MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

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Kulturverein Prenzlauer Berg e.V. | Juni/Juli/ August 2016 | kostenlose Ausgabe mittendrin Magazin für Kultur und Bildung Thema Crossover Thema Crossover Neue Wege

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Magazin für Kultur und Bildung

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Page 1: MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

Kulturverein Prenzlauer Berg e.V. | Juni/Juli/ August 2016 | kostenlose Ausgabe

mittendrinMagazin für Kultur und Bildung

Thema CrossoverThema Crossover

Neue Wege

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INHALT

THEMA

Neue Wege gehen 3

SHORTSTORIES

Welchen Stellenwert hat der Erzieherberuf? 5Podiumsdiskussion im Zentrum danziger50

Print adé! Scheiden tut weh. 5Mittendrin 2.0

Sonderpreis für Kreativität 6Preisverleihung der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“

Wo? Dada! 8Neue Kunstformate im ZENTRUM danziger50

Wenn Wege sich kreuzen 10Eine Kurzgeschichte von Astrid Düerkop

WORT & VISION

Das F-Wort 12Jukia Korbik: Stand up. Feminismus für

Anfänger & Fortgeschrittene

Erlesenes für Kinder 14Viele Bücher machen klücher

Filmhelden auf Abwegen 15Crossover im Kino

KIEZ & KULTUR

Erwin Wurm bei Mutti 18Ausstellung in der Berlinischen Galerie

Schrebergarten goes Kita 20Zusammen mit Gartenpaten die Natur entdecken

Kolumne: Der Springende Punkt 21... entdeckt verrückte Kombinationen

Die Stadt als öff entliche Bühne 22Artivismus: Politischer Aktivismus mit

den Mitteln der Kunst

EDITORIAL

„Alle Wege führen nach Rom“

Das ist tröstlich, wenn Rom das Ziel ist. Arnold

Schoenberg hält dagegen: „Der Mittelweg ist der ein-

zige, der nicht nach Rom führt.“ Schoenberg stiftet

uns also an, Nebenwege zu benutzen, bewusst Kreu-

zungen zu suchen, Unbekanntes zu erkunden und

dabei möglicherweise andere zu treff en, die auch

unterwegs sind. Wir laden Sie ein, in dieser Ausgabe

mit uns den Entdeckerweg zu gehen. Folgen Sie

Filmhelden auf Abwegen durch das Filmuniversum

(S. 15), lesen Sie, wie preisverdächtig interdisziplinä-

res Denken und Handeln in der Kita sein kann (S. 6),

oder wandeln Sie mit uns auf den Spuren des unor-

thodoxen Künstlers Erwin Wurms, dem die Berlini-

sche Galerie aktuell eine Ausstellung widmet (S. 18).

Außerdem stellen wir Ihnen neue Kunstformate im

ZENTRUM danziger50 vor (S. 8) und eine rasante und

lesenswerte Streitschrift über den Feminismus (S. 12).

Wie fruchtbar neue Wege und Allianzen sein

könnnen, zeigt nicht zuletzt die Artivismusbewe-

gung, die Kunst und soziale Aktion miteinander

verbindet (S. 22) .

Viel Spaß beim Lesen!

Barbara Schwarz und Frauke Niemann

(Redaktion MITTENDRIN – ein Magazin des Kulturverein Prenzlauer Berg)

Inhalt

DAS LETZTE

Wat? Wo steht denn ditte? 24Bilderrätsel

Impressum 24

Page 3: MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

| 3 Thema

Gehen wir einen großen Schritt zurück. Evolutions-biologisch gesprochen ist

Vorsicht eine durchaus sinnvolle Eigenschaft. Wer Vorsicht walten lässt, überlebt. Es kann von Vorteil sein, gelegentlich die Beine in die Hand zu nehmen und vor unkal-kulierbaren Gefahren Reißaus zu nehmen, vor einem wild geworde-nen Säbelzahntiger beispielswei-

se. Das wussten unsere Vorfahren nur allzugut. Die Geschichte der Menschheit wäre allerdings weit weniger erfolgreich ohne eine an-dere evolutionsfördernde Kom-ponente verlaufen: die Neugierde. So wurden bereits in der Steinzeit viele der heute noch üblichen Werkzeuge entwickelt. Diese Er-rungenschaften, die das Überleben sicherten und einfacher machten,

sind das Ergebnis von Neugierver-halten, dem Verlangen, Neues zu entdecken, auszuprobieren und munter drauflos zu kombinieren. Wir sind also auf Menschen an-gewiesen, die sich trauen, neue Wege zu gehen, die den Mut ha-ben, das Gewohnte hinter sich zu lassen. Ihnen verdanken wir neue Erkenntnisse, kurz Fort-schritt im positivsten Sinne.

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Neue Wege gehenMit Neuem tun wir uns oft mals schwer. Denn das Neue ist ein zweischneidiges Schwert, birgt es doch Chance und Risiko gleichermaßen. Und allzugerne blenden wir die posi-tiven Möglichkeiten aus, die uns das Unbekannte, Unerschlossene bietet und sehen nur noch die Gefahren, die jenseits gewohnter Bahnen lauern.

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4 | Thema

Machen wir einen kleinen Zeit-sprung. Für den antiken Philoso-phen Platon ist das Staunen, das „Sich-Wundern“ der Anfang aller Erkenntnis (und damit aller Wis-senschaft). Das Staunen ist die Voraussetzung, etwas Neues zu entdecken, sozusagen der Zünd-stoff der Neugierde. Wer staunt, hinterfragt vermeintlich Bekann-tes, will es genau wissen, setzt sich eigenständig mit einer Sache ausei-nander und verlässt sich nicht auf Altbewährtes oder herkömmliche Lösungen.

Neugierige sind in guter Gesell-schaft. Albert Einstein, einer der großen Denker der Neuzeit, dessen physikalische Forschungen unser Weltbild maßgeblich veränderten, begründete seinen wissenschaftli-chen Erfolg in einem Brief einmal so: „Ich habe keine besondere Bega-

bung, sondern bin nur leidenschaft-lich neugierig.“ Nicht immer aber treffen die Erkenntnisse der Neu-gierigen und Staunenden auf offene Ohren und offene Arme. Gestern wie heute haben diese den Wider-stand derjenigen zu befürchten, die Veränderungen als Bedrohung empfinden. Nur zu gerne wollen sie festhalten am Status quo. Das ist bequem und unkompliziert. Und überhaupt, es ist doch alles gut so, wie es ist, oder etwa nicht?

Nein, ist es nicht. Es bringt uns wei-ter, neue Wege zu gehen, auch wenn das nicht jeder gleich einsehen will, oder manchmal erst nach Jahren, Jahrzehnten – oder wenn es ganz schlecht läuft nach Jahrhunderten – die Leistungen der Quer- und Andersdenkenden wertgeschätzt und anerkannt werden. Lassen wir uns das Staunen nicht vermiesen!

Öfter mal die altbekannten Pfade verlassen.

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Natürlich ist es nicht jedem, der seiner Neugierde folgt, gegeben, eine bahnbrechende Entdeckung zu machen oder die Relativitätstheo-rie umzuschreiben. Darum geht es auch gar nicht.

Es geht um den Blick über den Tel-lerrand: Wir müssen die Welt nicht neu erfinden. Aber es gilt, sie zu entdecken, sich mit dem Gegebe-nen eigenständig auseinanderzuset-zen, eigene Erfahrungen zu machen und Rückschlüsse zu ziehen und nicht blindlings an das zu glauben, was einem dieser oder jene als der Weisheit letzter Schluss präsentiert. Wer neugierig ist, erschließt sich und der Welt neue Möglichkeiten, nutzen wir sie!

» „Ich habe keine besondere Begabung, sondern

bin nur leidenschaftlich neugierig.“

(Albert Einstein)

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„Das Staunen ist die

Voraussetzung, etwas

Neues zu entdecken,

sozusagen der Zünd-

stoff der Neugierde.“

Text: Frauke Niemann

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| 5Shortstories

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Text: Barbara Schwarz

Es diskutierten (v.l.n.r.): Andreas Gerstädt (PROCEDO Berlin), Robin Adler (Landesel-

ternausschuss Kita - LEAK), Severin Höhmann (SPD), Andreas Otto (Bündnis 90/Die

Grünen), Christina Henke (CDU) und Manuela Deubel (Kitaleitung Haus 2, Kita Gleim-

strolche. Moderation: Thilo Schlüßler (Mitte).

MITTENDRIN 2.0

Print adé.

Scheiden tut

weh.

Alles neu, alles anders. Nach 15 Ausgaben Mittendrin seit Mai 2013 im heutigen Format und vielen wei-teren Augaben vorheriger Redaktio-nen in der mittlerweile 26-jährigen Vereinsgeschichte sagen wir: Servus Mittendrin, deine Tage sind gezählt. Glücklicherweise nur die auf dem Papier! Denn es geht munter weiter, ab jetzt digital! Im Herbst launchen wir unseren MITTENDRIN-Blog. Wer Interesse hat mitzudenken, mitzuschreiben, im Kiez die Augen offen zu halten oder uns mit Tipps und Anregungen zu versorgen, ist herzlich eingeladen mitzumischen. Schreibt uns einfach eine Mail an [email protected]. Eine regel-mäßige redaktionelle Beteiligung ist genauso möglich wie das Einrei-chen einzelner Artikel, Veranstal-tungshinweise oder Fotos. Wir freu-en uns auf eure Ideen!

Wir verabschieden uns von der Papier-

MITTENDRIN. Ab jetzt heißt es klicken statt

blättern!

Welchen Stellenwert hat der

Erzieherberuf?Podiumsdiskussion im ZENTRUM danziger50

Am 23. Mai lud der Kulturverein Prenzlauer Berg zu einer Podi-umsdiskussion zum Thema „Wel-chen Stellenwert hat der Erzieher-beruf in unserer Gesellschaft?“ ein. Darüber, dass in Kindertages-einrichtungen in Berlin (und bun-desweit) akuter Handlungsbedarf besteht, herrschte Einigkeit bei den Diskutanten. Verbesserung des Betreuungsschlüssels für die Erzieher_innen, bessere Perso-nalausstattung in den Kitas, mehr Anerkennung für die Fachkräfte, Gebührenbefreiung für Eltern, Unterstützung beim Kita-Ausbau für die Träger, Abschaffung des Eigenanteils der Träger und so-mit Qualitätsverbesserung für alle. Dies sind nur einige der Stell-schrauben, an denen in Zukunft gedreht werden muss, sollen sich die Bedingungen für das pädago-gische Fachpersonal und die Kin-der in Betreuungseinrichtungen

landes- und bundesweit verbes-sern. Eines ist sicher: Deutschland braucht Erzieher_innen in Kitas, in Horten, in Tageseinrichtungen.Pädagogisches Fachpersonal wird händeringend gesucht. Aber was wir auch brauchen, ist eine ge-sellschaftliche Debatte über den Wert von frühkindlicher Bildung.Dann gäbe es nicht diesen ekla-tanten Unterschied in der Ent-lohnung etwa eines Informatikers und einer Erzieherin. Mit dieser Diskussion um Bildung ginge ein Anstieg des Ansehens dieses Berufs einher mit einer größeren Wertschätzung und einer höhe-ren Bezahlung. Harter Fakt ist, dass Erzieher_innen heute weni-ger als Paketzusteller verdienen. Es ist Aufgabe der Politik, dies zu ändern. Und was können wir tun? Diese Themen immer wieder an-sprechen und so der Öffentlich-keit nahebringen!

Text: Frauke Niemann

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6 | Shortstories

Sonderpreis für KreativitätPreisverleihung der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ im Umspannwerk

Mit dem „Forschergeist 2016“ prämiiert die Stif-tung „Haus der kleinen

Forscher“ zusammen mit der Deut-schen Telekom Stiftung Kita-Pro-jekte, die Mädchen und Jungen für Naturwissenschaften und Technik begeistern. Insgesamt haben sich 605 Kitas aus ganz Deutschland beim „Forschergeist 2016“ beworben. Das Krachlichtmobil, ein mobiles Kunst-Geräusch-Objekt, das an vier Nachmittagen im Familienbereich über-brücken entstand, überzeugte die Jury. Sie zeichnete das Projekt des HAUS 2 der Kita Gleimstrolche mit

dem „Sonderpreis Kreativität“ aus. Für das fahrbare Kunstspektakel aus Haushaltsschrott stand der Künstler Jean Tinguely Pate. In der Bildenden Kunst finden sich viele Künstler, die technikaffin sind und sich mit dem Bau von kinetischen Objekten beschäftigt haben. Der Schweizer Maler und Bildhauer Jean Tinguely (1925-1991) war einer der faszinie-rendsten und vielfältigsten Vertreter dieser Kunstrichtung. Grund genug für Kinder und Pädagogen, seine Werke kennenzulernen und seinem kreativen, tüftlerischem Grundan-trieb nachzuspüren. Die Arbeit am

Das Krachlichtmobil in Aktion: Ein lärmendes mobiles Kunstwerk der besonderen Art!

Krachlichtmobil war anregend und lehrreich zugleich. Ganz spielerisch wurden die Bildungsbereiche Kunst, Musik, Technik und Mobilität mit-einander verbunden.Es galt, alle Materialien genau unter die Lupe zu nehmen: Welches Ding erzeugt welche Geräusche, und wie lassen sich all die gesammelten Utensi-lien zu einer fahrbaren Skulptur zusammenfügen? Alle Beteilig-ten waren mit Spaß und Ausdauer bei der Sache und wurden für ihre

„Ich habe absolut keine

technische Begabung.

Ich bin ein absoluter

Träumer, verbissen in

meine Arbeit, aber im-

mer ein Träumer geblie-

ben. Ich bin immer frei

von aller Materialität.

Ich funktioniere immer

nur mit einem Glauben

an die Sache, mit der

Idee an eine Maschi-

ne, und ich fühle mich

komplett frei, diese

Maschine dann auch

zu bauen.“

(Jean Tinguely, 1989)

Arbeit und ihren Einfallsreichtum belohnt. Denn das Ergebnis konn-te sich sehen und, wie sich heraus-stellen sollte, auch feiern lassen! Am 1. Juni war es soweit. Haus2 konnte den mit 2000 Euro dotierten Son-

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| 7 Shortstories

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HAUS DER KLEINEN FORSCHER

Seit 10 Jahren engagiert sich die Stif-

tung „Haus der kleinen Forscher“ als

Deutschlands größte Frühbildungsin-

itiative für eine bessere Bildung von

Kindern im Kita- und Grundschulalter

in den Bereichen Naturwissenschaf-

ten, Mathematik und Technik. Das

„Haus der kleinen Forscher“ bietet

ein bundesweites Fortbildungspro-

gramm an und begleitet pädagogi-

sche Fach- und Lehrkräfte dabei, den

Entdeckergeist von Mädchen und

Jungen zu fördern. Die Bildungsini-

tiative leistet damit einen wichtigen

Beitrag zur Förderung von Bildungs-

chancen, zur Sicherung des Fachkräf-

tenachwuchses in den naturwissen-

schaftlichen Fächern (MINT-Bereich)

und zur Professionalisierung des

pädagogischen Personals.

derpreis des „Forschergeist 2016“ im Umspannwerk in Kreuzberg entgegennehmen. ZDF- und KIKA-Moderator Eric Mayer führte durch den ereignisreichen Abend, an dem auch die Landessieger und Bundes-sieger des Wettbewerbs geehrt wur-den. „Erzieherinnen und Erzieher in ganz Deutschland leisten jeden Tag wertvolle Bildungsarbeit in der Kita, die wir mit dem ‚Forschergeist‘ würdigen“, sagte Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Vorsitzender des Stiftungs-rats der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. „Ich bin beeindruckt von den vielen großartigen Bewer-bungen, durch die zum Ausdruck kommt, wie wichtig die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte ist und wie erfolgreich sie die Fragen der Kinder in den Kita-Alltag integrie-ren.“

Preisverleihung im Umspannwerk: v.l.n.r.: Dr. Ekkehard Winter, Thomas Rachel, Barbara Schwarz, Manuela Deubel, Michael Fritz

„Kreativität zu fördern

durch das Einbinden,

aber vor allem auch

durch ein gezieltes

Zweckentfremden der

Umwelt, eröff net nicht

nur neue Sichtweisen,

sondern hat obendrein

noch einen hohen

Spaßfaktor. Das Projekt

vermittelt theoretische

Lernansätze in einer

spielerischen Villa-Kun-

terbunt-Atmosphäre.

Eine gelungene Kombi-

nation.“

(Auszug aus dem Urteil der Jury)

Text: Barbara Schwarz, Frauke Niemann

Page 8: MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

8 | Shortstories

Neue Kunstfomate im ZENTRUM danziger50

Wo? Dada!

Im ZENTRUM danziger50, unserem Kulturhaus in der Danziger Straße, gibt es neue

Kunstformate, die ab jetzt regelmä-ßig stattfinden werden und die wir hier kurz vorstellen möchten.

KunstpalaverDie neue Veranstaltungsreihe „Kunstpalaver“ will Ausflüge in die Geschichte der Künste machen und dabei Vergangenheit und Gegen-wart vereinen. Das heißt, der zeit-genössischen Kunst wird eine wich-

tige Rolle zukommen. Dabei soll es zu Dialogen zwischen dem Initiator der Reihe, Claus Utikal, und sei-nem Publikum kommen, also zu einem Palaver im positiven Sinn des Wortes! Die Veranstaltungen sind vorerst alle zwei Monate geplant. Die Reihe beginnt am 24. Juni 2016 mit einem Triumphgeheul auf 100 Jahre DADA! Denn; „Auf nichts ist Verlass. Außer auf Dada.“ Ein geflügeltes Wort, das vor einhun-dert Jahren, im Februar 1916, von Zürich aus seinen Siegeszug um

die Welt antrat. Dada war eine der progressivsten und folgenreichsten Kunstbewegungen des 20. Jahrhun-derts. Zürich – Berlin – Hannover – Köln – Paris – New York waren wichtige Städte, die Dada inner-halb weniger Monate eroberte. Von da sandten die Dadaisten ihre Zei-chen in die Welt. Die Brisanz, die Dada damals hatte, kann man heute nicht mehr in dieser Wucht spü-ren. Dennoch inspirieren dadaisti-sche Ideen auch heute das Schaffen in bildender Kunst, Literatur und

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»„Ich bin der große Derdiedas. Das rigorose Element. Der Ozonstengel

prima qua. Der anonyme Einprozent.“

(Hans Arp)

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| 9 Shortstories

Musik. Was zeichnete Kunst und Literatur der Dadaisten der ersten Stunde aus? War es mehr als Protest und Aufbegehren? Lebt Dada noch heute? Fragen über Fragen. Die Antworten sucht Claus Utikal ge-meinsam mit seinem Publikum.

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Kunstpalaver

AbbauBar,

24.6.2016, 21:00 Uhr,

Eintritt: 5/3 Euro

Der 24. Juni ist ein spielfreier Tag der

Fußballeuropameisterschaft.

WortHörBarDie Welt entsteht durch das Den-ken jeden Tag neu

Die WortHörBar ist eine Mini-Performance, in der Klänge und gesprochenes Wort im Mittelpunkt stehen. Jede WortHörBar hat ein zentrales Thema. Die Texte, Wort-fetzen, Romanauszüge, Gedichte

schmiegen sich um das Thema im Zentrum und weben einen Teppich aus Gedanken, erst fragil, dann im-mer kraftvoller. Gute Gedanken sind Keimzellen des Wandels. Ein-mal gedachte Wahrheiten werden zu einem Perpetuum mobile, dessen Bewegung andere ansteckt, auch mitzudenken. Gemeinsam denken macht Spaß und zeigt Wirkung. Einmal pro Monat donnerstags fin-det die WortHörBar in der Abbau-Bar statt.

WortHörBar2000

AbbauBar,

23.6.2016: 21:00 Uhr,

Eintritt: 3 Euro

Gastleserin: Therese de Buchholz,

anschließend: Bar open!

„Der einzige Mensch,

der sich vernünftig

benimmt, ist mein

Schneider. Er nimmt je-

desmal neu Maß, wenn

er mich sieht.“

(George Bernard Shaw)

WortHörBar 2000 Die Antwort ist zweiundvierzig. Doch was war die Frage? Dort?

Nein hier. Doch warum? Warum ist die Banane krumm? Warum die Planeten rund? Und kommen nun noch Farben wie Rot und Schwarz dazu? Schwarz ist keine Farbe. Nein ist sie nicht. Wirklich. Das Welt-all ist schwarz. Leer und voll und schwarz. Schwarz, wenn nichts re-flektiert. Jeder reflektiert. Jeder im Weltall, die Erde und der Mensch.

Am 23. Juni vereint Thilo Schlüßler für 43 Minuten und 43 Sekunden DREI Stilmittel, um einer weiteren Frage nach dem Ganzen nachzuge-hen. Antworten gibt es keine. Klän-ge, Videos und gesprochenes Wort verbinden sich zu einer Collage der Sinne.

Text: Claus Utikal, Thilo Schlüßler

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Noch scheint die Sonne. Die Sitzbank vor der Tür lädt zum Verweilen ein. Ich

bestelle mir einen zweiten Kaffee. Eine Frau mit drei kleinen Mäd-chen nimmt ebenfalls auf der lan-gen Bank Platz. Nach zwei Stunden turnen drei Mädchen um mich he-rum. Die Kleinste, vielleicht zwei Jahre, lacht so laut und hell, dass ich ihr Lachen am liebsten aufnehmen würde. Sie klettert mir über den

Schoß, zieht sich an meinen Armen hoch. Die Zweite, sie ist in der zwei-ten Klasse, liest mir aus ihrem klei-nen Heft vor. Eine Freundin, Güzun, hat es ihr geschenkt. Güzun hat ihr vorne zwei Herzen auf das selbstge-bastelte Heft gemalt. Die Dritte der Mädchen, sie ist die Älteste, bas-telt gerade an einem komplizierten Knotenkunstwerk und versucht mir zu erklären, wie man die Plastik-bänder ineinander schiebt.

Wenn Wege sich kreuzenEine Kurzgeschichte von Astrid Düerkop

Die größeren Mädchen tragen tradi-tionelle pakistanische Kleidung, mit wunderschönen Goldverzierungen. Sie sehen mit ihren dunklen Haaren und lachenden Gesichtern schon jetzt wie kleine Prinzessinnen aus. Die Älteste erzählt mir, wie sie heu-te beim Fußball in der Schule gegen die Jungen verloren haben, 1:2.

Ich könnte dort Stunden sitzen und ihnen zuhören. Am Ende dreht die Älteste gedankenverloren an mei-nen grünen Ring. Der Stein ist so schön. Die Kleine gluckst vor Ver-gnügen, als ich sie festhalte, damit sie nicht von der Bank fällt. Die Mutter der Kinder erzählt mir un-terdes von der Koranschule, zu der sie die Kinder täglich bringt. Sie und ihr pakistanischer Mann haben hier ein Geschäft, seit zehn Jahren. Seit einem Jahr läuft es schlecht. Sie wollen vielleicht nach Pakistan zurückkehren. Wir plaudern über die Schule. Den Kindern macht es Spaß, aber sie sollen es später in Pakistan auch leicht haben, mit der Sprache und mit dem Koran. Die Größere kann den ganzen Koran auswendig, viele Jahre harter Arbeit, erst Schulunterricht, dann Koran-

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Shortstories

Zufallsbegegnungen.

„Als ich losgehe,

ist es kühl. Der

Himmel ist hart

blau. Es gibt ei-

nen Unterschied

zwischen blau,

hellblau und

hart blau.“

»

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schule, berichtet die Mutter. Zuerst wird die arabische Sprache gelernt, dann die Suren gelesen, später aus-wendig gelernt, eines Tages dann das Ganze auf Pakistanisch, und erst dann wird der Inhalt kommentiert. Ich bin überrascht. Als ich später gehe, haben wir Adressen getauscht. Die fröhlichen drei Prinzessinnen winken mir hinterher. Ein Mann mit langen weißen Haaren und ei-ner Geige, er sitzt am Nachbartisch, sieht plötzlich glücklich aus, und der jüngere Mitarbeiter der Pizze-ria ruft mir im Gehen zu: „Dann bis Morgen, Ma‘a salama!“

Wind weht vom MeerHeute Morgen, noch im Bett, lese ich einen Vierzeiler von Alexander Puschkin: „Nur Liebe ist des kal-ten Lebens Sonne, nur Liebe ist des heißen Herzens Qual: Sie schenkt nur einen Augenblick der Wonne, doch Leid und Schmerzen schickt sie ohne Zahl.“ Als ich losgehe, ist es kühl. Der Himmel ist hart blau. Es gibt einen Unterschied zwischen blau, hellblau und hart blau. Auf der Holzbank vor meiner Haustür ist al-les frei. Ich setze mich nach kurzer Zeit um, damit mir die Sonne den Rücken wärmt. Nun kann ich durch die Glasscheibe in den Innenraum der Pizzeria blicken. Eine Perspek-tive, die mir normalerweise nicht gefällt. Genau im Fenster ist eine kleine Bank eingelassen, sehr tief, fast sitzt man auf dem Fußboden. Ein kleines Kind mit roten Haaren sitzt dort und ein Junge, vielleicht sieben, steht gelangweilt herum. Als die Mutter der beiden anfängt, sich zu unterhalten, beginnen die zwei zu malen. Auf Servietten, sie legen sie auf die tiefer gelegte Bank. Das kleine Kind hält mir kurz sein Bild an die Scheibe. Die Servietten sind zu dünn, sie beginnen zu zerreißen. Ich gehe hinein und schenke den

beiden eine schwarze Pappe. Das kleinere Kind läuft weg, aber der Junge schnappt sich die Pappe und kurze Zeit später sitzt er draußen auf der Nachbarbank in der Sonne und fängt an, ein Bild zu malen. Er hat nur drei Stifte, einen schwarzen und einen roten und einen gelben Textmarker. Ich gehe rüber zu sei-nen Tisch, und leihe ihm meine zwei neuen dicken Buntstifte. Weiß und Rosa. Er malt angestrengt, die Zun-ge kommt zwischen seinen Lippen hervor. Der Oberköper wippt hoch und runter. Ein Mann, ein Hand-werker, der neben ihm Platz genom-men hat, sieht ihm aufmerksam zu. Seifenblasen kommen vorbei geflo-gen von irgendwoher, und dann fällt etwas vom Himmel, es sieht aus wie eine kleine eingedrehte Muschel. Es ist eine kleine hellbraune Blüte. Ich stehe auf, um mir noch einen Kaffee zu holen. Im Vorübergehen sehe ich auf sein Bild: eine große Blume, rote Blätter, rosa Ränder und ganz in der Mitte ein dicker roter Punkt. Dann, nach einiger Zeit fängt er an zu ra-dieren, zu schattieren. Das Bild ist grandios geworden.

Im Laden frage ich den Cousin des Besitzers: „Ist das Ihre Frau mit den zwei Kindern?“ Es ist seine Schwes-ter. „Richten Sie Ihr bitte aus: Ihr Junge hat Begabung im Malen.“ Als sie nach einiger Zeit mit ihrem klei-nen Sohn zurückkommt, sagt er es ihr. Sie setzt sich zu mir in die Son-ne auf die Bank. Der malende Jun-ge kommt nun auch herüber. „Er spielt aber viel lieber Fußball“, sagt sie zu mir. „Da war gestern auch schon ein Mädchen,“ erzähle ich, „das spielte auch lieber Fußball.“ Der Junge fängt an zu lachen. Die Mutter meint: „Ich habe von jedem Kind eine Mappe, ich sammle alle Bilder.“ Ich erzähle ihnen, dass ich eigentlich einen Vogel malen wollte

Shortstories

und frage den Jungen, ob er mir ei-nen malt. Er zögert. „Vögel kann ich noch nicht!“ Ich hole meine nächste schwarze Pappe raus. Er legt sie zur Seite, und fängt an auf der Rücksei-te des Blumenbildes zu malen. Der Vogel ist weiß, hat hühnerartige Beine. An den Rändern, dort wo die Flügel am Körper anliegen, ist er ein wenig rosa. „Ach, kannst Du ihm noch ein paar Federn an den Kopf malen?“, bitte ich ihn. „Und einen Schnabel!“, ruft die Mutter, „er hat ja gar keinen Schnabel.“ Der Vogel be-kommt eine Art Perücke, eine seit-liche Strichnase und einen lachen-den Mund. Ein Glück. Dazu malt er Wolken, aus denen es mächtig in dicken weißen Streifen regnet. Als seine Mutter dann kurze Zeit später zum Aufbruch mahnt, fordert sie ihn auf: „Schenk ihr das Bild!“ „Die Blume ist aber so schön und war so schwer!“, mault ihr Sohn. Wir ma-chen einen Tausch: Ich schenkte ihm meine dritte schwarze Pappe, er reißt sie mir aus der Hand, und ich halte sein Bild in den Händen.

Beim Gehen der drei bin ich ge-rührt. Jetzt erst sehe ich was aus den Regenwolken schaut: Ein fein gezeichneter roter Kreis blickt aus den Wolken zu dem Vogel herunter. Der Kopf hat zwei rote Punktaugen, keine Nase, keinen Mund, über dem linken Auge befinden sich als Au-genbraue drei sehr feine Wimpern, die nach oben weisen.

ÜBER DIE AUTORIN: Während der letzten Berufsjahre ist

aus Schreiben und Gedanken-

sammeln nur noch Zuhören und

Lesen geworden. Erst mit dem lang-

sameren Lebenstempo seit 2001 und

dem Genuss an kleinen Wegen und

Begebenheiten fand Astrid Düerkop

zurück zum Geschichtenerzählen.

Page 12: MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

12 | Wort & Vision

Ein kleiner Selbstversuch: Schon mal bei einem lockeren Partyplausch in geselliger Runde das „F-Wort“ fal-len lassen? Augenrollen und zotige Witze sind noch die harmloseren Reaktionen. Warum, so fragt Julia Korbik, hat der Feminsmus eigent-lich so ein schlechtes Image? Insbe-sondere junge Frauen reagieren oft geradezu allergisch, wenn die Spra-che auf Feminismus kommt.

Klar: „Im Vergleich zu, sagen wir mal, dem Mittelalter, wo Frauen die aus der Rolle fielen, als Hexen ver-brannt wurden, geht es dem weib-lichen Teil der deutschen Bevölke-rung heute gut. Und im Vergleich zu Ländern, wo weibliche Genitalien mit rostigen Rasierklingen (...) ver-stümmelt werden, auch. Trotzdem ist die Bundesrepublik Deutschland von einem gleichberechtigten Wun-

schied, in Deutschland und Öster-reich sogar am höchsten. Bei uns beträgt der statistische Unterschied zwischen Frauen- und Männerein-kommen stolze 22 Prozent. Auch die Führungsetagen sind mitnich-ten von Frauen bevölkert, es sind gerade mal drei bis acht Prozent der Führungskräfte weiblich – je nach Branche und Erhebungsmethode.

Das Ehegattensplitting – ein Re-likt aus der Zeit, als arbeitswillige Frauen noch auf die Erlaubnis ih-ren Gatten hoffen mussten (erst 1977 durften Frauen auch gegen den Willen ihres Mannes einen Ar-beitsvertrag unterschreiben) – fes-tigt nach wie vor die traditionelle Arbeitsteilung und innerfamiliäre Rollenzuweisung. Denn je größer der Gehaltsunterschied der Partner, umso höhere Steuervorteile genie-

derland weit entfernt.“ Noch im-mer verdienen Frauen hierzulande deutlicher weniger als ihre männli-chen Kollegen – bei gleicher Qua-lifikation und Berufserfahrung. Im

Das F-Wort

Buchtipp

Feminismus? Brauchen wir nicht, wollen wir nicht, so der Standpunkt vieler. Frauen

haben doch schon soviel erreicht! Seit mittlerweile drei Legislaturperioden lenkt eine

Vertreterin des weiblichen Geschlechts die Geschicke Deutschlands, an der Spitze des

Internationalen Währungsfonds steht die Französin Christine Lagarde und fast alle ein-

fl ußreichen Polittalkshows hierzulande werden von Frauen moderiert. Welche Mecha-

nismen, Vorurteile und politischen Weichenstellungen dazu führen, dass wir eben doch

nicht so gleichberechtigt sind, wie wir gerne glauben, zeigt Julia Korbik in ihrem ebenso

unterhaltsamen wie gut recherchierten Buch „Stand up - Feminismus für Anfänger und

Fortgeschrittene“.

Julia Korbik: Stand up – Feminismus für Anfänger & Fortgeschrittene

europäischen Vergleich ist der so-genannte Gender Pay Gap, also der geschlechterspezifische Lohnunter-

„Der Feminismus hat

ein großes Problem:

sein schlechtes Image.

Er ist wie ein tolles

Produkt, das unter der

Kampagne der Kon-

kurrenz (das gute alte

Patriachat) arg gelitten

hat.“

Page 13: MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

| 13

ßen beide als Paar. Was dazu führt, dass es sich für die schlechterver-dienende Partei, meistens die Frau, lohnt, gar nicht oder nur in Teilzeit zu arbeiten. Die Literaturwissen-schaftlerin Barbara Vinken bringt es auf den Punkt: „Bundesdeutsche Familienpolitik hat die Frau in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter, nicht aber als berufstätige Bürgerin geför-dert.“ Und genau das tut sie immer noch. Zwar hat die Politik mittler-weile erkannt, dass Kinderbetreu-ungsmöglichkeiten eine wichtige Stellschraube in Punkto Geschlech-tergerechtigkeit sind und ihren Ausbau gefördert. Trotzdem gibt es immer noch viel zu wenig Krip-pen- und Kitaplätze in Deutsch-land. Es geht zwei Schritte vor und

Unterm Strich:

Bleibt zu hoff en, dass

Julia Korbik mit ihrem

Buch „Stand up - Femi-

nismus für Anfänger

und Fortgeschrittene“,

viele Menschen er-

reicht. Korbiks Erstling

ist ein Aufklärungs-

buch ohne erhobenen

Zeigefi nger und eine

glühende Streitschrift

für den Feminismus, die

gleichermaßen infor-

miert und unterhält.

Korbik liefert Feminis-

mus kompakt – auf 400

Seiten fi ndet sich alles,

von theoretischen Ba-

sics bis Popkultur, von

Simone de Beauvoir bis

Peaches. Unbedingt

lesen!

Julia Korbik

STAND UP –

FEMINISMUS

FÜR ANFÄNGER UND

FORTGESCHRITTENE

Rogner & Bernhard,

416 Seiten, 22,95 Euro

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Wort & Vision

Text: Frauke Niemann

einen zurück: Aussetzer wie die so genannte „Herdprämie“ sind an der Tagesordnung. Erst im letzen Jahr wurde das 2012 eingeführte Betreu-ungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht „fremdbetreuen“ lassen, vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Nur die Bayern halten weiter fest an einer reaktionären Maßnahme, die gestrige Rollenbilder zementiert.

Nach der aufmerksamen Lektüre von „Stand up - Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene“ dürfte es keinen Zweifel mehr ge-ben: Es gibt noch so einiges zu tun, soll die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Mann und Frau mehr sein als ein zahnloser Papiertiger.

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14 | Wort & Vision

Diese Bücher wurden auf die Probe gestellt, haben einen zweifachen Kinder-TÜV pas-

siert. Seit einiger Zeit gibt es im Familienbereich der Kita Kiezeulen und Gleimstrolche

das „Lesen für Kinder“. Wir stellen Ihnen ausgewählte Schätze dieser Vorlesestunden vor.

Tschüss, kleines Muff el-monster.von Julia Boehme

Moritz bekommt Besuch in seinem Kinderzimmer. Ein zerzaustes, klei-nes Muff elmonster, so groß wie ein Kuscheltier, wirbelt plötzlich in sei-nem Kinderzimmer herum und ver-breitet schlechte Laune. Das Mons-ter verrät ihm, dass es nur sichtbar ist, wenn es sauer ist. Um wieder unsichtbar zu werden, muss es gute Laune bekommen. Moritz hat so-fort viele Ideen, die dem Monster helfen könnten: toben, tanzen, Fell kraulen, kuscheln, Kekse essen oder saure Gurken. Alles wird abgelehnt. Da wird Moritz traurig und hockt sich entmutigt auf den Boden. Jetzt wendet sich das Blatt, und das Monster geht sanft auf Moritz zu.Dieses Buch schafft zweierlei. Es er-zählt sehr eindrücklich von schlech-ter Laune, die jeder kennt und gibt viele Tipps, wie schon die Kleinsten dieses Gefühl überwinden können.

Arena Verlag

gebunden, 32 Seiten

Altersempfehlung: 4-6 Jahre

Mit Oma ist jetzt alles anders.von Sibylle Rieckhoff

Das Buch „Mit Oma ist jetzt alles anders“ geht der Frage nach, was sich im Leben eines Kindes verän-dert, wenn die Großeltern plötz-lich krank werden und nie mehr so werden, wie sie mal waren. Pauli-nes Oma ist die Beste. Sie ist lustig, lieb, mutig, schnell, witzig, und sie macht fast jeden Spaß mit. Sie zeigt Pauline die schönen Dinge und tröstet sie, wenn der Tag mal nicht so gut gelaufen ist. Aber eines Ta-ges ist alles anders, die Oma wird mit Blaulicht ins Krankenhaus ge-bracht. Nach ein paar Tagen kann Pauline sie schon besuchen, wel-che Freude! Doch Oma sieht zwar so aus wie früher, aber sie sitzt im Rollstuhl, sagt nichts und lacht nicht. Zuerst ist Pauline verzweifelt, aber dann erinnert sie sich an ihre mutige Oma, die allem getrotzt hat. Pauline hat einen Plan.

ThienemannVerlag

gebunden, 32 Seiten

Altersempfehlung: 4-6 Jahre

Jetzt bestimme ich!von Juli Zeh

Dieses Buch wagt sich an das Th e-ma Demokratie in der Familie. Es geht der Frage nach, wer eigentlich der Bestimmer ist, wenn alle be-stimmen wollen. Familie Wiefel ist eine ganz normale Familie, beste-hend aus Papa, Mama, Anki und Spätzchen. An Ankis 7. Geburtstag beschliesst sie, dass sie groß ist und dass sie bestimmen kann. Warum sollen immer Mama und Papa alles bestimmen? Aber von nun an gibt es bei den Ausfl ügen, beim Einkau-fen und bei der Wahl des Abendes-sens großes Chaos, weil jeder etwas anderes will und macht. Bis die Wiefels verschiedene Demokratie-modelle ausprobieren, was anfangs noch ein bisschen holpert, aber immer mehr verfeinert wird. Span-nend, was die vier sich ausdenken und wie sie dadurch wieder eine stabile, liebevolle Familie werden. CarlsenVerlag

gebunden, 48 Seiten

Altersempfehlung: 4-6 Jahre

Erlesenes für Kinder

Texte: Barbara Schwarz

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Filmhelden auf AbwegenCrossover im Kino

Der Begriff “Crossover” ist nicht nur ein Thema für Kunstprojekte oder den

öffentlichen Raum, sondern auch ein beliebtes filmisches Motiv. Er bezieht sich dabei auf das “Über-kreuzen” von Figuren oder Or-ten. Es handelt sich also um ein Phänomen, das besonders wichtig für die Handlung von Filmen ist. Dabei gibt es mehrere Möglich-keiten, wie zwei oder mehr Film-welten aufeinander verweisen und somit ineinandergreifen können.

Die simpelste Variante eines filmi-schen Crossovers stellt (neben der

Versteck-Spiel: Der Cameo-Auftritt ist meist ein spielerischer Verweis auf eine

andere Filmwelt.

schlichten Erwähnung andere Film-figuren und -Welten) der Cameo-Auftritt dar. Dabei “besucht” ein bekannter Charakter eine für ihn sonst fremde Filmwelt. Diese Mo-mente sind besonders häufig humo-ristischer Natur.

So findet sich zum Beispiel in der Western-Komödie “A Million Ways to Die in the West” (2014) von Seth MacFarlane so ein Moment. Die Hauptfigur Albert betritt einen Schuppen und findet dort den aus der “Zurück in die Zukunft”-Reihe bekannten Doc Brown bei der Ar-beit an seiner Zeitmaschine vor. Entscheidend für diesen Cameo-Auftritt sind die vielen hör- und sichtbaren Verweise auf die eigent-lich fremde Filmwelt. Erst durch die erneute Besetzung von Christopher Lloyd, das entsprechende Kostüm und die bekannten Sprachmuster wird deutlich, um wen es sich in der Szene handelt.

Hinzu kommen die berühmte Zeit-maschine in der Form eines DeLo-reans sowie subtile musikalische Verweise auf die “Zurück in die Zukunft”-Reihe. Aus diesen Puzz-lestücken ergibt sich sehr schnell

„Es gibt viele Möglich-

keiten, um Filme mit-

einander zu kreuzen.

Von kleinen Details und

humorvollen Cameos

bis hin zum Aufbau

ganzer gemeinsamer

Filmwelten. „

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„Die simpelste Variante

eines fi lmischen Cross-

overs stellt (...) der Ca-

meo-Auftritt dar. Dabei

“besucht” ein bekannter

Charakter eine für ihn

sonst fremde Filmwelt.

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und sehr deutlich das erwünschte Bild: Hier handelt es sich tatsäch-lich um Doc Brown. Ein Eindruck, der im Film selbst nie an- oder aus-gesprochen wird. Ebenfalls wichtig für einen Cameo-Auftritt: Er dau-ert nur wenige Minuten. Die Szene ist schnell vorbei, denn der Witz ist beim Publikum angekommen. Wichtig für die Handlung sind sol-che Momente eher selten.

Crossover als handlungstragendGanz anders verhält es sich hin-gegen, wenn diese Crossover-Mo-mente die Handlung des Filmes voranbringen. Solche Momente werden mittlerweile besonders gern

innerhalb eigener Filmwelten als Ausgangspunkt für Neustarts und Parallelgeschichten benutzt. Die jüngsten “Star Trek”-Verfilmungen sind dabei ein gutes Beispiel. In “Star Trek” (2009) wird gleichzeitig ein Neustart der gesamten Filmrei-he, aber auch eine Einreihung dieses Neustarts in die Tradition der Serie vorgenommen. Die Schlüsselfigur ist dabei der von Leonard Nimoy gespielte Mr. Spock, der als Bin-deglied zwischen alter und neuer Filmwelt auftaucht. Der Film ver-steht sich selbst als Neustart und besetzt alle ikonischen Figuren mit neuen, jüngeren Schauspielern und veränderten Charaktereigenschaf-

Handlungstragende Crossover verknüpfen Filmwelten zu einer gemeinsamen Erzählung.

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ten. So auch Mr. Spock, der fortan von Zachary Quinto gespielt wird. Der “alte” Spock aus der “alten” Filmwelt taucht als Dimensions-reisender innerhalb des Filmes auf und bringt so die beiden Filmwel-ten zusammen. Der Film sagt dem Publikum also: Ab jetzt wird alles neu und anders, aber die vergange-nen Erzählungen lassen sich immer noch damit vereinbaren.

Filmuniversen durch CrossoverDer jüngste und derzeit populärste Hollywood-Trend dürfte als Kö-nigsdisziplin des Crossovers an-gesehen werden: Das gemeinsame Filmuniversum. Durch den allge-

» Handlungstragende Crossover werden mittlerweile besonders gern

innerhalb eigener Filmwelten als Ausgangspunkt für Neustarts und

Parallelgeschichten benutzt.

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Hollywoods jüngster Trend ist das Zusammenführen von Filmwelten zu gemeinsamen

Filmuniversen.

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meinen Siegeszug der Comichelden auf der großen Leinwand und ganz besonders durch Marvels clevere Vorgehensweise mit den “Avengers” (2012) werden Crossover zu mehr als nur kleinen oder großen Gim-micks. Erstmals teilen sich Filmfi-guren nicht nur eine gemeinsame Welt, sie bauen sie sogar aktiv auf! Der große Siegeszug der Avengers wurde nämlich von langer Hand geplant und mit vielen kleinen Ca-meos und handlungstragenden Crossovern vorbereitet.

Los ging es mit dem ersten “Iron Man” (2008), an dessen Ende Nick Fury einen Cameo-Auftritt hat und suggeriert, dass die im Film aufge-baute Welt weitere Superhelden als Iron Man kennt. Ebenso beim Mar-vel-Film “The Incredible Hulk” aus dem gleichen Jahr. Im ersten Schritt wurden simple Verweise der Super-helden-Filme aufeinander gesetzt. Im zweiten Schritt in der Form von “Iron Man 2” (2010) wurden diese zaghaften Verweise handlungsfül-lend ausgebreitet. Anstatt ledig-lich nach dem Abspann in kurzen Cameo-Auftritten aufzutauchen, wird in diesem Streifen aktiv an ei-ner gemeinsamen Filmwelt, gar ei-nem ganzen Filmuniversum gebaut. Helden wie Black Widdow und War Machine werden hier eingeführt und in den späteren Avengers-Filmen erneut aufgegriffen. Agent Coulson taucht erneut auf und ver-weist mit seinem Auftritt auf den nächsten Film innerhalb des Marvel Filmuniversum. “Thor” (2011) kon-zentriert sich mit seiner Erzählung zwar auf den Titelhelden, knüpft mit Agent Coulson aber an “Iron Man 2” an und bringt mit Hawkeeye gleich noch einen weiteren Helden ins Spiel. In “Captain America” (2011) wird mit dem Protagonisten

ebenfalls ein neuer Held der späte-ren Avengers eingeführt, doch auch das Objekt der Begierde für den Bö-sewicht taucht im gemeinsamen Fil-muniversum wiederholt auf.

Kurzum: Obwohl vier der fünf Fil-me als eigenständige Geschichten und Filme funktionieren, verweisen ihre Handlungen so stark aufeinan-der, dass sie schon als Fortsetzungs-geschichten innerhalb derselben Filmwelt angesehen werden kön-nen. Genau dieses Argument liefert auch schlussendlich “Marvel’s The Avengers” (2012), bei dem alle er-wähnten Helden erstmals filmisch aufeinandertreffen. Das Crossover-Experiment ist nicht nur vollendet, sondern auch hervorragend ge-glückt. Dabei ist die Idee eigentlich nicht neu.

Crossover als neues ParadigmaEs gibt viele Möglichkeiten, um Fil-me miteinander zu kreuzen. Von kleinen Details und humorvollen Cameos bis hin zum Aufbau gan-zer gemeinsamer Filmwelten. Der große Erfolg von Marvel zeigt, dass

Hollywood durch Crossover in ei-nem neuen Paradigma steckt, dem Paradigma der Filmuniversen. Was das für die Erzählweisen und -me-chanismen von Filmen bedeuten wird, lässt sich momentan nur erah-nen. Es kann trotz aller berechtig-ten Kritik aber auch als Chance für eine völlig neue Art der Erzählung angesehen werden. Eine Form der Erzählung, bei der die erzählte Welt ebenso wichtig genommen wird wie die Charaktere, die in diesen Welten leben.

Autoreninfo

Christian Steiner, Jahrgang 1987

studierte Philosophie und Medien-

wissenschaft an der CAU Kiel. Sieht in

der gegenwärtigen Crossover-Kultur

eine Chance für neue Erzählformen.

In seiner Freitzeit podcastet er regel-

mäßig über Filme.

www.secondunit-podcast.de

www.superherounit.de

Text: Christian Steiner

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18 | Kiez & Kultur

Erwin Wurm: Bei Mutti

Ausstellung in der Berlinischen Galerie

Der Österreicher Erwin Wurm, Jahrgang 1954, zählt zu den erfolgreichs-

ten Gegenwartskünstlern. 1987 war er Stipendiat des DAAD-Künstler-programms in Berlin. Jetzt widmet ihm die Berlinsche Galerie als erste Berliner Einrichtung eine mono-graphische Ausstellung.

Wurm holt den Rezipienten aus der Ecke des reinen Betrachters. Der Zuschauer wird spielerisch Teil seiner Kunstwerke, bei denen die Grenzen zwischen Skulptur, Objekt und Performance verschwimmen. Mittelpunkt der Ausstellung ist

das Narrow House, eine begehbare Nachempfindung des Wurmschen Elternhauses in Oberschöckl bei Graz in der Steiermark. Es ist von den Blumenkästen bis zur Tapete ein detailgetreuer Nachbau, aller-dings zusammengestaucht auf 1,10 Meter Breite. So macht Wurm die Enge der Provinz erlebbar und ver-weist gleichzeitig auf die Entferung zwischen Kinderblick und Erwach-senensicht.

In den One Minute Sculptures geht Wurm noch einen Schritt weiter. Hier partizipiert der Betrachter nicht mehr nur. Nein, er wird selbst

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„Es interessiert mich, die

Dinge auf den Kopf zu

stellen und so auf neue

Realitäten zu stoßen.“

(Erwin Wurm)

zum Kunstwerk. Durch genaue zeichnerische Anweisungen gibt der Künstler die Posen vor, die der Ausstellungsbesucher einnehmen soll. Das kann ein Stuhl sein, den es wie einen Latz anzuziehen gilt, ein Pulli, in dem zwei Menschen ste-cken oder Gläser, die auf den Schuh-

Wenn Museumsbesucher selbst zum Kunstwerk werden: In Erwin Wurms Ausstellung eher die Regel als die Ausnahme.

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ERWIN WURM:

BEI MUTTI- Ausstellung -

Noch bis zum 22. August 2016 in der

Berlinischen Galerie

Museum für moderne Kunst

Alte Jakobstraße 124–128

10969 Berlin

Mittwoch–Montag 10:00–18:00 Uhr

Dienstag geschlossen

Tageskarte: 8, erm. 5 Euro,

jeden ersten Montag im Monat:

4 Euro

Freier Eintritt bis 18 Jahre

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sohlen im Liegen abgestellt werden. In „Keep a cool head“ sollen die Be-sucher die Aufforderung wörtlich nehmen und ihren Kopf in einen Kühlschrank stecken. Das Werk „Confessional“ (Beichtstuhl) bilden zwei Besucher, die ihren Kopf in eine Hundehütte stecken.

Wenn das Publikum Wurms Auf-forderung zum Mitmachen be-folgt, findet es sich schnell in den absurdesten Situationen wieder. Der Spaßfaktor für Jung und Alt ist auf jeden Fall garantiert durch die Umwertung und Neukombination von Alltagsgegenständen. Cross-over eben. Wurm sagt von sich, dass er ein sehr politisch denkender Mensch ist, aber kein politischer Künstler. Er nutzt den Humor regel-recht als Waffe, indem er den Alltag aus einer anderen Perspektive zeigt.

In seiner Heimat wurde Wurm schon mit zahlreichen Preisen aus-gezeichnet, zuletzt 2015 als er zum „Österreicher des Jahres“ in der Ka-tegorie Kulturerbe gekürt wurde. Er prägte auch die Kunst im öffentli-chen Raum, etwa mit seiner Instal-lation „Gurken“ 2011 in Salzburg.

Neben den Skulpturen und Per-formances gibt es in der Berliner Ausstellung auch Einzelblätter aus Wurms Werk „Von Konfektionsgrö-ße 50 zu 54 in acht Tagen“ inklusive Speiseplänen, Rezepten und Inst-ruktionen, wie man in acht Tagen seinen Körperumfang erheblich steigert. Ein Teil der Präsentation widmet sich skulpturalen Arbeiten, die erst in den letzten Monaten ent-standen sind. Es sind Gegenstände aus der Alltagswelt, allesamt de-formiert: verbeulte Kühlschränke, riesige verformte Telefone und ein-geknickte Sideboards. Wurm bildet die Objekte aus verschiedenen Ma-

terialien nach und verfremdet sie gleichzeitig durch Verzerrung und Größenverschiebung. Zur Ausstel-lung erscheint im Prestel Verlag ein

Das Herzstück der Ausstellung: Das Narrow

House

Katalog mit etwa 80 Abbildungen, der sich hauptsächlich den bisher nur in Ausschnitten veröffentlich-ten Zeichnungen Wurms widmet.

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Text: Barbara Schwarz

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Schrebergarten goes Kita

Zusammen mit Gartenpaten die Natur entdecken

Die Kleingartenanlagen Bornholm I und II beste-hen seit 1896 und befinden

sich an der Grenze des Stadtbezir-kes Prenzlauer Berg zum Wedding. Auch diese Anlagen sind, wie viele andere, durch Schließung bedroht. Schon 1972 fielen viele Kleingärten dem Bau des Botschaftsviertels zum Opfer. Auch heute ist die Lage alles andere als entspannt, die Sicherheit des Bestandes ist nur bis 2020 ge-währleistet.

Deshalb wurden die Kleingärtner politisch aktiv und verfassten eine Anfrage an die Parteien im Abge-ordnetenhaus. Sie wünschen sich Bestandssicherheit, denn ihr Da-sein und ihre Arbeit erfüllen eine

ökologische, städtebauliche, soziale und kulturelle Funktion. Die Klein-gärten schaffen so viel Gemeinsam-keit für das gesellschaftliche Zusam-menleben. Das zeigt sich auch an den vielfältigen Kooperationen mit Bildungseinrichtungen im Kiez.

So kam auch die Kooperation zwi-schen der Kleingartenanlage Born-holm mit Haus2 der Kita Gleim-strolche zustande. Mehrere Treffen pro Jahr sind vereinbart, zwei im Frühjahr, drei im Sommer und ei-ner im Herbst. Die Gartenpächter bauen mit den Kindern gemeinsam Wurmkisten, Insektenhotels, Vogel-häuser, Igelhäuser und Fledermaus-häuser. Die Kinder können in der Gartenanlage Beete anlegen, säen,

Text. Barbara Schwarz

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„Unkraut nennt man die Pfl anzen, deren Vorzüge noch nicht erkannt worden sind.“ (Ralph Waldo Emerson)

pflegen und ernten, wobei sie sich alles Wissenswerte unter Anleitung über das Gärtnern aneignen kön-nen, wie kompostiert wird und wel-che Pflanzen die Nähe von anderen suchen oder meiden. Dabei können die Setzlinge und Stecklinge auch von den Kindern und Erzieher_in-nen in der Kita vorgezogen werden.

Es gibt so viel zu erfahren, über Pflanzen und ihr Wachstum oder die Lebensweise von Insekten, Vögeln und anderen Gartenbe-wohnern. Die Kinder lernen ganz spielerisch den Kreislauf der Natur kennen und erleben, welchen Spaß es macht, mit den Händen in der Erde zu wühlen.

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Und David hat sogar eine CD nach dieser Methode eingespielt, eine super Scheibe: „Crossover“ heißt die. Zurück zu Bach: Was hat der eigentlich komponiert? Oder an-dere Kompositeure… War das E-Musik? Oder auch U? Sicher beides. Ein Menuett von Mozart ist sicher E und U gleichzeitig; damals wur-de sehr gern danach getanzt. Und Bachs Kantaten sind sowohl kon-zertante als auch Gebrauchsmusik. Und wie steht´s mit René Kollo? Von Hause aus Opernsänger, Special: Wagner; dann plötzlich entdeckt er die Liebe zur Musik seines Vaters und Großvaters und singt Operet-tenmelodien. Prima gemacht, René. Und weil ich gerade dabei bin: Wie sieht´s denn bei Heino aus? Mag ich ihn mögen oder nich – sein Ausfl ug vom Schlagersänger zum Hard-Ro-cker war halbwegs sensationell!

Lustigerweise gibt es ja auch in der Tierwelt solche „Ereignisse“: Was ist denn ein Maultier oder Muli??? Na? Das ist auch eine „Kreuzung“: Mama ein Pferd, Papa ein Esel. Da hat sich die Natur was Tolles ausge-dacht - oder die beiden Elternteile.Aber die Natur kann noch mehr. Wie passen denn Schokolade und Chili zusammen? Gar nich? Doch! Es gibt Schokolade und auch Mar-melade aus beiden Zutaten. Und die schmecken! Eigentlich gibt es nix, was es nich gibt – wie es so heißt. Auch bei Eis wird viel expe-rimentiert, Zutaten zusammenzu-bringen, die ungewöhnlich sind. Es

Kolumne:

heute is mir echt lustig zumute! Hab ich doch mit der Pünktin, die, wie Ihr ja wisst, meine Angetraute is, einen ausgedehnten Spaziergang gemacht. Viel Neues konnten wir entdecken, und ich sehe mir doch so gern die vielen schön bepfl anz-ten Blumenkästen auf den Balkons an. Leider entdeckte meine besse-re Hälft e dort auch Pfl anzen, die wir in unseren Kästen nich haben. Und … wir landeten in einem der holländischen Gartencenter. Aber, was ich da erblickte, das glaubt Ihr nich: eine TOMTATO-Pfl anze. Ihr wisst nich, was das is!? Hi, hi, hi, ich hab sowas auch nich gekannt. Eine Tomtato ist eine neue Züchtung, an der oberirdisch TOMaten und un-terirdisch PoTATOs, also Kartoff eln wachsen. Irre, wa? Zwei völlig ver-schiedene Sachen sind hier zu einer (neuen) geworden!

Bisher kannte ich eigentlich solche Kombis (wie man so schön neu-deutsch abkürzt) in der Musik. Da haben Musiker den Sprung von der E-Musik zur U-Musik gewagt; David Garrett oder Nigel Kennedy zum Beispiel. Was die ihren Super-Geigen für Töne entlocken, das geht von Bach bis Rock ´n Roll und noch viel weiter! Da ignorieren sie jegli-che Grenzen zwischen der „erns-ten“ und der „Unterhaltungs“musik.

Der Springende Punkt

Hallöle,alle mal herhören… da bin ich wieder,

gibt sogar Knoblaucheis, uff ! Da sag ich: Erlaubt is, was gefällt, oder schmeckt. Und weil ich weiter oben von der Tomtato sprach, sollte auch nich unerwähnt bleiben, dass viele Obst- und Gemüsesorten erst durch Veredlung ertragreich werden. Da werden einfach Pfl anzentriebe einer Sorte auf eine ganz andere Pfl anz-unterlage gepfropft . Ohne diesen Vorgang ginge es gar nich.

Ich muss Euch, meine liebe Leser-schar, ganz einfach sagen: ich fi nde dieses Wandern zwischen ursprüng-lich nich zusammengehörigen Din-gen einfach knorke. Und weil wir ja bald die Olympischen Spiele be-wundern, setze ich noch eins drauf, nämlich die Sportler. Was wäre bei-spielsweise ein Radsportler ohne Kraft übungen (die ja sonst nix mit dem Radsportwettbewerb zu tun haben), oder ein Eisschnellläufer ohne das Radfahren im Sommer? Und so könnte ich noch mehr Bei-spiele geben.

Also, wenn ich so nachdenke… Los, meine verehrte Leserschar: Wagen wir es! Lasst uns neue Wege be-schreiten, lasst uns das Ungewöhn-liche versuchen, lasst uns experi-mentieren. Immer nach der Devise: „Unmögliches erledigen wir sofort – Wunder dauern etwas länger.“ Oder wie es Che Guevara ausdrück-te: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.“ Oder gefällt Euch Hermann Hesse besser: „Da-mit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche ver-sucht werden.“

„Was Neues entsteht, wo ich geh

und steh “, meint der Springende

Punkt vom KVPB

(pad)

... .. Kiez & Kultur

Page 22: MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

22 | Kiez & Kultur

Die Stadt als öff entliche Bühne

Artivismus: Politischer Aktivismus mit den Mitteln der Kunst

Das Kunstwort Artivismus meint die Verbindung von politischem Aktivismus

mit den Mitteln der Kunst. Peter Weigel vom Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie prägt diesen Begriff. Es ist für ihn die „erste wirklich neue Kunstrich-tung des 21. Jahrhunderts“. Also eine wirkliche Neuerung, denn kunstgeschichtlich betrachtet, be-findet sich die abendländische Kul-tur immer noch in der Postmoder-ne.

Artivismus bietet für Künstler und Aktivisten einen Nährboden, in dem ihre Ideen gewissermaßen ver-schmelzen können, somit wird Arti-vismus als mögliche „Reparaturkul-

tur“ unserer Zeit angesehen, auch, um Demokratie mit neuem Leben zu füllen und Systeme zeitweilig in Frage zu stellen. Das Phänomen Ar-tivismus treibt nicht nur Menschen in den westlichen Metropolen um. Es beschäftigt nicht nur die Kreati-ven oder künstlerisch Tätigen, son-dern auch politische Aktivisten, die sich gezielt für Menschenrechte und Bleiberechte, gegen Ausgrenzung und Armut engagieren.

Kunst & Aktion im Alltag der StadtLilo Schmitz versammelt in ihrem Sammelband „Artivismus _ Kunst und Aktion im Alltag der Stadt“ viele unterschiedliche Beispiele ak-tivistischer Stadtkunst und zeigt Möglichkeiten auf, wie der einzel-

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ne sich oder eine Gruppe aus un-terschiedlicher Motivation um ein Stückchen Stadt „kümmern“ kann, um auf alle Fälle eins zu erreichen: Identifikation mit einem Ort und das Selbstvertrauen, etwas bewegen zu können. Denn Menschen in der Stadt interessiert es, welches Recht auf Mitsprache sie in einer Demo-kratie haben, was sich z.B. anhand des Themas, wem der öffentliche Raum gehört, gut diskutieren lässt.

Ein Fotoprojekt begleitet Müll- und Papiersammler in Istanbul, die in Junggesellen-Zimmern leben. Aus Deutschland zeigt das Beispiel neu eingereister Menschen aus Rumäni-en und Bulgarien, wie Politik Män-gel erzeugt und wie sich Menschen

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LITERATUR ZUM THEMA

Lilo Schmitz (Hg.): Artivismus. Kunst und Aktion im Alltag der Stadt.

Transcribt Verlag,

278 Seiten, 24,99 Euro

Tobias Morawski: Reclaim Your City.Verlag Assoziation A,

168 Seiten, 16 Euro

Malte Bergmann, Bastian Lange (Hg.): Eigensinnige Geographien.

VS Verlag für Sozialwissenschaften,

306 Seiten, 39,95 Euro

Text: Barbara Schwarz

giert dabei sind, wenn es um Ar-tivismus geht, zeigt eindrucksvoll ein Düsseldorfer Projekt. Die soge-nannte „Angströhre“ ist ein Tun-

voller Solidarität und Freundschaft, gemeinsam gegen die verarmenden Strukturen stellen.

Stadt selber machenEin neuer Mitmachurbanismus ist entstanden. Diese Lust, Stadt sel-ber zu machen, macht aus ihren Bewohnern, die von der Ökonomie oft nur aufs Konsumieren reduziert werden, wieder Benutzer und Pro-duzenten. Urban Gardening zählt ebenso zum Mitmachurbanismus wie z.B. Stadt-Biographie-Arbeit.

Menschen gehen auf Entdeckungs-reise, entwickeln bunte Muster von Kreativität, mischen sich mit phan-tasievollen künstlerischen Pro-duktionen ein und erkennen, dass sie sich auf viele Weisen beteiligen können und dass Projekte eine pro-duktive und positive Kraft haben. Diese stärkende Erfahrung von Selbstwirksamkeit ist ein zukunfts-weisender Effekt.

Den offenen Blick zu stärken und Möglichkeiten für Beteiligung auf-zuzeigen, wird jungen wie alten Menschen in Schule und Freizeit in der Identifikation mit ihrer Stadt helfen. Dass auch Senioren enga-

nel, der die Düsseldorfer Stadtvier-tel Benrath und Paulsmühle unter mehreren Bahngleisen verbindet. Diesen Ort belebten die Senioren selbst künstlerisch neu, indem sie

Kiez & Kultur

sich zusammenschlossen und ver-schiedene Events ausprobierten: Strickrunden, Tanztee, Flohmarkt, gemeinsame Turnübungen. So nahmen sie sich dieses notwendi-ge Stück Architektur und füllten es mit Sinn und Freude, erschufen ge-meinsam etwas Neues.

Ein weiteres beeindruckendes und nicht ganz ungefährliches Ativis-musbeispiel ist die Performance „Standing Man“ des Choreograp-hen und Tänzers Erdem Gündüz während der Proteste im Gezi-Park in Istanbul. Gündüz stand inmitten der aufgewühlten Menge stunden-lang stumm und bewegungslos da und stellte sich so der Polizeigewalt entgegen. Er stand nicht lange allei-ne. Diese Aktion inspirierten Ande-re zu ähnlichen Aktionen, z.B. am ZKM Karlsruhe.

Der Sammelband „Artivismus“ zeigt vielfältige Ideen, wie jeder sich als Bürger seiner Stadt annehmen kann und macht Lust, verschiedene Aktionen auszuprobieren und wei-terzutragen.

„Die Aktivitäten sozia-

ler Bewegungen, die

schon die 70er Jahre

kennzeichneten, sind

im neuen Jahrtausend

anders. Sie sind bun-

ter, fröhlicher, weniger

miesepetrig, weniger

besserwisserisch. Sie

sind ästhetik-bewusst,

sie sind künstlerischer

geworden, während

viele Kunst sich sozial

engagiert.“

(Lilo Schmitz)

Page 24: MITTENDRIN Juni-Juli-August-Ausgabe 2016

24 | Das Letzte

Wat? Wo steht denn ditte?

MitTENDRINmachen Impressum

„She is gone“ steht auf der Mütze des Mädchens, das eine Hauswand in einer prominenten Straße mit-ten in Prenzlauer Berg schmückt. Geschaffen hat es El Bocho, dessen Großstadtwesen an Hauseingängen, Wänden und Abrissgrundstücken eine Aura von Unnahbarkeit, fast Traurigkeit versprühen. Seine Wer-ke heißen „I miss my Plattenbau“ oder „Homegirl“, manchmal beglei-ten sie die Passanten fast lebensgroß auf Augenhöhe, manchmal sind sie klein und versteckt außerhalb des Blickwinkels angebracht. Ja ange-bracht, denn sie sind nicht direkt auf die Wände gemalt, El Bocho verwendet die Technik des Pastings: Bemaltes Papier wird auf den Un-tergrund gekleistert. El Bocho, was so viel heißt wie „Das Eselchen“, ist gebürtiger Frankfurter und lebt

Die MITTENDRIN ist das kostenlose Kiezmagazin des

Kulturverein Prenzlauer Berg e.V. Zukünftig wird es statt der

Prinausgabe einen Bog geben. Wir freuen uns über jede

Wortmeldung – ob Alltägliches oder Kurioses, kleine oder

größere Aufreger, Lob oder Kritik.

Ganze Artikel sind genauso willkommen wie Themenvor-

schläge, Leserbriefe, Hinweise auf inspirierende Lektüre oder

spannende Veranstaltungen in Prenzlauer Berg. Aktuelle und

vergangene Ausgaben fi nden Sie hier:

www.kvpb.de/mittendrin.

Herausgeber: Kulturverein Prenzlauer Berg e.V.,

Danziger Str. 50, 10435 Berlin | Redaktion: Barbara

Schwarz, Frauke Niemann | ViSdP: Der Vorstand | Layout:

Henriette Anders | Satz und Bildredaktion: Frauke Niemann

Redaktion MITTENDRIN

Barbara Schwarz | Frauke Niemann

Danziger Straße 50 - 10435 Berlin

Tel: 030/346 235 39 | 030/490 852 37

Mail: [email protected]

seit 20 Jahren in Berlin. Tagsüber arbeitet er als Typograf und Illustra-tor, nachts lebt er sein Künstlerda-sein aus. Wenn Sie wissen, wo genau sich unser gesuchtes Street-Art-Mädchen befindet, senden Sie Ihre Lösung bitte bis zum 30. Juli 2016 an [email protected]. Unter allen Mitratern verlosen wir zwei Freigetränke auf unserem Sommerfest am 10.09.2016 im Hof des ZENTRUM danziger50.

Des Rätsels Lösung: In der letzten Ausgabe konnten nur diejenigen unser Rätsel lösen, die schon mal offenen Auges durch die Lychener Straße flaniert sind und sich die Häuserfasasde unweit des Clubs „Ausland“ genauer an-geschaut haben. Da findet sich ein überlebensgroßes Plakat von Asif. Asif nimmt Teil am multidmedialen Street-Art-Projekt „Familiar Faca-des“ zum Thema Migration.

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zText: Barbara Schwarz, Frauke Niemann