteme für die Kriterien Aquatische Ökotoxizität und Produktionskosten und die aggregierten Kriterien ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. Auf der Skala der Grafiken (c) und (d) sind die folgenden Bewer-tungsklassen eingetragen: 1 = viel schlechter als Baseline, 2 = schlechter als Baseline, 3 = ähnlich wie Baseline, 4 = besser als Baseline, 5 = viel besser als Baseline.
Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau
339Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
flug von Schädlingen und unterstützte die Feuerbrand-
bekämpfung durch Ausschluss von kontaminierten Bie-
nen. Die Anzahl Einzelwirkstoffapplikationen pro
Saison konnte gegenüber dem System Advanced 1
nicht weiter gesenkt werden. Die Reduktion bei Insek-
tiziden und Herbiziden wurde durch häufigeren Einsatz
von Fungiziden kompensiert. Grund dafür war, dass
chemisch- synthetische Fungizide nur bis Ende Blüte ein-
gesetzt wurden. Für den Rest der Saison wurden Krank-
heiten wie Mehltau, Regenflecken und Lagerkrankhei-
ten mit Bikarbonaten und Schwefel bekämpft. Diese
biologischen Fungizide haben eine relativ kurze Wir-
kungsdauer und eine geringe Regenfestigkeit was zu
kürzeren Behandlungsintervallen führte. Die Gloeospo-
rium-Lagerfäule wurde zusätzlich mit einer Heisswas-
serbehandlung der geernteten Früchte bekämpft. Mit
dieser Strategie sollten, Konsumentenwünschen ent-
sprechend, nachweisbare Rückstände von Pflanzen-
schutzmitteln vermieden werden. Die Abdrift der
Pflanzenschutzmittel wurde durch den Einsatz von
Abdrift mindernden Düsen und Geräten weiter redu-
ziert. Durch den Verzicht auf chemisch-synthetische
Fungizide nach der Blüte erhöhte sich die Wahrschein-
lichkeit von Nebenkrankheiten, was zu einer erhöhten
Variabilität des Ertrags und einem erhöhten Risiko für
Ertragseinbussen führte.
leichten Verbesserung der gesamten ökologischen Nach-
haltigkeit (Abb. 3c), da die gewählten alternativen Pflan-
zenschutzmassnahmen keine Verbesserungen bei ande-
ren ökologischen Kriterien, wie Verbrauch von Energie,
Land und Wasser oder Treibhauspotential bewirkten. Auf
der ökonomischen Seite wurde für das System Advanced
1 im Vergleich zum System Baseline eine tiefere Profitabi-
lität und eine geringere finanzielle Autonomie ermittelt,
da unverändertem Ertrag und identischem Anteil Klasse-
1-Früchten höhere Investitionen (mehr Hagelnetze) und
zusätzliche Arbeitsstunden (Monitoring) gegenüberstan-
den. Der Einsatz von alternativen Pflanzenschutzmass-
nahmen führte deshalb zu einer Verschlechterung der
ökonomischen Nachhaltigkeit.
Das System «Advanced 2»
Dieses System beruhte ebenfalls auf schorfresistenten
Sorten, integrierte aber mehr alternative Pflanzen-
schutzmassnahmen als das System Advanced 1 (siehe
Tab. 1). Auf den Einsatz von Herbiziden wurde zu Guns-
ten einer mechanischen Unkrautbekämpfung vollstän-
dig verzichtet. Nützlinge, wie Parasitoide und Raubmil-
ben, wurden noch mehr geschont, gefördert und aktiv
ausgebracht, was eine weitere Reduktion der notwen-
digen Insektizid- respektive Akarizidbehandlungen
ermöglichte. Eine Totaleinnetzung reduzierte den Ein-
Abb. 4 | Die Apfelwicklerbekämpfung mit Pheromon-Verwirrungstechnik hat sich in der Praxis bereits bewährt und ersetzt zwei bis drei Insektizidbehandlungen.
340
Pflanzenbau | Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau
Dieses Anbausystem, welches primär die Reduktion
von Pestizidrückständen zum Ziel hatte, brachte gegen-
über dem System Advanced 1 zwar eine verbesserte Nütz-
lingsschonung aber keine Verbesserungen bei Ökotoxizi-
tät, Humantoxizität und Ressourcenverbrauch. Leichte
Verbesserungen wurden bei den Umweltrisiken durch die
verbesserte Abdriftminderung erzielt. Insgesamt führte
der Einsatz zusätzlicher alternativer Pflanzenschutzmass-
nahmen und biologischer Fungizide nach der Blüte aber
nicht zu einer verbesserten ökologischen Nachhaltigkeit
(Abb. 3c). Gleichzeitig verschlechterte sich durch höhere
Investitionen (z.B. Totaleinnetzung, Infrastruktur für
Heisswasserbehandlung) und eine geringere Profitabilität
(z.B. zusätzliche Arbeitsstunden für mechanische Unkraut-
bekämpfung, unregelmässigere Erntemengen und Quali-
tätsausbeute) die ökonomische Nachhaltigkeit (Abb. 3d).
Das System «Innovativ»
Beim innovativen System ging man von der Annahme
aus, das innerhalb von zehn Jahren neue alternative
Pflanzenschutzmassnahmen zur Verfügung stehen, wel-
che hohe und stabile Erträge mit minimalem Pflanzen-
schutzmitteleinsatz ermöglichen. Die Sorten trugen
Resistenzen oder Toleranzen gegenüber den Hauptscha-
derregern Schorf, Echter Mehltau, Feuerbrand und
Blattläuse. Der angenommene Verzicht auf Pestizidbe-
handlungen zum Schutz der genetischen Resistenzen ist
nur sinnvoll, wenn diese auf mehreren Genen beruhen.
In heutigen Züchtungsprogrammen gibt es multigene
Resistenz erst für Schorf. Bis kommerzielle Sorten mit
multigenen Resistenzen gegen mehrere Schaderreger
zur Verfügung stehen, dürfte es eher 30 anstatt der
angenommenen zehn Jahre dauern. Zusätzlich zu gene-
tischen Resistenzen wurden weitere unterstützende
Pflanzenschutzmassnahmen wie «Attract and Kill» oder
entomopathogene Nematoden angenommen. Für die
verbleibenden Behandlungen wurde von neuen Pflan-
zenschutzmitteln ohne Nebeneffekte auf Nichtzielorga-
nismen ausgegangen. Hagelnetze und Massnahmen zur
Driftreduktion wurden auf allen Flächen eingesetzt.
Unter den Annahmen für dieses futuristische System
konnte die ökologische wie auch die ökonomische Nach-
haltigkeit verbessert werden (Abb. 3), da nur wenige
direkte Pflanzenschutzmassnahmen notwendig sind und
ein höherer und stabilerer Ertrag bezüglich Menge und
Anteil an Klasse-1-Früchten erwartet werden kann.
D i s k u s s i o n
Die Fallstudie für den Apfelanbau zeigte, dass für die
Ökotoxizität des Pflanzenschutzes ein grosses Verbesse-
rungspotenzial besteht. Allerdings ist die Ökotoxizität
nur ein Teilaspekt der Nachhaltigkeit der Apfelproduk-
tion. Die Systeme Advanced 1 und 2 bezahlten den Fort-
schritt bezüglich Ökotoxizität und Humantoxizität mit
Nachteilen bei der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit im
Vergleich zum System Baseline. Da die gleichen Früchte-
preise für alle Systeme angenommen wurden, könnte
die Gesamtnachhaltigkeit bei Advanced 1 und 2 verbes-
sert werden, wenn sich die ökologischen Vorteile in
einem besseren Früchtepreis auszahlen würden. Die
Ergebnisse zeigen auch, dass durch den Verzicht auf che-
misch-synthetische Pflanzenschutzmittel das Risiko von
Einkommensschwankungen eher zunimmt, bedingt
durch Ertragsschwankungen. Nur unter den Annahmen
von langfristig wirksamen Alternativen im innovativen
System lässt sich das Risiko von Ertragsschwankungen
auf das mit heutigen Pflanzenschutzmitteln erreichbare
Niveau senken. Die Ergebnisse belegen ferner den gros-
sen Einfluss einzelner hinsichtlich Ökotoxikologie prob-
lematischer Wirkstoffe und die Wirkung von Massnah-
men zur Reduktion der Abdrift in Obstanlagen. Durch
die Substitution von umweltgefährdenden Wirkstoffen
und die Durchsetzung Abdrift mindernder Massnahmen
würde die Belastung der Ökosysteme durch den Pflan-
zenschutzmitteleinsatz im Obstbau erheblich verringert.
n
Dank
Wir bedanken uns bei den an der ENDURE Orchard System Casestudy beteiligten Kollegen: E. Bravin, A. Patocchi, Jörg Samietz (alle Agroscope ACW), U. Aubert, F. Bigler, G. Gaillard, F. Hayer, J. Hernandez, G. Mack (alle Agroscope ART), B. Heijne (Applied Plant Research, Wageningen NL), J. Strassemeyer (Julius Kühn-Institut, Kleinmachnow D), A. Alaphilippe, C. Lavigne, B. Sauphanor (INRA, Saint Marcel-lès-Valenc F), J. Avilla, J. Solé (IRTA, Universität Lleida, Leida ES), M. Bohanec (Jožef Stefan Institute, Ljubljana SL).
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
341
Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzen schutzstrategien im Apfelanbau | Pflanzenbau
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Literatur b Bigler F., Aubert U., Dubuis P.-H., Hayer F., Hernandez-Rivera J., Mack G., Meissle M., Mouron P., Naef A. & Strassemeyer J., 2011. ENDURE – ein Netzwerk für den nachhaltigen Pflanzenschutz in Europa. Agrarfor-schung 2 (2), 72–79.
b EU, 2009. Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-tes über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Ver-wendung von Pestiziden. Amtsblatt der Europäischen Union L309, 71–86.
b Höhn H., Naef A., Holliger E., Widmer A., Neuweiler R., Linder Ch., Viret O., Kehrli P., Delabays N., 2008. Flugschrift Nr. 122, Pflanzenschutzempfehlun-gen für den Erwerbsobstanbau 2008/2009. Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau 1, Beilage.
b SAIO, 2009. Richtlinien für den ÖLN und die integrierte Obst-Produktion in der Schweiz. Schweiz. Arbeitsgruppe für Integrierte Obstproduktion, Zug. 18 S.
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 334–341, 2011
Sustainability rating of crop protection
strategies in apple production
Future plant protection strategies
should be efficacious, economic and
environmentally acceptable. The
SustainOS methodology has been
developed to assess the sustainability
of crop protection strategies in apple
orchards. The methodology consists of
a system description structure, an
assessment step for subcriteria of
sustainability and an aggregation of
these subcriteria to an overall sustain-
ability. The method has been applied in
a case study on four plant protection
strategies in apple orchard systems in
the Swiss Lake of Constance region.
The strategies reached from a system
strongly depending on pesticides to an
innovative system in which pesticides
were replaced to a large extend by
alternative plant protection measures.
It could be shown that ecotoxicity and
other environmental impacts of plant
protection measures could be
improved by implementation of
alternative plant protection measures
available today. However, economic
disadvantages were the drawback of
the ecological progress. An improved
economic situation could be achieved
with future innovative crop protection
strategies and new resistant varieties
assuming higher and more stable yield.
Key words: sustainable agriculture,
horticulture, integrated pest manage-
ment (IPM), life cycle assessment, apple
orchards.
Valutazione della sostenibilità delle
strategie di protezione fitosanitaria
nella produzione di mele
Le future strategie fitosanitarie devono
essere efficaci, economiche ed ecologi-
che. La metodologia SustainOS
permette di esaminare la sostenibilità
delle strategie fitosanitarie nella
coltivazione di mele. Tale metodologia
comprende una descrizione del sistema
di coltura considerato, il calcolo dei
criteri parziali di sostenibilità come
pure la loro aggregazione per ottenere
un valore di sostenibilità globale.
La sua applicazione è stata eseguita su
quattro diverse strategie fitosanitarie
utilizzate nella regione svizzera del
lago di Costanza. Le strategie spazia-
vano dal sistema fortemente dipen-
dente di prodotti fitosanitari ad uno
innovativo, in cui i pesticidi erano stati,
in gran parte, sostituiti da misure
fitosanitarie alternative. Si è così
potuto constatare come l’ecotossicità
ed altri effetti ambientali causati da
prodotti fitosanitari siano migliorati
attraverso le misure fitosanitarie
alternative disponibili. Questo pro-
gresso ambientale è tuttavia associato
a degli svantaggi economici. In futuro i
risultati economici potrebbero essere
migliorati attraverso strategie fitosani-
tarie innovative e da nuove varietà
resistenti che dovrebbero assicurare
rese più elevate e stabili.
342 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011
E i n l e i t u n g u n d Z i e l e
Die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon
ART führte zusammen mit dem Institut für Umwelt
und Natürliche Ressourcen (IUNR) der Zürcher Hoch-
schule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ein
Projekt mit dem Ziel durch, das System von Care Far-
ming in der Schweiz besser zu verstehen und vorhan-
dene Potenziale zu erschliessen. In drei Workshops wur-
den gemeinsam mit Vertretenden aus ver schiedensten
Berufsfeldern die Ist-Situation analysiert, Verbesse-
rungspotenziale diskutiert und mögliche Handlungs-
strategien entwickelt.
Der Begriff Care Farming bezeichnet das Erbringen
von sozialen Dienstleistungen in der Landwirtschaft.
Konkret sind dies Betreuungs-, Pflege-, Er ziehungs- und
Bildungsleistungen in landwirtschaftlichen Familienbe-
trieben gegen Be zahlung (Wydler und Picard 2009).
Durch das Angebot zur Mitarbeit sowie Integration im
Familienleben tragen Bauern familien zu Gesundheit,
Wohlbefinden und Teilhabe verschiedenster Zielgrup-
pen bei. Es kann sich um Menschen mit psychischen
und physischen Krank heiten handeln, jedoch ebenso
um Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. In Bezug auf Care Farming in der Schweiz liegen bis
anhin wenige wissenschaftliche Studien vor, obwohl sol-
che Dienst leistungen seit langer Zeit erbracht werden
und in der ländlichen Kultur der Schweiz verankert sind.
So existieren beispielsweise keine konkreten Buch-
haltungs daten über die ökonomische Bedeutung dieser
Angebote für die Landwirtschaftsbetriebe. In einer
schriftlichen Befragung (Wydler 2009) bei landwirt-
schaftlichen Familienbetrieben, die soziale Dienstleis-
tungen anbieten, hat sich gezeigt, dass Angebote, finan-
zielle Entschädigungen (für die Pflegefamilien sowie für
betreute Personen), Qualität sowie Richtlinien sehr
unterschiedlich ausgestaltet sind. Auch hat sich gezeigt,
dass betreuende Personen eine mittelmässige Arbeitszu-
friedenheit in Bezug auf Care Farming aufweisen. Über-
wiegend positiv wird dagegen die Beziehung zur
gepflegten Person wahrgenommen.
Die Workshops wurden mit je 15 bis 20 Personen
durchgeführt. Sie hatten zum Ziel
•• die Ist-Situation sozialer Dienstleistungen in der
Landwirtschaft zu diskutieren,
•• gemeinsame Visionen für die Situation in 25 Jahren zu
entwerfen und diskutieren,
•• kurzfristige Handlungsstrategien zur Förderung und
Ausschöpfung vorhandener Potenziale zu skizzieren,
und mögliche Handlungsträger für konkrete Umset-
zungen zu benennen.
Mit den drei Workshops wurden Informationen aus den
unterschiedlichen Perspektiven der verschiedenen Betei-
ligten zusammen getragen, die Transparenz durch einen
Austausch sowie durch Zusammenarbeit gefördert und
es erfolgte eine bessere Vernetzung von Personen aus
verschiedensten Bereichen.
Durchführung der WorkshopsAls Grundlage für die Workshops diente das Konzept des
Transition Management (TM) nach Loorbach (2007), wel-
ches ein theoretisches Rahmenmodell für eine nachhaltige
Sara Widmer1, Hans Wydler1 und Yvonne Christ2
1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen2Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen (IUNR), Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
( ZHAW), 8820 Wädenswil
Auskünfte: Hans Wydler, E-Mail: [email protected], Tel. +41 58 934 55 39
Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming
G e s e l l s c h a f t
Abb. 1 | Workshopteilnehmende bei der Konzeptentwicklung zum Thema Green Care. (Foto: ART)
Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming | Gesellschaft
343
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011
Entwicklung und Systeminnovation in der Gesellschaft
bietet. Wie im TM gefordert, nahmen jeweils unterschied-
lichste Akteure aus verschiedenen Bereichen (Landwirt-
schaft, Soziales, ländliche Entwicklung, Gesundheit) teil.
TM geht zudem davon aus, dass nachhaltige Entwicklung
nur dann erreicht werden kann, wenn Ziele langfristig
be trachtet werden (mindestens über den Zeithorizont
einer Generation, zirka 25 Jahre) und verschiedene, hete-
rogene Akteure in einen langfristigen Prozess mit langfris-
tiger Vision eingebunden werden. Diese Vision wird in
verschiedenen kurzfristigen Hand lungsstrategien umge-
setzt, welche fortlaufend den neuen Bedingungen ange-
passt werden.
Für die Diskussion zur Ist-Situation wurde die
Methode «World Café» ausgewählt. Maximal fünf Per-
sonen sitzen während 20 Minuten an einem Tisch, tau-
schen sich über ein Thema aus und halten ihre Gedan-
ken schriftlich auf der Tischdecke fest. Nach 20 Minuten
setzt sich die Klein gruppe an einen weiteren Tisch, an
dem ein anderes Thema behandelt wird und an das Wis-
sen der Vorgruppe angeknüpft wird. Dieser Vor gang
wird dreimal wiederholt. Nach drei Gesprächsrunden
erfolgte eine Konversation mit der gesamten Gruppe.
(The World Café Communitiy 2002). Die Teilnehmenden
tragen Schlüsselideen zu neuen Tischen, tauschen Pers-
pektiven aus und generieren überraschende, neue
Erkenntnisse. Die unmittelbare Reaktion der Anwesen-
den auf Aussagen anderer schafft dabei eine disziplin-
übergreifende Vertiefung des Themen schwerpunktes.
Als Diskussionsbasis wurden an den Tischen der World
Café’s Leitfragen aufgeworfen. Die auf den Tischdecken
festgehaltenen Resultate dienten für weitere Ideenent-
wicklungen, für langfristige Visionen sowie als Grund-
lage für Handlungsstrategien, die in einem weiteren
Schritt auch in Gruppen erarbeitet wurden.
Es fanden drei eintägige Workshops statt. Im Vorfeld
wurden die möglichen Themenfelder für die Workshops
anhand von Umfeldanalysen und Expertengesprächen
ausgewählt, jedoch fortlaufend dem aktuellen Stand
des Projektes angepasst. Die Teilnehmenden wurden
aufgrund von Ergebnissen vorangegangener Workshops
oder mit Hilfe von Expertinnen und Experten aus der
Praxis in Bezug auf die Relevanz für das Workshop-
Thema ausgewählt. Es handelte sich dabei um Vertre-
tende aus Gesundheits-, Sozialwesen und der Landwirt-
schaft, von der An gebots- sowie Nachfrageseite. Die
folgenden Teilnehmenden waren an mindestens einer
Veranstaltung dabei: Eine ehemalige Betreute, Care Far-
mer, die unterschiedliche Zielgruppen betreuen, Netz-
werkorganisationen, Vertretende der Aus- und Weiter-
bildung aus dem landwirtschaftlichen sowie dem
sozialem Bereich, Medizinische Akteure, Fachverbands-
Um Care Farming (das Erbringen von sozialen
Dienstleistungen in der Landwirtschaft)
besser zu verstehen und um vorhandene
Potenziale besser zu erschliessen, führten die
Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-
Tänikon ART und die Zürcher Hochschule für
Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Jahr
2010 drei Workshops mit Fachleuten aus
unterschiedlichsten Berufsfeldern durch.
Die Teilnehmenden der Workshops waren
sich einig, dass für Care Farming ein grosses
Potenzial besteht. Gezielte Massnahmen
könnten helfen, diese besser zu nutzen,
unter anderem:
• Zwischen allen Beteiligten ist mehr Transpa-
renz gefordert: Offenlegung von Anforde-
rungen, Entschädigungen, Regelungen und
Zuständigkeiten.
• Es braucht eine verstärkte Kommunikation
und Vernetzung zwischen allen Personen
die bei sozialen Dienstleistungen involviert
sind.
• Eine zentrale Koordinationsstelle könnte
bei der Nutzung der Potenziale ein hilfrei-
ches Instrument darstellen.
• Der Aufbau eines Qualitätssicherungssys-
tems ist ein zentrales Instrument.
• Neue Formen und Vereinfachung von
Finanzierungsmodellen für das System
sozialer Dienstleistungen wären wünschbar.
Einig waren sich die Teilnehmenden hinsicht-
lich der zentralen Bedeutung der gewünsch-
ten hohen Qualität der Leistungen und der
Anforderung, die Bedürfnisse der betreuten
Personen an die erste Stelle zu setzen. Das
Gebiet von Care Farming erweist sich als
überaus komplex, vielschichtig und als
räumlich sehr uneinheitlich ausgestaltet.
Gesellschaft | Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming
344 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011
vertretende, Vertreter aus Bundesämtern sowie Kanto-
nen, weitere nationale Akteure wie NGO’s, und das
Organisatorenteam von Agroscope ART sowie ZHAW.
Alle Aussagen wurden mit Hilfe von Fotografien, Skiz-
zen, Zeichnungen, Ergebnisse auf Flipcharts sowie durch
transkribierte Tonbandaufnahmen von Diskussionen fest-
gehalten. Mit Hilfe des Computerprogramms Atlas.ti und
einem Kodierleitfaden wurde jede Aussage kodiert. Das
Ziel war die Erschliessung der wichtigsten Schlüsselthe-
men in den Aussagen der Workshopteilnehmenden.
R e s u l t a t e
Die Ergebnisse beinhalten eine Aufzählung der Schlüs-
selthemen, eine kurze Zusammenfassung der Diskussion
der Ist-Situation und daran anschliessend die wichtigs-
ten formulierten Punkte zu einer wünschbaren Zukunft.
Anschliessend werden konkrete Handlungsfelder und
-strategien benannt.
Schlüsselthemen
Durch die Kodierung aller Aussagen während der Work-
shops, konnten 19 Schlüsselthemen ermittelt werden,
die in Bezug auf Care Farming in der Schweiz als wichtig
erscheinen. Es handelt sich dabei um:
•• Image von Care Farming und Wertschätzung
•• Kommunikation zwischen den Beteiligten
•• Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit
•• Konkurrenz im Bereich der Netzwerkorganisationen
•• Sichtbarkeit des Produktes auf dem Markt
•• Zuständigkeiten in der Politik
•• Mangelndes Qualitätssystem
•• Fehlende Regulierungen
•• Finanzströme im System
•• Einbettung in der ländlichen Entwicklung
•• Selbstbild und Stärken von Care Farming
•• Fehlende Transparenz von Angeboten, Anforderun-
gen, Nachfrage etc.
•• Unterschiedliche Akteure und deren individuelle
Bedürfnisse
•• Unterstützung / Unzufriedenheiten von Beteiligten
•• Vernetzung und Koordination der verschiedensten
Beteiligten
•• vorhandene Aus- und Weiterbildung
•• Case Management / Fallführung
•• Care Farming versus Betreuung in einem naturnahen
Umfeld (Green Care) / allgemeine Betreuung
•• Gewünschte Forschungsthemen
Im Folgenden wird auf einige der Themenfelder
genauer eingegangen. Es handelt sich um Aussagen aus
den verschiedenen Workshops, die in einer verständli-
chen Form zusammengefasst wurden.
Vielfalt der Akteure und der Zielgruppen
In allen Workshops tauchte die Frage auf, was Care Far-
ming beinhalte. Bis anhin gibt es nur wenige Begriffe,
welche von den verschiedenen Beteiligten aus dem
Sozial-, Gesundheitswesen und der Landwirtschaft
gemeinsam gebraucht werden. Es ist den einzelnen
Akteuren nicht bewusst, wie viele verschiedene Ziel-
gruppen mit diesem Themenfeld verknüpft sind und
welche Akteure und Interessen mit dieser Arbeit verbun-
den sind. Je nach Perspektive betrifft ein bestimmter
Themenkreis andere Akteure. Das Gebiet der sozialen
Dienstleistungen in der Landwirtschaft erweist sich als
überaus komplex, vielschichtig und als räumlich sehr
uneinheitlich ausgestaltet. Es treffen Personen aus den
Bereichen Landwirtschaft, Soziales sowie Gesundheit
aufeinander, welche nicht oder je nach Region unter-
schiedlich organisiert sind. Das Thema «Care Farming»
ist dadurch schwierig zu erfassen, was teilweise die feh-
lenden Zuständigkeiten für Veränderungen erklärt.
Bild in der Öffentlichkeit
Die Öffentlichkeit erkennt Care Farming oft anhand von
Fallbeispielen und wertet diese meist als positiv. Was
Care Farming alles beinhaltet sowie der Nutzen von Care
Farming für alle beteiligten Personen ist jedoch in der
Öffentlichkeit nicht bekannt. Hier gibt es ein grosses
Potenzial, Care Farming mit einem positiven Bild in die
Öffentlichkeit zu tragen. Eine Schwierigkeit ist, dass es
Abb. 2 | Sinnbild: Bei Care Farming sind unterschiedlichste Men-schen beteiligt. Verschiedene Bedürfnisse treffen aufeinander, dabei kann auch mal ein Chaos entstehen. (Zeichnung: Katie Rickenbach, Zürich)
Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming | Gesellschaft
345Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011
Selbstbild der Beteiligten
Voraussetzung für das Anbieten sozialer Dienstleistun-
gen ist das soziale Engagement der bäuerlichen Famili-
enbetriebe. Damit verknüpft ist die Anforderung, dass
die Dienstleistung fair abgegolten wird. In den Work-
shops hat sich gezeigt, dass Akteure aus der Landwirt-
schaft sich selten als Dienstleistende identifizieren und
ihre Angebote stark zersplittert auftreten. Für die Betei-
ligten war zu Beginn «die Landkarte der sozialen Dienst-
leistungen in der Schweiz» noch ziemlich undurchsichtig,
klare Visionen für die Zukunft waren nur ansatzweise
vorhanden. Dennoch ist die Mehrheit der Teilnehmen-
den überzeugt, dass Potenziale zur Förderung sozialer
Dienstleistungen existieren und es sich lohnt, sich wei-
terhin zu vernetzen und Visionen voranzutreiben. Im
Laufe der Workshops hat sich zunehmend ein gemeinsa-
mes Verständnis für viele Bereiche herauskristallisiert.
Ländliche Entwicklung
Vor allem in ländlichen sowie peripheren Bergregionen
gibt es ausser dem Landwirtschaftsbetrieb eine natur-
nahe Umgebung, die für Personen aus der Stadt attraktiv
sein kann. In solchen Regionen könnten mehr Beschäfti-
gungs- und Arbeitsplätze kreiert werden, sowie Tätigkei-
ten besser vernetzt werden (beispielsweise durch eine
Begegnungsplattform). Durch eine Zusammen arbeit mit
Agrotourismus, Naturparks sowie durch die Entwicklung
geschützter Arbeitsplätze könnte die Umgebung besser
wertgeschätzt und genutzt werden. Mit Hilfe von Begeg-
nungsplattformen könnten diverse Dienstleistungen bes-
ser als Kristallisationspunkte für strukturschwache Regio-
nen verwendet werden.
Eine weitere Möglichkeit ist, auf landwirtschaftlichen
Betrieben geschützte Arbeitsplätze anzubieten, ohne
dass die betreuten Personen auf dem Betrieb wohnen.
Dennoch profitieren diese von der Sinnhaftigkeit, den
Tagesstrukturen und der Beziehung zu Tier und/oder
Natur in einem geschützten Rahmen. Beschäftigungs-
möglichkeiten für unterschiedlichste Menschen (Bsp.
Asylbereich, Burn-out-Klienten, Langzeit arbeitslose) sind
bereits Mangelware und die Nachfrage danach wird
zunehmen. Verbesserte Finanzierungs möglichkeiten wür-
den Win-Win-Situationen für die betreuten Menschen,
die Landwirtschaft, und für den Sozialbereich schaffen.
Aus- und Weiterbildung
Generell fliesst wenig Information über Care Farming in
die landwirtschaftliche Grundausbildung. In den ande-
ren Ausbildungen sind sie gar kein Thema. Die berufli-
che Grundausbildung, Fachhochschul- und universitäre
Studien und weitere Weiterbildungsangebote sind kaum
koordiniert.
für die Betreuungsleistungen keine einheitliche und
gebräuchliche Begrifflichkeit gibt.
Die positiven genannten Aspekte von Care Farming sind:
•• Tagesstruktur, Vielfältigkeit, Sinnhaftigkeit, Natur-
sowie Tierbezug sind auf einem Bauernhof vorhanden.
•• Care Farming stellt Brücken her zwischen Stadt-Land,
oder auch Berg-Tal.
•• Es wird nicht nur produziert, sondern es werden
soziale und kulturelle Werte geschaffen.
•• Traditionen, Rituale, menschliche Wärme können
weiter gegeben werden.
•• Soziale Dienstleistungen können individuell nachvoll-
zogen werden, denn jede Person kann von Betreu-
ungsfällen in irgendeiner Form betroffen werden.
Dennoch stossen Bauernfamilien auf Herausforde-
rungen und Vorurteile: Sie öffnen sich für Menschen, die
oft am Rande der Gesellschaft leben, was auch eine
Offenheit des Umfeldes bedingt. Auch sind sie mit dem
Vorwurf der Ausbeutung konfrontiert (billige Arbeits-
kraft, Geschichte der Verdingkinder) sowie der Laienhaf-
tigkeit der geleisteten Arbeit. Die Qualität könne den
Dienstleistungen von Institutionen nicht standhalten.
Dabei sollte statt Konkurrenz ein erweitertes Angebot
für betreute Personen angestrebt werden.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Kommunikation zu Aussenstehenden und zur allge-
meinen Öffentlichkeit wird als ungenügend erachtet
(fehlende Wahrnehmung und ungenügende Wert-
schätzung von Care Farming in der Öffentlichkeit). Eine
klare Botschaft aus den Reihen der Bauernfamilien oder
von Netzwerkorganisationen fehlt, was die individuel-
len Bemühungen für eine Wertschätzung der geleiste-
ten Arbeit in der Öffentlichkeit erschwert. Ein positives
Image kann nur erreicht werden, wenn sich Beteiligte
auf wesentliche Kernaussagen einigen können. Die posi-
tive Wirkung von «grünen» Aspekten für Gesundheit
und Wohlbefinden ist zwar allgemein bekannt, wird
jedoch ungenügend kommuniziert. Bisher gibt es keine
übergeordnete Kommunikationsstrategie zu Care Far-
ming und die Kommunikation wird nur durch Einzelak-
teure geprägt. Es gibt keinen Verband, kein gemeinsa-
mes Label oder keine institutionalisierte Plattform.
Zudem ist wenig Vernetzung über die Systemgrenzen
hinaus vorhanden: Landwirtschaft, Sozialsystem und
Gesundheitssektor agieren weitgehend unabhängig
voneinander. Insbesondere die Landwirtschaft formu-
liert am Workshop das Anliegen, das Image von Care
Farming aktiv zu prägen, denn es lauern «Fallgruben»
für die zukünftige Entwicklung in der aktuellen «laisser
faire» Politik.
346
Gesellschaft | Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011
Wünschbare Zukunft
Die Teilhabe im Alltag, die Arbeitsinhalte und Tagesab-
läufe haben aus der Sicht der Teilnehmenden einen sehr
hohen Wert. Diese Art von Dienstleistung wird nicht ange-
messen entschädigt. Eine längerfristige Vision der Teilneh-
menden ist, dass langfristig die positiven Effekte von
Naturwerten besser wahrgenommen werden und Care
Farming oder weitere Betreuungen in der Natur (Green
Care) in der Gesellschaft ernst genommen wird. Werte, die
in einem engeren Kreis von Naturliebhabenden bereits
anerkannt sind, werden zur Normalität. Im Idealfall kann
das Wissen aus der ländlichen Gemeinschaft hinaus auch
in die Stadt getragen werden und umgekehrt. Dafür
braucht es ein qualitativ hochstehendes Angebot, mit wel-
chem langfristig ein positives Image aufgebaut werden
kann. Alle Beteiligten sollen bestmöglich von diesen
Angeboten profitieren können (faire Entlöhnung und
Bedingungen für die Bauernfamilien, weitest mögliche
Selbstbestimmung der betreuten Personen, diversifizierte
Betreuungsmöglichkeiten, vereinfachte Finanzierungssys-
teme, akteursübergreifende Zusammenarbeit).
D i s k u s s i o n u n d S c h l u s s f o l g e -r u n g e n
Nimmt die Landwirtschaft die Chance wahr, die Nachfrage
nach Betreuungsplätzen mit einem qualitativ hochstehen-
den Angebot abzudecken, so kann sie in der Gesellschaft
als Vorbild wahrgenommen werden. Dazu braucht es:
•• Mehr Transparenz auf allen Ebenen (Entlöhnung der
betreuenden Personen, sowie der Care Farmer, Zustän-
digkeiten etc.).
•• Verstärkte Kommunikation und Vernetzung zwischen
den Akteuren (Bsp. Nachbetreuung, unterschiedliche
Netzwerkorganisationen).
•• Mehr Kommunikation nach aussen, dafür müsste eine
gemeinsame Botschaft verschiedenster Akteure
gefunden werden.
•• Eine zentrale Koordinationsstelle für alle Akteure wo
die Anliegen aller Beteiligten aufeinander treffen.
•• Mehr Koordination zwischen den Behörden, übergrei-
fende oder nationale Regulierungen, definierte
Standards.
•• Ein Aufbau eines Qualitätsmanagements auf allen
Ebenen. Dieses soll auf individuelle Bedürfnisse
abgestimmt sein, zum Beispiel durch sinnvolle Indika-
tionen, sowie vereinheitlichter Fallführung. Die
Implementierung einer alltagstauglichen Form von
Qualitätssicherung dient der Identitätsbildung der
Anbietenden, zudem kann mit einem hochstehenden
Produkt auch ein höherer, angemessener Preis gefor-
dert werden.
•• Neue Formen und Vereinfachung von Finanzierungs-
modellen für das System sozialer Dienstleistungen
(beispielsweise durch Vereinheitlichung der Sozialver-
sicherungen, Fallführung, Assistenzbeitrag, System-
übergreifende Finanzierungsmodelle etc.).
•• Weitere zielgruppenspezifische Verbesserungen zum
Beispiel in der Koordination von Weiterbildungsange-
boten oder dem Austausch von fachlichem Know-how
wären sinnvoll und wichtig.
•• Die örtliche Vernetzung von städtischen Gebieten und
Care Farming in «strukturarmen» Regionen.
Die Workshops er möglichten, dass sich Akteure aus ver-
schiedenen Disziplinen austauschen und ihr per sönliches
Netzwerk vergrössern konnten. Die Form des Workshops
und der theoretische Bezug zu Transition Management
haben sich bewährt. Es zeigte sich auch, dass der Bedarf
aller Beteiligten an Koordination rund um die vorge-
schlagenen und gewünschten Verbesserungsmassnah-
men gross ist. Von den Anwesenden wurde die Gelegen-
heit, sich über die Disziplinen hinweg auszutauschen,
geschätzt. Laut mündlichen Rückmeldungen wurde
mehrfach das Interesse für eine Weiterführung der
Vernetzung ausgedrückt. Diese Workshops waren eine
der ersten Möglichkeiten, wo Akteure aus unterschiedli-chen Bereichen (Landwirtschaft /Soziales /Gesundheit /regi-
onale Entwicklung) aus verschiedenen Ebenen aufeinan-
der treffen.
Deutlich ist auch: der Handlungsbedarf für die
Erschliessung der Potenziale in vielen Bereichen rund um
Care Farming ist eklatant, wenn eine Professionalisie-
rung der gesamten Angebotskette von Klienten über
die Gastfamilie zu den Weiterbildungs anbietenden und
kantonal zuständigen Behörden angestrebt wird. Zu viel
Zeit und Wissen geht heute noch verloren in einem
unübersichtlichen Knäuel wertvoller, aber wenig
bekannter Angebote. (Zu wenig profitieren die Bäuerin-
nen und Bauern selbst von der Alltagsstruktur und dem
durch sie aufrechterhaltenen und gepflegten räumli-
chen Umfeld, welches ihr kulturelles Erbe ist und als sol-
ches Wert schätzung erfahren soll.) Zu undeutlich ist das
Profil sozialer Dienstleistungen in der Landwirtschaft für
die Bauern selber, für zuweisende Stellen und für die
breite Öffentlichkeit. Informationsaustausch fördert die
Transparenz: indem immer mehr Akteure die Bedürf-
nisse anderer sozialer Welten kennen, wird das Ver-
trauen und die Gemeinschaft gefestigt; letztere wird
gebündelt und kann stärker auftreten und handeln.
Weitere Informationen sind auf der neu erstellten
Homepage www.greencare.ch ersichtlich. n
347
Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming | Gesellschaft
Ria
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Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 342–347, 2011
Literatur b Christ Y., Widmer S.& Wydler H., 2010. Workshop Zwischenberichte 1–3. Potenziale Sozialer Dienstleistungen in der Schweizer Landwirtschaft. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, IUNR Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen. Ettenhausen und Wädenswil. Zugang: http://www.greencare.ch/index.php?option=com_content& view=article&id=248%3Achrist-y-widmer-s-wydler-hans-care-farming-potenziale-sozialer-dienstleistungen-in-der-schweizer-landwirtschaft& catid=63%3Apublikationen&Itemid=68&lang=de/ [24.1.2011].
b Loorbach D., 2007. Transition management. New mode of governance for sustainable development. Utrecht: International Books. 328 S.
b The World Café Community, 2002. Das World Café präsentiert …– Eine kurze Einführung, um Gespräche in Gang zu bringen … Deutsche Über-
setzung: Sabine Bredemeyer, all in one zur Bonsen&Associates. Zugang: www.theworldcafe.com/translations/Germancafetogo.pdf/ [ 24.1.2011].
b Wydler H., 2009. «Soziale Dienstleistungen»: Erste Ergebnisse der schriftlichen Befragung zu Betreuungs- und Pflegeleistungen in landwirt-schaftlichen Haushalten und Betrieben. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Ettenhausen, November 2009. Download (am 24.1.2011):
b www.greencare.ch/images/stories/pdf/resultate%20schriftliche%20be-fragung.pdf/
b Wydler H., Picard R., 2010. Care Farming: Soziale Leistungen in der Land-wirtschaft. Agrarforschung Schweiz, 1 (01), 24–29.
Development potential in the Care Farming
sector
In order to gain a better understanding of Care
Farming (the provision of social services in
farming) and to make better use of existing
potential, Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
Research Station and the Zurich University of
Applied Sciences (ZHAW) conducted three
workshops with experts from a wide variety of
professional fields in 2010.
The workshop participants agreed that Care
Farming has great potential (additional sideline,
expansion of the welfare and health system
among other things). Targeted measures,
including the following, could help to utilize it
better:
• more transparency between all participants is
required: disclosure of requirements, remunera-
tion, arrangements and responsibilities;
• better communication and networking is
needed between all those involved in social
services;
• a central coordination office could be a helpful
tool in tapping potential;
• the development of a quality assurance system
is a central tool;
• New forms and simplification of financing
models for the social services system would be
desirable.
The participants agreed on the central impor-
tance of the desired high quality of services and
the requirement to put the care recipient’s needs
first. Organisation of the Care Farming sector is
proving to be extremely complex, multilayered
and geographically very uneven.
Key words: Care Farming, Green Care, farm
diversification, transition management, social
innovation.
Potenziale di sviluppo nel settore del Care
Farming
Allo scopo di meglio comprendere e sfruttare
appieno il potenziale del Care Farming (la
prestazione di servizi sociali nell'agricoltura),
la Stazione di ricerca Agroscope Reckenholz-
Tänikon ART e l'Istituto universitario di scienze
applicate di Zurigo (ZHAW), nel 2010, hanno
tenuto tre workshop con la partecipazione di
esperti di svariati campi professionali.
I partecipanti ai workshop sono stati concordi
sul fatto che il potenziale del care farming è
considerevole (attività accessoria supplemen-
tare, sviluppo del sistema socio-sanitario). Esso
potrebbe essere sfruttato meglio attraverso
misure mirate, quali:
• migliorare la trasparenza tra tutte le parti
coinvolte: esplicitazione di esigenze, inden-
nizzi, regole e competenze;
• potenziare la comunicazione e l’interazione
tra tutte le persone coinvolte nella presta-
zione di servizi sociali;
• la creazione di una centrale di coordinamento
potrebbe rivelarsi uno strumento utile per
sfruttare appieno il potenziale;
• sviluppare un sistema di assicurazione della
qualità che costituisce uno strumento
fondamentale;
• ricercare nuove formule e semplificare i
modelli di finanziamento per il sistema delle
prestazioni sociali.Tutti i partecipanti hanno sottolineato la
grande importanza dell'elevata qualità auspi-
cata per le prestazioni nonché l'esigenza di
dare la priorità alle necessità delle persone cui
viene fornita assistenza. Il Care Farming si
presenta come un settore complesso, con molte
sfaccettature e differenze a livello geografico.
348 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011
A g r a r w i r t s c h a f t
Gemeinsam sind wir stärker: Immer mehr einzelne Gemeindeforst-betriebe schliessen sich zu Zweckverbänden zusammen. (Foto: Zweckverbandes Falknis)
E i n l e i t u n g
Verbesserte Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe ist nötig
Seit vielen Jahren weisen die öffentlichen Forstbetriebe der
Schweiz im Durchschnitt ein zwar jährlich schwankendes,
aber konstant negatives Betriebsergebnis aus. Dies gilt
sowohl für den reinen Holzproduktionsbetrieb als auch für
den Gesamtbetrieb (BAFU 2009).
Dieser Umstand wird im Allgemeinen auf die Struk-
turschwäche der Branche zurückgeführt (z.B. Amt für
Wald des Kantons Bern 2002). Zu kleine Betriebe arbei-
ten mit zu hohen Fixkosten und erzielen infolge kleiner
Angebotsmenge und wenig professioneller Vermark-
tungsstrukturen geringere Verkaufserlöse als ihre Mit-
bewerber jenseits der Schweizer Grenzen (Sekot 2007;
Mai et al. 2007).
Die Forstbetriebe haben grundsätzlich mehrere Optio-
nen, sich aus der misslichen Lage zu befreien: sie können
versuchen, ihre Betriebsfläche durch Zukauf von Wald zu
vergrössern, sie können ihr Leistungsangebot diversifi-
zieren oder sie können mit Nachbarbetrieben eine
Kooperation eingehen.
Private Waldbesitzer sind nur in geringem Mass bereit,
Wald zu verkaufen (Krebs 2002), der Verkauf von öffent-
lichem Wald bedingt zumeist einen Volksbeschluss und
ist damit politisch oft schwierig zu realisieren.
Die Diversifikation des Leistungsangebots wird von
den Betrieben als Strategie anerkannt, doch zeitigt diese
nicht überall den gewünschten Erfolg (Hofer 2007). Als
erfolgsversprechender Weg wird in der Waldwirtschaft
daher die Kooperation gesehen (z.B. Amt für Wald 2002).
In der Wald- und Holzwirtschaft sind Kooperationen
international gesehen keine Seltenheit. Im Hinblick auf
ihre Ausrichtung existieren aber regionale Unterschiede:
während in Skandinavien und Nordamerika die vertikale
Kooperation verbreitet ist, arbeiten die Betriebe in Mit-
teleuropa vor allem auf horizontaler Ebene zusammen.Die Gründung von forstlichen Kooperationen wird vom
Bundesamt für Umwelt gefördert und daher in den meis-
ten Kantonen auch finanziell unterstützt. Zusammen mit
der wirtschaftlich eher düsteren Zukunft der einzelnen
Betriebe und einer Reihe von Naturereignissen (z.B.
Sturm Lothar, Käferkalamitäten, Trockenheit im Sommer
2003) ergibt sich ein Umfeld, das die Bildung von Koope-
rationen in den letzten zehn Jahren begünstigt hat.
Im Rahmen einer vom Förderprogramm Holz21 und
Verband Waldwirtschaft Schweiz finanzierten und der
Abteilung Forstwirtschaft der SHL realisierten Studie
wurde untersucht, welche Kooperationsformen mit wel-
cher Kooperationstiefe in diesem Prozess im öffentli-
chen Wald entstanden sind, welche Rechtsformen
gewählt worden sind und welche Faktoren im Einzelfall
zur Kooperation geführt haben.
Barbara Stöckli und Bernhard Pauli, Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen
Auskünfte: Barbara Stöckli E-Mail: [email protected], Tel. +41 31 910 22 70
Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht
Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht | Agrarwirtschaft
349
Zusa
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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011
Im Rahmen einer Studie der Schweizerischen
Hochschule für Landwirtschaft wurde unter-
sucht, welche Kooperationsformen in der
Schweizer Waldwirtschaft bestehen und
welche Faktoren die Gründung begünstigt
haben. Generell wurde dabei eine grosse
Vielfalt der Zusammenarbeitsformen festge-
stellt. Die Vielfalt betrifft dabei die Kooperati-
onstiefe, die Wahl der Rechtsform und die
Anzahl beteiligter Partner. Ein einzelnes
«bestes» Modell konnte nicht eruiert werden,
vielmehr ist erfolgreiche Kooperation abhän-
gig vom vorhandenen Umfeld und den darin
agierenden Schlüsselpersonen. Einige Koope-
rationsformen wurden ausgewählt und in
einer Praxishilfe präsentiert.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Umfragen, Interviews und Betriebsabrechnungen als
Basis
Die Studie beruht zum einen auf Umfragen, die bei den
kantonalen Waldwirtschaftsverbänden, beim Verband
Waldwirtschaft Schweiz sowie bei den kantonalen Forst-
diensten und ausgewählten Betriebsleitern durchge-
führt worden sind. Zum andern wurden zwanzig beste-
hende Kooperationen ausgesucht und deren Struktur
genauer analysiert.
Die Auswahl der Kooperationsformen beruhte auf fol-
genden Kriterien:
•• Verschiedenartigkeit der Kooperationsansätze in
Bezug auf ihre Kooperationstiefe
•• Räumliche Verteilung (Beispiele aus den Hauptproduk-
tionsregionen Jura, Mittelland, Voralpen, Alpen,
Alpensüdseite)
•• Verschiedenartigkeit in Bezug auf das wahrgenom-
mene Aufgabenspektrum (z.B. Schutzwald, Erholungs-
wald etc.).
Von den zwanzig untersuchten Kooperationen waren
vier reine Holzvermarktungsorganisationen mit einer
geringen Kooperationstiefe, sechzehn Kooperationen
wurden den Betriebskooperationen zugeordnet.
Zwei Vermarktungsorganisationen und drei Betriebs-
kooperationen wurden der Produktionsregion Voralpen /
Alpen / Alpensüdseite zugerechnet, sechs Betriebskoope-
rationen stammten aus dem Jurabogen während die
übrigen untersuchten Zusammenarbeitsformen aus dem
Mittelland stammten.
Alle Kooperationsformen wurden nach dem Sturm
Lothar, in den Jahren 2001 bis 2006 gegründet und
befanden sich zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch
in der Aufbauphase.
Als Grundlagen für die Analyse der Betriebskoopera-
tionen dienten die Betriebsabrechnungen (wobei elf
von sechzehn Kooperationen bereit waren, ihre Daten
offen zu legen), die Kooperationsverträge beziehungs-
weise die Statuten und zugehörigen Reglemente sowie
leitfadengestützte Gespräche mit den jeweiligen
Betriebsleitern (Geschäftsführern).
Theoretische Grundlagen
Kooperation ist die freiwillige Zusammenarbeit von
rechtlich selbstständigen Partnern, die ihre wirtschaftli-
che Unabhängigkeit partiell zugunsten eines koordinier-
ten Handelns aufgeben, um angestrebte Unterneh-
mensziele im Vergleich zum individuellen Vorgehen
besser erreichen zu können (Etter 2003, S. 44).
Kooperation kann ganz unterschiedlicher Natur sein.
Sydow (2006) weist darauf hin, dass die Möglichkeiten,
Netzwerktypen zu unterscheiden, an sich grenzenlos
sind. Die von ihm vorgeschlagene und in der Studie von
Pauli et al (2008) verwendete Klassierung beschränkt
sich auf die Steuerungsform (Hierarchie oder Gleich-
berechtigung zwischen den Partnern) und die zeitliche
Stabilität des Netzwerks (Abb. 1).
Theling und Loos (2004) nennen zusätzlich noch Klas-
sifikationskriterien wie Anzahl Partner und ihre Her-
kunft aus geografischer oder institutioneller Sicht.
Aus theoretischer Sicht gibt es drei Modellansätze
zur Erklärung, warum sich Kooperationen überhaupt bil-
den. Der auf die Ökonomen Bains (1968) und Porter
(1981) zurückgehende industrieökonomische Erklä-
!!!!
stabil dynamisch
hierarchisch
heterarchisch
Strategische Netzwerke
VU
VU = Virtuelle Unternehmung Quelle: Sydow (2006) Notwendige Stabilität der Kooperation
Projekt- netzwerke
Produktions-netzwerke
VO
KB
FBG
Verbund-netzwerke
Steu
erun
gsfo
rm
Abb. 1 | Schema zur Einordnung der Kooperationsformen. KB = Kopfbetrieb; FBG = Forstbetriebs gemeinschaft; VO = Vermarktungsorganisation.
Agrarwirtschaft | Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht
350 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011
rungsansatz für die Entstehung von Kooperationen geht
davon aus, dass Gruppen von Unternehmen, die sich im
gleichen Markt bewegen und sich substituierende Pro-
dukte anbieten, also zueinander in Konkurrenz stehen,
ab einer gewissen Anbieterkonzentration beginnen,
zusammenzuarbeiten, um ihre Position innerhalb des
Marktes zu stärken.
Alle sich im gleichen Markt mit einer ähnlichen Wett-
bewerbsstrategie bewegenden Unternehmen zusammen
bilden eine strategische Gruppe welche sich durch soge-
nannte Mobilitätsbarrieren oder Marktschranken von
anderen strategischen Gruppen abgrenzt (Porter 1980).
Kooperation kann für ein Unternehmen auch eine Mög-
lichkeit sein, diese Mobilitätsbarriere zu durchbrechen
und in eine andere strategische Gruppe einzudringen.
Ein zweiter Ansatz zur Erklärung von Kooperationen
liefert die Neue Institutionenökonomie mit ihrer Transak-
tionskostentheorie, welche im Wesentlichen auf mehrere
wissenschaftlichen Arbeiten von Coase (1937 bis 1960)
zurückgeht und z.B. bei Pauli (2002) zusammengefasst ist.
Zwei grundsätzlich unterschiedliche Organisationsfor-
men existieren in der Welt der Neuen Institutionenöko-
nomie: einerseits der Markt, in welchem Unternehmen
flexibel sind, sich opportunistisch verhalten aber einen
hohen Koordinationsaufwand betreiben müssen, um
über Verträge Dienstleistungen und Güter zu beschaffen.
Auf der anderen Seite des Spektrums steht die Firma, die
hierarchisch organisiert ist, anti-opportunistisches, ver-
trauensbasiertes Handeln von den einzelnen Beteiligten
erfordert, einen geringeren Koordinationsaufwand trei-
ben muss dafür aber von geringerer Flexibilität ist.
Nach Sydow (2006) ist die Kooperation nun Ausdruck
einer hybriden Form zwischen Markt und Hierarchie in
welcher versucht wird, die Vorteile der marktlichen Struk-
tur (vor allem die Flexibilität) mit den Vorteilen der hier-
archischen Firmenstruktur (geringer Koordinationsauf-
wand ergo geringe Transaktionskosten) zu vereinen.
Die neuesten Erklärungsmodelle aus dem Supply Chain
Management gehen davon aus, dass Kooperationen ent-
stehen, weil sich Unternehmen schnell neue Kompeten-
zen oder neue Märkte erschliessen wollen (siehe hierzu
z.B. Duschek und Sydow (2002)).
Ein anderer Zweig der Kooperationsforschung unter-
sucht das Kooperationsverhalten auf Ebene der einzelnen
Menschen und versucht daraus die Auswirkungen auf
ganze Systeme abzuleiten.
Bereits in den 1980er Jahren konnte Axelrod (1984)
mit spieltheoretischen Experimenten nachweisen, dass
unter speziellen Bedingungen Kooperation auch unter an
sich egoistisch handelnden Partnern lohnenswert ist und
sich daher bis zu einem gewissen Grad in einer Gruppe
durchsetzt.
Neuere Arbeiten (z. B. Fehr und Fischbacher 2003) zei-
gen auf, dass Kooperation jedoch weitaus häufiger statt-
findet, als die theoretische Herleitung dies vermuten lässt,
weil auch bisher vernachlässigte Facetten des Menschen
wie Altruismus oder Gerechtigkeitssinn (Fairness) die
Handlungsentscheidungen beeinflussen.Angewandte Modelle im Bereich der Kooperation
gehen daher davon aus, dass für deren erfolgreiche Ein-
führung und Stabilisierung neben der Organisations-
form und deren stategische Ausrichtung der Faktor
Mensch die entscheidende Rolle spielt (z.b. Kyburz und
Pfister 2005).
R e s u l t a t e
Kooperationen im Wald sind auf Stabilität ausgelegt
Die im Rahmen der SHL-Studie analysierten Kooperati-
onsformen wurden nach ihrer zeitlichen Dauer und ihrer
Steuerungform einerseits und nach der Kooperationsin-
tensität andererseits klassiert, hierbei wurde das Klassie-
rungssystem von Sydow (1998) verwendet (Abb. 1). Es
wurden drei grosse Gruppen von Kooperationsformen
unterschieden, die nachfolgend kurz beschrieben werden.
Forstbetriebsgemeinschaften (FBG) sind Kooperati-
onsformen, bei welchen sich mehrere öffentliche Wald-
eigentümer zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft
nach kantonalem Recht zusammenschliessen (zum Bei-
spiel in Form eines Zweckverbandes). Die der Zusam-
menarbeit zu Grunde liegenden Verträge sind langfris-
tig ausgelegt (stabil) und die beteiligten Betriebe sind
gleichberechtigte Partner (heterarchisch). Nach Hess
(2000) entsprechen die Forstbetriebsgemeinschaften
somit einem Verbundnetzwerk (Abb.1, VN).
Abb. 2 | Kooperative Holzvermarktung erleichtert den Zugang zu in-ternationalen Märkten und den Handel mit Grosskunden, welche das Holz bahnwagenweise kaufen. (Foto: Michael Meuter, Zürich/ LIGNUM)
Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht | Agrarwirtschaft
351Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011
Alle Kooperationsformen mit Stärken und Schwächen
Als Stärken der Kooperationen konnten grundsätzlich
eine Professionalisierung in den durch die Zusammenar-
beit betroffenen Teilbereichen festgestellt werden. Die
Kooperationen zeichnen sich durch schlanke Strukturen
und eine effiziente Aufgabenabwicklung aus. Generell
haben die Kooperationen noch die Möglichkeit, weitere
Partner aufzunehmen und dadurch ihre Stellung am
Markt weiter zu verbessern.
Schwächen weisen die Kooperationsformen bei der
Formulierung ihrer Strategien und Zielsetzungen auf.
Sie sind oft sehr allgemein gehalten und bergen somit
Gefahr, dass (noch) nicht entdeckte Zielkonflikte beste-
hen. Auch ist der Aufbau von wirkungsvollen Kontroll-
mechanismen ohne Formulierung klarer Ziele nicht
möglich. Die untersuchten Kooperationsformen schöp-
fen ihr Potenzial noch nicht aus, was zumindest teilweise
damit zu erklären ist, dass sich alle Kooperationen noch
im Aufbaustadium befinden. Synergien zum Beispiel bei
der Rechnungslegung werden oft noch nicht genutzt
und Personal- und Maschinenbestände sind den neuen
Strukturen (noch) nicht angepasst. Gefahr droht denje-
nigen Zusammenarbeitsformen, welche stark von einer
einzelnen Person (Geschäftsführer oder Betriebsleiter)
abhängig sind und die Stellvertretung noch nicht gere-
gelt haben. Der Wegfall dieser Schlüsselperson bedeutet
Informations-, Kontroll- und Know-How-Verlust und
gefährdet den Weiterbestand der ganzen Kooperation.
Als Praxishilfe wurden aus dem umfangreichen Katalog
der Kooperationsformen sechs Beispiele herausgegrif-
fen. Nebst einem Kurzbeschrieb mit Eckdaten wurde
eine vereinfachte Stärken-Schwächen-Analyse darge-
stellt. Ein Fazit rundet die Beschreibung ab (SHL, WVS &
BAFU 2010).
Im Unterschied dazu sind Holzvermarktungsorgani-
sationen (VO) Zusammenschlüsse von mehreren bis sehr
vielen kleinen bis grossen Waldeigentümern zur gemein-
samen Vermarktung ihres Holzes. Die Kooperation ist im
Ausmass somit bescheidener als diejenige der Betriebs-
kooperationen. Die Vermarktungsorganisation ist auf
ein langfristiges Bestehen ausgelegt (stabil), doch die
einzelnen Lieferanten können nicht zur Vermarktung
des Holzes über die Organisation verpflichtet werden
und nutzen diese deshalb nur, wenn sie ihnen einen Vor-
teil verschafft. Dadurch ergibt sich eine ausgesprochen
dynamische Komponente. Die Vermarktungsorganisa-
tion ist an der Schnittstelle zwischen Verbundnetzwer-
ken und Produktionsnetzwerken (PN) einzuordnen .
Häufig anzutreffen ist in der Schweizer Waldwirt-
schaft die Kooperationsform des Kopfbetriebs (KB).
Hierbei übernimmt der Waldbesitzer, welcher auch den
Betrieb besitzt, eine klare Führungsrolle gegenüber den
Kooperationspartnern. Der Kopfbetrieb wird zum foka-
len Unternehmen, die Kooperationsform bildet ein stra-
tegisches Netzwerk (SN).
Allen untersuchten Kooperationsformen gemeinsam
ist ihre Ausrichtung auf Langfristigkeit und Stabilität.
Hinsichtlich der Intensität der Kooperation oder der
Kooperationstiefe nimmt die Intensität vom Kopfbe-
trieb mit Einzelabrechnung hin zur Betriebsgemein-
schaft mit gemeinsamer Rechnung zu. In der Schweizer
Waldwirtschaft kommen alle Intensitätsstufen vor.
Grosse Vielfalt an RechtsformenAuch betreffend Wahl der Rechtsform herrscht in der
Schweizer Waldwirtschaft eine grosse Vielfalt. So wurden
neben eher klassischen Formen wie der Pacht, der Genos-
senschaft oder dem Auftrag auch Gesellschaften mit
beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften und Vereine
gefunden. Unter den untersuchten Kooperationsformen
organisierten sich die öffentliche Waldeigentümer jedoch
am häufigsten in öffentlich-rechtlichen Zweckverbänden
nach kantonalem und kommunalem Recht.
Die Rechtsform definiert die internen und externen
Rahmenbedingungen, nach welchen sich die Kooperati-
onsform zu richten hat. Die Rechtsform wirkt sich auf
Haftungsfragen aus und bestimmt die Möglichkeiten
und Grenzen der Mitgestaltung und Mitbestimmung der
einzelnen Betriebe.
Entsprechend viel Bedeutung messen die Beteiligten
der Wahl der Rechtsform beim Eingehen einer Koopera-
tion oder bei der Firmengründung generell bei.
Nach Analyse der zwanzig Kooperationsformen in
der Schweiz kommen Pauli et al (2008) jedoch zum
Schluss, dass die Rechtsform für den Erfolg der Koopera-
tion nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Abb. 3 | Eine vertrauensbildende Massnahme in neuen Kooperatio-nen ist es, allen Mitarbeitern neue Aufgaben zu übertragen, die sie fördern und fordern ohne zu überfordern. (Foto: SHL FWI)
352
Agrarwirtschaft | Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011
Der Weg in die Kooperation führt über engagierte
Meinungsmacher
Die Befragung der Betriebsleiter diente auch der Samm-
lung von Entstehungsgeschichten, die anschliessend hin-
sichtlich ihrer Gemeinsamkeiten untersucht worden sind.
Dabei ist festzustellen, dass in jedem näher untersuch-
ten Fall ein aus betrieblicher Sicht gravierendes äusseres
Ereignis den Weg frei gemacht hat für die Veränderung
in der Organisationsform. Die schwierige Situation auf
dem Holzmarkt nach dem grossen Sturm Lothar war
einer dieser Auslöser. Noch häufiger aber waren per-
sonelle Veränderungen in einem oder mehreren räum-
lich nahestehenden Forstbetrieben der Anlass für den
Beginn von Kooperationsverhandlungen.
In einem ersten Schritt haben eine oder mehrere vor
Ort akzeptierte Persönlichkeiten aus Wald- oder Polit-
kreisen den Weg in die Kooperation durch vertrau-
ensbildende Massnahmen bereitet. Der Einbezug aller
Beteiligten und Offenheit gegenüber deren Ängsten
zeichnen diesen Prozess der Vertrauensbildung aus.
Eine gemeinsame Wertebasis (eine ähnliche Unter-
nehmenskultur) ist für die Phase des Zusammenfin-
dens der neuen Kooperationspartner entscheidend. Sie
drückt sich nicht nur in der Formulierung gemeinsamer
Ziele und einer gemeinsamen Strategie, sondern auch
im Umgang mit Mitarbeitern und der natürlichen Pro-
duktionsgrundlage «Wald» aus.
D i s k u s s i o n
Die ökonomische Analyse von Kooperationen und die
zugehörigen theoretischen Erklärungsmodelle hat in der
Vergangenheit sehr stark auf die technisch-organisatori-
sche Ebene fokussiert (vgl. z.B. Pauli 2002, Sydow 2006
etc.). Hierbei wurde aus Gründen der Modellvereinfa-
chung ausgeblendet, dass Organisationen durch Men-
schen gemacht und ihre Präferenzen und ihre Werthal-
tung daher sehr entscheidend für den Erfolg der
Organisation sind (vgl. z.B. Kyburz und Pfister 2005).
Die ebenfalls stark auf «harte Fakten» wie formu-
lierte Strategien, Organisationsstrukturen und -prozesse
sowie finanzielle Kennziffern ausgerichtete Untersu-
chung aus den Jahren 2006 bis 2008 konnte daher den
Erfolg der einzelnen untersuchten Kooperationen nur in
einem geringen Mass erklären. Statistische und verglei-
chende Aussagen sind durch das gewählte Auswahlver-
fahren für die Detailanalysen nicht möglich. Der Wert
der Untersuchung beruht auf der Darstellung vieler
möglicher Wege in die erfolgreiche Kooperation, die in
der Schweizer Waldwirtschaft bereits beschritten wor-
den sind. Sie dokumentiert einen Entwicklungsstand,
der als Basis einer Zeitreihenanalyse dienen kann um so
den Übergang von Aufbau- zu Dauerphase zu erfassen,
zu untersuchen und letztlich besser zu verstehen.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Von zentraler Wichtigkeit bei der Gründung einer
Kooperation ist die Identifikation und anschliessende
Integration sämtlicher Schlüsselfiguren. Dazu gehören
die lokalen Meinungsmacher, die politisch Verantwortli-
chen, die bisherigen Betriebsleiter, die Mitarbeiter und
der lokale Forstdienst. Je früher alle diese Akteure in
den Prozess mit einbezogen werden, desto grösser sind
die Erfolgsaussichten für das Kooperationsprojekt.
Bereits zu Beginn muss eine gemeinsame Wertebasis
bestehen. Betriebe, die eine grundsätzlich verschiedene
Auffassung von waldbaulichen Strategien haben, die
eine diametral auseinandergehende Betriebskultur leben
oder ein sich kaum überschneidendes Produkteportfolio
aufweisen, werden es schwer haben, erfolgreich zu
kooperieren. Allein die räumliche Nähe reicht daher für
die Bildung einer Betriebskooperation nicht aus.
Die Wahl der Rechtsform entscheidet zumindest in
der hier dokumentierten Aufbauphase nicht über Erfolg
oder Misserfolg einer Kooperation. Trotzdem sind die
Autoren der Überzeugung, dass eine Rechtsform, die
den einzelnen Partnern klare Rechte und Pflichten auf-
erlegt, zu bevorzugen ist, weil dies die Kooperations-
partner dazu zwingt, ihre Rollen genau zu definieren.
Es ist nicht möglich und auch nicht nötig, den vol-
len Kooperationsnutzen bereits von Anfang an auszu-
schöpfen. Erstrebenswert ist das schrittweise Vorgehen
begleitet von vertrauensbildenden Massnahmen wie
koopera tiver Betriebsführung durch mehrere bisherige
Betriebsleiter, die Erstellung von Abrechnungen für jeden
Teilbetrieb, die Übernahme des ganzen Personals, das in
der neuen Betriebsform mitarbeiten will. Die Zusammen-
arbeit soll sukzessive weiter vertieft werden. Das Ziel ist
die langfristige Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und
das Bestehen in einem zukünftigen unter Umständen
noch stärker globalisierten Markt. Diesem Ziel soll und
muss die kurzfristige Rendite untergeordnet sein. n
353
Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht | Agrarwirtschaft
Ria
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Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 348–353, 2011
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Swiss forest economy: how to cooper-
ate successfully
Within the framework of a study
conducted by the Swiss College of
Agriculture, the types of cooperation
currently in existence in the Swiss
forestry industry together with the
factors favorably influencing their
establishment were examined. It was
ascertained that a wide variety of
cooperation types exist in terms of the
depth of cooperation, the choice of
legal structure and the number of
participating partners. No «best» model
could be determined; it was rather
clear that successful cooperation
depends on the existing situation and
its key players. Some cooperation types
have been selected and are presented
in the form of practical advice.
Key words: Swiss forest industries,
cooperation.
Economia forestale svizzera:
Quale forma di collaborazione porta al
successo
Nell’ambito di uno studio della Scuola
superiore di agricoltura svizzera è stato
esaminato quali forme di cooperazione
nel settore dell’economia forestale
svizzera esistono e quali fattori hanno
promosso la loro costituzione. In
generale vi è stata constatata una
grande diversità tra le forme di
collaborazione istaurate. Questa
diversità è dettata dall’intensità di
collaborazione, dalla scelta della forma
giuridica e dal numero di partner
coinvolti. Non è stato, tuttavia,
possibile identificare un unico modello
«ideale». Risulta piuttosto che la
cooperazione di successo dipende
dall’ambiente esistente e dalle attività
svolte da persone chiave coinvolte.
Alcune forme di collaborazione sono
state selezionate e presentate come
aiuto pratico.
354 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011
Abhängig vom gewählten Milchzahlungssystem erreichten entweder die neuseeländischen Holstein oder die Schweizer Holstein das höchste Einkommen pro Hektare. (Foto: Projekt «Weidekuh-Genetik»)
Christian Gazzarin1 und Valérie Piccand2
1Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen2Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen
Auskünfte: Christian Gazzarin, E-Mail: [email protected], Tel. +41 52 368 31 31
E i n l e i t u n g
In einem Milchproduktionssystem sind die Futterkosten
die grösste Kostenposition. In der Schweiz können bis zu
30 Prozent der Selbstkosten auf die Futterproduktion
und den Futterzukauf (v. a. Ergänzungsfutter) zurückge-
führt werden (Gazzarin et al. 2005). Eine Steigerung des
Weideanteils reduziert nicht nur die Konservierungskos-
ten, sondern führt auch zu namhaften Arbeitszeitein-
sparungen in der Fütterung, weil die Kühe ihr Futter
selbst holen und fressen. Hierfür ist jedoch in der Regel
eine genügende Arrondierung des Betriebes Vorausset-
zung. Eine saisonale Abkalbung im Frühling kann den
Umfang der Futterkonservierung weiter reduzieren,
indem die Galtphase in die Winterfütterung fällt. Ein-
sparungen im Bereich der Futterkonservierung bedeu-
ten tiefere Maschinen-, Gebäude- (d. h. Lager-) und
Arbeitskosten. Gerade diese Strukturkostenpositionen
haben in der Schweiz, die durch ein hohes Kostenumfeld
geprägt ist, ein besonderes Gewicht (Gazzarin und Schick
2004, Gazzarin et al. 2005).
Eine vermehrte Weidehaltung sowie eine saisonale
Abkalbung stellen andere Anforderungen an eine Kuh
als eine vorwiegende Stallfütterung mit verteilter Abkal-
bung. In den letzten Jahren wurde zu einem hohen
Anteil nordamerikanische, unter Stallfütterungsbedin-
gungen selektierte Genetik in Schweizer Kuhrassen ein-
gesetzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,
inwiefern die aktuell verbreiteten Kuhtypen sich über-
haupt für ein Vollweidesystem mit saisonaler Abkalbung
eignen. Die Forschung der letzten Jahre zeigt nämlich
auf, dass Kühe, die in Stallfütterungssystemen mit Total-
Misch-Ration (TMR) gezüchtet worden sind, hinsichtlich
Produktion, Fruchtbarkeit (Kolver et al. 2000, Horan et
al. 2005, Fulkerson et al. 2008) und Wirtschaftlichkeit
(McCarthy et al. 2007) nicht für Vollweidesysteme geeig-
net sind. Doch mit welchem Kuhtyp lässt sich unter Voll-
weidebedingungen und Frühjahrs-Blockabkalbungen
das höchste Einkommen erzielen, wenn man die limitier-
ten Flächenverhältnisse, wie sie für Schweizer Milchvieh-
betriebe typisch sind, berücksichtigt? Wie wird dabei die
Arbeit monetär verwertet (Stundenlohn)?
T i e r e , M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung standen die
Daten aus drei Untersuchungsjahren des Projektes Wei-
dekuh-Genetik der Schweizerischen Hochschule für
Landwirtschaft (SHL) und weiterer Partner zur Verfü-
gung. Die Versuchstiere und involvierten Betriebe, die
Versuchsanlage, die untersuchten Parameter sowie die
statistischen Analysemethoden sind im ersten Artikel der
Serie detailliert beschrieben worden (Piccand et al. 2011).
Kurz zusammengefasst wurden von 2007 bis 2009 neu-
seeländische Holstein-Friesian (NZ HF) Kühe Schweizer
Kühen auf 15 Praxisbetrieben gegenübergestellt, wobei
der Versuch insgesamt 259 Laktationen von 134 Kühen
beinhaltete (NZ HF, n = 131 Laktationen / 58 Kühe;
Schweizer Holstein (CH HF) 40/24; Schweizer Fleckvieh
(CH FV) 43/27; Schweizer Brown Swiss (CH BS) 45/25). Zu
den wichtigsten Daten zählen die Laktationsleistungen
der ersten drei Laktationen, Milchgehalte, mittlere Jah-
Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung
A g r a r w i r t s c h a f t
Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung | Agrarwirtschaft
355
Zusa
mm
enfa
ssu
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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011
In einem Vollweidesystem mit Frühjahrs-
Blockabkalbung wird die Wirtschaftlichkeit
verschiedener Kuhtypen untersucht. Hierfür
erfolgte eine Herdensimulationsrechnung auf
Basis der Versuchsdaten des Projekts «Weide-
kuh-Genetik».
Die Ergebnisse zeigen Einkommensdifferen-
zen zwischen null und 15 %. Umgerechnet auf
das Kilogramm Milch liegen die Differenzen
bei null bis fünf Rappen. Eindeutige Vorteile
eines bestimmten Kuhtyps sind nicht auszu-
machen. In der Modellberechnung zeigte sich
jedoch, dass eine hohe Milchproduktion pro
Hektare oder – bei einer Gehaltsbezahlung –
die entsprechend produzierte Fett- und
Eiweissmenge pro Hektare einen wesentli-
chen Erfolgsfaktor darstellen. Hohe Flächen-
leistungen können sowohl mit hohen
Einzeltierleistungen als auch mit tieferen
Kuhgewichten und der damit verbundenen
Steigerung der Herdengrösse erreicht werden.
Weitere kuhtypenbezogene Unterschiede
ergaben sich in der Fleisch- und Fruchtbar-
keitsleistung. Letztere ist für ein saisonales
Vollweidesystem essentiell, konnte jedoch
hinsichtlich der Auswirkungen auf den
Arbeitszeitbedarf nicht vollumfänglich in den
Ergebnissen berücksichtigt werden. Die
Beschaffung solider Datengrundlagen über
verschiedene Kuhtypen in verschiedenen
Produktionssystemen soll deshalb fortgesetzt
werden, um weitere Einflussfaktoren – nicht
nur im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit,
sondern auch auf weitere Aspekte der
Nachhaltigkeit wie Ökologie oder Arbeitsbe-
lastung zu evaluieren.
res-Körpergewichte und die Anzahl nicht trächtiger
Kühe nach zwölf Wochen Besamungssaison.
Auf Basis der erwähnten Daten ging es nun darum, je
Versuchsgruppe eine gesamte Herde zu simulieren und
die Versuchsdaten basierend auf einer definierten Her-
denstruktur (Anteil der Kühe in den jeweiligen Laktatio-
nen) auf eine Herde hochzurechnen (Tab. 1). Die Leis-
tung der dritten Laktation galt dabei als Basis für die
vierte und alle folgenden Laktationen.
Die Berechnungen erfolgen in verschiedenen Kalku-
lationsmodellen. In einem Herdenmodell liessen sich die
mittlere Jahresleistung und das mittlere Gewicht pro
Kuh aufgrund einer definierten Herdenstruktur berech-
nen. In einem weiteren Modell errechnete sich der
Grundfutterverzehr für Winter und Sommer auf Basis
einer vorgegebenen Grundfutterqualität in Abhängig-
keit der Jahresleistung, des Kuhgewichtes und des
Abkalbetermins. Der Kraftfutterverzehr wurde dabei auf
280 kg fixiert entsprechend der durchschnittlichen Fütte-
rung auf den 15 Versuchsbetrieben des Weidekuh-Gene-
tik Projekts. Weitere Anpassungen erfolgten in weiteren
Berechnungsmodellen zu den Melkzeiten (in Abhängig-
keit der Tagesmilchmenge) und zu den Gebäudekosten.
Bei letzteren wurden nicht nur die Lagerkosten dem
Trockensubstanz-Verzehr angepasst, sondern bei den
CH HF auch die Funktionsflächen wie Liegeboxen, Stall-
gänge und Fressplätze um 5 % erhöht, da die CH HF teil-
weise eine Widerristhöhe von über 150 cm aufwiesen.
Die errechneten Daten gelangten schliesslich in ein
umfassendes Berechnungsmodell zur Ermittlung der
diversen Leistungs- und Kostenpositionen eines geschlos-
senen Milchproduktionssystems (Gazzarin und Schick
2004). Tabelle 2 zeigt die dafür unterstellte Mechanisie-
rung und den Gebäudetyp, wobei hier keine Differen-
zierung nach Kuhtypen vorgenommen wurde. Zur Interpretation der Ergebnisse muss berücksichtigt
werden, dass es sich dabei um optimierte Systeme han-
delt. Das heisst, die Kapazitäten, insbesondere die Stall-
plätze, sind voll ausgelastet und es sind keine Altlasten
(bestehende Schulden von Altgebäuden) vorhanden.
Ausserdem wurden auch keine Wachstumskosten wie
Kontingentsabschreibungen oder -mieten berücksichtigt.
R e s u l t a t e
Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse bei ausschliesslicher Heu-
fütterung mit 15 ha intensivem Grünland unter Talbe-
dingungen. Neben einer reinen Volumenbetrachtung
werden die Ergebnisse zusätzlich unter der Vorausset-
zung einer Gehaltsbezahlung dargestellt («V + Gehalt»).
Bei 15 ha können je nach Gruppe rund 29 bis 33 Kühe
gehalten werden. Entscheidend für die Anzahl Kühe pro
Fläche ist der Grundfutterverzehr pro Kuh, der wiede-
rum vom Körpergewicht und von der Milchleistung
(energiekorrigierte Milch, ECM) abhängig ist. Das Ein-
kommen aus der Milchproduktion liegt je nach Bezah-
lungssystem zwischen rund 3200 Franken (CH FV, Volu-
menbezahlung) und 3700 Franken pro Hektar (NZ HF,
Gehaltsbezahlung).
Agrarwirtschaft | Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung
356 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011
Von den Versuchsgruppen produzierte die CH HF zwar
am meisten Milch pro Hektar. Dieser Leistungsparameter
korreliert jedoch nur mit dem Einkommen, falls die Gehäl-
ter nicht bezahlt werden. Die Gehaltsbezahlung führt ins-
besondere bei den NZ HF-Tieren zu einem besseren
Ergebnis trotz tieferer Milchproduktion (Abb. 1).
Eine weitere entscheidende Grösse für die Wirtschaft-
lichkeit ist die Arbeitsverwertung (Stundenlohn). Diese
errechnet sich, indem von den Erlösen sämtliche Kosten
mit Ausnahme der Arbeitskosten abgezogen werden und
dieses Einkommen durch die aufgewendete Arbeitszeit
dividiert wird. Die tiefste Arbeitszeit weist die CH HF-
Herde und die CH FV-Herde aus (Tab. 3). Dies ist vor allem
bedingt durch die geringere Kuhzahl, die sich vor allem
bei der Winterfütterung bemerkbar macht. Je weniger
Kühe, desto geringer ist der Arbeitszeitaufwand für Fütte-
rung und Entmistung. Die Arbeitsverwertung schwankt
zwischen 19 und 22 Franken je eingesetzte Arbeitsstunde,
wobei der höhere Wert in beiden Bezahlungssystemen
von den CH HF erreicht wird. Dies erklärt sich auch damit,
als die Investitionen pro Hektar für ein Stallgebäude mit
weniger Kühen geringer ausfallen – auch wenn in diesem
Fall die Funktionsbereiche um 5 % vergrössert sind.
Einheit CH HF CH FV CH BS NZ HF
Mittlere Jahresmilchproduktion pro Kuh kg Milch 6431 5811 5500 5799
Berechnete Laktationsdauer1 Tage 274 286 278 276
Fettgehalt % 4,0 4,2 3,9 4,2
Eiweissgehalt % 3,2 3,3 3,3 3,5
Mittlere Jahres ECM-Produktion pro Kuh kg ECM 6344 5920 5381 6002
Mittleres Schlachtkuh-Gewicht kg 586 607 516 509
Mittleres Kuhgewicht Herde kg 598 643 537 540
mittlerer Grundfutterverzehr pro Jahr (silofrei) kg / Kuh 5719 5654 5002 5331
mittlerer Grundfutterverzehr pro Jahr (mit Silage) kg / Kuh 5662 5586 4949 5272
Remontierungsrate %2 31 24
daraus abgeleitet Nutzungsdauer Jahre 3,25 4,24
daraus abgeleitet Herdenstruktur (Anteil 4ff. Lakt.) % 37 54
Aufzuchtfaktor (aufgezogene Kälber) Faktor 0,95 0,95
Anteil Kreuzungskälber % 32 46
Korrekturfaktor für 4. Laktation3 Faktor 1,053 1,053
Kraftfutterverzehr pro Jahr kg / Kuh 280 280
Fleischmehrerlösfaktor Kälber und Kühe Faktor 1 1,1 1 1
Aufzuchtpauschale Jungvieh CHF / Monat 90 90 80 80
Tab. 1 | Abgeleitete Herdedaten auf Basis der Versuchsergebnisse des Projekts «Weidekuh-Genetik», 2007–2009
1 Die Laktationstage sind anhand der fruchtbarkeitsleistung angepasst. Kühe, die später trächtig werden, haben kürzere Laktationen, da alle gleichzeitig galt gestellt wurden.
2 remontierungsrate = Anteil nicht trächtiger Kühen nach 12 wochen + 10% (gerundet).3 Leistung 3. Laktation multipliziert durch Korrekturfaktor = Leistung 4. Laktation.
18
19
20
21
22
23
3100 3200 3300 3400 3500 3600 3700 3800
CHF
/ h
CHF/ha
Abb. 1 | Auswirkung der beiden Milchbezahlungssystemen (Volu-menbezahlung – leere Symbole; Zuschlag für Gehalte mit System mit additivem Korrekturfaktor auf Basispreis (0,63 CHF/kg Milch) und 0,05 CHF* [Fett % + (2 × Protein %) – 10,5) – volle Symbole] über dem Einkommen pro ha und Arbeitsstunde für verschiedene Kuhtypen (CH HF ■; CH FV ■; CH BS ▲; NZ HF ●) auf 15 ha mit Heufütterung.
Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung | Agrarwirtschaft
357Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011
tions- und Fruchtbarkeitsleistung verglich (NZ HF und
CH HF), erreichte der neuseeländische Holsteintyp bes-
sere Wirtschaftlichkeitsresultate, bei allen untersuchten
Szenarios (McCarthy et al. 2007). Die tiefere Milchpro-
duktion wird weitgehend mit besseren Fruchtbarkeits-
leistungen kompensiert. Die Fruchtbarkeitsleistungen
beeinflussen in unseren Modellen nur die Laktations-
dauer und die Remontierungsrate. Den indirekten Aus-
Die Ergebnisse bei 30 ha verhalten sich zwischen den
Rassen ähnlich, liegen jedoch 40 bis 50 % über denjeni-
gen der kleineren Bestände. Entsprechend der Grund-
futterfläche können 57 bis 65 Kühe gehalten werden.
Sämtliche Vergleiche sind auch mit Silofütterung gerech-
net worden. Die Einkommen liegen, bei einem um drei
Rappen tieferen Milchpreis, 7 bis 9 % tiefer als bei reiner
Heufütterung. Die Unterschiede der verschiedenen Her-
den sind etwas grösser, jedoch grundsätzlich vergleich-
bar mit der Variante «Heufütterung».
D i s k u s s i o n
Geringe Auswirkungen von Fruchtbarkeits- und Fleisch-
leistung?
In Milchproduktionssystemen mit Blockabkalbung ist
bekannt, dass Fruchtbarkeitsleistungen die Wirtschaft-
lichkeit ebenso beeinflussen wie Laktationsleistungen
(McCarthy et al. 2007). In Irland schätzen Evans et al.
(2006), dass die Verschlechterung der Fruchtbarkeitsleis-
tung die erwarteten Einkommensverbesserungen zwi-
schen 1990 und 2003 zur Hälfte belastet. In unseren
Simulationsmodellen wurden die besten Wirtschaftlich-
keitsresultate für die beiden Holsteintypen (CH HF und
NZ HF) beobachtet – zweifellos sind dies die milchbeton-
testen Kuhtypen – und das trotz schlechteren Fruchtbar-
keitsresultaten der Schweizer Holstein. In einer irischen
Studie, welche neuseeländische Holstein mit nordameri-
kanischen Holstein mit unserer Studie ähnlichen Produk-
15 ha HFF 30 ha HFF
Traktoren 41 kW, 60 kW (Occ.) 41 kW, 60 kW
Futterernte (Mähen / Bearbeiten)
mittlere Mechanisierung hohe Mechanisierung
Silageproduktion
Futterlager Rundballen / Flachsilo Rundballen / Flachsilo
FutterernteLadewagen Ladewagen
Pressen / Walzen im Lohn Pressen / Walzen im Lohn
Futterentnahme Frontlader, Blockschneider Frontlader, Futtermischwagen
Dürrfutterproduktion
Futterlager Heustock mit Belüftung Heustock mit Belüftung
Futterernte Ladewagen Ladewagen
Futterentnahme Heukran Heukran
Stallgebäude Offenstall mit Liegeboxen Offenstall mit Liegeboxen
Melkanlage Fischgrät 2 × 38 / 6 Einheiten Fischgrät 2 × 4 / 8 Einheiten
Tab. 2 | Annahmen für Mechanisierung und Gebäude
Kuhtyp1 Einheit CH HF CH FV CH BS NZ HF
Milch Bezahlungssystem² Volumen V+Gehalt Volumen V+Gehalt Volumen V+Gehalt Volumen V+Gehalt
Anzahl Kühe Anz. 29 – 29 – 33 – 31 –
Milchproduktion kg Milch 183 927 – 167 357 – 179 300 – 178 029 –
Milcherlös Fr. / 100 kg Milch 59,7 59,2 59,3 61,0 59,4 58,9 59,5 62,7
Fleischerlös Fr. / 100 kg Milch 13,1 – 14,8 – 13,1 – 12,3 –
Direktzahlungen Fr. / 100 kg Milch 21,2 – 23,3 – 22,3 – 22,2 –
Leistungen total Fr. / 100 kg Milch 94,0 93,5 97,5 99,1 94,8 94,3 94,0 97,2
Kosten (ohne Arbeit) Fr. / 100 kg Milch 72,1 – 77,3 – 74,5 – 74,0 –
Arbeitskosten Fr. / 100 kg Milch 37,5 – 41,4 – 41,2 – 40,8 –
Selbstkosten (Vollkosten) Fr. / 100 kg Milch 109,5 – 118,7 – 115,7 – 114,8 –
Einkommen pro ha3 Fr. / ha 3626 3568 3184 3368 3364 3307 3314 3696
Arbeitsverwertung Fr. / Akh 22 22 19 20 19 19 19 21
Arbeitszeit Akh / Jahr 2463 – 2473 – 2639 – 2592 –
Tab. 3 | Einfluss des Kuhtyps und des Milchbezahlungssystems auf die wichtigsten Erfolgsfaktoren eines 15-ha-Vollweidebetriebes mit Blockabkalbungen und Heufütterung (Basismilchpreis: 0,63CHF / kg)
1 ch hf= schweizer holstein-friesian, ch fV= schweizer fleckvieh, ch Bs= Brown swiss, nz hf= neuseeländische holstein-friesian 2 Volumen= kg Milch bezahlt, V+gehalt= additive Korrektur des Basismilchpreises (0,63 chf / Kg Milch von 0,05 chf × (fett% + 2×Protein%)-10,5) 3 50 % eigenkapital und eigenland
358
Agrarwirtschaft | Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011
wirkungen wird nicht Rechnung getragen, obwohl
gemäss Montgomerie (2002) die Hälfte des wirtschaftli-
chen Gewinns der besseren Fruchtbarkeitsleistungen von
der Kapazität, die schlechtesten Produzentinnen zu
ersetzen, abhängt. Im Gegensatz zu den Resultaten von
Evans et al. (2004) mit der Rasse Montbéliarde oder
Delaby et al. (2009) mit der Rasse Normande genügte die
Kombination Fleischleistung, gute Fruchtbarkeits- und
durchschnittliche Milchleistung der CH FV Kühe nicht,
um die Wirtschaftlichkeitsresultate der beiden milch-
betontesten Kuhtypen (NZ HF und CH HF) zu erreichen.
Grosser Einfluss des Milchbezahlungssystems
Im Gegensatz zum nordamerikanischen oder schweizeri-
schen System, wo meistens Milchvolumen unabhängig
der Gehalte bezahlt wird, wird in Neuseeland nur der
Fettgehalt und der Proteingehalt der Milch entlöhnt.
Die neuseeländischen Kühe wurden aus diesem Grund
auf hohe Gehalte selektioniert, was die grosse Spann-
breite des Einkommens für NZ HF, abhängig vom gewähl-
ten Milchbezahlungssystem (Volumen oder Volumen
und Gehalte) in Abbilung 1 erklärt. Eine Gehaltsbezah-
lung pro Kilogramm produzierter Fett- und Eiweiss-
menge, wie dies bereits bei einigen Schweizer Milchab-
nehmern der Fall ist, würde diese Abweichung noch
unterstreichen. In der Schweiz, einem Land wo die Käse-
verarbeitung sehr wichtig ist, wird es, im Kontext der
effizienten Ressourcennutzung, sehr wahrscheinlich zu
einer Weiterentwicklung des Gehaltsystems kommen.
Die Überlegungen zum Kuhtyp weiterführen
Die Modellrechnung ist aufgrund der beschränkten Ver-
fügbarkeit von Daten eine bestmögliche Annäherung an
die Wirklichkeit. Diverse weitere Einflussfaktoren auf
die Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Kuhtypen sind
noch wenig bekannt oder konnten nicht ausreichend
berücksichtigt werden. Dies betrifft die Melkbarkeit
(Arbeitskosten), die Persistenz (Milcherlös und Futter-
kosten), die Robustheit der Kühe, des Jungviehs und der
Kälber (Arbeits- und Tierarztkosten), die Reaktion bei
Umweltveränderungen beziehungsweise veränderter
Futterqualität hinsichtlich Milchleistung und Körpersub-
stanz (Milcherlös, Fleischerlös, Tierarztkosten), das
Handling der Kühe (Arbeitskosten) sowie die Grasnar-
benschäden durch den Tritt (Futterertrag). Die Beschaf-
fung solider Datengrundlagen über verschiedene Kuhty-
pen in verschiedenen Produktionssystemen soll deshalb
fortgesetzt werden, um weitere Einflussfaktoren – nicht
nur auf die Wirtschaftlichkeit, sondern auch auf übrige
Aspekte der Nachhaltigkeit wie Ökologie oder Arbeits-
belastung – zu evaluieren.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Der Einfluss der Kuhtypen auf das Einkommen ist rele-
vant. Die kuhtyp-bedingten Einkommensunterschiede
liegen bei null bis maximal 15 %; umgerechnet auf den
Liter Milch liegen die Unterschiede bei der Vollkosten-
rechnung bei null bis fünf Rappen. Die Differenzen bei
der ausschliesslichen Heufütterung sind etwas geringer.
Bei konstantem Kraftfutterimport und konstanter
Grünlandfläche ist die Milchproduktion ins Verhältnis zu
setzen zum Grundfutterverzehr respektive zum Körper-
gewicht. Eine Hektare Grünland kann bei geringeren
Kuhgewichten mit mehr Kühen bestossen werden. In
Kombination mit hohen Einzeltierleistungen steigt
damit die Milchproduktion pro Hektare Grünland, was
auch zu einem höheren Einkommen führt. Allerdings
erhöht sich mit steigender Kuhzahl auch der Arbeitszeit-
bedarf in der Winterfütterung, was sich dann in der
Arbeitsverwertung eher negativ auswirkt.
Eine bessere Fleischleistung bei höheren Kuhgewich-
ten wie am Beispiel der CH FV konnte die tiefere Milch-
produktion pro Hektare zumindest teilweise wieder
kompensieren. Allfällige Vorteile unter Alpungsbedin-
gungen konnten nicht untersucht werden.
Die schlechteren Fruchtbarkeitsleistungen der CH HF
und die damit verbundenen höheren Remontierungs-
kosten konnten von der höheren Einzeltierleistung und
den höheren Schlachtkuherlösen ebenfalls kompensiert
werden. Allerdings sind gute Fruchtbarkeitsleistungen
für ein saisonales Abkalbungssystem in mehrerer Hin-
sicht essentiell. Gute Fruchtbarkeitsleistungen führen
nicht nur zu höheren Laktationsleistungen und tieferen
Remontierungskosten, die sich vor allem bei tiefen
Schlachtkuhpreisen positiv auswirken. Bestimmte
Aspekte, verknüpft mit den Fruchtbarkeitsresultaten,
konnten in der Modellrechnung jedoch aufgrund man-
gelnder Daten nicht berücksichtigt werden: durch tie-
fere Tierarzt- beziehungsweise Besamungskosten sowie
vor allem der geringere Arbeitszeitbedarf (für Besa-
mung, Beobachtung und Kälberbetreuung) könnten die
Fruchtbarkeitsresultaten das Ergebnis noch entschei-
dend beeinflussen.
Insgesamt zeigte sich jedoch beim Vergleich, dass
nicht nur Kuhgewichte und Laktationsleistung, sondern
insbesondere auch das Bezahlungssystem auf das Ergeb-
nis einen starken Einfluss hat. n
359
Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung | Agrarwirtschaft
Ria
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Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 354–359, 2011
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Which cow for pasture-based production systems?:
Economic evaluation
The objective of the study was to compare, within
pasture-based seasonal-calving systems, the economic
performance of different types of cows. A herd
simulation based on the results of the project «Which
cow for pasture-based production systems?» was
undertaken. There were no clear advantages of one cow
type over the others. The model calculation could,
however, show that high milk production per hectare or
– with a component-based payment scheme - produc-
tion of fat and protein per hectare represented an
important success factor. High production per hectare
could be achieved with high individual production or
with low bodyweight of the cow and an associated
increase in cow numbers. Other cow-type-related
differences were found in the meat and reproduction
performances. Reproduction is essential for seasonal-
calving pasture-based milk production systems, but its
impact on working hours could not be taken into
account in our results. The acquisition of solid basic data
about different cow types in different production
systems should therefore be continued in order to evalu-
ate further influencing factors – not only in terms of
cost-effectiveness, but also regarding further aspects of
sustainability like ecology or workload.
Key words: pasture, seasonal calving, dairy production,
economic efficiency, breeds.
Progetto «La mucca da pascolo e la sua genetica»:
Valutazione economica
E’ stata studiata la redditività di diversi tipi di mucche,
condotte con sistema di pascolo integrale e con parto
a fine inverno. E stato realizzato un modello di
simulazione di mandria, partendo dai dati del
progetto di ricerca «La mucca da pascolo e la sua
genetica». I risultati indicano una differenza di resa
che varia da 0 a 15 %. Non è stata evidenziata nessuna
differenza marcante tra le diverse tipologie di mucca.
Tuttavia, nel nostro modello, un’elevata produttività
lattiera per ettaro – oppure in caso di un pagamento
del latte in funzione dei contenuti in materia grassa e
proteica per ettaro – sono determinanti per la
redditività. Un’elevata produttività per ettaro può
essere ottenuta da animali con un elevato livello di
produzione lattiero individuale o attraverso un
numero maggiore di animali più piccoli e meno
produttivi. Sono state evidenziate altre differenze
relative alle diverse tipologie di mucche, tra cui il
prodotto carne e la capacità riproduttiva – elementi
essenziali per un sistema di pascolo integrale con
parto raggruppato. Ma tutte le loro conseguenze non
hanno potuto essere studiate. Per valutare l’impatto
di fattori supplementari, è necessario acquisire e
perseguire riferimenti più solidi sulle diverse tipologie
di mucche condotte con diversi sistemi di produzione.
L’impatto di questi fattori dovranno essere valutati
anche in termini di ecologia e di carico di lavoro che
sono ulteriori componenti della sostenibilità.
360 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011
Produkte auf der Basis von Propionsäure. Propi-
onsäure ist eines der wirksamsten Mittel zur Verhin-
derung des Wachstums von Hefen, Schimmelpilzen
und Bakterien.
In zwei Versuchen wurden die beiden Konservie-
rungsmittel Schaumasil supra NK und KRONI 909.01
Stabisil im Vergleich zu einer Negativkontrolle ohne
Zusatz bei Feuchtheu im Labormassstab getestet.
E i n l e i t u n g
Um Dürrfutter ohne Verderb dauerhaft lagern zu
können, ist ein Trockensubstanz(TS)-Gehalt von min-
destens 85 % notwendig. Seit einiger Zeit werden in
der Schweiz bei Dürrfutterballen, die diesen TS-Gehalt
nicht erreicht haben, Konservierungsmittel einge-
setzt. Bei diesen Mitteln handelt es sich um chemische
Um Dürrfutter ohne Verderb lagern zu können, muss dieses genügend trocken sein. Mit dem Einsatz von wirksamen Konservierungsmitteln für Feuchtheu beim Pressen kann der Verderb verhindert werden. (Foto: ALP)
Ueli Wyss, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux
Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: [email protected], Tel. +41 26 407 72 14
Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen
N u t z t i e r e
Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen | Nutztiere
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Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011
Um Dürrfutter ohne Verderb lagern zu
können, muss dieses genügend trocken sein.
Eine Alternative stellt der Einsatz von
Konservierungsmitteln für Feuchtheu beim
Pressen der Ballen dar. In zwei Versuchen
wurde die Wirksamkeit der beiden Konser-
vierungsmittel Schaumasil supra NK und
KRONI 909.01 Stabisil zur Stabilisierung von
Feuchtheu bei unterschiedlichen TS-Gehalten
geprüft. Als Negativkontrollen wurden
unbehandelte Varianten mitberücksichtigt.
Während 30 Tagen wurde kontinuierlich die
Temperatur gemessen. Vor und nach dieser
Periode wurden die TS-Gehalte und verschie-
dene weitere Parameter analysiert.
Im Gegensatz zu den Negativkontrollen
konnte durch den Zusatz von Schaumasil
supra NK sowie KRONI 909.01 Stabisil die
Erwärmung und der Verderb des Futters bei
den geprüften TS-Gehalten verhindert
werden. Aufgrund von diesen Ergebnissen
wurden die beiden Produkte Schaumasil
supra NK und KRONI 909.01 Stabisil zur
Stabilisierung von Feuchtheu bewilligt.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Das Produkt Schaumasil supra NK enthält hauptsächlich
Ammoniumpropionat. Das Produkt KRONI 909.01 Stabi-
sil besteht aus Propionsäure und Ammoniumpropionat.
Für die zwei Versuche wurde Emd (2. Schnitt – gräserrei-
cher, raigrasbetonter Bestand) auf verschiedene TS-
Gehalte angefeuchtet. Beim ersten Versuch wurde das
Konservierungsmittel Schaumasil supra NK und beim
zweiten Versuch KRONI 909.01 Stabisil gemäss den Emp-
fehlungen der Hersteller zudosiert. Die Dosierungen der
eingesetzten Produkte sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Als
Negativkontrolle dienten Varianten ohne Zusatz. Jede
Variante wurde dreimal wiederholt.
Die Versuche wurden auf der von Meisser (2001) ent-
wickelten Versuchsanlage im Labormassstab durchge-
führt. Dabei wurde das Futter in PVC-Behälter eingefüllt
(500 g pro Behälter). Das Futter wurde in den Behältern
gepresst und wies Verdichtungen von 200 kg Frischsubs-
tanz pro m3 auf. Jeder Behälter wurde mit einer Tempera-
tursonde versehen (Abb.1). Während der Lagerdauer von
30 Tagen wurden alle 30 Minuten die Temperaturen
gemessen und aufgezeichnet. Im Ausgangsmaterial sowie
nach 30 Tagen Lagerung wurden die TS-Gehalte sowie
verschiedene chemische Parameter bestimmt.
R e s u l t a t e
Temperaturen während der Lagerung
In beiden Versuchen erwärmte sich das Dürrfutter mit
den tieferen TS-Gehalten (A + C) bei den Varianten ohne
Zusatz (Abb. 2 und 3). Sowohl mit dem Zusatz Schauma-
sil supra NK (Abb. 2) als auch mit Kroni 909.01 Stabisil
(Abb. 3) konnte bei allen drei Wiederholungen die
Erwärmung beziehungsweise die Aktivität der uner-
wünschten Mikroorganismen verhindert werden.
Beim Feuchtheu mit den höheren TS-Gehalten (B und
D) fand bei den Varianten ohne Zusatz teilweise eine
Erwärmung statt (Abb. 4 und 5). Die Erwärmung setzte
im Vergleich zum feuchteren Ausgangsmaterial in den
meisten Fällen etwas später ein und war weniger stark.
Dass sich Futter mit höheren TS-Gehalten später und
Abb. 1 | Das Feuchtheu wurde in PVC-Behälter eingefüllt und mit Hilfe von Temperatursonden wurde kontinuierlich die Temperatur gemessen. (Foto: ALP)
Versuch Futter KonservierungsmittelDosierung
pro t
1 A Schaumasil supra NK 16,2 kg
1 B Schaumasil supra NK 10,8 kg
2 C KRONI 909.01 Stabisil 9,6 kg
2 D KRONI 909.01 Stabisil 5,3 kg
Tab. 1 | Dosierungen der eingsetzten Konservierungsmittel
Nutztiere | Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen
362 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011
weniger stark erwärmt, deckt sich mit den früheren
Untersuchungen von Meisser (2001). Auch beim Feucht-
heu mit den höheren TS-Gehalten zeigten die beiden
Produkte Schaumasil supra NK (Abb. 4) sowie Kroni
909.01 Stabisil (Abb. 5) eine gute Wirkung. Das Futter
erwärmte sich nicht.
TS-Gehalte und Rohnährstoffe
Die TS-Gehalte und die Rohnährstoffe des Futters vor der
Lagerung sind für beide Versuche in Tabelle 2 aufge-
führt. Geplant waren beim ersten Versuch TS-Gehalte
von 74 und 78 %. Effektiv wies das Futter TS-Gehalte von
75 und 78 % auf. Beim zweiten Versuch gab es Abwei-
chungen zwischen den geplanten TS-Gehalten mit 71
beziehungsweise 76 % und den effektiv erreichten Wer-
ten mit 74 und 81 %.
Die Rohnährstoffgehalte der verwendeten Futter
waren für alle Varianten nahezu identisch (Tab. 2). Alle
Futter stammen von der gleichen Parzelle, wurden auf der
Heubelüftungsanlage getrocknet und bis zur Verwendung
an einem trockenen Ort gelagert. Einzig die Zuckergehalte
waren beim Futter C und D leicht tiefer als beim Futter A
und B. Dies könnte auf die unterschiedliche Lagerdauer bis
zur Verwendung des Futters zurückzuführen sein.
Während der 30-tägigen Lagerung des angefeuchte-
ten Futters bildete sich durch den Verderb bei den feuch-
teren, unbehandelten Varianten Wasser. So waren die
TS-Gehalte nach der Lagerung bei diesen Varianten tie-
fer als beim angefeuchteten Ausgangsmaterial. Bei den
übrigen Varianten waren die TS-Gehalte etwas höher als
im Ausgangsmaterial. Hier hat eine Nachtrocknung
stattgefunden.
Beim feuchteren Futter zeigten beide Produkte eine
gute Wirksamkeit. Hier wurde durch den Verderb bei
den unbehandelten Varianten der Zucker sehr stark
abgebaut. Durch den Einsatz von Schaumasil supra NK
(Tab. 3) beziehungsweise KRONI 909.01 Stabisil (Tab. 4)
konnte der Zuckerabbau verhindert werden. Auch beim
Anteil an unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff
zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den
behandelten und unbehandelten Varianten. Bei den
unbehandelten Varianten waren die Werte grösser als
5 %, was auf einen Denaturierungsprozess des Proteins
hindeutet. Nach Weiss et al. (1992) nimmt die Verdau-
lichkeit des Rohproteins mit zunehmendem Anteil an
unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff ab.
Beim trockeneren Futter gab es beim ersten Versuch
nur beim Rohproteingehalt signifikante Unterschiede
1. Versuch 2. Versuch
Futter A Futter B Futter C Futter D
TS-Gehalt % 74,9 77,8 73,8 81,0
Rohasche g/kg TS 102 101 111 93
Rohprotein g/kg TS 211 204 209 202
Rohfaser g/kg TS 227 225 225 239
Zucker g/kg TS 186 190 170 176
ADF g/kg TS 247 246 241 254
NDF g/kg TS 448 444 470 494
NADF/T-N % 2,7 2,6 2,8 2,2
Tab. 2 | LTS-Gehalte und Rohnährstoffe des Ausgangsmaterials
ADf: Lignozellulose; nDf: zellwändenADf/T-n: Anteil unlöslicher stickstoff am gesamtstickstoff.
-1,0 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0
10,0 11,0 12,0 13,0 14,0 15,0 16,0 17,0 18,0 19,0 20,0
0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672
Tem
pera
turd
iffer
enz,
°C
Erhebungsdauer, Stunden
Ohne Zusatz - 1. Probe
Ohne Zusatz - 2. Probe
Ohne Zusatz - 3. Probe
Schaumasil supra NK - 1. Probe
Schaumasil supra NK - 2. Probe
Schaumasil supra NK - 3. Probe
Abb. 2 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter A mit 75 % TS)
Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen | Nutztiere
363Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011
Futter A Futter B
Variante Ohne ZusatzSchaumasil supra NK
SE Signifikanz Ohne ZusatzSchaumasil supra NK
SE Signifikanz
TS-Gehalt % 69,5 75,3 1,5 n.s. 79,1 80,3 1,0 n.s.
Rohasche g/kg TS 125 94 5,0 * 108 98 3,1 n.s.
Rohprotein g/kg TS 244 205 5,3 ** 217 207 1,6 *
Rohfaser g/kg TS 257 231 3,0 ** 230 228 5,7 n.s.
Zucker g/kg TS 63 185 2,7 *** 140 184 18,8 n.s.
ADF g/kg TS 310 252 3,4 *** 257 243 9,1 n.s.
NDF g/kg TS 564 469 10,2 ** 463 451 9,2 n.s.
NADF/T-N % 5,6 2,3 0,7 * 2,9 2,1 0,2 n.s.
TS-Verluste % 18,7 1,8 2,9 * 3,1 -1,3 1,9 n.s.
Tab. 3 | Chemische Parameter bei Feuchtheu nach der 30-tägigen Lagerung bei den Varianten des 1. Versuches
se: standardfehler; signifikanz: n.s.: nicht signifikant, * p < 0,05, ** p < 0,01, *** p < 0,001 ADf: Lignozellulose; nDf: zellwändenADf/T-n: Anteil unlöslicher stickstoff am gesamtstickstoff
-1,0 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0
10,0 11,0 12,0 13,0 14,0 15,0 16,0 17,0 18,0 19,0 20,0
0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672
Tem
pera
turd
iffer
enz,
°C
Erhebungsdauer, Stunden
Ohne Zusatz - 1. Probe
Ohne Zusatz - 2. Probe
Ohne Zusatz - 3. Probe
Kroni 909.01 Stabisil - 1. Probe
Kroni 909.01 Stabisil - 2. Probe
Kroni 909.01 Stabisil - 3. Probe
Abb. 3 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter C mit 74 % TS)
-1,0
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672
Tem
pera
turd
iffer
enz,
°C
Erhebungsdauer, Stunden
Ohne Zusatz - 1. Probe
Ohne Zusatz - 2. Probe
Ohne Zusatz - 3. Probe
Schaumasil supra NK - 1. Probe
Schaumasil supra NK - 2. Probe
Schaumasil supra NK - 3. Probe
Abb. 4 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter B mit 78 % TS)
364
Nutztiere | Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011
(Tab. 3). Beim zweiten Versuch konnten keine signifikan-
ten Unterschiede zwischen den unbehandelten und
behandelten Varianten (Tab. 4) festgestellt werden.
Doch auch hier waren die Zuckergehalte bei den unbe-
handelten Varianten tiefer als bei den behandelten. Der
Anteil an unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff lag
bei allen Varianten klar unter 5 %.
TS-Verluste
Der Feuchtegehalt des Futters und der Zusatz der Kon-
servierungsmittel wirkte sich stark auf die TS-Verluste
aus. Die Verluste waren beim Futter mit 75 % TS bei den
unbehandelten Varianten mit 18,7 und 17,4 % bedeu-
tend höher als bei den behandelten Varianten mit 1,8
und 2,0 %. Beim trockeneren Futter waren die Unter-
schiede bei den TS-Verlusten zwischen den unbehandel-
ten und behandelten Varianten wesentlich geringer und
nicht signifikant unterschiedlich (Tab. 3 und 4).
Sensorische Einschätzung
Bei der sensorischen Einschätzung des Futters zeigte sich,
dass, die unbehandelten Varianten des feuchteren Fut-
ters A und C total verschimmelt waren und einen starken
Ammoniakgeruch aufwiesen (Abb. 6). Das Futter musste
als verdorben und nicht mehr fütterungstauglich einge-
stuft werden. Hier zeigten die beiden Produkte Schau-
masil supra NK und Kroni 909.01 Stabisil eine gute Wirk-
samkeit. Das Futter war nicht verschimmelt.
Das unbehandelte, trockenere Futter (B und D) wies
teilweise verschimmelte Partien auf. Auch hier ver-
mochte der Einsatz der beiden Konservierungsmittel die
Verschimmelung zu verhindern.
Futter C Futter D
Variante Ohne ZusatzKRONI 909.01
StabisilSE Signifikanz Ohne Zusatz
KRONI 909.01 Stabisil
SE Signifikanz
TS-Gehalt % 71,6 77,2 1,6 n.s. 81,8 82,9 1,1 n.s.
Rohasche g/kg TS 148 98 8,2 * 106 100 3,7 n.s.
Rohprotein g/kg TS 246 213 1,6 *** 217 210 2,9 n.s.
Rohfaser g/kg TS 251 232 7,4 n.s. 238 225 6,1 n.s.
Zucker g/kg TS 64 178 2,5 *** 138 179 15,3 n.s.
ADF g/kg TS 309 256 2,2 *** 264 249 8,0 n.s.
NDF g/kg TS 545 483 18,0 n.s. 499 472 15,1 n.s.
NADF/T-N % 5,4 1,4 0,6 * 2,7 1,9 0,3 n.s.
TS-Verluste % 17,4 2,0 3,2 * 4,5 2,6 2,1 n.s.
Tab. 4 | Chemische Parameter bei Feuchtheu nach der 30-tägigen Lagerung bei den Varianten des 2. Versuches
se: standardfehler; signifikanz: n.s.: nicht signifikant, * p < 0,05, ** p < 0,01, *** p < 0,001 ADf: Lignozellulose; nDf: zellwände nADf/T-n: Anteil unlöslicher stickstoff am gesamtstickstoff
-1,0
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
0 48 96 144 192 240 288 336 384 432 480 528 576 624 672
Tem
pera
turd
iffer
enz,
°C
Erhebungsdauer, Stunden
Ohne Zusatz - 1. Probe
Ohne Zusatz - 2. Probe
Ohne Zusatz - 3. Probe Kroni 909.01 Stabisil - 1. Probe
Kroni 909.01 Stabisil - 2. Probe
Kroni 909.01 Stabisil - 3. Probe
Abb. 5 | Temperaturverlauf bei Feuchtheu ohne und mit Zusatz. (Futter D mit 81 % TS)
365
Feuchtheu mit Konservierungsmitteln lagerfähig machen | Nutztiere
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 360–365, 2011
Ria
ssu
nto
Sum
mar
yConservazione del fieno umido
mediante prodotti di conservazione
Affinché il foraggio secco si conservi
senza deteriorarsi, è necessario che esso
sia sufficientemente asciutto. In alterna-
tiva, possono essere utilizzati agenti
conservanti per fieno umido in fase di
pressatura delle balle. Sono state
condotte due prove per testare l'effica-
cia di due prodotti, Schaumasil supra NK
e KRONI 909.01 Stabisil, per la stabilizza-
zione di fieno umido con differenti
tenori in SS. Quale controllo negativo
sono state utilizzate varianti non
trattate.
Durante 30 giorni si è continuamente
misurato la temperatura. I tenori in SS e
diversi altri parametri sono stati rilevati
e analizzati prima e dopo tale periodo.
A differenza del controllo negativo, per i
tenori in SS valutati con Schaumasil
supra NK e KRONI 909.01 Stabisil, si
sono potuti evitare il riscaldamento e il
deterioramento del fieno. Considerati
detti risultati, entrambi i prodotti per la
stabilizzazione del fieno sono stati
omologati.
Literatur b Meisser M., 2001. Konservierung von Feuchtheu. Agrarforschung 8 (2), 87–92.
b Weiss W.P., Conrad H.R. & St. Pierre N.R., 1992. A theoretically-based model for predicting total digestible nutrient values of forages and con-centrates. Anim. Feed Sci. Technol. 39, 95–110.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
•• Dürrfutter mit TS-Gehalten unter 85 % ist nicht
lagerstabil. Es erwärmt sich und verschimmelt. Je tiefer
der TS-Gehalt des Futters ist, desto stärker ist die
Erwärmung und der Zuckerabbau. Zudem nehmen der
Anteil an unlöslichem Stickstoff am Gesamtstickstoff
und die TS-Verluste zu.
•• Durch den Einsatz der beiden Konservierungsmittel
Schaumasil supra NK und KRONI 909.01 Stabisil
konnte die Erwärmung und der Verderb des Futters
verhindert werden. n
Preservation of moist hay with preservatives
In order to be able to stock hay without
spoilage, it must be dry enough. The use of
preservatives / additives at baling of moist
hay is an alternative. In two trials, the
efficacy of two products, Schaumasil supra
NK and KRONI 909.01 Stabisil, was investi-
gated with hay with different dry matter
contents. As negative control, variants
without additives were tested.
During a period of 30 days, hay temperature
was continuously controlled. Before and
after this period, the dry matter contents
and different parameters were analysed.
In contrast to the control variants without
additives, the two additives Schaumasil
supra NK and KRONI 909.01 Stabisil pre-
vented the heating up and the spoilage
of the hay with the different dry matter
contents.
Due to these investigations, the two
products Schaumasil supra NK and KRONI
909.01 Stabisil were authorized for the
stabilization of moist hay.
Key words: hay, preservation, additives.
Abb. 6 | Nach der 30-tägigen Versuchsperiode war das Futter mit 75 % TS der unbehandelten Varianten verschimmelt und wies einen starken Ammoniakgeruch auf. (Foto: ALP)
366
P o r t r ä t
Ruedi Schwärzel arbeitet seit 1987 als wissenschaftlicher
Mitarbeiter bei ACW Changins (Gruppe Brotgetreide,
Ölpflanzen, Kartoffeln). Er liebt Herausforderungen,
Veränderungen und die Suche nach praktischen Lösun-
gen zu Problemen. Diese Charakterzüge, verbunden mit
einer grossen Gewieftheit, viel Energie sowie einer viel-
seitigen Berufserfahrung haben ihn über all die Jahre in
diverse Länder auf der ganzen Welt geführt, sei dies im
Rahmen von kurzen Expertenmissionen mit dem IKRK,
dem DEZA, der FAO, den Vereinten Nationen oder der
Caritas. Ruedi Schwärzel hat von Bolivien über Azerbaïd-
jan, Akazien, Nagrony Karabakh, Bosnien-Herzegovina,
Nordkorea oder Tadjikistan bis nach Russland an zahl-
reichen Projekten mitgewirkt, die sich mit einer qualita-
tiv hochwertigen Produktion von Kartoffeln in von
Armut und Krieg geschwächten Regionen befassten.
Dazu gehörten menschliche, technische, wissenschaftli-
che und manchmal tragische und unglaubliche Erleb-
nisse: In Bolivien steckte er kurze Zeit im Gefängnis,
flüchtete mit behelfsmässigen Mitteln quer durch Brasi-
lien, in Bosnien-Herzegowina litt er während des Rama-
dans und der Lebensmittelknappheit unter Kälte und
Hunger.
Sein Einsatz in Nordkorea hat ihn bestimmt am
stärksten geprägt. Zwischen 1998 und 2004 bereiste er
das Land elf Mal. Der Wissenschaftler freut sich darüber,
dass es dank dieser Besuche möglich war, auf einem
Modellbetrieb von 10 000 ha eine qualitativ hochwer-
tige Produktion von Pflanzgut zu ermöglichen und die
Produktivität deutlich zu steigern. Während seinen Auf-
enthalten haben sich zahlreiche nordkoreanische Land-
wirte und Verantwortliche verschiedener Regionen
davon inspirieren lassen.
Sein Interesse für die Landwirtschaft, die Versuche
und den Wissenstransfer hat Ruedi Schwärzel zweifellos
von seinem Grossvater mütterlicherseits geerbt, mit dem
er in seiner Kindheit viel Zeit auf dem Familienbauern-
hof in der Ostschweiz verbrachte. Dieser Grossvater mit
Schweizer Vorfahren, der wie seine Grosseltern in Russ-
land geboren wurde, flüchtete in seiner Jugend vor den
Bolschewiken in die Schweiz und führte unzählige Ver-
suche mit Bienen, Hühnern, Enten, Ziegen, Kühen sowie
im Bereich der Veredelung durch.
Ruedi Schwärzel wurde nach mehreren Ausbildun-
gen und Berufserfahrungen auf dem Gebiet der Land-
wirtschaft, des Weinbaus und des Gemüsebaus in
Changins angestellt. Seither hat er zusammen mit ver-
schiedenen Forschern an zahlreichen Projekten, Sorten-
versuchen, Zertifizierungen, Krankheitsstudien usw. teil-
genommen. So war er beispielsweise an der Einführung
von Soja, in der Schweiz beteiligt. Danach konzentrierte
er sich auf sämtliche Arbeiten im Zusammenhang mit der
Zertifizierung von Kartoffelpflanzgut und beteiligte sich
an der Weiterentwicklung des ELISA-Labors oder der
Entwicklung von Vorstufenpflanzgut aus In-vitro-Kultur
in insektendichter Umgebung. Er trug ausserdem zur
Erforschung oder Entwicklung verschiedener Maschinen
bei wie beispielsweise einer Vorrichtung zur Zählung der
Samen oder Knollen, einer Druckluftpumpe für Kraut-
vernichtungsversuche, einer Mikroknollen-Setzmaschine,
Roboter für Elisa-Knollentest usw.
Heute teilt Ruedi Schwärzel seine Zeit zwischen den
Sortenversuchen für Brotgetreide und der Sortenprü-
fung von Kartoffeln auf, die er in enger Zusammen-
arbeit mit den Branchenorganisationen swiss granum
und swisspatat durchführt. Gemäss seinen Aussagen
schätzt er besonders die Vielseitigkeit seiner Arbeit, den
Kontakt zu allen Stufen eines Kulturzweiges sowie die
Möglichkeit, Ideen zu entwickeln und einen Teil davon
umzusetzen. Ruedi Schwärzel ist Vater von zwei erwach-
senen Kindern. Seine Frau bezeichnet er als ausserge-
wöhnlich, weiss sie doch, ihn zu unterstützen und seine
Ambitionen zu kanalisieren!
Sibylle Willi, Agrarforschung Schweiz, 1260 Nyon
Weltweit anerkannter Kartoffelexperte
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 366, 2011
Ruedi Schwärzel, Agroscope Changins-Wädenswil ACW.
367
A k t u e l l
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011
Genuss durch Sicherheit
Agroscope Jahresbericht 2010
Diesen Titel setzte Manfred Bötsch, damals noch Vorsit-
zender der Geschäftsleitung Agroscope, über das Vor-
wort zum Agroscope Jahresbericht 2010, der Anfang
Juni erschien. Agroscope zeigt, was sie unternimmt, um
sichere und qualitativ hochstehende Lebensmittel
schweizerischer Herkunft zu garantieren. Zu erwähnen
ist zum Beispiel der Kampf gegen Mykotoxine oder der
Nachweis der giftigen Pyrrolizidinalkaloide. Agroscope
beschäftigt sich auch mit Fragen, wie denn Obst oder
Salami schmecken sollen, damit diese Produkte den Kun-
den gefallen. Die Agroscope Forschungsprogramme stel-
len ihrerseits dar, welchen Beitrag sie für sichere,
gesunde und geschmackvolle Lebensmittel leisten, seien
dies attraktive Produktionsalternativen für das Bergge-
biet oder eine verbesserte Bioverfügbarkeit von Caroti-
noiden. Eine Übersicht über die Tätigkeit in sämtlichen
Forschungsbereichen, ein Blick auf die problemorien-
tierte Systemforschung sowie Finanz- und Kennzahlen
runden den Bericht ab.
Anton Stöckli, Bundesamt für Landwirtschaft
Bestellungen an: [email protected]
Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra
EidgenössischesVolkswirtschaftsdepartement EVDAgroscope
Jahresbericht 2010
N e u e P u b l i k a t i o n e n
368 Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011
N e u e P u b l i k a t i o n e n
Mutterkühe betreuen, sicher fixieren, treibenund verladen
ART-Bericht 741
Der Umgang mit Mutterkühen ist nicht ungefährlich
und bedarf viel Erfahrung seitens jener Person, welche
die Tiere betreut. Dabei helfen die Kenntnis über
bestimmte Verhaltensweisen der Tiere, eine regelmäs-
sige Tierbeobachtung, die Gewöhnung der Tiere an die
Betreuungsperson sowie ruhiges, bestimmtes Verhalten.
Alle diese Faktoren gestalten die Arbeit mit den Tieren
sicherer. In der Mutterkuhhaltung kann eine geringe
Betreuungsintensität dazu führen, dass die Tiere dem
Menschen gegenüber scheuer sind. Bei den notwendi-
gen Betreuungsmassnahmen besteht so ein erhöhtes
Unfallrisiko für Mensch und Tier. Das Ziel dieser Studie
war, eine Standortbestimmung derMutterkuhhaltung in
der Schweiz vorzunehmen, Problemsituationen zu
erkennen und geeignete Empfehlungen abzuleiten. Das
Hauptaugenmerk galt den kritischen Punkten und
Gefahren bei der Betreuung und Behandlung von Mut-
terkuhherden. 271 Betriebe mit Mutterkuhhaltung nah-
men an einer schriftlichen Umfrage teil. Schwierig
durchzuführende Arbeitssituationen und Verletzungen
von Mensch und Tier kamen vor allem beim Abtrennen,
Verladen und Fixieren von Tieren vor. Auf der Weide
waren nur selten technische Einrichtungen für diese
Arbeiten vorhanden. So müssen die Tiere für Betreu-
ungsmassnahmen oft eigens eingestallt werden. Zwar
besassen 80 % der Betriebe Fixiermöglichkeiten am
Fressbereich, doch waren damit Problemsituationen
nicht immer vermeidbar. Um Tiere sicher treiben, fangen
und behandeln zu können, sind Treibgänge zur Kanali-
sierung der Tiere und Fangeinrichtungen unerlässlich. Je
nach Betrieb ist die Installation solcher Einrichtungen
stationär an einem Ort oder mobil an unterschiedlichen
Orten sinnvoll. Mobile Anlagen besitzen den grossen
Vorteil, dass sie sowohl im Stall als auch auf der Weide
einsetzbar sind. Ebenso erlauben sie eine überbetriebli-
che Nutzung. Solche Einrichtungen sind in die Planung
und Betriebsorganisation zu integrieren.
Michael Zähner, Beat Steiner und Margret Keck, ART,
Franziska Klarer, Winterthur
Impressum
Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller, ART
Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch
ISSN 1661-7568
ART-Bericht 741
Mutterkühe betreuen, sicher fixieren, treibenund verladen
Autorinnen und Autoren
Michael Zähner, Beat Steiner,Margret Keck, ART,[email protected] Klarer,CH-8400 Winterthur
Januar 2011
Der Umgang mit Mutterkühen ist nichtungefährlich und bedarf viel Erfahrungseitens jener Person, welche die Tierebetreut. Dabei helfen die Kenntnis überbestimmte Verhaltensweisen der Tiere,eine regelmässige Tierbeobachtung, dieGewöhnung der Tiere an die Betreuungsperson sowie ruhiges, bestimmtes Verhalten. Alle diese Faktoren gestalten dieArbeit mit den Tieren sicherer.In der Mutterkuhhaltung kann eine geringe Betreuungsintensität dazu führen,dass die Tiere dem Menschen gegenüberscheuer sind. Bei den notwendigen Betreuungsmassnahmen besteht so ein erhöhtesUnfallrisiko für Mensch und Tier. Das Zieldieser Studie war, eine Standortbestimmung der Mutterkuhhaltung in der Schweiz
vorzunehmen, Problemsituationen zu erkennen und geeignete Empfehlungen abzuleiten. Das Hauptaugenmerk galt denkritischen Punkten und Gefahren bei derBetreuung und Behandlung von Mutterkuhherden.271 Betriebe mit Mutterkuhhaltung nahmen an einer schriftlichen Umfrage teil.Schwierig durchzuführende Arbeitssituationen und Verletzungen von Mensch undTier kamen vor allem beim Abtrennen,Verladen und Fixieren von Tieren vor. Aufder Weide waren nur selten technischeEinrichtungen für diese Arbeiten vorhanden. So müssen die Tiere für Betreuungsmassnahmen oft eigens eingestallt werden. Zwar besassen 80 % der BetriebeFixiermöglichkeiten am Fressbereich, doch
Titelfoto: An Betreuungspersonen gewöhnte Tiere lassen sich einfacher treiben (Fotos:ART).
Aktuell
369Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011
ART-Bericht 744
Der Bundesrat hat kürzlich die Vernehmlassung zur Agrar-
politik 2014 bis 2017 (AP 14–17) eröffnet. Kernelement der
Vorlage ist die Weiterentwicklung des Direktzahlungssys-
tems. Die durch die Landwirtschaft bereitgestellten öffentli-
chen Leistungen sollen zielgerichteter gefördert werden. In
diesem ART-Bericht werden Ergebnisse der Optimierungs-
modelle SILAS und SWISSland zu den erwarteten Auswir-
kungen eines solchen Systemwechsels zusammengefasst.
Bereits bei konstanter Politik (Referenzszenario) würde der
gesamte Tierbestand (GVE) bis 2017 um vier Prozent abneh-
men. Mit der Umlagerung der heutigen Tierbeiträge in flä-
chenbezogene Versorgungssicherheitsbeiträge wäre der
Rückgang doppelt so hoch. Trotzdem würde die Milchpro-
duktion infolge von Leistungssteigerungen auch nach 2013
noch ganz leicht zunehmen, während bei der Rindfleisch-
produktion mit einemRückgang um vier Prozent zu rechnen
wäre. Im Gegenzug nähme die Getreideproduktion nach
2013 nochmals um fünf Prozent zu. Insgesamt würde sich
die Kalorienproduktion mit der AP 14–17 kontinuierlich
erhöhen, wenn auch leicht geringer als unter Beibehaltung
der heutigen Politik. Aufgrund der höheren Anreize für
ökologische Leistungen sagen die Modelle gegenüber der
Referenz einen Anstieg der ökologischen Ausgleichsflächen
um 13 Prozent voraus. Der sinkende Trend beim Sektorein-
kommen kann mit der Umsetzung der AP 14–17 gestoppt
werden. Der Strukturwandel wird durch das neue System
leicht beeinflusst. Das durc schnittliche landwirtschaftliche
Einkommen wird nach den Modellprognosen im Jahr 2017
13 Prozent über dem derzeitigen Einkommen liegen. Der
Einkommensanstieg ist mit der AP 14–17 rund sechs Pro-
zentpunkte stärker als im Referenzszenario.
Albert Zimmermann, Anke Möhring, Gabriele Mack, Stefan Mann,
Ali Ferjani und Maria-Pia Gennaio, ART
ART-Bericht 744
Die Auswirkungen eines weiterentwickeltenDirektzahlungssystemsModellberechnungen mit SILAS und SWISSland
Autorinnen und Autoren
Albert Zimmermann,Anke Möhring, Gabriele Mack,Stefan Mann,Ali Ferjani,Maria-Pia Gennaio,[email protected]
Impressum
Herausgeber:Forschungsanstalt AgroscopeReckenholz-Tänikon ARTTänikon, CH-8356 Ettenhausen,Redaktion: Etel Keller,ART
Die ART-Berichte/Rapports ARTerscheinen in rund 20 Nummernpro Jahr. JahresabonnementFr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern:ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch
ISSN 1661-7568
Der Bundesrat hat kürzlich die Vernehm-lassung zur Agrarpolitik 2014 bis 2017 (AP14–17) eröffnet. Kernelement der Vorlageist die Weiterentwicklung des Direktzah-lungssystems. Die durch die Landwirt-schaft bereitgestellten öffentlichen Leis-tungen sollen zielgerichteter gefördertwerden. In diesem ART-Bericht werdenErgebnisse der OptimierungsmodelleSILAS und SWISSland zu den erwartetenAuswirkungen eines solchen Systemwech-sels zusammengefasst.Bereits bei konstanter Politik (Referenz-szenario) würde der gesamte Tierbestand(GVE) bis 2017 um vier Prozent abnehmen.Mit der Umlagerung der heutigen Tierbei-träge in flächenbezogene Versorgungs-sicherheitsbeiträge wäre der Rückgangdoppelt so hoch. Trotzdem würde dieMilchproduktion infolge von Leistungs-steigerungen auch nach 2013 noch ganzleicht zunehmen, während bei der Rind-fleischproduktion mit einem Rückgang umvier Prozent zu rechnen wäre.
Im Gegenzug nähme die Getreideproduk-tion nach 2013 nochmals um fünf Prozentzu. Insgesamt würde sich die Kalorienpro-duktion mit der AP 14–17 kontinuierlicherhöhen, wenn auch leicht geringer alsunter Beibehaltung der heutigen Politik.Aufgrund der höheren Anreize für ökolo-gische Leistungen sagen die Modellegegenüber der Referenz einen Anstieg derökologischen Ausgleichsflächen um 13Prozent voraus. Der sinkende Trend beimSektoreinkommen kann mit der Umset-zung der AP 14–17 gestoppt werden.Der Strukturwandel wird durch das neueSystem leicht beeinflusst. Das durch-schnittliche landwirtschaftliche Einkom-men wird nach den Modellprognosen imJahr 2017 13 Prozent über dem derzeitigenEinkommen liegen. Der Einkommensan-stieg ist mit der AP 14–17 rund sechs Pro-zentpunkte stärker als im Referenzszenario.
Der Getreideanbau wird sich um 12 Prozent ausdehnen (Fotos: ART).
Aktuell
Impressum
Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART
Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonne-ments und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 EttenhausenT +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 [email protected]: www.agroscope.ch
ISSN 1661-7568
ART-Bericht 742
Kälberaufzucht optimieren
Management rund um die Geburt, Tierbeobachtung und Fütterung sind wichtige Bausteine
Autorinnen
Beatrice A. Roth und Edna Hillmann, Verhalten, Gesundheit & Tierwohl, ETH Zürich, CH-8092 ZürichNina M. Keil, Bundesamt für Veterinärwesen, Zentrum für tiergerechte Haltung: Wiederkäuer und Schweine, ARTE-Mail: [email protected]
Februar 2011
Die Aufzucht von Kälbern ist eine anspruchsvolle Aufgabe: Kälber sind rela-tiv krankheitsanfällig, und für ihre spätere Verwendung müssen sie aus wirtschaftli-chen Gründen möglichst schnell auf die Wiederkäuerernährung umgestellt wer-den. Ergebnisse einer Fallstudie und von experimentellen Untersuchungen an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART zeigen, dass eine aufmerk-same Betreuung und eine angepasste Füt-terung bereits vielen Problemen vorbeu-gen können. Wichtig sind zunächst die
optimale Versorgung des Kalbes mit Kolos-trum und eine gute Hygiene zur Senkung des Keimdrucks. Eine auf das Einzeltier abgestimmte Fütterung von Milch und Kraftfutter verbessert die Zunahmen, senkt das Absetzalter und reduziert auch das gegenseitige Besaugen. Um kranke Kälber möglichst früh zu erkennen, kann die Festfutteraufnahme als wertvolle Informationsquelle genutzt werden. Ein tägliches und aufmerksames Beobachten ist dabei unabdingbar.
Abb. 1: Für die erfolgreiche Kälberaufzucht ist eine an die Bedürfnisse der Kälber angepasste Fütterung von grosser Bedeutung (Fotos: ART).
Die Auswirkungen eines weiterent-wickelten Direkt-zahlungssystems
Kälberaufzucht optimieren
ART-Bericht 742
Die Aufzucht von Kälbern ist eine anspruchsvolle Auf-
gabe: Kälber sind relativ krankheitsanfällig, und für ihre
spätere Verwendung müssen sie aus wirtschaftlichen
Gründen möglichst schnell auf die Wiederkäuerernäh-
rung umgestellt werden. Ergebnisse einer Fallstudie
und von experimentellen Untersuchungen an der For-
schungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART zei-
gen, dass eine aufmerksame Betreuung und eine ange-
passte Fütterung bereits vielen Problemen vorbeugen
können. Wichtig sind zunächst die optimale Versorgung
des Kalbes mit Kolostrum und eine gute Hygiene zur
Senkung des Keimdrucks. Eine auf das Einzeltier abge-
stimmte Fütterung von Milch und Kraftfutter verbessert
die Zunahmen, senkt das Absetzalter und reduziert
auch das gegenseitige Besaugen. Um kranke Kälber
möglichst früh zu erkennen, kann die Festfutterauf-
nahme als wertvolle Informationsquelle genutzt wer-
den. Ein tägliches und aufmerksames Beobachten ist
dabei unabdingbar.
Beatrice A. Roth und Edna Hillmann, Verhalten, Gesundheit & Tierwohl,
ETH Zürich
370
M e d i e n m i t t e i l u n g e n
www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
Aktuell
M e d i e n m i t t e i l u n g e n
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011
19.06.2011 / ALP Nutri11 – 11 000 Besucher in Posieux Der zum ersten Mal durchgeführte Mega-Anlass Nutri11
ging am Sonntag 19. Juni 2011 zu Ende und war eine
eindrückliche Demonstration der Kompetenz im Bereich
landwirtschaftlicher Forschung und Lehre am Standort
Posieux. Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-
Posieux ALP-Haras, das Landwirtschaftliche Institut
Grangeneuve, die Hochschule für Landwirtschaft SHL
und die Vetsuisse Fakultät der Universität Bern zeigten
an dem gemeinsam organisierten Anlass, anschaulich
wie sich ihre Arbeitsfelder gegenseitig ergänzen und
wie sie einen Beitrag zu einer gesunden Ernährung der
Gesellschaft leisten.
16.06.2011 / ARTGiftige Kreuzkräuter effektiv bekämpfen Kreuzkräuter breiten sich seit zehn Jahren vermehrt im
Schweizer Grasland aus. Sie können zu schweren Vergif-
tungen bei Nutztieren führen und müssen deshalb ein-
gedämmt werden. Doch sind die Pflanzen erst einmal
auf einer Wiese angekommen, wird man sie nur schwer
wieder los. Die Forschungsanstalt Agroscope Recken-
holz-Tänikon ART hat in Zusammenarbeit mit der
Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaues
AGFF untersucht, welche Bekämpfungsmassnahmen am
wirkungsvollsten sind.
14.06.2011 / SNG«Donnerstags im Gestüt»; der Sommeranlass im Schweizerischen Nationalgestüt SNG Zum vierten Mal organisiert das Schweizerische Natio-
nalgestüt SNG an drei Donnerstagnachmittagen Vorfüh-
rungen, die am 21. Juli sowie am 4. und 18. August statt-
finden. Wie in den Vorjahren werden wiederum
Pferdevorführungen und der Besuch der Werkstätten
auf dem Programm stehen.
10.06.2011 / ACWRekordbeteiligung an erster nationaler Edelbrand-Prämierung von Distisuisse Am 9. und 10. Juni fand die erste nationale Edelbrand-
Prämierung der Distisuisse in Bern statt. Experten der
Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW
haben die zwanzig Verkoster trainiert, die in der Folge in
einem Degustations-Marathon alle 410 Edelbrand-Pro-
ben beurteilten. Welche Brenner die begehrten Aus-
zeichnungen «Edelbrand des Jahres» und «Goldbrenner
des Jahres» erhalten, wird im Herbst bekannt gegeben.
Diese Prämierung soll mithelfen, die Qualität der Schwei-
zer Edelbrände weiter zu steigern.
27.05.2011 / ACWErdmandelgras – Handeln, bevor es zu spät ist Die Herkunft von Erdmandelgras ist ungewiss. Heute ist
diese Pflanzenart auf der ganzen Welt verbreitet. In
Europa ist sie vermutlich mit Gladiolen-Zwiebeln einge-
schleppt worden. Seit längerer Zeit tritt diese invasive
Pflanze im Tessin, in der Chablais-Region und in der
Orbeebene auf, aber auch in den Kantonen Bern, Zürich
und St. Gallen. Die Pflanze gilt als landwirtschaftliches
Unkraut mit hohem Vermehrungspotenzial. Anstatt
durch Samen vermehrt es sich durch zahlreiche erbsen-
grosse Knöllchen im Boden. Diese werden mit landwirt-
schaftlichen Maschinen schnell weiterverbreitet. Im
Zuge der intensiveren Landnutzung ist es derzeit auch
nördlich der Alpen auf dem Vormarsch. Das Problem:
Erdmandelgras ist in vielen landwirtschaftlichen Kultu-
ren noch nicht bekämpfbar. Die Forschungsanstalt Agro-
scope Changins-Wädenswil ACW führt daher in diversen
Regionen der Schweiz Feldversuche durch, um Metho-
den zur direkten Bekämpfung von Erdmandelgras zu
finden. Bereits klar ist: Mittels optimaler Fruchtfolge
und vorbeugender Massnahmen können Teilerfolge
erzielt werden.
26.05.2011 / ART und AGRIDEABäume zurück aufs Feld Bäume verschwinden mehr und mehr von bewirtschafte-
ten Wiesen und Äckern. Dabei ist die Kombination von
Forst- und Ackerbau nicht nur umweltfreundlich, son-
dern kann sogar rentabel sein. Um Nutzen und Vorteile
bekannter zu machen, haben die Forschungsanstalt
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und AGRIDEA nun
die Interessengemeinschaft «Agroforst» gegründet.
www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
Aktuell
371
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
Agrarforschung Schweiz 2 (7–8): 367–371, 2011
V e r a n s t a l t u n g e n
August 2011
20.08.2011Güttingertagung 2011Agroscope Changins-Wädenswil ACW und BBZ ArenenbergVersuchsbetrieb Güttingen, Güttingen TG
30.08. – 02.09.2011EAAE 2011 Congress XIIIth Congress of the European Association of Agricultural EconomistAgroscope Reckenholz-Tänikon ART und IED-ETHETH Zürich Hauptgebäude
September 2011
02.09.2011Fachtagung – Systemvergleich MilchproduktionBBZN Hohenrain, SHL, ART, ALP, SMP, ZMP, lawa Luzern, AGFF und Profi-LaitBBZN Hohenrain
07.09.2011Feldtagung – Systemvergleich MilchproduktionBBZN Hohenrain, SHL, ART, ALP, SMP, ZMP, lawa Luzern, AGFF und Profi-LaitBBZN Hohenrain
15.09.201134. Informationstagung AgrarökonomieAgroscope Reckenholz-Tänikon ARTTänikon, Ettenhausen TG
15.- 18.09.2011Equus helveticusSchweizerisches Nationalgestüt SNGAvenches
29.09.2011ALP-Tagung 2011Agroscope Liebefeld-Posieux ALPPosieux
I n t e r n e t l i n k s
Oeschger-Zentrum für Klima- und Klima-folgenforschung
www.oeschger.unibe.ch
Das Oeschger Centre for Climate Change Research ist das
Kompetenzzentrum der Universität Bern für Klimafor-
schung. Es wurde im Sommer 2007 gegründet und trägt
den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pio-
nier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.
Die Universität Bern ist der Sitz des Nationalen For-
schungsschwerpunkts Klima. Unter anderem werden
die Auswirkungen des Klimawandels auf wichtige Land-
ökosysteme, aber auch auf Wirtschaft und Gesellschaft
erforscht.
September 2011 / Heft 9
•• Einfluss von organischer und mineralischer Düngung
auf die Nährstoffauswaschung, Ernst Spiess et al. ART
•• Freilandversuche mit gentechnisch verändertem
Weizen mit Mehltauresistenz, Andrea Foetzki et al.
ART
•• Viruskrankeiten beim Schweizer Raps,
Carole Balmelli ACW
•• Mikrobielle Rapsglanzkäferbekämpfung: Erste
Erfahrungen aus der Schweiz, Stefan Kuske et al. ART
•• Schotenklee und Esparsette: Ergebnisse der Sorten-
versuche 2008 bis 2010, Rainer Frick et al. ACW
•• Systemvergleich Milchproduktion Hohenrain:
Tierhaltung, P. Hofstetter et al. BBZ Schüpfheim
•• Systemvergleich Milchproduktion Hohenrain:
Milchqualität und Saisonalität der Milcheinlieferun-
gen, Ueli Wyss et al. ALP
•• Systemvergleich Milchproduktion Hohenrain:
Weide- oder Stallfütterung – Was ist Wirtschaftlicher?,
C. Gazzarin et al. ART
Lysimeter sind mit Boden gefüllte Gefässe, an deren Unterseite das ver-sickernde Bodenwasser aufgefangen werden kann. Die Lysimeter dienen der Erforschung des Wasser- und Stoff-haushaltes landwirtschaftlich genutz-ter Böden. In erster Linie geht es dabei um die Nährstoffauswaschung ins Sickerwasser und um den Wasserver-brauch landwirtschaftlicher Kulturen.
V o r s c h a u
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
Donnerstag, 15. September 2011
34. Informationstagung AgrarökonomieForschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Tänikon, Ettenhausen TG
SchwerpunktthemaAgrarmonitoring (Zentrale Auswertung von Buchhaltungen und Agrarumweltmonitoring)
Weitere Themen• Mehraufwand für Qualitätsproduktion• Entwicklung Alpwirtschaft• Tiefe Milchpreise und ihre einzelbetrieblichen Folgen• Schliessen sich Ökologie und Ökonomie aus?
TagungsortForschungsanstalt Agroscope ReckenholzTänikon ART,Refental, Tänikon, CH8356 Ettenhausen TG
Detailprogramm und Anmeldung:www.agroscope.ch >Veranstaltungen >Informationstagung Agrarökonomie
Anmeldeschluss ist der 9. September 2011
Samstag, 20. August, 9.30 Uhr, Güttingen
Güttinger-Tagung 2011Versuchsbetrieb Obstbau Güttingen, BBZ ArenenbergForschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW
Referate• Begrüssung zur Güttinger-Tagung
Lukas Bertschinger, Vize-Direktor ForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW
• 100 Jahre SOV – zukünftige HerausforderungenBruno Pezzatti, Direktor Schweizer Obstverband SOV
Betriebsrundgang• Feuerbrandforschung – wo stehen wir?• 10 Jahre erfolgreiche Schorfbekämpfungsstrategie• Applikationstechnik – Basis eines wirkungsvollen
Pflanzenschutzes
Infostände• Ausstellung von Applikationsgeräten für den Obstbau• Eindrucksvoller Schweizer Sortenreichtum (BEVOG II)• SOA-Betriebswirtschaft im Obstbau• Info- und Medienstand ACW
Restauration ab 8.30 Uhr
Informationen – Gespräche – Gemütlichkeit
Güttinger-Tagung – Das Treffen der Obstbranche
www.agroscope.ch
EidgenössischesVolkswirtschaftsdepartement EVDForschungsanstaltAgroscope Changins-Wädenswil ACW
Schweizerische EidgenossenschaftConfédération suisseConfederazione SvizzeraConfederaziun svizra