Lautstark! #18 / September 2010

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    Manchmal hilft der Blick von

    aussen: Wenn auslndische

    Medien und Intellektuelle ber

    die Schweizerische Volkspartei

    (SVP) sprechen, dann ist die

    Rede von Rechtspopulismus

    und Rechtsaussenpartei (Ra-

    dio Netherlands Worldwide),

    von den Lieblingen der euro-

    pischen Rechten (Spiegel)

    oder den Rechtsradikalen in

    den Alpen (Sddeutsche Zei-

    tung). Hierzulande wird die SVP

    von den Medien, der polito-

    logischen Zunft und der breiten

    Masse weitgehend als volksna-

    he Brgerpartei und politische Partnerin gehandelt. Immer

    wieder mal kritisiert man ihren

    scharfen Ton und das unermd-

    liche Rumreiten auf dem Aus-

    lnderthema. Aber der rechts-

    populistische, rassistische und

    antidemokratische Kern dieser

    Partei wird nicht angetastet. Er

    wird selten benannt, oft auch

    nicht erkannt.

    Die Grnde dafr sind vielfltig. Fastein Drittel der stimmberechtigtenWhlerinnen und Whler steht hin-ter der SVP. Dieses politische Mach-verhltnis bewirkt keinen Aufschrei,sondern Duckmusertum. Anstatt

    sich dem wachsenden Rechtspopulis-mus in diesem Land zu stellen, wirdeinfach die politische Mitte nachrechts verschoben. Und schon habenwir wieder eine normale Partei aufeiner normalen Politskala vonRechten und Linken. Es ist die ewigeSuche nach einer vermeintlichenAusgewogenheit, ein selbstauferlegterZwang zur schweizerischen Harmo-nie, dem vieles zum Opfer fllt. Nichtzuletzt auch die demokratischenGrundstze, die auf Menschenwrdeund dem Glauben an die Gleichwer-tigkeit der Menschen aufbauen. Stattdass auf dem politischen Parkett dieWerte der Menschlichkeit verteidigtoder berhaupt erkmpft werden,wird zugunsten der harmonischenMitte-Idee immer wieder der Kom-promiss gesucht. Und solche Kom-promisse fallen dann meist zuUngunsten von Gleichheit undMenschlichkeit aus. Unzhlige Bei-

    spiele der letzten Jahre in der Sicher-heits-, der Migrations-, aber auch derBildungs- und Wirtschaftspolitik zeu-gen davon.

    Erdachte Wurzeln einer

    modernen Partei

    Die SVP ist rechtsradikal, sie ist nacheinem Fhrerprinzip strukturiert,und sie verdankt ihren Erfolg unteranderem einer modernen Kampag-nen-Maschinerie, in welche Millio-nenbetrge gesteckt werden. Der Irr-glaube, dass die heutige SVP eine alt-hergebrachte, gutschweizerische und

    historisch tief verwurzelte Partei sei,ist leicht widerlegbar. Zwar wollenwir hier nicht darber sinnieren, wasGutschweizertum ausmacht; jederkann sich nach eigenem Gusto ausder Mythenkiste bedienen, und wirfr unseren Teil verzichten gernedarauf. Aber mit dem Label alther-gebracht und traditionsreich lsstsich leicht aufrumen. Die heutigeSVP hat sich in den 1990er-Jahrenstark erneuert, modernisiert und pro-fessionalisiert. Tradition ist ein aufge-blhtes Schlagwort, das mit vielEnergie von der Partei selber kon-struiert wird. Etwa wenn ChristophBlocher sich in einem Referat alsNachfolger in die Ahnenreihe des

    Politikers Ulrich Ochsenbein ( 1890,Schpfer der Bundesverfassung von1848), des Bundesrats Rudolf Minger( 1955, Bauernfhrer und Bun-desrat whrend des Zweiten Welt-kriegs) und des Malers Albert Anker( 1910) stellt. Solche Bezge sindeine Kopfgeburt von Blocher & Co.Die Partei-Agitatoren erfinden dortihre Wurzeln, wo sie diese brauchen.Die Struktur der heutigen SVP undderen Erfolg sind das Resultat einerpopu-listischen Parteiform, wie sie inden letzten zwei Jahrzehnten for-miert worden ist. Wesentlich dazubeigetragen hat der Zrcher Milliar-dr Christoph Blocher.

    Der Weg zur neuen SVP

    Die SVP wurde am 22. September1971 gegrndet, als sich die Bauern-Gewerbe- und Brgerpartei (BGB)und die Demokratischen Parteien der

    Kantone Graubnden und Glaruszusammenschlossen. Zu diesem Zeit-punkt bestanden die Parteimitgliederund die Whlerschaft der SVP nochaus einer buerlich-gewerblichenSchicht in der lndlichen Deutsch-schweiz. Dies nderte sich in den Fol-gejahren stetig. Die neu entstandeneSVP profilierte sich als Partei derMittelstandes, wo neben Kreisender Landwirtschaft und des Gewer-bes vor allem auch Arbeitnehmerin-nen und -nehmer angesprochen wur-den. Richtig erfolgreich wurde dieSVP dann in den 1990er-Jahren mit

    ihrem Zugpferd Christoph Blocher.Die SVP schrieb sich von nun an dieBewahrung der schweizerischenIdentitt auf die Fahne und erzieltedamit sensationelle Wahlerfolge. Zuihren wichtigsten Themenfelderngehren die Asyl- und Migrationspo-litik und die damit verbundenen Fra-gen der Inneren Sicherheit. Gleich-zeitig distanzieren sie sich im Namender Neutralitt von transnationa-len Organisationen und Organisati-onsformen wie beispielsweise demEWR, der UNO oder der NATO.Zwei Ereignisse in den 1990er-Jahren

    Rechtsextreme Ideologie fr breites

    Publikum

    Ob mit Plakatkampagnen oder mit gemeinsamen

    Aufmrschen: Die Berhrungsngste zwischen SVP

    und Neonazis schwinden.

    Burgdorfer Neonazi-Bar

    Die Tren sind bereits wieder geschlossen. Ein Rck-

    blick auf das kurze Intermezzo der Royal Aces Tat-

    too-Bar in Burgdorf.

    Mit angezogener Handbremse unterwegs

    Ein Blick auf das Jahr 2009 zeigt, dass es um die or-

    ganisierten Neonazis in der Schweiz ruhiger gewor-

    den ist.

    Liebe Leserin, lieber Leser

    Wer mit Unwahrheiten eine Bhne betritt,dem sei Misserfolg gegnnt. Diese Erfahrungmachte richtigerweise auch der profilierungs-schtige Rechtsaussen-Politiker Erich Hessmit der Lancierung der fnften Anti-Reit-schule-Initiative. Er wollte einmal mehr die

    politische Bhne aufmischen und sich alsWinkelried der angeblich von der Reitschulebedrohten Bernerinnen und Berner prsentie-ren. Seine Bhnenprsenz ist und bleibt je-doch kmmerlich. Mslm beatet Hess im

    Rahmen der Reitschule bietet mehr-Kam- pagne Paroli und stiehlt ihm gekonnt dieShow. ber 280'000 Mal wurde das Mu-sikvideo zum Song Erich, warum bisch Dunid Ehrlich bereits ber YouTube aufge-rufen. Zustzlich gelang Mslm temporrder Einzug in der Top 10 der iTunes-Sin-

    gle-Charts. Von Klickraten dieser Art istTeleHESS weit entfernt.

    In der aktuellen Ausgabe des lautstark! ge-ben wir dir erneut spannende Einblicke in

    Machenschaften der Extremen Rechten. Duerfhrst, was Rechtspopulisten in den Nie-derlanden treiben und warum 2009 frSchweizer Neonazis nicht das beste Jahr ge-wesen ist. Zudem zeichnen wir schlaglicht-artig die Entwicklung der SVP nach und

    veranschaulichen deren immer fremdenfeind-lich und rassistisch werdenden Auftritt.

    Viel Spass beim Lesen!

    Antifa Bern

    Antifa Bern

    Postfach 5053

    3001 Bern

    [email protected]

    www.antifa.ch

    Editorial

    18

    September 2010

    Seite 7Seite 5-6

    Widerstand im Kleinen.

    Rassismus als Kompromiss?Zur rechtspopulistischen SVP und zum Umgang damit

    Seite 2

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    Dass SVP-Forderungen auch bei

    Neonazis gut ankommen, ber-

    rascht kaum, wenn man sich die

    Schfli-Plakate, die Kampagne

    zur Minarett-Initiative oder die

    unsgliche Volksbefragung ber

    Auslnderinnen und Auslnder,

    die momentan luft, vor Augen

    hlt. Die Berhrungsngste zwi-

    schen der SVP und der Extremen

    Rechten nehmen stndig ab, wie

    einige aktuelle Beispiele zeigen.

    Die Kontakte zwischen der SVP undder rechtsextremen Szene hufensich. Durch ihren strammen Rechts-

    aussen-Kurs hat die Partei um Chri-stoph Blocher alle rechts von ihrpositionierten Parteien aufgesaugtund damit auch deren Weltbild. DieSVP toleriert keine Partei mehr, dienoch weiter rechts politisiert.Im Gegensatz zu den 1990er-Jahren

    wrden Rechtsextremisten wie derAargauer Pascal Trost (mittlerweilebei der PNOS) oder der GenferAnwalt und NationalratskandidatPascal Junod heute wohl nicht mehraus der SVP ausgeschlossen, sondern

    toleriert und gefrdert. Obwohl es beiJunod im Jahre 1999 er ist ein um-triebiger Exponent der rassistisch in-spirierten Nouvelle Droite (NeueRechte) lange ging und viel ffent-lichen Druck brauchte, bis er endlichnicht mehr SVP-Parteimitglied war.Was seine politischen Ambitionenleider nicht stoppte: Das Genfer Par-lament whlte Junod 2007 in die kan-tonale Rekurskommission der Frem-denpolizei, dieses Mal als Vertreterder in Genf starken, rechtspopulisti-schen Partei Mouvement citoyensgenevois (Genfer Brger-Bewe-gung).

    SVP will mit Neonazis zum

    Schlachtdenkmal ziehen

    In den letzen Jahren verkam die jhr-liche Schlachtfeier in Sempach zumgrssten Aufmarsch der rechten Sze-ne in der Schweiz (siehe Artikel aufder Seite 7). Nachdem die Luzerner

    Jusos und Antifas 2009 eine friedliche

    Kundgebung abhielten, reagiertendie lokalen Behrden und berarbei-teten ihr Konzept. So soll nchstes

    Jahr anstelle des Umzuges ein Fest imStdtchen stattfinden. Der SVP aberwill die bisherige Schlachtfeier weiter-fhren. Sie reichte deshalb eine Petiti-on mit 500 Unterschriften ein. Unter-schrieben haben offenbar auch derSVP-Verteidigungs- und Sportmini-ster Ueli Maurer sowie ein DutzendNationalrtinnen und Nationalrtedie Petition unterschrieben.

    Die SVP des Kantons Luzern liesssich auf ihrer Website zur Behaup-

    tung hinreissen, dass noch nie Neona-zis am Umzug in Sempach teilge-nommen htten. Vielmehr seien esausschliesslich friedliche und anstn-dige junge Patrioten gewesen eineble Verharmlosung durch die wh-lerstrkste Partei der Schweiz. Selbst

    wer flchtig hinschaut, erkenntunschwer, dass sich die gesamterechtsextreme Szene der Schweizdort gerne prsentiert: von der Nazi-skin-Organisation Blood andHonour ber die Rechts-Rocker der

    Band Indiziert, die Holocaust-Leugner der Avalon-Gemeinschaft,die diversen Kameradschaften bis hinzu den Kadern der rechtsextremenKleinstpartei PNOS, wie ein Artikeldes Autonomen Medienkollektiv Frei-burg ber den Naziaufmarsch inSempach 2008 eindrcklich bewies.

    Der Prsident der Jungen SVPLuzern, Anian Liebrand, demonst-rierte in einem Leserbrief in derNeuen Luzerner Zeitung seineideologische Nhe zu den Neonazis.Er stufte einen ans Winkelried-Schlachtdenkmal gemalten NoNazis-Spruch als schlimmer ein alsden jhrlichen Aufmarsch der rech-ten Szene, welcher der Vernetzungund der Strkung der Schweizer Neo-nazis dient. Liebrand offenbartedabei auch ein schon lange berhol-tes Geschichtsbild, indem er von Win-kelried als Freiheitskmpfer fr dieSchweiz schwafelte. Die 100 Jahrenach der Schlacht erfundene Figur

    hat berhaupt nichts mit der heutigenSchweiz zu tun.

    So erstaunt es auch nicht, dass dieJunge SVP Luzern die Malaktion wieauch die friedliche Demonstration alsAngriff auf ein friedliches patrioti-sches Fest versteht und gegen die

    Jusos und die SP wettert. Sie mchtewohl am liebsten wieder mit denRechtsextremen, die gerne ihre Tat-toos mit nationalsozialistischer Sym-bolik (Keltenkreuz, Schwarze Sonne)oder Sprchen wie Ehre, Treue,Vaterland und Meine Ehre heisstTreue zur Schau stellen, zum

    Schlachtdenkmal pilgern und ihrekrude Weltanschauung zelebrieren.

    Rechtsextremer jurassischer

    Nationalrat

    Eher berraschend wurde 2007 der Jurassier Dominique Baettig fr dieSVP in den Nationalrat gewhlt, hat-te doch die SVP im Jura lange alsBerner Staatspartei gegolten undkaum Chancen gehabt. Ende der1970er-Jahre war Baettig verantwort-licher Herausgeber der rechtsextre-men Zeitschrift Avant-Gardegewesen und hatte, so die ZeitungLe Quotidien Jurassien, die nazi-maoistische Querfrontengruppe

    Lutte du peuple (Volkskampf)gegrndet. Spter hatte Baettig dieGruppe Lutte du peuple mit eineranderen Kleinstgruppe zum NouvelOrdre Social Groupe de base natio-naliste-rvolutionnaire suisse (Neuesoziale Ordnung schweizerischenationalrevolutionre Basisgruppe)verschmolzen. Die Gruppe hatte einHeft voller antisemitischer und rassi-stischer Anspielungen publiziert undbei den Artikeln fast ausnahmslos aufAutorenangaben verzichtet. Als ver-antwortlicher Herausgeber hatte

    jedoch ein gewisser D. Baettig fun-giert.

    Als ihn der Rechtsextremismus-Ken-

    ner Hans Stutz auf seine Vergangen-heit ansprach der entsprechendeArtikel in der Wochenzeitung WOZvom 10. Dezember 2009 ist onlineabrufbar und erzhlt die Biografiedes SVP-Nationalrats nach , ver-mochte sich Baettig an nichts mehrzu erinnern. Jedoch scheint sich seinWeltbild in den letzten dreissig, vier-zig Jahren nicht gross verndert zuhaben. So schrieb er in der ZeitungSchweizerzeit seines Zrcher Par-teikollegen Ulrich Schler, dass eseine Hitliste von Opfern gebe, aufder die Opfer des Holocaust zu oberststnden. Zwar leugnete Baettig diemillionenfache Ermordung der Judenim Dritten Reich nicht, fand aber, derShoa werde viel zu viel Bedeutungbeigemessen.Im Oktober 2009 trat Baettig alsReferent an einem rechtsextremenKongress in der sdfranzsischenStadt Orange auf. Er behauptetedanach, im Vorfeld nichts vom rechts-extremen Charakter der Veranstal-

    Rechtspopulismus Schweiz

    lautstark! Ausgabe Nr. 18 September 2010

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    halfen der SVP in besonderem Mas-se, sich in dieser neuen Ausrichtungzu profilieren. 1992 wusste die SVPdie EWR-Abstimmung geschickt frihre Zwecke zu nutzen. Damals ver-hinderte die SVP mit einer Volksini-tiative erfolgreich den Schweizeri-schen Beitritt zum EuropischenWirtschaftsraum (EWR). Sie spieltesich im Abstimmungskampf als Win-kelried gegen fremde Vgte auf undgalt bei ihren Whlerinnen undWhler von nun als Bewahrerin derschweizerischen Neutralitt. Mitteder 1990er-Jahre gerieten die Verant-wortlichen von Politik und Wirtschaftunter internationalen Druck, weilsich das Land seit 50 Jahren weigerte,ihre Rolle whrend des ZweitenWeltkrieges aufzuarbeiten. Blochersprang als Anwalt der Schweiz einund erntete damit vom Neonazis bishin zum Mittelstandsbnzli viel Sym-pathie.

    Mit Rassismus auf Stimmen-fang

    Die Politstrategie der SVP warbegleitet von einer immer professio-neller werdenden Kampagnenarbeit,die mit viel Geld unter anderemauch aus dem Hause Blocher getra-gen wurde. Markenzeichen wurdenvor allem die rassistischen Plakate.Meistens im Zusammenhang mitInitiativen waren diese schweizweitausgehngt und sorgten mit ihrenprovokativen Inhalten fr viel media-les Aufsehen. Die Reaktionen spieltenso oder so der SVP in die Hnde.Wenn die Plakate totgeschwiegenwurden, legitimierte dies ihren rassi-

    stischen Inhalt. Wurde darberberichtet, dann verschaffte dies indi-rekt auch den programmatischen An-liegen der SVP zustzliche Aufmerk-samkeit. Die Medien verschrftendieses Dilemma zustzlich, indem siedie Stilfrage undifferenziert aufgrif-fen und inszenierten. Denn es gingund geht auch heutzutage immer ummehr als eine blosse Stilfrage.Von 1991 bis 2007 konnte die SVPmit der neuen Ausrichtung ihre Sitzeim Nationalrat mehr als verdoppeln(2007: 28 Prozent, 62 Sitze) und wur-de damit zur whlerstrksten Parteider Schweiz. So kam es, dass dieSchweiz heute zu einem Drittel vonrechtspopulistischen Rassisten regiert

    wird und die restlichen zwei Drittelden Kopf in den Sand stecken undKompromisse suchen.

    SVP ein europisches Phno-

    men?

    Der Spiegel-Journalist Charles Haw-ley formulierte treffend, dass die SVPsptestens seit der erfolgreichenMinarett-Initiative vom letzten Jahrzum Darling of the EuropeanRight erkoren wurde. Die politi-schen Anliegen der SVP sind mit vie-len rechtspopulistischen und neona-zistischen Bewegungen im nahenAusland vergleichbar. So gesehen istdas Programm der SVP ein europi-sches Phnomen. berall geht es umden Ausschluss von Menschen unddie Strkung des nationalen Wir-Ge-fhls. Die Slogans sind unterschied-lich und doch so gleich: Eigen volkeerst (Vlaams Blok, Niederlande),sterreich zuerst (FreiheitlichePartei sterreich), les franais d ab-ord (Front National, Frankreich)

    oder eben Die Schweizer zuerst.Mit diesem Slogan warb die SVP imVorfeld der Zrcher Stadtratswahlenim Frhjahr 2010.

    Es wird europaweit gegen eine Clas-se politique polemisiert, welche dieAnliegen der Bevlkerung nichtwahrnehme. Gleichzeitig spielen dierechtspopulistischen Parteien aberselber mehr oder weniger erfolgreichim politischen Machtkarussell mit.Gerade die SVP ist mit ihren finan-ziellen Mitteln und der aktuellenpolitischen Macht eine Partei der Eli-te und nicht der kleinen Leute. Einweiteres Thema, das die europ-ischen Rechtspopulisten eint, ist diegnadenlose Polemik gegen Migran-tinnen und Migranten und andereGruppen, die nicht zur Nationgezhlt werden. Mit radikalen Forde-rungen und einer drastischen Bild-sprache appellieren diese Parteien anfremdenfeindliche Ressentiments in

    der Bevlkerung und kultivieren die-se zugleich. In den letzten zehn Jah-ren haben die europischen Rechts-aussenparteien den Islam und diemuslimische Bevlkerung zum wich-tigsten Feindbild dieser Ausschluss-und Identittspolitik erkoren.

    Urteil: Volksverhetzung

    Die SVP dient der europischenRechten vor allem aufgrund ihresWahlerfolgs als beliebtes Vorbild. In

    jngster Vergangenheit begannenauch neonazistische Parteien sichoffiziell an der SVP zu orientieren.Beispielsweise die Nationaldemokra-tische Partei Deutschland (NPD), die

    bereits mehrmals die Sujets und dieBildsprache von SVP-Plakaten einszu eins fr eigene Kampagnen ber-nommen hat. Jngstes Beispiel ist dasRabenplakat, das im Rahmen derAbstimmung zur Personenfreizgig-keit (2009) fr Furore sorgte. Auf die-ser Affiche sind berdimensionierteschwarze Raben zu sehen, die mit ih-ren scharfen Schnbeln ber dieSchweiz herfallen. Die NPD ber-nahm die Bildgestaltung der SVP frein Wahlplakat in Mecklenburg-Vor-pommern. Darunter platzierten sieden Spruch Poleninvasion stop-pen!. Das deutsche Bundesverfas-sungsgericht befand daraufhin, dassdie Text- und Bildelemente des NPD-

    Plakats sowie deren Gestaltung einAngriff auf die Menschenwrdeanderer seien und deshalb nichtffentlich angebracht werden drfen.Indirekt bedeutet dies, dass die SVP-Plakate in Deutschland vom Bundes-verfassungsgericht als Volksverhet-zung beurteilt werden. Und hierhaben wir ihn wieder, den Blick vonaussen.

    SVP und die NeonazisDas enge Verhltnis zur Extremen Rechten

    Neonazis zeigen Flagge: SVP-Veranstaltung am 6. Oktober 2007 in Bern.

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    Seit zehn Jahren wird die Debat-

    te ber die Integrationsthema-

    tik in den Niederlanden vonrechten Populisten dominiert.

    Zunchst war es Pim Fortuyn,

    der direkt nach den Anschl-

    gen in den USA am 11. Septem-

    ber 2001 die politische Arena

    betrat. Seit 2004 ist es die Par-

    tij voor de Vrijheid (Partei fr

    Freiheit, PVV), angefhrt vom

    international bekannten, ehe-

    mals liberalen Parlamentarier

    Geert Wilders.

    Seit den 1990er-Jahren gibt es in denNiederlanden rund zwei MillionenWechselwhlerinnen und -whler:Dies entspricht rund einem Fnftelder 150 Parlamentssitze. Die Partei-

    programme unterscheiden sich seitder achtjhrigen Regierungskoalitionaus Liberalen und SozialdemokratenEnde des letzten Jahrhunderts nurnoch marginal. Die Wechselwhle-rinnen und -whler alternieren unge-niert zwischen den traditionellen Par-teien wie der rechtsliberalen Volks-partij voor Vrijheid en Democratie(Volkspartei fr Freiheit und Demo-kratie, VVD), der sozialdemokrati-schen Partij van de Arbeid (Parteider Arbeit, PvdA), den liberalenDemocraten 66 (Demokraten66, D66) und dem Christen Demo-cratisch Appl (Christlich-Demo-kratischer Aufruf, CDA).

    Zur selben Zeit wurde das Tabugebrochen, offen ber die in einigenStdten angeblich herrschenden Pro-bleme bei der Integration von

    Jugendlichen mit Migrationshinter-grund zu debattieren. Zuvor hattendie rassistischen und faschistischenParteien dieses Thema besetzt. Nun

    war es ein sozialdemokratischer Mei-nungsfhrer, der mit seinem Artikel

    Das Versagen der multikulturellenGesellschaft fr Aufsehen sorgte.

    Fortuyns kometenhafter Aufstieg

    Die Anschlge auf das World TradeCenter in den USA vom 11. Septem-ber 2001 entfachten in den Nieder-landen eine Serie von Brandanschl-gen auf Moscheen und islamischeEinrichtungen es wurden mehr ras-sistisch motivierte Gewalttaten als in

    jedem anderen Land Europas ver-zeichnet. Pim Fortuyn nutzte dieGunst der Stunde und provoziertedie politische Ordnung mit Angriffenauf den Islam, die Einwanderung,die Integration und den bisher gel-

    tenden antirassistischen Konsens. Inseiner Heimatstadt Rotterdam wurdedie lokale Liste Leefbaar Rotter-dam (Lebenswertes Rotterdam)aus dem Nichts zur whlerstrksten

    Partei. Kurz vor den Parlamentswah-len im Mai 2002 ttete ein Umwelt-

    schtzer Fortuyn, mit dem Ziel, denAufstieg des rassistischen und gefhr-lichen Medienstars zu stoppen.Trotz oder vielleicht wegen demTod des Parteivorsitzenden erreichtedie Lijst Pim Fortuyn (LPF) 26 Sit-ze und trat sogleich der Regierungs-koalition bei. Auf Grund internerStreitigkeiten innerhalb der LPF-Rei-hen hatte diese Regierung aber keine90 Tage Bestand. In den folgenden

    Jahren verschwand die Lijst PimFortuyn nach und nach von derBildflche. Heute existiert sie nichtmehr abgesehen von einem lokalenZweig in Rotterdam.

    Ein Tsunami des Islams ber

    den Niederlanden

    Als 2004 ein islamischer Fanatiker inAmsterdam den FilmproduzentenTheo von Gogh ermordete, wurde

    erneut die multikulturelle Gesell-schaft fr alle sozialen Probleme im

    Land verantwortlich gemacht. DieEntrstung entlud sich wiederum inBrandanschlgen auf Moscheen undeinzelnen bergriffen auf Moslems.In diesem Klima grndete Geert Wil-ders, der sich im Vorfeld von derrechtsliberalen VVD losgelst hatte,um einen radikaleren Kurs zu verfol-gen, seine anti-islamische Partij voorde Vrijheid (PVV). Obwohl er nureinen Sitz im Parlament innehatte,nutzte er diese Plattform geschicktund bestimmte mehr und mehr diepolitische Debatte ber die Einwan-derung und den Islam.

    Nach jedem Vorfall bertraf sichWilders mit immer radikaleren For-

    derungen: So wollte er radikale Isla-misten ohne juristische Interventio-nen inhaftieren oder die Verfassungzeitweilig ausser Kraft setzen, umden Strassenterrorismus zubekmpfen sein medienwirksamerKraftausdruck fr Kleinkriminalittder Jugendlichen mit Migrationshin-tergrund. Immer wieder sorgte Wil-ders fr Schlagzeilen, indem er einenTsunami des Islams ber den Nie-derlanden hereinbrechen sah. Diepolitischen Gegner Wilders verhiel-ten sich ruhig. Sie frchteten sichdavor, als links, schwach und softabgestempelt zu werden. Wilders, derseit 2004 aufgrund fortwhrenderMorddrohungen schwer bewachtwird, gewann bei den Wahlen 2006neun Sitze.

    Die PVV wird von den unterschied-lichsten Leuten aus den verschiede-nen sozialen Schichten untersttzt:ehemalige Liberale, klassische Rassi-sten, Menschen mit mittlerem Ein-

    kommen, die sich vor Moslems frch-ten, jedoch hauptschlich in weis-

    sen Stadtteilen leben. Zunehmendkann Wilders auch auf die Sympa-thien von fortschrittlichen Meinungs-machern zhlen. Mit der Begrn-dung, die niederlndische Gesell-schaft vor dem rckstndigenIslam beschtzen und die Rechteder Frauen und Homosexuellen auf-rechterhalten zu wollen, verteidigendiese Wilders Redefreiheit.Wilders ist brigens das einzige Mit-glied seiner Partei so kann er diesevoll und ganz kontrollieren. Er lehntauch Staatssubventionen ab, damit erkeinen Einblick in die Parteifinanzengewhren muss. Die PVV ist dennauch mehr Bewegung als Partei. Diesmacht sie bei den Whlerinnen und

    Whler so attraktiv.

    Wilders Programm

    Im April 2010 rief die PVV ihreAgenda fr Hoffnung und Optimis-mus ins Leben, die sich hauptsch-lich um Sicherheitsbelange und denIslam dreht. Sie fordert hrtere Stra-fen, 10'000 zustzliche Polizisten,eine Einschrnkung des Entschei-dungsspielraums der Richter sowieein Koran- und Burka-Verbot, einenEinwanderungsstopp fr Personenaus islamischen Lndern, keine sozia-le Untersttzung fr Immigrantinnenund Immigranten fr die ersten zehn

    Jahre, eine Kopftuch-Steuer oderdie Schliessung islamischer Schulen,um nur einige der abstrusen Ideen zunennen. Ausserdem verlangt diePVV eine ethnische Registrierungaller Brgerinnen und Brger undstellt somit die Loyalitt der Doppel-brgerinnen und -brger in Frage.Wilders richtete sein Programm neu

    Rechtspopulismus Niederlande

    lautstark! Ausgabe Nr. 18 September 2010

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    Mit Kopftuch-Steuer auf StimmenfangBltezeit der islamophoben Partei fr Freiheit in den Niederlanden

    Geert Wilders: Mit Mozart-Frisur gegen Kopftcher.

    tung gewusst zu haben. Dies obwohlihn das Westschweizer Fernsehenschon im Juli 2009 mit diesen Faktenkonfrontiert hatte! Eingeladen wor-den war er vom Prsidenten derJeunesse Identitaire Genevoise,

    Jean-David Cattin. Dies alleine htteihn aufhorchen lassen mssen, denndie Identitaires-Bewegung, die sichausserparlamentarisch bettigt, istneben dem Front National von

    Jean-Marie Le Pen die grsste rechts-extreme Gruppierung in Frankreich.Siehe hierzu auch das Interview miteinem Vertreter der franzsischenAntifa-Organisation SCALP in derlautstark!-Ausgabe 15 vom Juli2008. Die Genfer Sektion der Iden-titaires ist bestens vernetzt mit ihrenfranzsischen Gesinnungsgenossen.In seiner Rede brigens bezeichneteBaettig Minarette als phallische Sym-bole und als Zeichen mnnlicherPotenz. Der Applaus der rechtsextre-men Zuhrerschaft war ihm gewiss.

    2010 erhielt Baettig wieder vielmediale Aufmerksamkeit, als er vor-schlug, die Schweizer Verfassung zu

    ndern, so dass benachbarte Gebieteder Schweiz beitreten knnten. EinMitglied der Partei, die wegen einpaar 10'000 zugewanderten Deut-schen weint und gegen Einbrgerun-gen wettert, will beispielsweise 10,7Millionen Baden-WrttembergerIn-nen zu SchweizerInnen machen. Wersoll das noch verstehen?

    Offene Kontakte zu deutschen

    Neonazis

    Mitte Dezember 2009 trat der Prsi-dent der Aargauer SVP-Grossrats-fraktion, Andreas Glarner, derrechtspopulistischen OrganisationPro Kln bei. Diese wird vom Ver-fassungsschutz des deutschen Bun-deslandes Nordrhein-Westfalen ver-dchtigt, rechtsextremistisch zu sein.

    Jeder Versuch der Organisation, diesper Gerichtsentscheid ndern zu las-sen, scheiterte bislang. Fr diversedeutsche Gerichte gibt es gengend

    Beweise, welche diesen Verdacht stt-zen. Glarner, der fr plumpe und ras-sistische Wahlkampfparolen wieAarau statt Ankara bekannt ist,

    sieht dennoch keinen Grund, seinenBeitritt rckgngig zu machen.

    Ende Mrz 2010 traf sich die Pro-Bewegung zu einer Konferenz inGelsenkirchen. In diesem Rahmenfand auch eine von Pro Kln undder neonazistischen NPD gemeinsamorganisierte Demonstration imbenachbarten Duisburg statt. Nochrechtsextremer kann eine Manifesta-tion kaum sein! Dennoch schickte derWalliser SVP-Nationalrat OskarFreysinger eine Grussbotschaft an dieversammelten Islamhasser und Neo-nazis und sprach sie mit liebeabendlndische Freunde an. In sei-ner kurzen Botschaft erzhlte er voneiner angeblichen islamischen Ver-schwrung, die das Abendlandbedrohe, und kndigte an, zusam-men mit den Neonazis gegen denTotalitarismus kmpfen zu wollen.Die SVP ist mit populistischer Panik-mache und Hetze erfolgreich gewor-

    den. Und sie will noch strker wer-den. Um ihr Ziel zu erreichen, scheutsie sich nicht davor, mit Neonaziszusammenzuarbeiten oder sie in den

    eigenen Reihen aufzunehmen.Rechtsextremes Gedankengut fliesstso in die Ideologie der Partei ein undwird einem breiteren Publikumzugnglich.

    Minarett-Debatte eint die europische Rechte. Pro-Bewegung in Essen.

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    Das Bndnis Alle gegen

    Rechts ruft fr den 2. Oktober2010 zum 10. Antifaschisti-

    schen Abendspaziergang in

    Bern auf und beweist damit

    Beharrlichkeit und Kontinuitt.

    Eigenschaften, die bitter ntig

    sind in diesen Hoch-Zeiten der

    Ausgrenzung und Fremden-

    feindlichkeit.

    Mehr als zehn Jahre ist es her, seit dasdamals frisch gegrndete BndnisAlle gegen Rechts, ein Zusammen-schluss mehrerer Berner Antifa-Gruppen, mit dem ersten Antifa-schistischen Abendspaziergang einAusrufezeichen gegen Neonazis undrechte Gewalt setzte. Das Konzeptdes Antifaschistischen Abendspa-ziergangs stammte aus Zrich woAntifa-Aktivistinnen und -Aktivistenin den spten 1990er-Jahren gezieltTreffpunkte der Rechtsextremen imNiederdorf angegriffen hatten undwurde fr Bern erfolgreich adaptiert.Bis zu 4000 Teilnehmende liessen

    sich in den Jahren 2003 und 2004,

    dem Hhepunkt der Abendspazier-gang-Bewegung, mobilisieren diestrotz bler Panikmache in denMedien und durchsichtigem Wahl-kampftheater der Lokalparteien. DieTonalitt war stets kmpferisch.Bereits der Aufruf zum erstenAbendspaziergang gab den Taktvor: Wir wollen uns einen Abendlang die Strassen der Berner Innen-stadt nehmen und manifestieren: Noway Nazis! No way Blocher! Solidari-tt statt Ausgrenzung!

    Parolen, die leider bis heute nichts anAktualitt und Dringlichkeit einge-bsst haben. Im Gegenteil: Mehrdenn je vergiftet die rechtspopulisti-sche Schweizerische Volkspartei(SVP) mit Hetzkampagnen gegenAuslnderInnen, sozial Schwacheund Andersdenkende das politischeKlima ein aktuelles Beispiel ist dievlkerrechtswidrige Ausschaffungs-initiative. Sie tut dies mit durch-schlagendem Erfolg: Auch die politi-

    sche Mitte bt und berbietet sich

    mittlerweile im Postulieren islam-und fremdenfeindlicher Forderun-gen.

    Am ussersten rechten Rand hltsich eine Neonazi-Szene, die zwi-schen politisch ambitionierten Pro-

    jekten und stumpfer Naziskin-Sub-kultur oszilliert. Und deren men-schenverachtendes Weltbild immerwieder auch in gewaltttigen ber-griffen gipfelt.

    Der Aufruf zum 10. Antifaschisti-schen Abendspaziergang bringt esauf den Punkt: Es gibt keinen Grund,sich auszuruhen.

    Heraus zum 10. Antifaschisti-

    schen Abendspaziergang!

    Samstag, 2. Oktober 2010,

    20 Uhr, Heiliggeistkirche, Bern

    aus von konservativen, stark neoli-beral geprgten Ansichten hin zueiner breiteren, teilweise sozialdemo-kratisch geprgten Agenda. Die PVVsah sich zu diesem Schritt gezwun-gen, weil mit dem alten Programm inZeiten der Wirtschaftskrise keineWhlerstimmen mehr zu holen wa-ren. Die Partei will ihre Politik durchKrzungen bei der Integration undder Entwicklungshilfe finanzieren.Im Parteiprogramm findet die Frde-rung von Nationalismus grosseBeachtung: Jede Schule und jedesffentliche Gebude soll mit dernationalen Fahne beflaggt, lokaleTraditionen geachtet sowie die nie-derlndische (und friesische) Sprachegeschtzt werden. Am 4. Mai, demnationalen Gedenktag fr die Gefal-lenen des Zweiten Weltkrieges,mchte die PVV der Opfer des (na-tionalen) Sozialismus gedenken.Bemerkenswert: Sie macht keinenUnterschied zwischen den Opfern

    des Nationalsozialismus und des So-wjet-Kommunismus. Und weiter:Das Programm der PVV konstruiertdie Vorstellung eines niederlndi-schen Volkes und spricht zugleichTeilen der Bevlkerung die Zugeh-rigkeit ab.

    Das Wahljahr 2010

    Bei den nationalen Parlamentswah-len im Juni 2010 gelang es WildersPVV, einen Coup zu landen: Die Par-tei gewann 24 Parlamentssitze und istneu die drittstrkste Partei der Nie-derlanden. ber 1,5 Millionen Men-schen whlten die PVV. Geert Wil-ders bemhte sich intensiv, Teil der

    neuen Regierung zu sein und denEinzug der sozialdemokratischenPvdA zu verhindern. Nicht nur in derAnti-Islam-Agenda, sondern auch inwirtschaftspolitischen Fragen unter-

    schied sich jedoch seine PVV vonden mglichen KoalitionspartnernVVD und CDA. Prominente Vertre-terinnen und Vertreter dieser Partei-en vor allem der CDA warntenvor einem Bndnis mit der PVV, dadadurch das Ansehen der Niederlan-de aussenpolitisch Schaden nehmenwrde und wirtschaftliche Folgennach sich ziehen knnte.

    Im August einigten sich die drei Par-teien dennoch auf eine von Wildersgeduldeten Minderheitsregierung ausVVD und CDA. Die anschliessendenGesprche ber einen Duldungsver-

    trag standen aber von Beginn wegunter keinem guten Stern. MehrereCDA-Parlamentarier protestiertengegen die geplante Koalitionsbildungund verweigerten Wilders die vonihm geforderten Loyalittszusiche-rungen. Sie strten sich insbesonderedaran, dass sich der PVV-Chef aus-bedungen hatte, weiterhin die islami-sche Religion kritisieren zu drfen.

    Anfang September verliess Wildersdie Gesprche und kndigte an, indie Opposition gehen zu wollen.Damit stehen die Niederlande knappdrei Monate nach den Parlaments-

    wahlen immer noch ohne konkreteAussicht auf eine neue Regierung da.Im Parlament kehrte Wilders mittler-weile zu seiner rechtspopulistischenAgitation zurck, zum Beispiel, alseine Studie mit Statistiken ber Ver-brechen unter Marokkanern publi-ziert wurde. Er forderte kurzum dieBildung einer speziellen Strassenter-ror-Sondereinheit der Polizei, dieVerschrfung der Strafgesetzgebungund die Ausbrgerung von Straft-tern, so dass diese, Zitat Wilders, dieStrassen von Rabat und Casablancaanstelle der niederlndischen Stdteterrorisieren knnen.Wilders politische Gegner in denNiederlanden geben sich handzahm.Nur der prominente Liberale undehemalige ParlamentsvorsitzendeFrans Weisglas prangerte offen dieHetze der PVV an, indem er erklr-te, dass der Ausschluss und die Dis-kriminierung einer Gruppe vonMenschen aufgrund ihrer ethnischen

    Zugehrigkeit nicht zu unserem Ver-fassungsstaat passen.

    Applaus aus dem Ausland

    Ausserhalb der Niederlande wirdWilders als Freiheitskmpfer gegenden Islam gefeiert und kann auf dieUntersttzung von Ultrakonservati-ven in den USA, Dnemark, Israeloder Grossbritannien zhlen. Er ver-sucht, den Kampf gegen den Islamin den Mittelpunkt der niederlndi-schen Aussenpolitik zu rcken, undunternimmt Anstrengungen, eine in-ternationale Anti-Islam-Koalitionaufzubauen, indem er ein neuesNetzwerk etabliert: die internationale

    Freiheitsallianz (IFA). Diese Allianzsoll offenbar die Lcke zwischen dentraditionellen konservativen Parteienund den rechtsextremen Organisatio-nen schliessen.

    Am 11. September 2010 wird Wil-ders am Ground Zero anti-islami-sche und Anti-Obama-Ressentimentsussern, wenn er auf Einladung derStop the Islamisation of America-Bewegung spricht. Seine Rede wirdTeil des Protestes gegen den Baueiner Moschee in der Nhe desSchauplatzes des islamistischen Ter-roranschlags von 2001 sein.

    Diesen Oktober, nur ein paarWochen nach seiner Rede amGround Zero, wird sich eben jenerVerfechter von harten Law andOrder-Massnahmen vor Gerichteinfinden mssen, wo er wegen Sch-ren von Hass und Diskriminierungauf der Anklagebank sitzt. Die Rassi-sten, Faschisten und Fussball-Hooli-gans der English Defence League,welche Wilders dieses Jahr in Londonbegrsst haben, werden nachAmsterdam reisen, um gemeinsammit ihren niederlndischen Verbn-

    deten eine Untersttzerdemonstrati-on fr Wilders durchzufhren.

    Die Abgeordneten der PVV imEuropischen Parlament mchtenGeert Wilders fr den Andrej-Sacha-row-Preis nominieren einen Preisfr Persnlichkeiten, welche sich frRedefreiheit und Menschenrechteengagieren. Bisherige Preistrgersind unter anderem Nelson Mandelaoder Burmas OppositionsfhrerinAung San Suu Kyi. Dass die PVVeinen rechtsextremen Fanatiker wieWilders vorschlgt, zeigt, dass sie denBezug zur Realitt gnzlich verlorenhat.

    Jeroen Bosch, Redaktor der Alert!www.alertafa.net

    Rechtspopulismus Niederlande

    lautstark! Ausgabe Nr. 18 September 2010

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    Amsterdam 2010: Proteste fr Wilders.

    10. Antifa-AbendspaziergangMit Beharrlichkeit gegen Rechts

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    Wenn einem die erfolgreiche

    SVP vor der Sonne steht: Die

    rechtsextreme Szene in der

    Schweiz kam im vergangenen

    Jahr nicht vom Fleck. Und

    kmpfte mit hausgemachten

    Problemen.

    Eigentlich htten Schweizer Neona-zis allen Grund zum Frohlocken,sofern sie sich die im Februar 2009prsentierten Ergebnisse des Natio-nalen Forschungsprogramms berRechtsextremismus berhaupt zuGemte gefhrt haben: Rund 4 Pro-zent der Bevlkerung primr

    Jugendliche und junge Erwachsene vertreten eine antidemokratische,autoritre und gewaltbereite Hal-tung. Ein betrchtlicher Teil derBevlkerung bis tief in die Mitteder Gesellschaft ist xenophob undrassistisch eingestellt: 50 Prozenthaben Angst vor Fremden, 30 Pro-zent vor dem Islam, 20 Prozent sindantisemitisch. Der kontinuierlicheund aufdringliche Rechtspopulismusder Schweizerischen Volkspartei(SVP) trgt Frchte. Lngst nimmtdie Partei mit ihren millionenschwe-ren Kampagnen gegen berfrem-dung und Sozialschmarotzertumeuropaweit eine Pionierrolle ein.

    Bewegung im Stillstand

    Und dennoch: Die rechtsextremeSzene kann aus dieser Atmosphreder Fremdenfeindlichkeit und Aus-grenzung kaum Profit schlagen. ImGegenteil: Sie fristet ein Nischenda-sein und stagniert, allerdings aufhohem Niveau. Der harte Kernumfasst, so der Jahresbericht desNachrichtendienstes des Bundes(NDB) fr 2009, um die 1200 Expo-nentinnen und Exponenten, das Re-servoir an Mitlufern um die 600Personen Zahlen, welche die Nach-richtendienstler seit Jahren herumrei-chen.

    Das Treten an Ort hat vor allem zweiGrnde. Erstens drften fr vielepatriotisch gesinnte Jugendliche dieerfolg- und einflussreiche SVP undihre umtriebige Jugendorganisation,die Junge SVP, die weitaus attraktive-re Wahl sein. Zumal gewisse SVP-Parteigrssen keine Berhrungs-ngsten gegenber Rechts kennen,wie drei Beispiele aus dem Jahr 2009belegen: Der jurassische NationalratDominique Baettig liess es sich imOktober nicht nehmen, an derrechtsextremen Convention Identi-taire im franzsischen Orange eineRede zu halten. Der Zrcher SVP-Vordenker und -Nationalrat Chri-stoph Mrgeli seinerseits zhltegestandene Rechtsextremisten Michael Herrmann, Kassier der Par-tei National Orientierter Schweizer(PNOS), und PNOS-Grnder SachaKunz zu seinen rund 800 Face-book-Freunden, zumindest bis ihndie Basler Zeitung im Novemberdarauf aufmerksam machte. Und:

    Im Dezember vermeldete die islam-feindliche Brgerbewegung ProKln den Beitritt des AargauerSVP-Grossrats und -Fraktionsprsi-denten Andreas Glarner, der bereits2007 mit reisserischen Wahlplakatenwie Aarau oder Ankara? aufgefal-len war.

    Zweitens liegt es an der Heterogeni-tt und gegenwrtigen Verfassungder Neonazi-Szene selbst: Die PNOSals wichtigste rechtsextremistischeKraft ist stark mit sich beschftigt.Um die beiden teils miteinanderkonkurrierenden Naziskin-Dachor-

    ganisationen Schweizer Hammers-kins (SHS) und Blood & Honourist es 2009 eher still geworden, nach-dem sie ihren Bruderstreit in denVorjahren auch schon mal mit Fus-ten ausgetragen haben. Ein relativ

    junges, aus Deutschland importiertesPhnomen stellen die hochorgani-sierten Kameradschaften dar, die mitwenigen Ausnahmen (Helvetische

    Jugend, Waldsttterbund oderFrei Nationale KameradschaftSchweiz-Germania) oft rasch wie-der von der Bildflche verschwinden.Und: Der Kreis der Holocaust-Leug-ner ist in den letzten Jahren merklichgeschrumpft.

    PNOS: mit angezogener Hand-bremse unterwegs

    Die politisch ambitionierte PNOShat eine ihrer turbulentesten Zeitenseit der Parteigrndung im Septem-ber 2000 hinter sich: Gerichtsprozes-se, Rcktritte von Exponenten (teilsnur ins zweite Glied), Knatsch in deneigenen Reihen sowie eine in letzterMinute abgeblasene Sektionsgrn-dung haben der Partei zugesetzt. DiePNOS ist heute weit davon entfernt,ihren ehrgeizigen Anspruch als salon-fhige und ernstzunehmende Polit-Kraft einlsen zu knnen. Dennoch:Zumindest in der Neonazi-Szenediesseits des Rstigrabens spielen die

    Eidgenssischen Sozialisten nochimmer und vielleicht strker dennje die erste Geige.

    Die PNOS konnte 2009 ihre Strate-gie, sich in mglichst vielen Regionenauszubreiten und zu etablieren, nurzum Teil weiterverfolgen. Dabeibegann das Jahr fr die PNOS ver-heissungsvoll, gelang es ihr doch, sichendlich ihrer Ursprungsregion for-mell festzusetzen: Am 17. Januarwurde in Gelterkinden die SektionBasel-Stadt/Basel-Landschaft ausder Taufe gehoben. Schlag aufSchlag ging es im Herbst: Am 1. No-vember vermeldete die PNOS dieGrndung der Sektion Schwyz eineeigentliche Reorganisation, erfolgtedoch gleichzeitig die Auflsung derOrtsgruppe Kssnacht am Rigi. Am12. November schaltete sie ein Info-portal fr den Kanton Aargau auf,die Vorstufe zur Sektionsgrndung.

    Dnne Personaldecke schil-

    lernde Figuren

    Eine Vielzahl von internen Ereignis-sen drfte der PNOS einiges Bauch-weh bereitet haben: Die fleissigePNOS-Sektion Berner Oberlanderlebte 2009 einen veritablen Ader-lass auf Vorstandsebene. Anfang Maitrat der Vorsitzende Jordi de Kroonper sofort und aus persnlichenGrnden zurck, Mitte Juni tat esihm der stellvertretende VorsitzendeMario Friso gleich, auch er mitsofortiger Wirkung. Nachgercktsind zwei politisch vllig unbedarfte

    PNOS-Leute: Marco Gaggioli undMarcel Gafner. Der bislang usserstaktive Neonazi Friso, der im Sommer2009 enorm im Rampenlicht standund deswegen seine Stelle als Kochverlor, stellte wenig spter auch denBetrieb seines Aktionsportal Natio-naler Beobachter Berner Oberlandein. Ebenfalls im Juni berichtete derWalliser Bote, dass die PNOS ent-gegen ihrer Ankndigung im Walliskeine Sektion grnden wrde. AlsPrsident wre der Blood &Honour-Mann Jonathan Leiggenervorgesehen gewesen.

    Anfang Oktober trat zudem der Kopfder PNOS-Sektion Emmental, der

    Hammerskin Markus Martig, we-gen Differenzen aus der Partei aus.Ein Abgang, der die Partei doppeltschmerzte: Martig war Mitglied desBundesvorstandes gewesen und hatteauch als Mediensprecher fungiert.Auch der einzige PNOS-Parlamenta-rier, Timotheus Winzenried, trat am15. November nach nur einemAmtsjahr aus dem LangenthalerStadtrat zurck. Zugleich verliess derals Hoffnungstrger gefeierte Win-zenried auch die Partei. Wir warennoch nie so stark wie jetzt, liess sichder regionale PNOS-Chef DominicLthard darauf in der Berner Zei-tung zitieren. Trotzdem musstenochmals Tobias Hirschi ran, der

    zuvor als Mitglied der LangenthalerLegislative keine grossen Stricke zer-rissen hatte. Doch damit nicht genug:Ende Dezember musste sich diePNOS von ihrem eigenen Kandida-ten frs Gemeindeprsidium inLangnau am Albis distanzieren.Georg Jaggi hatte keinen Hehl ausseiner vlkischen Gesinnunggemacht: Ich mchte die germani-sche Rasse vertreten.

    Gerichtstermine sind fester Bestand-teil der PNOS-Agenda. Das war2009 nicht anders. Am 28. Januarverurteilte das Bezirksgericht Aaraudie fnf aktiven oder ehemaligenPNOS-Exponentinnen und -expo-nenten Denise Friederich, AndrGauch, Michael Haldimann, AdrianSpring und Dominic Bannholzer zuGeldstrafen: Das frhere Parteipro-gramm der PNOS eine Kopie des25-Punkte-Programms der NSDAP hatte gegen die Rassismus-Strafnormverstossen. Am 18. Mrz befand das

    Bezirksgericht Brig Jonathan Leigge-ner und 17 weitere Neonazis derRassendiskriminierung fr schuldig.Sie hatten am 17. September 2005 inGamsen das von 400 Rechtsextre-men besuchte ISD-Memorial (ISDsind die Initialen des 1993 verstorbe-nen Screwdriver-Sngers Ian Stu-art Donaldson) organisiert, an demunter anderem die Zrcher Rechts-rock-Band Amok aufgetreten war.Das Schweizer Fernsehen hatte dasKonzert mit versteckter Kameradokumentiert. Drei der Organisato-ren erhielten bedingte Freiheits-

    strafen, die anderen 15 bedingteGeldstrafen.

    Mehr Glck hatte Dominic Lthard,der im Oktober 2008 die damaligeMiss Schweiz Whitney Toyloy alsGeschwr bezeichnete hatte. DasAmtsgericht Aarwangen-Wangensprach ihn am 1. April vom Vorwurfder Rassendiskriminierung frei einschlechter Scherz. Mchtig rgereingehandelt hat sich der damaligePrsident der Basler PNOS-Sektion,Philippe Eglin. Er bezeichnete im

    Juni das Tagebuch der Anne Frankals geschichtliche Lge, die zurHolocaust-Indoktrination vonKindern diene. Die Basler Staatsan-

    waltschaft erhob Anklage, auch ver-lor Eglin seine Stelle als Logistiker beiNovartis. Und: Am 16. September

    verurteilte das Landgericht Uri Mar-kus Martig wegen Rassendiskriminie-rung und Holocaust-Leugnung zueiner bedingten Geldstrafe sowie zueiner Busse. Martig hatte als Redneran der PNOS-Feier am 5. August2007 auf dem Rtli unter anderembehauptet, die Rassismus-Strafnormsei installiert worden, um einegeschichtliche Lge zu sttzen.

    Kleiner Coup am 8. Mrz

    Trotz aller Unbill: Die PNOS gabinnerhalb der Neonazi-Szene auch

    2009 den Takt an. So bestimmte siedie Agenda der Aufmrsche. Fr den8. Mrz rief die PNOS zu einerDemonstration Fr Meinungsfrei-heit Antirassismusgesetz abschaf-fen! in Burgdorf auf. Die Antifakndigte Proteste an, die Behrdenerlaubten der PNOS deshalb nureine Kundgebung auf einem abgele-genen Parkplatz. Die Neonazis ver-legten ihre Aktion kurzfristig nachBern und schlugen so der Antifa undder Polizei ein Schnippchen. Die 150Rechtsextremen mussten ihre Kund-gebung auf dem Berner Bundesplatzallerdings im Schnellzugstempodurchziehen. Auch bei den lngstzum Ritual gewordenen Auftritten an

    der Schlachtfeier in Sempach(27. Juni) und zum 1. August (Natio-nalfeiertag) bernahm die PNOS den

    Jahresrckblick 2009

    lautstark! Ausgabe Nr. 18 September 2010

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    Sind die fetten Jahre vorbei?Die Extreme Rechte in der Schweiz im Jahr 2009

    Das Online-Portal Nationaler Beobachter ist eingeschlafen.

    Inhaltsleere Sempacher Schlachtfeier 2009.

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    Jahresrckblick 2009

    lautstark! Ausgabe Nr. 18 September 2010

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    inhaltlichen und organisatorischenLead. In Sempach beteiligten sichgut 200 Neonazis am Marsch zumSchlachtgelnde, auch rund 100Antifas markierten in Sempach Pr-senz. Rund 180 Personen folgten am2. August einem Aufruf der PNOSzu einem Nationalfeiertag der eid-genssischen Jugend. Als Rednertraten Dani Herger, Exponent desWaldsttterbund, der Westschwei-zer Holocaust-Leugner PhilippeBrennenstuhl sowie Philippe Eglinauf.

    Die PNOS lud 2009 regelmssig zu(Bildungs-)Veranstaltungen mitrechtsextremen Intellektuellen. Am8. Februar sprach in LangenthalBernd Rabehl, einst Mitglied desSozialistischen Deutschen Studenten-bunds (SDS), heute der ExtremenRechten zugeneigt. Rabehl votiertein seiner Rede fr die Querfront. Mitdem Hamburger Reinhold Oberler-

    cher referierte am 26. Juli in Langen-thal ein weiterer ehemaliger 68er, dersich selbst als Nationalmarxistbezeichnet. Sein Thema: die Not-wendigkeit einer nationalen undsozialen Revolution. Am 15. Augustfeierte die PNOS Berner Oberlandihr dreijhriges Bestehen. Neben derdeutschen Rechtsrock-Band Act ofViolence trat unter anderem einvlkisches Urgestein aus dem Kan-ton Bern als Referent auf, der inGesetzen wie der Rassismus-Straf-norm die Grundlage fr die biologi-sche und kulturelle VernichtungEuropas sieht. Der Wiener Revisio-nist und Publizist Walter Marinovicbestritt den Hauptprogrammpunkt

    des PNOS-Parteitags am 8. Novem-ber in Langenthal und hielt eine Lob-rede auf den Dramatiker FriedrichSchiller.

    Auch beim inzwischen geschlosse-nen Neonazi-Treffpunkt RAC-Caf (RAC steht fr Rock againstCommunism) auf dem Areal derLangenthaler Porzellanfabrik zogenPNOS-Exponenten die Fden: Ben-

    jamin Lingg, Stellvertretender Vorsit-zender der PNOS-Sektion Willisau,und Dominic Lthard. Das Lokallockte im vergangenen Jahr vielrechtsextremes Party-Publikum ausdem In- und Ausland an undmutierte zum Politikum: Die Nach-

    barschaft beklagte sich wiederholtber den nchtlichen Lrm.

    Eidgenossen-Romantik und

    unverhohlener Rassismus

    Eine ganze Reihe weiterer nationali-stischer (Kleinst-)Cliquen, mehrheit-lich der noch jungen SchweizerKameradschaftsszene zuzuordnen,setzte sich 2009 auf unterschiedlicheWeise in Szene. Ihr Aktionsradiusbeschrnkte sich meist auf einebestimmte Region, ihr Mobilisie-rungspotenzial hielt sich in Grenzen(30 bis 100 Teilnehmende). Miteinem nationalen Abendspazier-gang am 23. Januar in Luzern pro-testierte ein bislang unbekannterNationaler Widerstand des KantonsLuzern gegen die Schliessung desGemeinschaftsraumes der Kamerad-schaft Morgenstern, die in derRegion Sempach aktiv ist. In letzterMinute vereitelt wurde hingegen eineKundgebung gegen Kinderschn-

    der am 13. Juni in Aarau. Hinterder Aktion steckte Marina Rechstei-ner aus Wiedlisbach, die der FreiNationalen Kameradschaft Schweiz-Germania nahesteht. Der im Mai2008 gegrndete Waldsttterbundum den Schwyzer PNOS-Exponen-ten Dani Herger veranstaltete am11. September in Ennetmoos beiStans eine Gedenkfeier zum Franzo-senberfall von 1798. Am14. November liess der Bund eineGedenkfeier zur Schlacht bei Mor-garten folgen, Fackelumzug inklusi-ve.

    Die rechtsextreme, im Oberaargauund lndlichen Luzern beheimateteHelvetische Jugend das KrzelHJ stand einst auch fr die Hitler-

    Jugend konnte ihr Aktionsfeld mar-kant ausweiten. Seit dem 21. Juni2009 verfgt die HJ ber einen Able-ger im Berner Oberland und bettigtsich mehr denn je als Jugend- und

    Vorfeldorganisation der PNOS. DerNationale Beobachter definierte ineinem Bericht zur Grndungsfeierdie Rolle der HJ so: Unser Nach-wuchs im Berner Oberland wird vonnun an hauptschlich in die Kame-radschaft der HJ Oberland integriertwerden und politisch der rtlichenPNOS-Sektion angehren. Ge-meinsam mit der Mutterpartei fhrtedie HJ am 14. November denn auchin Thun, Spiez und Einigen eineFlugblattaktion zur Minarett-Ini-tiative durch.

    In Genf sorgte im vergangenen Jahr

    die xeno- und islamophobe Gruppie-rung Jeunesses Identitaires umJean-David Cattin mit teilweise aus-gefallenen Aktionen fr Aufsehen.Zwei Beispiele: Am 30. Mai befestig-ten Aktivisten ein Transparent mitder Aufschrift Reprenez vos Clan-destins (Nehmt eure Illegalenzurck) ans Portal der algerischenBotschaft. Am 7. November wurdedas Quartier Petit-Saconnex, Stand-ort der Genfer Moschee, gegen 7 Uhrmorgens aus einem fahrenden Automit einem Muezzin-Gebetsrufbeschallt. Ebenfalls im Novemberwar die Moschee zweimal Ziel einesAnschlages wer hinter den Atta-cken steht, ist bis heute unklar.

    Wenig schwer verdauliche

    Musikkost

    Arm an (Konzert-)Hhepunkten, nurein neuer Tontrger: Das Jahr 2009war kein guter Musikjahrgang frhiesige Neonazis. Hat die Schweiz ihr

    Image als Rechtsrock-Konzertpara-dies Europas definitiv abgestreift?Zumindest sind die Behrden wach-samer als auch schon, was die rechts-extreme Szene zur konspirativenOrganisation ihrer Konzerte zwingt.Mit der Folge, dass die Teilnehmer-zahl meist klein bleibt. Am 25. Aprilveranstalteten die Schweizer Ham-merskins (SHS) und ihr Unterstt-zungsnetzwerk Crew 38 einenRechtsrock-Event im Raum Zrich.Vor rund 250 Personen spielten diedrei deutschen Bands Propaganda,Sturmtrupp und Radikahl. Am31. Juli trafen sich rund 200 Neonaziszur Plattentaufe der Band Indiziertin Huttwil: Das riecht nach rgerheisst das bereits vierte Album derBand um die beiden Burgdorfer Br-der Alex und Cdric Rohrbach. Ins-gesamt brachte es Indiziert 2009nur auf zwei Auftritte. Im Septembergab die Band ein Konzert am ISD-Memorial im italienischen Verona.

    Am 8. August fand in einer Waldht-te in Mnnedorf zudem ein von rund100 Rechtsextremen besuchtes Kon-zert mit drei deutschen Bands undeiner Balladen-Sngerin statt.

    Braune Klnge wurden 2009 auchausserhalb der Neonazi-Szene gebo-ten: Am 25. April traten im ZugerKulturzentrum Industrie 45 unteranderem die rechten Metal-BandsRiger und Varg aus Deutschlandauf, die beide gerne mit NS-Symbo-lik kokettieren. Zumindest Vargwird dem National Socialist BlackMetal (NSBM) zugerechnet. Nichtin die Schweiz einreisen durfte hinge-gen Marko Perkovic alias Thomp-

    son. Der kroatische Ultranationalistund Rechtsextremist, der in seinemLiedgut auch die Ustascha-Faschistenverherrlicht, htte am 3. Oktober ineinem Dancing in Kriens ein Kon-zert geben sollen. Als Ersatz-Act tratder Kroate Ante Matic auf undsang fast ausschliesslich Thomp-son-Lieder. Im Saal trugen mehrereBesucher einschlgige T-Shirts oderschwenkten faschistische kroatischeFahnen.

    Geschichtsrevisionismus vor

    grossem Publikum

    Die merklich geschrumpfte Szene derNegationisten und Holocaust-Leug-

    ner verbreitete ihre kruden Thesenim vergangenen Jahr nur punktuell.Eine Veranstaltung der vlkisch-heid-nischen Avalon-Gemeinschaft wid-mete sich am 28. Mrz in Solothurndem NSDAP-Fhrer-StellvertreterRudolf Hess. Als Referenten tratensein letzter Krankenpfleger, AbdallahMelaouhi, und der deutsche Revisio-nist Olaf Rose auf. Diese htten dieErmordung von Hess durch die Eng-lnder meisterlich aufgezeigt, res-mierte der Westschweizer Holocaust-Leugner Gaston Armand Amaudruzin seinem Heft Courrier du Conti-nent.Neben Philippe Brennenstuhl amPNOS-Aufmarsch auf dem Rtli(siehe oben) hatte auch BernhardSchaub 2009 einen medienwirksa-men Auftritt: Der Holocaust-Leug-ner referierte am 31. Oktober amKongress der Anti-Zensur-Koalitionin St. Gallen. Vor fast 2000 Zuhre-rinnen und Zuhrern verlangte ereine Revision der Geschichte und

    sprach beilufig auch von Negern.Im fernen Moskau meldete sichzudem der prominenteste Schweizer

    Justiz-Flchtling, Jrgen Graf, zuWort. Der Revisionist hielt am15. April einen Vortrag an einer Pri-vatuniversitt, welche vom bekann-ten russischen RechtsextremistenWladimir Schirinowski gegrndetworden war.

    Attacken, Provos, Prgeleien

    in trauriger Regelmssigkeit

    Die menschenverachtende Gesin-nung der Neonazis gipfelt immerwieder in bergriffen von teilserschreckender Brutalitt, so auch imvergangenen Jahr: In den Nchtenauf den 22. und 26. Mrz zerstrtenRechtsextreme Fenster, Tren undden Tischfussballkasten des autono-men Kulturzentrums LaKuZ inLangenthal. Am 2. Mai griffen rund15 Naziskins ein von Punks und lin-ken Jugendlichen veranstaltetesAntifaschistisches Brteln in Biglen

    an. Mit Baseballschlgern undSchlagringen ausgerstet, lauertensie beim Bahnhof den Abreisendenauf. Ein 16-Jhriger aus der linkenSzene wurde spitalreif geschlagen.Am 6. Juni versuchte eine grssereGruppe Rechtsextremer, den Umzugder schwullesbischen Euro-Pride inZrich zu stren. Die Polizei nahminsgesamt 30 Strer fest, die unteranderem rechtsextreme Parolenskandierten.Rechtsextreme prgelten sich am8. Oktober am Jahrmarkt von Kalt-brunn mit anderen Festbesuchern.Traurige Bilanz: zwei Verletzte. Her-beieilende Polizisten wurden provo-ziert und bel beschimpft. Zwei Per-

    sonen setzten sich bei ihrer Festnah-me heftig zur Wehr. Unbekanntebewarfen am 1. November in Mri-ken eine Asylunterkunft mit Eiernund beschdigten eine Tre sowieeine Fernsehantenne. Auch spraytensie Tamil stirb, Heil Hitler undHakenkreuze. Vor dem Areal desBar & Pub Festivals in Tuggen lie-ferte sich eine Naziskin-Clique ausdem Glarnerland in der Nacht aufden 8. November eine wste Keilereimit weiteren Jugendlichen. Vier Per-sonen mussten sich im Spital behan-deln lassen. Und: In Saillon provo-zierte am 5. Dezember ein Naziskinin einer Disco die Umstehendenzunchst mit Nazisprchen. Als ihnein Schweizer kosovarischer Her-kunft massregelte, stach er diesemmit einem Messer in den Hals. DasOpfer berlebte nur mit viel Glck.Spter wurde bekannt, dass derNaziskin am selben Abend bereitseinem Musiker zwei Zhne ausge-schlagen hatte.

    Auch die Justiz bekommt es regel-mssig mit Nazi-Schlgern zu tun.Drei exemplarische Flle aus dem

    Jahr 2009: Das Glarner Kantonsge-richt verurteilte am 21. Januar zweiNeonazis aus Hombrechtikon undRti einer der Tter ist Schlagzeu-ger bei der Band Amok wegenihrer Beteiligung am Angriff auf eine

    Juso-Veranstaltung im Glarner Volks-garten vom Sommer 2007 zu Geld-strafen. Bei der Attacke hatte es Ver-letzte gegeben, unter ihnen auchZivilpolizisten, die eingeschrittenwaren. Am 27. Januar mussten sichdrei Naziskins, die einen Hrbehin-derten spitalreif geschlagen hatten,vor dem Bezirksgericht Aarau verant-worten. Die Rechtsextremen hattendas Opfer noch traktiert, als es bereitauf dem Boden gelegen hatte. Auchsie erhielten Geldstrafen. Glimpflichdavon gekommen mit bedingt aus-gesprochenen Strafen und einemFreispruch sind am 2. September

    hingegen sieben Neonazis, die zwi-schen Mai 2005 und Anfang 2007 beidiversen Veranstaltungen mehrerePersonen teilweise erheblich verletzthatten. Wegen der schlampigenErmittlungsarbeit der Untersu-chungsbehrden in drei Kantonenfehlten dem Baselbieter Strafgerichtdie griffigen Beweise.

    Familie Rechsteiner in Aktion.

    Schaub am AZK-Kongress.

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    Die offizielle Schlachtfeier in

    Sempach verlief dieses Jahr

    ruhig. Eine Woche darauf zogen

    jedoch an die 150 Neonazis zum

    Schlachtdenkmal und trafen

    sich nach der obligaten Kranz-

    niederlegung zu einem Lieder-abend in Oberarig in der Nhe

    von Nottwil.

    Aufgrund der letztjhrigen Gescheh-nisse um die Schlachtfeier in Sem-pach gestaltete sich die Situation indiesem Jahr erheblich komplizierter.Nachdem Neonazis in den Jahrendavor immer zahlreicher am Umzugteilnahmen, geriet der Aufmarsch2009 in den Blick einer breiterenffentlichkeit. Einerseits aufgrundder gelungenen Moblilisierung linkerGruppierungen nach Sempach,andererseits durch die grosseMedienaufmerksamkeit nach derVerffentlichung von Nahaufnahmensmtlicher Teilnehmerinnen undTeilnehmer durch die AutonomeAntifa Freiburg im Jahr 2008. DieGegendemonstration zum Naziauf-marsch lste bei den Verantwortli-chen derartige ngste vor einer Kon-frontation aus, dass sie beschlossen,die offizielle Gedenkfeier aufgrund

    des schlechten Wetters im Stdt-chen zu belassen. Die Neonaziskonnten trotzdem ungehindert ihrenMarsch zum Denkmal durchfhren,whrend die Gegendemonstrantin-nen und -demonstranten polizeilich

    blockiert und eingekesselt wurden.

    Schwchere Mobilisierung

    Als logische Konsequenz fand diediesjhrige offizielle Schlachtfeier inForm eines Gedenkgottesdienstesohne Marsch zum Schlachtdenkmalstatt, auch um die eigenen Hndevom Vorwurf, Plattform fr die mitt-lerweile grssten Neonazi-Aufmr-sche in der Schweiz zu sein, reinzu-waschen. Die in der Region federfh-rende PNOS-Sektion Willisau sahsich deshalb vor dem Problem, nichtmehr willkommen zu sein. Sie riefenerfolgreich zu einer Nicht-Teilnahmeauf und versuchten, heimlich auf dasnachfolgende Wochenende zu mobi-lisieren. Die Folgen: deutlich wenigerTeilnehmerinnen und Teilnehmer alsin den Jahren zuvor und Antifas, dietrotzdem vor Ort waren, um denNazis die Suppe gehrig zu versal-zen.

    Am 3. Juli wurden die allmhlich ein-treffenden Neonazis via Schleusen-punkt zum Schtzenparkplatz gewie-sen, von wo aus um 17 Uhr derMarsch Richtung Schlachthhebegann. Unter den Teilnehmern

    befanden sich nebst vielen altbekann-ten Gesichtern vor allem Leute ausder Inner- und Ostschweiz sowieerstaunlich viele Aktivistinnen undAktivisten aus dem Umfeld vonBlood & Honor. Der LuzernerNeonazi Daniel Villiger, welchermassgeblich an der Organisation derFeier mitwirkte, informierte allge-mein ber den Ablauf des Anlasses,worauf Adrian Segessenmann berKostenaufwendungen der StadtSempach fr den Polizeieinsatzschwadronierte. Nach weiteren un-spektakulren Reden im Regen, wel-chen strammstehend und diszipli-niert gelauscht wurde, legten die Teil-nehmer im Gedenken an ihre ( Phan-tasie-)Helden und antiquiertenSchweizbildern den obligaten Kranzam Denkmal nieder. Der Polizeiein-satz beschrnkte sich laut eigenenAngaben auf eine Streife zwecksberwachung des Anlasses diesewar aber weit und breit nirgends zusehen.

    Sanfte Klnge ble Drohungen

    Im Laufe des Abends trafen sich diePatrioten zu einem musikalischenTagesabschluss im kleinen WeilerOberarig bei Nottwil. Als Mieter des

    Partylokals fungierte wiederumDaniel Villiger. Es traten der bayeri-sche Liedermacher Flex (FelixBenneckenstein, wohnhaft in Dort-mund) sowie der Barde Fylgien(Sebastian Dring, Berlin) auf. Ver-mietet wurde das Lokal durch einenLukas Meier, welcher nachtrglich wie bei derartigen Anlssen blich von nichts wissen wollte; auch telefo-nisch war er nur mehr schwer zuerreichen.

    Die PNOS schien vorerst ber denungestrten Ablauf ihrer Feierganz glcklich, bis sie bemerkte, dassihr Kranz von aufmerksamen Antifa-Aktivistinnen und -Aktivistenbeschlagnahmt worden war. Diesschien sie derart zu rgern, dass derPrsident der Sektion Willisau,Michael Vonsch, kurzerhand einKopfgeld auf besagte Antifas aus-schrieb, jegliche Linken des KantonsLuzern physisch zur Verantwortungziehen wollte und damit drohte, knf-

    tig niedergelegte Krnze mit Spreng-fallen zu sichern. Womit Vonsch dieReichweite der politischen Ideen derPNOS und deren Einfaltigkeit erneutuntermauerte.

    Neonazis: isoliert und auf sichselbst zurckgeworfen

    Wie die Schlachtfeier in Zukunft aus-sehen wird, ist bislang unklar. DerKanton Luzern mchte den Anlasserweitern und modular gestalten,wodurch eine grssere Flexibilitt imUmgang mit etwaigen Strenfriedenerreicht werden soll. Bei den Neona-zis hingegen zeichnet sich, wie beider Rtlifeier auch, als Antwort einTrend hin zu eigenstndigen Anls-sen ab. Was durchaus auch seinGutes hat: So kann den politischunbedeutenden und marginalisiertenNeonazis die viel zu hohe Medien-aufmerksamkeit entzogen werden,welche sie sich durch Teilnahme anoffiziellen Veranstaltungen immerwieder zu nehmen wussten. Und:Wie wir bereits gesehen haben, kannim kleinen Rahmen viel effektiver ge-gen ihre Feiern vorgegangen werden.

    Antifa Oberland

    Zurzeit gibt die geschlossene

    Bar an der Rtschelengasse in

    Burgdorf ein erbrmliches Bild

    ab: Der Raum ist dunkel, die

    Sthle sind hochgestellt, und die

    grossen Scheiben zieren Spinn-

    weben vom letzten Anschlag.

    Ein Resmee ber ein bisher

    einmaliges, aber kurzlebiges

    Projekt der rechtsextremen Sze-

    ne in der Schweiz.

    Das Vorhaben ist dreist: Am 12. Mai2010 erffnet die rtliche Neonazi-szene in Burgdorf mit der RoyalAces Tattoo-Bar den ersten ffentli-

    chen Treffpunkt fr Neonazis in derSchweiz. Als Betreiberin des Lokalsfungiert Sophie Gntensperger, dieFreundin des langjhrigen Burgdor-fer Naziskins Reto Siegenhaler, mitdem sie auch die Wohnung teilt. Frden Umbau der Bar konnte Gntens-perger auf die handwerkliche Unter-sttzung ihrer rechtsextremen Kame-raden zhlen. Unter anderem gingder Burgdorfer Alex Rohrbach,Burgdorfer Gitarrist der Rechtsrock-Band Indiziert, in der Renovati-onsphase ein und aus.

    Auch wenn auf der Website der Barkeine politischen Aussagen prangen,ist die politische Stossrichtung ein-

    deutig. Die Fangemeinde auf der

    Facebook-Seite spricht nmlich eineandere Sprache: Neben AdrianSegessenmann (Prsident der neu-heidnisch-rassistischen Avalon-Ge-meinschaft), Cdric Rohrbach(Schlagzeuger der Rechtsrock-BandIndiziert) oder Michael Herrmann(Prsident der PNOS-Sektion Basel)zhlt auch das Fhrungsduo derPNOS-Landesleitung, Dominic Lt-hard und Denise Friedrich, zumFreundeskreis allesamt wohlbekannte Vertreterinnen und Vertre-ter der Extremen Rechten. Auch derName Royal Aces Tattoo-Barkommt nicht von ungefhr, sondern

    nimmt Bezug auf den Song RoyalAces der deutschen Neonazi-BandBarking Dogs, der von stolzenund ttowierten Rebellen handeltund den Strassenkampf zum Heili-gen Krieg erklrt.

    Zusatzangebot Neonazi-Tto-

    wierer

    Trotz des medialen Rummels rundum die Bar macht Christian Riegelsechs Wochen spter mit der Erff-nung des Tattoo-Studios das Angebotkomplett. Der 30-Jhrige scheint inder rechtsextremen Szene gut veran-kert, wie sein Facebook-Profil offen-bart.

    Aus seiner Gesinnung macht der

    Waffennarr auf Facebook keinenHehl: Bei Politischer Einstellung inder Rubrik Info prangt ein Haken-kreuz, und im Fotoalbum posiert derKahlgeschorene mit einem Kamera-den vor einer Hakenkreuzfahne. Rie-gels Brust schmckt ein Hakenkreuz-Tattoo mit Revolver, und auch dasLogo der Crew 38, des internen Un-tersttzungsnetzwerks der militantenHammerskin-Nation, fehlt nicht zweifelsohne ein Bilderbuch-Neona-zi. Die besonders delikaten Fotos hatChristian Riegel inzwischen aus sei-nem Facebook-Fotoalbum entfernt.

    Weder der Verwalter noch der Besit-zer der Liegenschaft scheinen sich ander Szenebar zu stren im Gegen-teil. Der Immobilien-Treuhnder

    Jrg Jost aus Burgdorf, der die Lie-genschaft im Auftrag von Urs Glau-ser (Niederhnigen) betreut, stelltsich sogar standhaft hinter seinerechtsextreme Mieterschaft. SeinenNamen will er aber partout nicht inder Presse lesen, was er auch gegen-ber Journalisten mit nicht zitierba-ren Kraftausdrcken deutlich macht.

    Die erste Medienwelle zur Erffnungbeschert der Royal Aces Tattoo-Bar zwar lokale Bekanntheit, einenPopularittsschub verleiht sie ihr hin-

    gegen nicht. Nach einem schwung-

    vollen Auftakt schwindet die Gste-zahl nun merklich. Meist ist es nurnoch eine Handvoll Rechtsextremer,die sich abends am Tresen treffen das normale Publikum bleibt fern.

    Ein Farbanschlag bringt Bewe-

    gung

    Im Juni erhlt die Royal Aces Tat-too-Bar einen nchtlichen Farban-strich, worauf der Regierungsstatt-halter nach einer Lagebeurteilungauf Antrag der Stadt Burgdorf dem Etablissement per sofort dieBetriebsbewilligung entzieht. Die

    Lage sei riskant und es sei mit weite-ren Anschlgen zu rechnen, somitstelle die Bar eine erhebliche Gefahrfr die ffentliche Ordnung, Ruheund Sicherheit dar, so die Begrn-dung. Betreiberin Sophie Gntens-berger reicht gegen den Schliessungs-entscheid bei der kantonalen Volks-wirtschaftsdirektion Beschwerde ein.Ihr Betrieb sei kein Klublokal frRechtsextreme, sondern eine ganznormale Bar fr jedermann.Die Beschwerde zeigt Wirkung, Gn-tensberger kann ihre Bar vorberge-hend wieder ffnen. Doch die Freudeist nur von kurzer Dauer. Noch bevorder Entscheid der Volkswirtschaftsdi-rektion aussteht, greifen Unbekannte

    abermals die Bar an. Diesmal wird

    die mittlerweile ersetzte Glasfront mitSteinen eingeschlagen. Nach diesemzweiten Vorfall entscheidet die Volks-wirtschaftsdirektion, gesttzt auf Ein-schtzungen der rtlichen Behrden,das Lokal aus Sicherheitsgrndenerneut zu schliessen diesmal ohneaufschiebende Wirkung. Eine weitereffnung der Bar knnte neue Angrif-fe provozieren, wobei auch eineGefhrdung von Leib und Lebennicht ausgeschlossen werden kann,so die Polizeimitteilung.Die Lichter der Royal Aces Tattoo-Bar bleiben somit bis auf weiteresaus. Und es macht nicht den An-

    schein, als wren die Rechtsextremengewillt, den Entscheid an eine nchsthhere Instanz weiter zu ziehen.

    Burgdorf / Sempach

    lautstark! Ausgabe Nr. 18 September 2010

    7

    Der Joker hat ausgegrinst.

    Das kurze Kapitel einer Neonazi-BarDas Seilziehen um die Royal Aces Tattoo-Bar

    Eine Feier im AbseitsGemeinsamkeiten von Innerschweizer und deutschen Nazibarden

  • 8/3/2019 Lautstark! #18 / September 2010

    8/8

    Liebe TerroristInnen, Mrder-

    Innen und AntifaschistInnen:

    Eigentlich knnte man sich ja

    angesichts der Furzidee von

    Erich Hess gemtlich zurck-

    lehnen und den Reitschule bie-

    tet mehr-Sommerherbst ge-

    niessen. Mit einer Annahme der

    SVP-Initiative Schliessung und

    Verkauf der Reitschule an den

    Meistbietenden ist kaum zu

    rechnen (trotzdem Nein stim-

    men gehen, gell!), und selbst

    dann wrden wir die Reit-

    schule kaufen. Und notfalls

    wrde sich ja Genosse Gaddafi

    mit Blocher eine milliarden-schwere Gebote-Schlacht um die

    Reitschule liefern...

    Freiraumschwund und Men-

    schenhatz

    Doch was beim ganzen Reitschulebietet mehr-Hype ein wenig unter-geht, ist die Erkenntnis, dass dieAttacken der SVP-Prinzen ErichHess und Thomas Fuchs auf dasautonome Kultur- und Begegnungs-zentrum nur die Spitze des Eisbergssind. Die Angriffe (teilweise brigensoft heftiger von Linksgrnmitte-Br-gerlichen) auf andere Freirume,alternative Projekte und Begegnungs-

    orte in dieser Stadt also auf Gas-senbeizen, besetzte Huser undWagenpltze sowie auf den ffentli-chen Raum ( Heiliggeistkirche, Bahn-hof(platz), Bundesterrasse, Kleineund Grosse Schanze, Innen- und Alt-stadtgassen etc.) sind zum Wohleder flanierenden PassantInnenschon lange am Laufen (repressiveDrogen-, Vertreibungs- und Sozial-politik, beruniformierung, Geset-zes- und Reglementierflut, Privatisie-rung, Gentrifizierung etc.). Und da-mit natrlich auch die Dmonisie-rung und Kriminalisierung (zum Bei-spiel Wegweisungen) ihrer Bentzer-Innen und anderer Unliebsamer(Haus-/PlatzbesetzerInnen, Demon-

    strantInnen, Drogenkonsumierende,DealerInnen, Punks, BettlerInnen,Sans-Papiers, Antifas, Jugendlicheetc.). Hinzu kommen die Angriffe ge-gen die auf nationaler Ebene Ange-feindeten (AuslnderInnen, Sozialhil-febezgerInnen, Muslime, Ausschaf-fungshftlinge etc.).

    Amok-Ritter gegen die links-

    grne Weltverschwrung

    Hinter den Angriffen von Rechtsaus-sen immer im Interesse allerOpfer der linksgrnen Weltver-schwrung gegen die BrgerInnen

    steckt in der Region Bern meist dasDream-Team Hess & Fuchs. IhrMotto: Egal mit welchem Thema,egal mit welchem Nonsens, egal aufwessen Kosten Hauptsache, wirsind in den Schlagzeilen. Diese Stra-tegie geht unter anderem dank der20-Minuten-Gesellschaft und guterBlick am Abend-Connections auf:Die beiden Stadtberner SVP-Politi-

    ker (leitende SVP- und JSVP-Postensowie etliche sonstige Parteimtli)stiegen und steigen das Karrierelei-terli hinauf und sitzen demnchst zu-sammen im Berner Grossen Rat. Bei-de berichten und hetzen seit Jahrenmit ihrem Kampfblatt Bern Aktu-ell (Vereinsblatt der berparteili-chen Vereinigung Bern Aktiv,(...) bald die einzige neutrale Zei-tung, die nicht mit linkslastigerBerichterstattung die Meinung undGunst ihrer Leser manipuliert) imGeiste Blochers ber und gegen al les,alles was nicht recht(en)s ist in derHauptstadt der Anarchie*.

    Whrend Hess, untersttzt vonFuchs, gerade mit seiner blen Hetz-kampagne die Anti-Reitschule-Initia-tive forciert, agitiert Fuchs gegen dasBleiberechts-Camp auf der KleinenSchanze (Sans-Papiers und Linksex-tremisten), gegen die Wagenpltze-Stadttauben (Plage) und Zaffaraya(illegale Bauten) im Einzelnen undWohnexperimentzonen im Generel-len.

    Beide sind in etlichen Vereinen undGruppierungen aktiv: So leitet etwaThomas Fuchs als Vereinsprsidentzusammen mit Hess-Loverin,Shawn-Fielding-Busenfreundin und

    neu auch SVP-Mitglied SylviaLafranchi die Geschfte von ProLibertate, einem Zusammenschlussvon ehemaligen Kalten KriegerIn-nen und jetzt freiheitlichenSchweizerInnen. Auch fr das leibli-che Wohlergehen ist das Duo aktiv:Fuchs amtet als Prsident der Sama-ritervereinigung der Stadt Bern undmanagt zusammen mit Hess denSamariterfahrdienst Bern-Biel-Thun

    was einem angesichts von ErichHess leidlich bekanntem Umgangmit Alkohol am Steuer nur ungeheu-er vorkommen kann...

    Neuestes seris wirkendes Vehikelim Kampf gegen alles ist der Bund

    der Steuerzahler (BDS), bei demFuchs als Geschftsleiter amtetund gegen Zaffaraya und Reitschulehetzt.

    No pasaran! heisst, dem was

    entgegenzusetzen

    Also ihr TerroristInnen, MrderIn-nen und AntifaschistInnen: Es ist wieimmer machen statt motzen:Anstatt stndig bei Bier und Wein inund vor der Reitschule zu hockenund die neuesten Rubergeschichtenber SVP-Amok-RitterInnen auszu-tauschen und nur fr YB mal aus derReitschule-Burg zu gehen, wird esendlich wieder Zeit, ausserhalb aktivzu werden. Denn es gibt neben derReitschule in dieser Stadt noch ande-re Freirume und Begegnungsorte,die erkmpft, verteidigt und wieder-erobert werden mssen. Und auchwenn die Reitschule mehr bietet:Manchmal ist es schn, hie und daauch woanders hingehen zu knnen,

    um sich dort mit anderen SVP-Hass-objekten auszutauschen und gemein-same Aktionen zu planen. Und ber-haupt: Der Kampf gegen Rassismus,Sexismus, Ausbeutung und gegen an-dere Unterdrckungsformen und frFreirume und Begegnungsorte allerArt findet nicht (nur) an Abstim-mungssonntagen statt, sondern in un-seren Herzen und Kpfen und aufden Strassen und Pltzen dieserStadt! Und letztere braucht dringendwieder 1, 2, 3, .... viele Edelweiss-piratInnen!

    Mehr Herzeli weniger SVP!

    Bleiberecht fr alle!

    Hopp Reitschule, Hopp Zri

    West, Hopp YB!

    Mslm for Stadtpresident!

    Hans Dampf 2010

    * Hauptstadt der Anarchie. Die Chaoten gingen nicht

    nach Bern sie leben da. (Sonntagszeitung, 14. Ok-

    tober 2007, Headline nach dem 1. Anti-SVP-Tag vom

    6. Oktober 2007)

    Reitschule bietet mehr

    lautstark! Ausgabe Nr. 18 September 2010

    8

    Impressum:

    Redaktion, Bilder und Layout:Antifa BernAuflage: 6000 Stck.Das lautstark! erscheintdreimal jhrlich.Erscheinungsdatum:14. September 2010Kontakt: Antifa Bern,Postfach 5053, 3001 BernWeb: www.antifa.chE-Mail: [email protected]

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